Coronavirus

Für das Übertreten humanistischer Grundsätze, für die Verletzung der Würde und der körperlichen Unversehrtheit gibt es zu keiner Zeit der Welt eine Rechtfertigung, auch wenn die Mehrheit ein solches Verhalten toleriert oder gar fordert.

            (Jörg Hacker, Robert-Koch-Institut, 1.10.2008)

Weltweite Gesundheit ist Utopie und kann keine Pflicht sein. Wenden wir uns also vom herrschenden Pandemieprinzip ab und kehren zurück zum vernünftigen, abwägenden Denken und Handeln in der Politik und bei der Gestaltung unseres individuellen Lebens auf der Basis unseres Grundgesetzes

(aus: „Zehn Thesen zum rationalen und humanen Umgang mit Corona“ von Paul CullenKarl-Heinz    Jöckel, Ulrich KeilAngela Spelsberg  und Andreas Stang, 4.11.2021).

Mein kritischer Corona-Blog hat im März 2020 klein angefangen und ist im Laufe der Pandemie zu beträchtlicher Länge angewachsen. Er hat Hunderttausende von Lesern gefunden. Betrachten Sie ihn als Zeitdokument, oder mit seinen zahlreichen Referenzen als eine Art Steinbruch für Informationen.

Benutzen Sie das Inhaltsverzeichnis, um einzelne Kapitel zu lesen, suchen Sie nach Stichworten über die Browser-Suchfunktion, oder suchen Sie die Aktualisierungen der letzten Tage: Sie sind jeweils in blauer Farbe dargestellt – schneller zu finden, wenn Sie die Seite mit dem Rautezeichen # durchsuchen. Möglichkeiten aktiv zu werden und Bücher/Filme zum Thema sind in roter Farbe dargestellt und mit einem * zu finden. Das Kapitel über die COVID-19-Impfung halte ich in einem Extra-Beitrag (tages)aktuell. DIe Impfdebatte wird uns noch längere Zeit begleiten.

Meine Absicht ist es, zu zeigen, dass es viele kritische Stimmen zum politischen Management der Coronakrise gab und gibt, unter anderem von Juristen, Ärzten, renommierten Wissenschaftlern und unerschrockenen Journalisten. Das Wesentliche ist jedoch längst gesagt: Die politische Antwort auf die Pandemie war ein weitgehend evidenzfreies, menschenverachtendes Experiment und die vorsätzliche Erzeugung einer Massenhysterie (Blanco 17.7.2022).


Inhaltsverzeichnis:


Aktionen:

  • Die Vereine „Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung“ und die „Initiative Freie Impfentscheidung“ setzen sich weiter gegen jede Art von Impfpflicht ein. Die wesentlichen Argumente finden Sie hier.
  • *In der Heidelberger Ärzteerklärung verpflichten sich Ärzte, ihre Patienten mit Respekt zu behandeln, unabhängig von Hautfarbe, Religion oder Impfstatus, und ihr Recht anzuerkennen, frei über ihren Körper zu entscheiden. Sie lehnen Meinungsunterdrückung, eine einseitige, dogmatische Wissenschaft, das übergriffige Durchsetzen von finanziellen oder weltanschaulichen Fremdinteressen und jede Form von Diskriminierung ab (Heidelberger Ärzteerklärung 1.10.2022).

Die Coronakrise: Politikversagen mit Langzeitfolgen

Die Erzählung, die uns die Politiker und die meisten Medien während und auch nach der Pandemie boten, war eine einseitige, angstgetriggerte und in großen Teilen inzwischen widerlegte Version.

SARS CoV2 war nie der heraufbeschworene Killervirus, und es gab nie eine belastbare Evidenz für die Wirkung der verhängten Pandemiemaßnahmen, seien es Maskenpflicht, Impfpflicht, Impfung von Kindern und Jugendlichen, Absonderung von Ungeimpften, Massentestungen oder Lockdowns.

Mit unglaublicher Hybris hielten die Verantwortlichen trotzdem daran fest und behaupteten, sie könnten ein Erkältungsvirus aufhalten und eliminieren, Wellen „brechen“ oder „vor die Welle“ kommen. Sie hatten sich in einer Wagenburg eingerichtet, umgeben von Lakaien-Experten, die ihnen das Wort redeten (realtom 14.3.2022). Das machte sie taub gegenüber anderen Stimmen. Panikmache, Lügen und Diskriminierungen  waren die vorherrschenden politischen Stilmittel.

Das Team um Matthias Schrappe benannte die sich daraus entwickelnde Zwickmühle der Politiker treffend:„Da vielerlei Maßnahmen ohne stichhaltige Begründung eingeführt wurden, besteht jetzt die Schwierigkeit, deren Beendigung ohne Bezug auf den Wegfall dieser Gründe verständlich machen zu müssen“ (Schrappe 27.3.2022).

Eine gnadenlose Abrechnung mit den Pandemiemaßnahmen inclusive Massentests und -impfungen veröffentlichte Boris Kotchoubey, medizinischer Psychologe und Verhaltensneurobiologie, im Mai 2023 in Cicero. Sein Fazit: „Die gegenwärtig in den Medien verlautbarte Meinung, die Fehler in der Corona-Politik erklären sich durch die hohe Unsicherheit der damaligen Lage und unsere jetzige Beurteilung dieser Fehler beruhe auf einem Wissen, das damals gar nicht vorhanden war, kann nur in Bezug auf den ersten Lockdown im März-Mai 2020 akzeptiert werden. Alle weiteren Corona-Maßnahmen wurden angeordnet, nachdem deutliche Hinweise darauf, manchmal sogar klare Signale darüber vorlagen, dass die Maßnahmen mehr schädlich als nützlich sein würden (Kotchoubey 19.5.2023, Kotchoubey 21.5.2023).

Der für die Bundesregierung(en) vernichtende Evaluierungsbericht des Sachverständigenrats vom 1. Juli 2022 war eine Genugtuung für alle, die der Pandemiepolitik in den letzten 27 Monaten kritisch gegenüberstanden und dafür diffamiert und ausgegrenzt wurden (BGM 1.7.2022, BZ 1.7.2022, Freitag 8.8.2022).

Ich kann nicht verhehlen, dass mich die Entwicklung der letzten drei Jahre zutiefst erschüttert hat. Die Missachtung von Grund- und Freiheitsrechten und die die unglaubliche Eskalation, der wir ausgesetzt waren, waren für unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Frieden brandgefährlich. Das Vertrauen, das Politiker, Public Health-Experten, Richter und Medien verspielt haben, ist schwer wieder zurückzugewinnen.

Die Folgeschäden der deutschen Coronapolitik – psychisch, sozial, finanziell – werden uns noch Jahre beschäftigen. Entschuldigungen für die Ausgrenzungen und die Spaltung der Gesellschaft waren bisher nicht zu vernehmen, auch Rücktritte gab es keine (NZZ 3.8.2022). Die fehlende Aufarbeitung lässt für künftige Krisen Schlimmes befürchten.

So wurde am 8. August 2022 vom Bundestag ein „neues“ und nach wie vor gültiges Infektionsschutzgesetz verabschiedet, das wieder genau die altbekannten Maßnahmen aus der Mottenkiste kramte: Testpflichten, FFP2-Maskenpflichten, Abstandregeln, Personenobergrenzen, Maßnahmen an Schulen und in Kindergärten. Am Tag vor der Abstimmung über das neue Gesetz wurden erste Ergebnisse der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen IMMUNEBRIDGE-Studie zu SARS-CoV2-Antikörpern in der Bevölkerung bekannt. Demnach hatten über 95 Prozent der Bevölkerung SARS-CoV2-Antikörper durch Impfung oder Infektion. Verpflichtende Coronamaßnahmen waren auch vor diesem Hintergrund absurd (Berit 8.8.2022, Rabe 7.9.2022, BMBF 13.10.2022).

Die Initiative Kindeswohl hatte kurz vorher noch einen offenen Brief (IF 11.8.2022) an Politik, Presse und Öffentlichkeit gerichtet, um sich für eine Bildungslandschaft ohne Corona-Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Hunderttausende Menschen, auch minderjährige Auszubildende und Medizinstudenten waren bis Ende 2022 von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen, die im Mai 2022 vom Bundesverfassungsgericht mit einem Skandalurteil durchgewunken wurde.

Die Isolationspflicht – eine eher kontraproduktive Maßnahme, wie Vergleichszahlen aus Nachbarländern zeigen (Zack 8.10.2022) – und die einrichtungsbezogene Impfpflicht blieben lange bestehen. Der fortgesetzte Eingriff in Freiheitsrechte wie Persönlichkeitsrecht, körperliche Unversehrtheit, Handlungsfreiheit (bt 30.4.202) – mal eben so in einer „Schalte“. Marc Felix Serao, Chefredakteur der NZZ schrieb im September 2022: „Man kann nur froh sein, dass die Bundesregierung im Umgang mit der Pandemie in Europa isoliert ist. Früher waren Deutschlands nationale Alleingänge gefürchtet. Heute erwecken sie Mitleid“ (NZZ 8.9.20922). Der Evidenzexperte Gerd Antes kommentierte den deutschen  Sonderweg in einem Interview: „Wir steuern das Land auf einem Niveau, das methodisch zuweilen unter dem Anfängerniveau studentischer Lehrbücher liegt.“ (Cicero podcast 2.9.2022 ab Min 23:00).

Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidungsträger zur Verantwortung gezogen werden – vor allem die, die unbeeindruckt immer weiter eine Steinzeit-Pandemiepolitik betrieben, allen voran der Bundesgesundheitsminister.

Notwendig ist auch ein vertrauensbildender Versöhnungsprozess mit Politikern, Medien, Juristen und verlorenen Freunden und Verwandten, bei denen eine Wiederannäherung möglich erscheint.

Beunruhigend sind die Langzeitfolgen der Pandemie-Politik:

  • Durch die oberste Priorität von Infektionsschutz und Hygieneregeln und durch deren drehleierartige Propagierung im öffentlichen Raum kam es zu einer Neurotisierung und Traumatisierung der Gesellschaft, zu einer kollektiven Angst- und Zwangsneurose.
  • Unseren Kindern haben wir schlimmen Schaden zugefügt, indem wir bei ihnen Angst und Schuldgefühle erzeugten, ihnen Abstandsregeln, Waschrituale, Masken, Impfdruck und Quarantäne bis hin zur Isolation innerhalb der Familie aufzwangen, und ihnen das Recht auf uneingeschränkte Kommunikation und Bildung nahmen.
  • Unseren Jugendlichen haben wir Schaden zugefügt, indem wir ihnen die Kontaktmöglichkeiten nahmen und sie damit dem Risiko psychischer Krankheiten wie Depression, Angststörung, Essstörungen und Mediensucht aussetzten.
  • Die mit Bedacht erzeugte und aufrechterhaltene Panik begünstigte ein Klima von Aggressivität, Denunziation, Entsolidarisierung und Respektlosigkeit gegenüber Andersdenkenden.
  • Die von der Pandemiepolitik geschaffenen Bedingungen haben unzählige Existenzen vernichtet. Gerade der Kulturbereich hat nachhaltigen Schaden erlitten. Die durch die Staatsverschuldung mitverursachte Inflation bringt viele weniger gut Situierte in große wirtschaftliche Schwierigkeiten.
  • Weltweit haben die Pandemie-Maßnahmen zu einer Wirtschafts-, Gesundheits- und Hungerkrise von schrecklichem Ausmaß geführt – wesentlich gravierender als die Pandemie selbst.

Das Vorhaben, das Coronavirus zu „besiegen“ trug die Saat des Totalitarismus in sich. Die autoritäre Verbots-, Zensur- und Überwachungspolitik hat unsere Grund- und Freiheitsrechte zur Disposition gestellt. Demonstrationen für diese Rechte wurden diffamiert, behindert oder verboten.

Menschen, die nicht geimpft werden können oder wollen, durften ihre Grundrechte nicht mehr ausüben, wurden von der sozialen Teilhabe ausgeschlossen und massiv als Sündenböcke diffamiert. Jakob Hayner schriebt in der WELT: „Die Wortführer dieser Kampagne schweigen bis heute über ihr politisches Versagen, das zugleich ein maßloses moralisches Versagen war. Der Schaden für das Zusammenleben und die Demokratie ist kaum abzusehen“ (WELT 11.11.2022, Bezahlschranke). Impfanreize durch Bratwürste oder Impfdruck durch 3G- oder 2G-Regeln degradierten mündige Bürger zu Untertanen.

Die indirekte und direkte Impfpflicht zwang große Teile der Bevölkerung zu einem epidemiologisch unwirksamen und potentiell gefährlichen medizinischen Eingriff. Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich waren bis Ende 2022 davon betroffen.

Das Vertrauen in das öffentliche Gesundheitswesen hat großen Schaden erlitten. Viele Pandemiemaßnahmen waren von der Wissenschaft nicht gedeckt, und es ist nach wie vor keine Bereitschaft zu entsprechender Forschung zu erkennen. Das Robert-Koch-Institut hat auf ganzer Linie versagt.

Die Aufblähung der Gesundheitsbehörden und das Postulat eines Rechts auf Gesundheit lassen befürchten, dass dem einzelnen die Selbstbestimmung über seine Gesundheit mehr und mehr entzogen wird und Gesundheit zur Staatsangelegenheit erklärt wird, mit einem wachsenden Register an Verordnungen (z.B. Quarantäne), Zwängen (z.B. Impfpflicht) und Strafen sowie einer Einschränkung der ärztlichen Therapiefreiheit und Schweigepflicht.

Der Psychologe Hans-Joachim Maaz warnte vor einem „unendlichen Kriegszustand, wenn wir vor einer nie endenden Infektionsgefahr nur angstvoll auf der Flucht sind oder glauben siegen zu können… Wer Demokratie erhalten will, der muss akzeptieren, dass man sich anstecken, dass man erkranken und sterben kann“ (Corona-Angst S.23).

Der Kern der Demokratie ist der Diskurs. Nur er hält die Gesellschaft zusammen. Wird er verweigert, und werden Andersdenkende ignoriert oder verunglimpft, dann zerfällt sie. Dies war in der Coronakrise zu beobachten. Die ständige Eskalation autoritärer Verordnungen hatte keinen nachhaltigen Nutzen, sondern führte zu Vertrauensverlust, zivilem Ungehorsam und Radikalisierung. Deutschland gehörte zu den Ländern mit den weltweit strengsten Maßnahmen  (ourworldindata). Gäbe es eine Skala kindswohlgefährdender Maßnahmen, dann wäre unser Land auch da Spitzenreiter.

Der Kern aller Wissenschaftlichkeit ist der Zweifel. Wahrheit ist keine wissenschaftliche Kategorie, es gibt nicht „die Wissenschaft“. Zweifel sind erlaubt, wenn es um einschneidende und folgenreiche Maßnahmen geht, die auf Grund unzureichend belegter Annahmen verordnet werden – oder, wie es der Medizinrechtler Peter Gaidzik ausdrückte: „Würde man sagen, ,Wir wissen nicht, ob es etwas bringt‘, würde das der vorhandenen Datenlage entsprechen“ (wa.de 6.7.2020). Nach Gerd Antes geht es vielen Wissenschaftlern um Konkurrenz, Karrieren, Gelder und  Förderprogramme (Cicero 31.12.2021, Bezahlrschranke). Sie fressen der Politik sozusagen aus der Hand.

Länder wie Japan oder Schweden gingen einen anderen Weg: Ohne Schließungen, Maskenpflicht und Quarantäne, hingegen mit Appellen an die Verantwortung; ohne Verordnungspolitik, Einschüchterung, Überwachung und Bußgelder; ohne Einschränkung von Grundrechten; ohne Angstmache, Diffamierung und Denunziation; ohne Vertrauensverlust und gesellschaftliche Spaltung, sondern mit Offenheit und Selbstkritik in der Politik, demokratischem Miteinander und gegenseitigem Vertrauen.

Ellis Huber, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Präventologen, plädierte zu Beginn des Winterlockdowns 2021 für eine „bürgerschaftliche Selbstorganisation und kommunale Demokratie“ als Ausweg aus der Krise: Eine Politik der Befähigung der Menschen zum eigenen Handeln und zur Selbstorganisation der Pandemiebekämpfung wäre wirksamer als die gegenwärtige Rohrstockpolitik, die mit Drohungen und Beschimpfungen agiert. Dänemark, Portugal oder auch Schweden zeigen, wie eine zugewandte Kommunikation mit transparenter Darstellung der jeweiligen Situation das Vertrauen und die Handlungskompetenzen in der Bevölkerung sichert. Die paternalistische politische Führung in Deutschland sollte ihr autoritatives Vorgehen überdenken und auf eine Strategie der bürgerschaftlichen Selbstorganisation setzen.(..) Die Herrschaftstechnik der Angst ist typisch für autoritäre und diktatorische Führungskulturen. Demokratische Gesellschaften müssen daher Führungskulturen entwickeln, die Angst abbauen und Vertrauen ausbauen. Autoritäre Macher kennen zu wenig die Wunder, die das Leben spielt. Sonst wäre Demut und Bescheidenheit gegenüber den Leistungen der Natur und des Lebendigen ausgeprägter und für die politische Führungskultur prägender“ (Huber Nov 2021).

Ähnlich argumentierte der Allgemeinmediziner Theodor Dierk Petzold in seinem Aufsatz „Krieg und Salutogenese – Ein Bundeswehr General zur Fortführung der Medizin mit anderen Mitteln„: „Unter Drohung kann eine dienliche Kooperation mit dem Patienten kaum zustande kommen. Wenn eine Bedrohung von außen auf die Menschen ausgeübt wird, leidet die vertrauliche und partnerschaftlich kooperative Beziehung zwischen ihnen. (…) In einer salutogenetisch orientierten Medizin sehen wir eine Erkrankung in einem komplexen Entwicklungszusammenhang des Menschen (…) Wir teilen unser Wissen und hören den Menschen zu, was ihnen bedeutsam in Bezug auf Gesundheit und Corona ist. Damit stärken wir ihre Autonomie, wie sie in der Genfer Deklaration 2017 vom Weltärztebund zurecht ganz obenan gestellt wird. In einer solchen ärztlich therapeutischen Herangehensweise gibt es keinen Krieg gegen Corona, sondern eine Kooperation zur gesunden Entwicklung, zum gemeinsamen Lernen im Umgang mit Infektionsgefahren und zur Stärkung und Ermächtigung der Individuen und Gemeinschaften und auch der Nation, Kultur und der ganzen Menschheit. Da kann es auch Impfungen geben, wenn der Nutzen und das Risiko gut abgewogen sind. Da gibt es leider auch hier und da Schmerz und Leid durch die Erkrankungen, aber keine bzw. wenig selbst verursachte Kollateralschäden“. 

Die Autoren um Matthias Schrappe schrieben in ihrer vierten „Ad hoc Stellungnahme“: „Die Basis eines Neuanfangs ist die Abkehr von einem paternalistischen Duktus und die Hinwendung zu einem auf Kooperation ausgerichteten Vorgehen, das die Menschen in ihrer Eigenständigkeit stärkt und zur Mitarbeit anregt.“ Es sei wichtig und möglich, „die Kanäle gesellschaftlichen Austausches wieder zu öffnen und einen rationalen, auf Wertschätzung beruhenden Diskurs zu stärken. Dieser Diskurs ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Bewältigung der nächsten Monate. (…) Durch negative Konnotationen kann keine Bevölkerungsgruppe zur Kooperation motiviert werden“ (Schrappe 28.11.2021).

Das Konzept von autonomen Bürgerinnen und Bürgern formulierte schon die Ottawa Charta der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Gesundheitsförderung: „Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und für andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist, selbst Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben sowie dadurch, dass die Gesellschaft, in der man lebt, Bedingungen herstellt, die all ihren Bürgern Gesundheit ermöglichen. Füreinander Sorge zu tragen, Ganzheitlichkeit und ökologisches Denken sind Kernelemente bei der Entwicklung von Strategien zur Gesundheitsförderung“ (WHO 1986).

In Japan gibt es keine gesetzliche Grundlage für Ausgangssperren oder Geldstrafen. Die verkündeten Maßnahmen zur Viruseindämmung zielten auf die freiwillige Mitwirkung der Bevölkerung. Die Menschen wurden aufgefordert, soziale Interaktionen zu beschränken und nicht notwendige Aktivitäten zu vermeiden. Restaurants, Bars und Kaufhäuser und Shopping Malls sollten um 20 Uhr schließen. Kindergärten, Schulen und andere Erziehungseinrichtungen blieben geöffnet.

Auch in Schweden veröffentlichte die Regierung lediglich Appelle und Verhaltensempfehlungen ohne Androhung von Bußgeldern. Eingeschränkt wurden lediglich vorübergehend öffentliche Veranstaltungen – sie waren zeitweise auf acht Menschen begrenzt – und der nächtliche Verkauf von Alkohol. Das Tragen von Masken im öffentlichen Raum war wegen fehlender Wirksamkeitsbelege nie verpflichtend. In den Schulen gab es weder Maskenpflicht noch Abstandsregeln. „Es darf gelächelt werden, ganz ohne Sanktionen, und niemand fühlt sich durch atmende Menschen bedroht“ (Lesweng 18.2.2021).

Im Jahr 2020 hatte Schweden eine relativ niedrige Gesamtsterblichkeit bei weniger wirtschaftlichen und sozialen Kollateralschäden (Kreiß 10.12.2020, Kreiß 12.12.2020, taz 10.1.2021, NZZ 13.2.2021, Multipolar15.8.2021). Ab Herbst 2020 war die Sterblichkeit niedriger als in Ländern mit strengen Maßnahmen wie Deutschland, Österreich oder Italien, im Jahr 2021 und im Winter 2021/22 sogar deutlich niedriger – ohne Masken, ohne 2G/3G-Regeln, ohne Massentestung an Schulen, ohne gesellschaftliche Spaltung oder Diskriminierung (OurworldindataECDC, BenGoldsmith 12.10.2021, Rosenbusch 8.12.2021 freedom 7.1.2022, freedom 13.4.2022). Im Februar 2022 wurden alle Maßnahmen aufgehoben – Covid war offiziell vorbei. „Wenn man sich die Gesamtsterblichkeitsstatistiken ansieht und die Zahl der Menschen betrachtet, die tatsächlich gestorben sind, wird deutlich, dass Schweden wahrscheinlich das Land war, das am vernünftigsten auf die Pandemie reagiert hat, mit Maßnahmen, die dem Ausmaß der Bedrohung weitgehend angemessen waren. Der Rest der Welt hat stattdessen mit Vorschlaghämmern auf die Fliegen eingedroschen.“ (Rushworth 4.2.2022).  Im März 2023 gab das schwedische Statistikamt SCB auf der Grundlage von Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat und des European Centre for Disease Prevention and Control bekannt, dass das Land in den „Coronajahren“ 2020–2022 die mit Abstand niedrigste Übersterblichkeitsrate in der EU hatte. „Für die Jahre 2020 und 2021 hatte Schweden den achthöchsten Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) aller 27 EU-Staaten.“ (taz 7.3.2023). Der dänische Internist Peter C. Gøtzsche twitterte am 18. April 2023: „Schweden hat das Richtige getan, indem es auf Abriegelungen und Gesichtsmasken verzichtet hat. Die überhöhte Sterblichkeitsrate gehörte zu den niedrigsten der Welt (siehe meinen Tweet vom 24. März). Dies wurde in der besten Studie dieser Art, die erst vor zwei Tagen veröffentlicht wurde, bestätigt“ (Gøtzsche 18.4.2023, Levitt 12.4.2023). #Schwedische Forscher von der Universität Lund schrieben im Februar 2024 eine Analyse mit der Überschrift „Die Covid-19-Lektion aus Schweden: Macht keinen Lockdown„: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die schwedische Politik der Beratung und des Vertrauens in die Bevölkerung zur freiwilligen Reduzierung sozialer Interaktionen relativ erfolgreich war. Schweden kombinierte niedrige überhöhte Sterberaten mit relativ geringen wirtschaftlichen Kosten“ (Andersson 11.2.2024).

Der US-amerikanische Journalist Jordan Schachtel schrieb im September 2021: „In Schweden blieben die Kinder in der Schule. Die Geschäfte blieben geöffnet. Die Menschen durften ihr Leben so leben, wie sie es für richtig hielten. Und dennoch wiesen Schweden und andere Länder eine unterdurchschnittliche Übersterblichkeit auf, verglichen mit Ländern, die die meisten Einschränkungen hatten. In Amerika verschlechterte sich aufgrund staatlicher Verordnungen unsere allgemeine Gesundheit, wir wurden kränker, wir erlebten eine beispiellose Zunahme der Fettleibigkeit, neben anderen Problemen, die durch Eingriffe der öffentlichen Gesundheit“ verursacht wurden… Es ist tatsächlich manchmal besser, nichts zu tun, als etwas zu tun, vor allem, wenn man versucht, einen Krieg gegen ein endemisches, submikroskopisches infektiöses Partikel zu führen“ (Schachtel 25.9.2021).

Sehenswert sind die arte-Dokumentation „Sicherheit contra Freiheit“ vom 10.11.2020 und der Bericht aus Schweden incl. Interviews von Gunnar Kaiser (Kaiser 14.1.2021).

Eine Mutter schrieb mir am 8.9.2020 aus Stockholm: „Seit knapp vier Wochen besuchen meine Kinder die Schule, ohne Maske, ohne Abstand, mit viel Freiluftunterricht, Sportunterricht, Singen und gelegentlich auch improvisierten Unterrichts-Orten. Die Klassen hier sind trotz Corona gut bestückt mit 25-35 Schülerinnen und Schüler pro Klasse. Zu sehen, wie die beiden voller Freude wieder NORMAL zur Schule gehen, ist schön (…). Schule kann bestens stattfinden ohne ellenlange Hygienekonzepte, die sich lesen wie ein 5-Jahres-Plan aus der Sowjetunion. Und ohne, dass die Kinder wie todbringende Virenschleudern behandelt werden. Es scheint mir in Bayern (und anderswo) völlig unterschätzt worden zu sein, wie viel Geborgenheit und Lebensfreude, wie viel Erbauliches und nicht zuletzt Lehrreiches von einem regelmäßigen Schulalltag ausgehen.“ Einen Kurzüberblick zum Schulbetrieb in Schweden während der Pandemie finden Sie hier. Auch das Schuljahr 2021/22 begann in Schweden ohne Maskenpflicht, ohne Coronatests, ohne Hygieneregeln (Rosenbusch 14.9.2021). 

In Deutschland dagegen wurden die Regierungen von Bund und Ländern von den Parlamenten zu einer strengen Verordnungspolitik ermächtigt. Die wesentlichen Grundrechte wurden eingeschränkt, das soziale Leben wurde stillgelegt, und alle Maßnahmen wurden mit Bußgeldern und Polizeigewalt durchgesetzt. „Wie penibel die Regelungsdichte war, zeigt der Corona-Bußgeldkatalog für Berlin vom 20.11.2020: 500 bis 5000 Euro für die Durchführung eines Auf­gusses in einer Trocken­sauna und 250 bis 5000 Euro für die Inanspruch­nahme gesichts­naher sexueller Dienstleistungen.“ (BZ 5.1.2023). Eine Umfrage des Sächsischen Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung unter 2323 Polizeibeamten ergab, dass jedem dritten Polizisten die Coronamaßnahmen zu weit gingen. Manche übten offene Kritik an den „aus ihrer Sicht nicht selten verfassungsmäßig zweifelhaften“ Corona-Vorschriften: „Ich bin nicht Polizist geworden, um Leute zu bespitzeln oder herauszufinden, ob drei Omas im Park aus zwei oder drei Haushalten stammen… Dafür sollte man ehemalige Stasi-Mitarbeiter einsetzen!“ (BILD 29.7.2021, Bezahlschranke).

Die Politiker redeten von „leichtsinnigem Verhalten und nachlassender Disziplin“, als wären die Bürger Kinder, die schuld an der Verbreitung des Virus sind und dafür bestraft werden müssen. Der Chefvirologe und Berater der Coronapolitik der Bundesregierung, Christian Drosten, phantasierte gar von einem Ausnahmezustand für immer, sollte der Impfstoff nicht wirken (ZEIT 6.10.2020). Andreas Rosenfelder schrieb dazu in der WELT: „Das ist eine ehrliche Ansage: Ein weitgehend freies, möglichst ungestörtes Leben mit dem Virus, wie Schweden es anstrebt, ist ’nicht tragbar‘, so Drosten – ein dauerhaftes Leben in einer kontaktbeschränkten, verängstigten, unfreien Gesellschaft hingegen schon, mit allen fatalen Folgen für Kinder und Familien, Selbständige und Künstler, Jugendliche und Einsame…“ (Rosenfelder 7.10.2020).

Verschiedene Politiker forderten polizeiliche Kontrollen von Privatwohnungen oder riefen Bürger zur Denunziation auf. Das Bundesverfassungsgericht (!) verbot Demonstrationen wegen der „hohen zu erwartenden Teilnehmerzahl und einer Gefährdung für die Öffentlichkeit“ (WELT 28.9.2020, SPIEGEL 29.10.2020, FR 5.12.2020, ZEIT 12.12.2020). Der Demokratieforscher Wolfgang Merkel sprach von einem „illiberalen Verbotspopulismus“ und von einem Regieren durch Angst. Bleibende Schäden für die Demokratie seien zu befürchten (ZEIT 14.10.2020). Eric Gujer, Chefredakteur der Neuen Züricher Zeitung, konstatierte ein schwindendes Rechtsempfinden dadurch, dass sich Bund und Länder in einer „schleichenden Form von Amtsanmaßung“ bedenkenlos über Selbstverständlichkeiten der Verfassungsordnung hinwegsetzen (NZZ 16.10.2020).

Auch viele Ärzte sahen schon sehr früh die Pandemiepolitik kritisch:

In Belgien schrieben mehrere Tausend Ärzte und Gesundheitsarbeiter in einem offenen Brief an ihre Regierung: „Das Heilmittel darf nicht schlimmer sein als das Problem“ (docs4 5.9.2020).

In Deutschland forderten 70 Ärzte in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerinein Leben ohne Einschränkungen, Angst und Infektionshysterie“. Politiker und ärztliche Standesvertreter sollten „die tägliche öffentliche Warn- und Angstmaschinerie in Presse und Talkshows“ unterlassen – dies erzeuge eine tiefe und unbegründete Angst in der Bevölkerung. Ineffektive und möglicherweise sogar schädliche Infektionsschutzmaßnahmen sollten sofort beendet werden. Das Hygienebewusstsein der Menschen sei durch die Erfahrung dieser Viruswelle soweit gewachsen, dass übliche Hygienemaßnahmen ohne Zwang ausreichten.

Mehrere große Ärzteverbände kritisierten den Verbots-Kurs der Bundes- und Landesregierungen. Man solle eher auf Gebote setzen und sich nicht auf Grenzwerte zur Kontaktverfolgung fokussieren – dafür gebe es keine wissenschaftliche Grundlage. Man müsse stattdessen die Risikogruppen besser schützen (BusinessInsider 28.10.2020).

Das Expertenteam um Prof. Matthias Schrappe, ehemaliges Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, rief immer wieder in Thesenpapieren zu einem Strategiewechsel auf, fordert die Verbesserung der Datenbasis, den gezielten Schutz gefährdeter Gruppen und die Wahrung der Bürgerrechte (Schrappe 2020).

Die Gruppe „CoronaStrategie“ (u.a. Hendrik Streeck, Matthias Schrappe, Klaus Stöhr, Gerd Antes) forderte seit Februar 2021 einen stärkeren wissenschaftlichen Diskurs und interdisziplinäre Risikoeinschätzung im Vorfeld von politischen Entscheidungen in der Pandemiebekämpfung. Es müsse ein Kompromiss zwischen den gesundheitlichen Auswirkungen der Corona-Erkrankung und den Kollateralschäden für andere Gesundheitsbereiche, für die Bürger und die Wirtschaft gefunden werden.

Rund 20 Initiativen aus den Bereichen Gesundheit, Wissenschaft und bürgerschaftlichem Engagement forderten im Oktober 2021 in ihrem Plädoyer „Für ein neues Miteinander und Gesundheitsverständnis“ die rasche Aufhebung aller verpflichtenden staatlichen Corona-Maßnahmen und eine angemessenere und differenzierte Vorgehensweise (coronaaussoehnung 15.10.2021).

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung forderte Mitte September 2021 die Regierungen von Bund und Ländern auf, alle staatlich verordneten Einschränkungen aufzuheben. Es  müsse „Schluss sein mit Gruselrhetorik und Panikpolitik“. Beide seien schlechte Ratgeber (Ärztezeitung 17.9.2021). Der Vorsitzende der Bundesvereinigung Andreas Gassen sprach sich für ein Ende aller Corona-Beschränkungen zum 30. Oktober 2021 aus (FAZ 18.9.2021). Erwartungsgemäß haben das die Regierungsparteien und die GRÜNEN nicht goutiert. Sie halten es für ethisch vertretbarer, Menschen die freie Impfentscheidung abzusprechen, weiter Panik zu verbreiten und das Kindswohl der Schulkinder zu gefährden. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestags, Erwin Rüddel (CDU) setzte noch eins drauf mit der Aussage, sobald Kinder ab fünf Jahren ein Impfangebot erhalten hätten, müsse Deutschland zur Normalität zurückfinden. Helge Braun wollte gar den Freedom Day auf den St. Nimmerleinstag verschieben, nämlich wenn durch Impfungen die (bekanntermaßen dadurch nicht erzielbare) „Gemeinschaftsimmunität“ erreicht ist. Es könne gut sein, dass „es noch eine weitere Welle geben wird“ – eine völlig inakzeptable Begründung für einen epidemiologischen Ausnahmezustand mit weitreichenden sozialen und psychischen Folgen (n-tv 19.9.2021, Handelsblatt 19.9.2021, BILD 20.9.2021, SWR 21.9.2021).

390 Ärzte unterzeichneten im Dezember 2021 einen Offenen Brief zur COVID-Impfung an alle Abgeordneten des Bundestags und an den Bundeskanzler mit der Forderung, alle direkten und indirekten Zwangsmaßnahmen mit dem Ziel einer Impfung von bisher Ungeimpften nicht nur einzustellen, sondern aktiv zu unterbinden, die Ausgrenzung und Einschränkung von ungeimpften Kindern und Jugendlichen an der sozialen Teilhabe zu stoppen und die Diskriminierung von Ungeimpften und die Ungleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften im öffentlichen Leben, am Arbeitsplatz und in Schulen sowie Kitas sofort zu beenden.

Ebenfalls im Dezember 2021 veröffentlichte mehr als 50 Ärzte und Professoren einen Offenen Brief von Wissenschaftlern gegen Impfpflicht. Sie bezeichneten darin die Pflicht zur COVID19-Impfung nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand als „rechtlich und ethisch nicht begründbar“. Der Staat habe nicht das Recht, die individuelle Entscheidung über die Impfung vorzuschreiben, da es niederschwellige Maßnahmen gebe, die den gleichen Zweck erfüllen.

Es ist an der Zeit, die Pandemie für beendet zu erklären, die Bevölkerung zu beruhigen und gleichzeitig einen Mechanismus einzurichten, der die Pharma- und Impfstoffindustrie daran hindert, Covid oder eine andere ähnliche Krankheit in Zusammenarbeit mit selbsternannten Gesundheitsexperten und Wissenschaftlern zu missbrauchen (Experten TaskForce Indien 13.1.2023)

Die amerikanische Zeitung Newsweek veröffentlichte im März 2023 einen Artikel mit der Überschrift „America’s COVID Response Was Based on Lies“ („Amerikas COVID-Reaktion basierte auf Lügen“; Newsweek 6.3.2023). Die 10 größten Unwahrheiten, „die von Amerikas Verantwortlichen im öffentlichen Gesundheitswesen, von gewählten und nicht gewählten Beamten und jetzt diskreditierten Akademikern verbreitet wurden“, sind demnach:

1. Das SARS-CoV-2-Coronavirus hat eine um ein Vielfaches höhere Sterblichkeitsrate als die Grippe.

2. Jeder ist einem erheblichen Risiko ausgesetzt, an diesem Virus zu sterben.

3. Niemand hat einen immunologischen Schutz, da dieses Virus völlig neu ist.

4. Asymptomatische Menschen sind die Hauptträger der Ausbreitung.

5. Die Schließung von Schulen und Betrieben, das Einsperren der Menschen in ihre Häuser, die Einstellung der nicht-COVID-gestützten medizinischen Versorgung und Reisenverbote werden das Virus stoppen oder beseitigen.

6. Masken werden jeden schützen und die Ausbreitung stoppen.

7. Es ist bekannt, dass das Virus natürlich vorkommt, und die Behauptung, es sei in einem Labor entstanden, ist eine Verschwörungstheorie.

8. Lehrerinnen und Lehrer sind besonders gefährdet.

9. COVID-Impfstoffe stoppen die Ausbreitung der Infektion.

10. Ein Immunschutz kann nur durch einen Impfstoff erreicht werden.

Für künftige „epidemische Lagen von nationaler Tragweite“ wünscht man sich eine Selbstverpflichtung der Regierenden, wie sie David McCoy, Professor für globale öffentliche Gesundheit an der Queen Mary University in London, in seinem „Corona-Manifest“ skizziert hat (Medico 29.4.2020). Hier findet man Sätze wie:

Wir werden die Freiheit nicht opfern und wir werden die Demokratie schützen.

Wir werden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit respektieren und wachsam gegenüber der Gefahr sein, dass die gegenwärtige Krise zu einer dauerhaften Verschiebung in Richtung Autoritarismus und aufdringlicher Überwachung führen könnte.

Wir werden uns nicht nur von Experten für Infektionskrankheiten leiten lassen, sondern auch von Ökonomen, Sozialwissenschaftlern, Ethikern, Juristen und Philosophen, so dass wir eine ganzheitliche Antwort auf diese komplexe Herausforderung geben können.

Wir werden nicht von oben herab mit den Menschen reden.

Wir werden dafür sorgen, dass die Kosten von Covid-19 nicht zu einer noch größeren Ungleichheit von Reichtum und Macht führen, sondern eine Gelegenheit bieten, für eine Umverteilung des Reichtums zu sorgen.

Der Lockdown vom Frühjahr 2020: Weder notwendig noch angemessen, sondern katastrophal

Am 3. Januar wurde erstmals in einem westlichen Pressemedium, den BBC News, über den Ausbruch einer „mysteriösen“ Krankheit in China berichtet: „China pneumonia outbreak: Mystery virus probed in Wuhan“ (bbc 3.1.2020).

Die Ursprünge des SARS-CoV2-Virus, das Anfang 2020 pandemisch wurde, sind nach wie vor ungeklärt (Handelsblatt 5.9.2021). Die „Labortheorie“, nach der es aus einem Labor in Wuhan stammt, in dem „Gain of function“-Forschung betrieben wird, wird allerdings immer wahrscheinlicher (Walach 9.12.2022, n-tv 26.2.2023). Diese Erklärung galt zwei Jahre lang als Verschwörungstheorie (Mattheis 25.1.2022, WELT 9.2.2022). Virologen fanden im Spikeprotein von SARS-CoV-2 eine Basensequenz, die von Moderna 2016 patentiert wurde, und die nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 3.21 ×10−11 auf natürlichem Weg entstanden ist (Ambati 21.2.2022). Chinesische Forscher fanden in Proben aus dem Tiermarkt in Wuhan jedenfalls keine SARS-CoV2-DNA (Liu 5.4.2023). Die Sunday  Times berichtete am 10.6.2023, das chinesische SARS-CoV2 sei wahrscheinlich in Wuhan als Teil eines geheimen Biowaffenprogramms hergestellt worden (Times 10.6.2023, Gøtzsche 12.6.2023). Der Untersuchungsausschuss des US-Kongresses hält seit Juli 2023 eine Anhörung zum Ursprung von Corona ab und will dazu Christian Drostens Chatverläufe zur Labor-Theorie einsehen (BZ 5.7.2023).

Jeffrey Sachs, Gallionsfigur der Nachhaltigkeitsbewegung und ehemaliger Sonderbeauftragter der UNO für die Millenniumsziele sagte in einem Interview: „Ich bin ziemlich sicher, dass es aus der US-Labor-Biotechnologie stammt und nicht aus der Natur, nur um das zu erwähnen. Nach zwei Jahren intensiver Arbeit an diesem Thema. Es handelt sich also um einen Fehler in der Biotechnologie, nicht um einen Unfall oder eine natürliche Ausbreitung. Wir wissen es nicht mit Sicherheit, das sollte ich ganz klar sagen. Aber es gibt genügend Beweise dafür, dass man dem nachgehen sollte“ (CurrAff 2.8.2022).

John Ioannidis schrieb im Juni 2023: „Nimmt man nun noch die unsichere, aber plausible Möglichkeit hinzu, dass COVID-19 selbst das Produkt der biomedizinischen Wissenschaft war, wird eine scheinbar ungeheuerliche Konsequenz unausweichlich: Die Wissenschaft selbst könnte zu einer Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung insgesamt geworden sein.“ (Ioannidis 6.6.2023)

Das Virus kursierte in Europa offensichtlich schon Wochen vor der Registrierung der ersten Krankheitsfälle (euronews 27.1.2022). Jeder zehnte Norditaliener hatte IgM-Antikörper gegen SARS-CoV-2, die eine kürzlich überstandene Infektion anzeigen, „bevor das Virus überhaupt einen Namen hatte“ (Zacki 12.2.2023). Covid-19-Antikörper wurden in Blutkonserven von September/November 2019 in europäischen Blutbanken gefunden (Carrat 6.2.2021, Appolone 11.11.2020) und zirkulierte nach Abwasseruntersuchungen in Brasilien seit November 2019 (Fongaro 15.7.2021). Der SARS-CoV2-Ausbruch des Coronavirus 2020 in Frankreich wurde offensichtlich nicht durch einen aus China importierten Virenstamm verursacht, sondern durch einen lokal zirkulierenden Stamm unbekannter Herkunft (sg-news 28.4.2021).

Das Besondere an SARS-CoV-2 war die Befürchtung, dass eine große Zahl von Menschen innerhalb eines kurzen Zeitraums schwer erkranken könnte und dadurch das Gesundheitssystem übermäßig strapaziert werden könnte. Durch einschneidende Maßnahmen sollte verhindern werden, dass Menschen sterben, weil sie nicht mehr versorgt werden können. Vor allem Risikogruppen sollen möglichst vor einer Ansteckung geschützt werden. Durch Ausdünnen der Kontakte sollte die Infektionswelle abgeflacht und in die Länge gezogen werden („flatten the curve“) – in der Hoffnung, dass es irgendwann Behandlungsoptionen oder eine wirksame Impfung gibt.

Die Zeitschrift POLITICO und die Tageszeitung DIE WELT veröffentlichten im September 2022 eine Reportage über die Rolle von vier nichtstaatlichen globalen Organisationen bei der Bekämpfung von SARS-CoV2: „Die vier Organisationen hatten bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet, und drei von ihnen hatten eine gemeinsame Geschichte. Die größte und mächtigste war die Bill & Melinda Gates Foundation, eine der größten Philanthropien der Welt. Dann gab es noch Gavi, die von Gates mitbegründete globale Impfstofforganisation, die Menschen in einkommensschwachen Ländern impfen soll, und den Wellcome Trust, eine britische Forschungsstiftung mit einem milliardenschweren Vermögen, die bereits in früheren Jahren mit der Gates Foundation zusammengearbeitet hatte. Und schließlich war da noch die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI), die internationale Forschungs- und Entwicklungsgruppe für Impfstoffe, die Gates und Wellcome 2017 mit ins Leben gerufen haben.“

Es sei zu einer stetigen, fast unaufhaltsamen Machtverschiebung von den überforderten Regierungen zu diesen Organisationen gekommen, Die Führer der Organisationen hatten einen beispiellosen Zugang zu den höchsten Regierungsebenen. Sie gaben mindestens 8,3 Millionen Dollar für Lobbyarbeit bei Gesetzgebern und Beamten in den USA und Europa aus und gaben 1,4 Milliarden Dollar an die Weltgesundheitsorganisation, wo sie eine wichtige Initiative zur Verteilung von Covid-19-Instrumenten mitgestalteten. Sie identifizierten potenzielle Impfstoffhersteller und investierten gezielt in die Entwicklung von Tests, Behandlungen und Impfungen. Beamte aus den USA, der EU und Vertreter der WHO wechselten als Mitarbeiter zu diesen vier Organisationen und halfen ihnen, ihre politischen und finanziellen Verbindungen in Washington und Brüssel zu festigen. So übernahmen die vier Organisationen Aufgaben, die normalerweise von Regierungen wahrgenommen wurden – jedoch ohne die Rechenschaftspflicht von Regierungen (Politico 14.9.2022, WELT 17.9.2022, Bezahlschranke).

Über Verbindungen zwischen Wellcome Trust (zweitgrößte private Stiftung der Welt), WHO, CEPI, Bill & Melinda Gates Foundation, dem Bundesforschungsministerium und möglichen Verstrickungen von Karl Lauterbach, dem Netzwerk Universitätsmedizin, Helmholtz-Institut und Medien wie FAZ, Tagesspiegel oder ZEIT gibt es eine interessante Recherche auf Twitter (@p3likaan 23.10.2022). Jeremy Farrar, Chef des Welcome Trust, persönlicher Berater von Angela Merkel und vehementer Lockdown-Befürworter, wird 2023 Chef der Wissenschaftsabteiung der WHO (epidemiologin 22.2.2022).

Die Idee des Lockdowns stammte aus China, wo erstmals in Wuhan eine solche Maßnahme verhängt wurde. In Europa wurde erstmals in Italien ab 9. März 2020 ein Lockdown verhängt. Die italienische Regierung arbeitete schon seit einiger Zeit vor der Pandemie eng mit China zusammen, unter anderem im Bereich der Gesundheitsversorgung und Infektionskontrolle. Der italienische Lockdown basierte auf chinesischen Daten und wurde von chinesischen Experten begleitet. Er fand weltweit Nachahmer (Senger 24.1.2023).

In den USA wurde das Lockdown-Konzept weiter ausgearbeitet, mit Parolen unterlegt („flatten the curve“) und zur weltweiten Übernahme empfohlen – die US-Regierungsberaterin Deborah Birx schilderte dies ausführlich in ihrem Buch “Silent Invasion”: „Kaum hatten wir die Trump-Regierung davon überzeugt, unsere Version eines zweiwöchigen Shutdowns umzusetzen, versuchte ich herauszufinden, wie man ihn verlängern könnte.“ (Tucker 14.7.2022).

In einem ausführlichen Artikel über die Entscheidung zum Lockdown, basierend auf dem Buch „Ausbruch – Innenansichten einer Pandemie“ des ehemaligen Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo und der Stern-Journalistin Katja Gloger, heißt es im Online-Magazin Multipolar: „Ein hoher Mitarbeiter von Gesundheitsminister Jens Spahn hat im Februar 2019 an einer international besetzten Pandemie-Übung teilgenommen, die von privat finanzierten US-Institutionen organisiert wurde. Ein Jahr später empfahl der gleiche Beamte mehreren Staatssekretären des Bundesinnenministeriums, Lockdown-Maßnahmen vorzubereiten – die in keinem offiziellen Pandemieplan enthalten waren. Auf Multipolar-Nachfrage will er sich dazu nicht äußern. Eine Recherche macht deutlich: Ein international verzweigtes Biosecurity-Netzwerk war kurz vor Ausbruch der Krise sehr aktiv“ (multipolar 15.7.2021).

Der Lockdown vom März 2020 war eine rein politische Entscheidung. Eine wissenschaftliche Grundlage gab es nicht (s. EBM-Netzwerk März 20.3.2020). Die Politik des „flatten the curve“ war kontraproduktiv, weil sie die Zeitdauer bis zum Erreichen einer Herdenimmunität und damit die Krankheitsaktivität in die Länge zog (Wittkowski 28.3.2020). In einem vielbeachteten Thesenpapier schrieben sechs prominente Gesundheitsexperten am 5. April 2020: „Die allgemeinen Präventionsmaßnahmen (z.B. social distancing) sind theoretisch schlecht abgesichert, ihre Wirksamkeit ist beschränkt und zudem paradox (je wirksamer, desto größer ist die Gefahr einer „zweiten Welle“) und sie sind hinsichtlich ihrer Kollateralschäden nicht effizient“ (Schrappe 5.4.2020).

Der Lockdown vom Frühjahr 2020 war eine politische Panikreaktion, aber er war nie alternativlos. Bereits am 17. März wusste man aus den Berichten der italienischen Gesundheitsbehörden, dass COVID-19 fast ausschließlich sehr alte Menschen mit schweren Grunderkrankungen in Gefahr brachte (ISS 16.3.2020). Ebenfalls am 17. März veröffentlichte der renommierte Epidemiologe John Ioannidis seinen Aufsatz „A fiasco in the making? As the coronavirus pandemic takes hold, we are making decisions without reliable data“ („Ein sich anbahnendes Fiasko? Während die Coronavirus-Pandemie um sich greift, treffen wir Entscheidungen ohne verlässliche Daten“) – eine Warnung vor sich abzeichnenden folgenschweren Fehlentscheidungen (Ioannidis 17.3.2020). Die Behauptung von Gesundheitsminister Jens Spahn und auch zahlreichen anderen Lockdown-Protagonisten, man habe es damals nicht besser wissen können, war reine Heuchelei (Schupelius 3.9.2020, Haffner 23.9.2023). Der sogenannte R-Wert, mit dem das Ansteckkungsrisiko angegeben wurde und schärfere Maßnahmen begründet wurden, war nach späteren Berechnungen niedriger als behauptet (br 19.10.2022).

Markus Gosch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie, schrieb im Januar 2023: „… mangelnde Datenqualität zieht sich bis heute durch den gesamten Verlauf der Pandemie. Schon sehr früh war klar, dass höhere Altersgruppen durch ihr geschwächtes Immunsystem zu den Hauptrisikogruppen zählen. In Deutschland waren etwa 65 Prozent der an oder mit Covid-19 gestorbenen Menschen älter als 80 Jahre, ebenfalls etwa zwei Drittel der Verstorbenen lebten in Langzeitpflegeeinrichtungen. Trotz dieses Umstandes wurde geriatrische Fachkompetenz in keiner Phase der Pandemie in wesentliche Entscheidungen eingebunden. Ähnliches galt für die pflegerische Expertise im Langzeitpflegebereich.“ (WELT 15.1.2023).

Ausreichend wären gezielte Schutzmaßnahmen für Risikopersonen gewesen, etwa für alte Menschen oder Patienten mit einem schwachen oder schlecht funktionierenden Immunsystem. Man hätte sie ergänzen können durch Virustestungen bei Gesundheits- und PflegearbeiterInnen („institutioneller Kontakt“), spezielle Kontrollmaßnahmen bei regionalen Krankheitshäufungen und virusdichte Gesichtsmasken für alle, die sich schützen wollen oder geschützt werden sollen (Schrappe 5.4.2020).

Trotzdem wurde bald nach dem ersten Lockdown, ab Oktober 2020 in vielen Ländern Europas erneut über Folge-Lockdowns diskutiert, und in vielen Regionen wurden sie auch in die Tat umgesetzt, etwa in Spanien, Deutschland, Frankreich und Italien, teilweise begleitet von wütenden Protesten (FAZ 27.10.2020). Der italienische Virologe Giorgio Palu sagt dazu: „Als Bürger bin ich gegen einen neuen Lockdown, weil dies für unsere Wirtschaft ein Selbstmord wäre. Als Wissenschaftler bin ich dagegen, weil dies die Bildung unserer Jugend beeinträchtigen würde, die unsere Zukunft sind. Ich bin auch als Arzt gegen einen Lockdown, weil man mit einem Ausgangsverbot Personen, die an anderen Krankheiten wie Krebs leiden, den Zugang zu den Behandlungen versperrt. Dabei ist mit dem Covid-19 eine niedrige Sterberate verbunden. Wir müssen dieser Hysterie ein Ende setzen“ (SN 26.10.2020).

Das menschliche Immunsystem ist ein lernendes System durch die ständige Auseinandersetzung mit Bakterien und Viren. Die orale Phase, das Spielen der Kinder untereinander, das Umarmen und Küssen, das Reiben von Augen oder Nase — das alles stimuliert das Immunsystem.

Maskenpflicht und Abstands- und Hygieneregeln waren kontraproduktiv, ebenso der chronische Stress durch die ständige Angst vor Ansteckung, durch Distanz und Isolation. All das macht die Menschen krank.

Die Kontaktbeschränkungen, vor allem die Absonderung der älteren Bevölkerung von Kindern, führte mit der Zeit dazu, dass die Menschen ihre natürlich erworbene Immunität gegen viele Erreger nicht mehr auffrischten, sondern mit der Zeit verloren (Reicherz 7.5.2022). Dies führte etwa bei Kindern zu den heftigen Ausbrüchen von RSV-Erkrankungen im Jahr 2021, zu der Erkältungswelle im Winter 2022/23 und wahrscheinlich auch zu der auffälligen Häufung von Hepatitis-Erkrankungen im Frühjahr 2022. „…diese Kinder sind immun naiv, wie wir sagen, und wenn dann die Lockerungsmaßnahmen wieder relativ rasch aufeinanderfolgen, dann müssen sich diese Kinder eines Sturms von Keimen erwehren, die auf sie einprasseln. Und das kann sein, dass das jetzt innerhalb der letzten drei, vier Monate zu einer Häufung von Infektionen geführt hat, die letztlich auch jetzt dann die Leber mitbetreffen“, vermutete der der Kinder-Hepatologe Burkhard Rodeck im Deutschlandfunk (MHH 16.12.2021, Impf-Info 26.4.2022, dlf 27.4.2022).

Der Sozialmediziner Thomas Hardtmuth schrieb: Vor allem die im Rahmen der Coronakrise verschärften Hygieneregeln haben zu einem weiteren massiven Rückgang der MikrobiomDiversität bei Menschen geführt, wodurch die Immunsysteme vor allem bei den Kindern regelrecht eingeschläfert wurden. Die Folge erleben wir beispielsweise aktuell in rapid ansteigenden kindlichen Infektionen mit dem RSVirus (Respiratory Synzitial Virus), eine für Kinder weit gefährlichere Erkrankung als durch Coronaviren. Diese Kinder waren nach jüngster Auskunft des Gesundheitsministeriums in den vergangenen zwei Jahren in ihrer Umgebung pandemiebedingt stärker geschützt (hier wäre es sachlich richtiger, statt von geschützt von „isoliert“ zu sprechen. Anm. T.H.). Sie konnten daher nicht die normale und wichtige Entwicklung ihrer Immunabwehr durchlaufen. Es ist zu befürchten, dass die Kleinkinder der Coronajahre mit erheblichen immunologischen Defiziten und entsprechend erhöhten KrankheitsDispositionen aufwachsen, denn das sog. pathologische Imprinting, d.h. die frühe Prägungsphase von Mikrobiom bzw. Immunsystem haben oft lebenslange Auswirkungen“ (Hardtmuth 14.12.2021).

„Auf psychischer Ebene brauchen wir ganz viel Körperkontakt und an dem fehlt es überall (…)Wir wissen, dass Kinder, die zu wenig Berührung erleben, kleiner bleiben, eine geringere Intelligenz ausbilden, ein schwächeres Immunsystem besitzen und eine insgesamt geringere Lebenserwartung haben“, so der Kinder- und Jugendpsychiater Gunther Moll (Nordbayern 19.11.2021). Vorrangig ist die Stärkung der natürlichen Immunität durch gesunde, vollwertige Ernährung, Bewegung an der frischen Luft – ohne Maske –, Abbau von Stress und die Pflege emotionaler und sozialer Kontakte.

In einem Artikel des Brownstone-Instituts wurden mehr als 400 Studien aufgeführt, aus denen hervorgeht, dass Lockdowns, Kontaktbeschränkungen, Schulschließungen und Maskenverordnungen ihren Zweck, die Übertragung einzudämmen oder die Zahl der Todesfälle zu verringern, nicht erfüllt haben. „Diese restriktiven Maßnahmen waren unwirksam und verheerend und haben vor allem den ärmeren und schwächeren Bevölkerungsschichten immensen Schaden zugefügt“ (Alexander 30.11.2021). Kathrin Kühn schrieb für den Deutschlandfunk: „Jetzt, im zweiten Corona-Winter trudeln immer neue Fakten ein, zur Ungleichheit vor dem Virus: Reiche im Schnitt noch reicher geworden, Ärmere ärmer. Benachteiligte Kinder noch benachteiligter. Und dann diese Zahl: 70 Prozent. Um bis zu 70 Prozent war die Covid-19-Sterblichkeit in der zweiten Welle höher in benachteiligten Regionen in Deutschland als in anderen.  (…) Gut versorgt zu sein hilft beim Rufen nach Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen. Die ertragen sich nämlich leichter mit sicherem Gehalt, im eigenen Haus mit Garten oder in einer schönen Wohnung. Wo man sich das Essen dann von denen nach Hause liefern lässt, die jeden Euro brauchen“ (dlf 23.1.2022).

Wie die meisten Erkältungsviren hat auch SARS CoV2 eine Aktivitätszeit von wenigen Monaten (Walach 28.7.2020). Die Kurven der Infektionszahlen und Todesfälle ähnelten sich in Ländern, egal, welche Maßnahmen sie getroffen hatten – mit oder ohne Lockdown, mit oder ohne Grenzschließungen, mit oder ohne Quarantänemaßnahmen, mit oder ohne Maskenpflicht (Atkeson Aug 2020, Zack 21.1.2021). „Das Virus hat sich rasend schnell über die ganze Welt verbreitet. Als wir es sahen, hatte es wohl schon einen Großteil der aktiven Bevölkerung erreicht, die davon offenkundig relativ wenig betroffen war. Bis dann irgendwann die Fälle klinisch auffällig wurden und Tests vorhanden waren, um das Virus zu suchen. Dadurch wurde es natürlich auch vermehrt gefunden. Als die Regierungen reagierten, war es eigentlich schon zu spät“ (Walach 28.7.2020).

Bereits im März 2020 waren die Erkrankungsraten in China und Südkorea wieder stark gesunken (ToI 19.4.2020, Weltwoche 22.4.2020). In Italien, Deutschland und anderen europäischen Ländern gingen die Neuerkrankungen – bereinigt um die stark gestiegenen Testzahlen – ab Anfang der ersten Märzhälfte 2020 und die Todesfälle ab Anfang April 2020 zurück (Kuhbandner 23.4.2020, Mayer 11.8.2020). Die Lockdown-Maßnahmen, die in Deutschland ab dem 23.3. verordnet wurden, waren ohne jeden Effekt (WELT 15.4.2020, Walach 6.5.2020; Kuhbandner 1.6.2020). Auch die Einführung der Maskenpflicht in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln (ab 27. April 2020) und die „Lockerungen“ ab der ersten Maihälfte hatten keinen erkennbaren Einfluss auf die Erkrankungsraten (Mayer 11.8.2020, Wieland Preprint Nov 2020). Auch nicht die niedersächsische Verordnung zum pandemischen Eisschlecken: „Bei der Anwendung der Verordnung darf insofern pragmatisch vorgegangen werden, als durch erstes rasches Lecken an einer Eiskugel während des zügigen Sichentfernens von der Eisdiele ein Heruntertropfen des Eises auf Kleidung oder Fußboden verhindert werden darf. Für den Verzehr des Resteises gilt jedoch der Abstand von 50 Metern“ (Stern 20.4.2020).

Modellrechnungen, die von einem positiven Effekt des Lockdowns ausgingen, wie sie etwa in Science (Dehning 15.5.2020) oder Nature (Flexman 86.2020) veröffentlicht wurden, waren fehlerhaft, denn sie berücksichtigen weder die enorme Zunahme der Testungen noch die Meldeverzögerungen oder die Todesursachen (Kuhbandner Jan.2022, Hegelich 12.7.2021). Christof Kuhbandner schrieb, bebildert durch die Statistiken des Robert-Koch-Instituts: „RKI-Publikationen deuten darauf hin, dass sich die Pandemie in Deutschland von alleine zurückzog, bevor irgendeine staatliche Maßnahme ergriffen wurden“ (Kuhbandner 1.6.2020, Kuhbandner 8.10.2020).

Denselben Befund erhob die ETH Zürich für die Schweiz (LZ 16.5.2020). Die Universität Oxford veröffentlichte eine Grafik, in der die COVID-19-Todesfälle pro Million in verschiedenen Ländern mit einem Index von staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung verglichen wurden. Sie zeigt deutlich: es gibt keinen Zusammenhang. Die Maßnahmen waren und sind wirkungslos (Github 27.7.2020). Der Wirtschaftswissenschaftler Thorsten Wiethölter analysierte die Daten der Universität Oxford noch eingehender und fand lediglich einen Zusammenhang zwischen COVID-19-Todesraten und der Altersstruktur der Gesellschaft, dem Anteil an Übergewichtigen und chronisch Kranken, den CO2-Emissionen des Landes sowie überraschenderweise auch der Grippeimpfquote (Wiethölter 7.7.2020).

Wir erlebten offensichtlich den Spontanverlauf einer Pandemiewelle. Man fragte sich mit Markus Lanz (Lanz 23.4.2020): War der Lockdown dann überhaupt notwendig? Und war er effektiv? Wie ist es zu erklären, dass es in Ländern wie Spanien, Italien und Frankreich deutlich mehr Todesfälle als in Deutschland zu beklagen gab, obwohl die Maßnahmen dort wesentlich strenger waren? Die Zahl der Menschen, die von einem Kranken angesteckt wird – die sogenannte Reproduktionszahl oder Ansteckungszahl – lag ab der dritten Märzwoche unter 1,0 (EB 15.4.2020). Warum ging sie in den sechs Wochen Lockdown nicht weiter nach unten?

Am 17. April räumte Gesundheitsminister Spahn ein, dass die Ansteckungszahl schon vier Wochen gleichbleibend unter 1,0 lag. In ihrem „Thesenpapier 2.0 zur Pandemie“ (Schrappe 3.5.2020) fragen die sechs Autoren: „Wie ist die späte Veröffentlichung zu begründen? vor allem: wie ist der offensichtliche Befund zu interpretieren, dass unter der verschärften Einschränkung der Berufsfreiheit und Freizügigkeit kein weiterer Abfall zu beobachten war. Die Beobachtung ist ja durchaus mit der Annahme vereinbar, dass von diesen Maßnahmen keine weitere Wirkung ausgegangen ist“.

Harald Walach schrieb in seinem Beitrag „Die Welle ist vorbei“ am 6. Mai (Walach 6.5.2020): „Was aus meiner Sicht auf keinen Fall aus den Daten abgeleitet werden kann ist, dass die „Maßnahmen“ gewirkt haben dass das Tragen von Mundschutz, selbstgebastelt, gehäkelt, gestrickt oder gekauft, immer noch hilfreich ist dass wir es mit einem Killervirus zu tun haben dass wir noch lange vorsichtig sein und am besten unser Leben ein Jahr lang suspendieren müssen dass die Angst, die viele Menschen noch immer haben, gerechtfertigt ist.“

Der Lockdown im Frühjahr 2020 wurde erst angeordnet, als das Schlimmste schon vorbei war. Den getroffenen Maßnahmen fehlte letztlich die Rechtfertigung. Die Anordnung von Lockdowns zur Pandemiebekämpfung war wahrscheinlich die schlimmste politische Fehlentscheidung der deutschen Nachkriegsgeschichte. Sie kosteten den deutschen Steuerzahler durch Ausgleichszahlungen an die 380 Milliarden Euro (Bundeshaushalt 2023: 476 Mia €). Hinzu kamen noch Unterstützungszahlungen der Länder, und Kosten für Schutzausrüstungen, Impfstoffe und Tests in Höhe von ca. 64 Milliarden Euro (WELT 22.4.2023).

Auch für die USA zog Donald L. Luskin in seinem Beitrag „The Failed Experiment of Covid Lockdowns“ (Das gescheiterte Experiment der Covid-Lockdowns) im Wall Street Journal das Fazit: „Es liegen jetzt Beweise dafür vor, dass Lockdowns ein teures Medikament mit schwerwiegenden Nebenwirkungen waren, ohne Nutzen für die Gesellschaft… Theoretisch sollte die Ausbreitung einer Infektionskrankheit durch Quarantäne kontrollierbar sein. Offensichtlich nicht in der Praxis“ (WSJ 1.9.2020).

Jay Bhattacharya, Professor an der Universität von Stanford, nannte Lockdowns den schlimmsten Fehler im Gesundheitswesen der letzten 100 Jahre. Wir werden mit den katastrophalen gesundheitlichen und psychischen Schäden, die fast jedem armen Menschen auf der Erde zugefügt werden, eine Generation lang zu tun haben. Gleichzeitig waren Lockdowns dort, wo sie am strengsten verfügt wurden, nicht in der Lage, die Epidemie zu kontrollieren. In den USA haben sie bestenfalls die „unwesentliche“ Klasse vor COVID geschützt und gleichzeitig die wichtige Klasse der arbeitenden Bevölkerung der Krankheit ausgesetzt. Lockdowns sind Trickle-down-Epidemiologie.“(Newsweek 8.3.2021).

Der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Douglas W. Allen schrieb: „Wahrscheinlich wird der Lockdown als größte politische Fehlentscheidung der Moderne in Friedenszeiten in die Geschichte eingehen“ (Allen 29.9.2021).

Anfang September 2020 räumte Gesundheitsminister Jens Spahn ein, dass der Lockdown eine falsche Entscheidung war, relativierte das jedoch mit der Aussage, man konnte es damals nicht besser wissen (Schupelius 3.9.2020). Die Frage, die sich stellt: Warum gibt es außer diesem Aufschimmern von Selbstkritik so wenig Selbstreflexion, nur immer weiter düstere Prognosen, Einschränkungen und Lockdown-Warnungen?

Der US-amerikanische Wirtschaftsforscher Jeffrey A. Tucker bot folgende Erklärung: „… es ist kaum überraschend, dass beinahe täglich weitere Belege auftauchen, dass alle ihre Maßnahmen wirkungslos sind. Die politische Klasse hat begonnen, dies zu begreifen. Im tiefsten Inneren ihrer Herzen ahnen sie, dass sie etwas Schreckliches getan haben. Sie machen sich Sorgen, dass sich diese Erkenntnis verbreiten wird. Dann werden sie zur Rechenschaft gezogen, vielleicht nicht sofort, aber irgendwann. Und das ist für sie eine ziemlich erschreckende Vorstellung. So verbringen sie ihre Tage damit, diesen Moment der Wahrheit hinauszuzögern, in der Hoffnung, dass das Chaos, das sie angerichtet haben, irgendwann verschwindet und sie den Schuldzuweisungen entkommen. Das heißt: sie lügen“ (Tucker 27.7.2020).

Im Januar 2021 entschied das Amtsgericht Weimar, dass die Kontaktverbote des Lockdowns vom Frühjahr 2020 in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig und damit nichtig waren. Unter anderem hätten sie gegen die Menschenwürde verstoßen (SZ 20.1.2021).

In den Medien wurde nicht nur die Entscheidung zum Lockdown als alternativlos bezeichnet, sondern es wurden auch Länder wie Schweden, die eine andere Entscheidung getroffen hatten, schlechtgemacht. So wurde immer wieder fälschlicherweise berichtet (z.B. Tagesschau 12.4.2020), dass die schwedische Regierung den Sonderweg aufgeben würde, mit weniger einschneidenden Maßnahmen durch die Krise zu kommen. Die linke Zeitung Der Freitag entschuldigte sich im Nachhein für ihr Schwerden-Bashing: Kritik an Corona-Sonderweg war deutlich überzogen: Entschuldigung, Schweden!“ (Freitag 22.6.2023, Bezahlschranke)

Die Regierung in Stockholm blieb jedoch trotz aller Anfeindungen auf ihrem Kurs. Bis auf das Verbot von Großveranstaltungen gab es keine Vorschriften, sondern nur Appelle an die Verantwortung. Hotels, Restaurants und Kindertagesstätten blieben geöffnet, und Schüler bis zur 9. Klasse gingen weiter in die Schule, ohne dass es dort zu COVID-19-Ausbrüchen kam. Ein politischer Fehler war nur der inkonsequente Schutz der Pflegeheime, in denen prekär bezahlte Pfleger und Pflegerinnen durch das fehlende Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und ständig wechselnde Einsatzorte das Virus schnell verbreitet haben (rbb 19.5.2020). In der Provinz Skåne um die Stadt Malmö, wo die Pflegeheime gezielt geschützt wurden, verlief die Pandemiewelle milder als im gegenüberliegenden Kopenhagen mit dem strengen Lockdown (Telegraph 14.6.2020).

Insgesamt gab es in Schweden weder Zehn- oder Hunderttausende von Todesfällen noch einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems mit Überlastung der Intensivstationen (ARTE 11.5.2020, Tagesschau 19.6.2020, n-tv 28.6.2020). Anders als in den Medien dargestellt, ist inzwischen auch klar, dass Schweden wirtschaftlich deutlich weniger angeschlagen war als andere EU-Länder (BBC 5.8.2020, Rosenbusch 30.10.2020).

Der schwedische Weg wurde sogar von der Weltgesundheitsorganisation geadelt. WHO-Exekutivdirektor Mike Ryan sagte: „Sie haben die öffentliche Politik durch eine Partnerschaft mit der Bevölkerung umgesetzt… Ich denke, wenn wir eine neue Normalität erreichen, ist Schweden ein Vorbild. Wie man zu einer Gesellschaft ohne Lockdown zurückkehrt“ (Nau 30.4.2020).

In Österreich wurden die Ausgangsbeschränkungen und die deswegen verhängten Strafen im Nachhinein für verfassungswidrig erklärt (Kurier 22.7.2020). In Norwegen räumte die Leiterin des Instituts für öffentliche Gesundheit Camilla Stoltenberg ein, dass der Lockdown nicht notwendig war. Sie sagte, das Virus sei bereits auf dem Rückzug gewesen, als der Lockdown angeordnet wurde. „Es sieht so aus, als ob die effektive Reproduktionszahl bereits zu einem Zeitpunkt auf etwa 1,1 gefallen war, als die umfassendsten Maßnahmen am 12. März ergriffen wurden, und es nicht viel gebraucht hat, den Wert unter 1,0 zu bringen“ (Spectator 27.5.2020). Derartig selbstkritische Äußerungen hätten auch deutschen Politikern gut angestanden.

Der deutsche Ethikrat gab unmittelbar nach Anordnung des Lockdowns zu bedenken (Ethikrat 27.3.2020): „Die Rechtfertigung dieser Maßnahmen des Lockdowns bedarf von deren Einführung an und für jeden Zeitpunkt ihrer Dauer einer überaus komplexen Güterabwägung unter den Bedingungen von Unsicherheit… Auch der gebotene Schutz menschlichen Lebens gilt nicht absolut. Ihm dürfen nicht alle anderen Freiheits- und Partizipationsrechte sowie Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrechte bedingungslos nach- bzw. untergeordnet werden. Ein allgemeines Lebensrisiko ist von jedem zu akzeptieren.“

Am 7. April hieß es in einer Ad-hoc-Empfehlung des Ethikrats: „Es ist ja nicht nur die Wirtschaft, die unsere Lebensgrundlage sichert, die auf dem Spiel steht, wenn wir den Lockdown so fortführen. Nein: Auch wichtige Operationen, oft beschönigend als „elektiv“ bezeichnet, werden verschoben. Präventionsuntersuchungen werden abgesagt. Therapien zur Überwindung von psychischen Problemen, Alkoholsucht, Depression oder Gewalttendenz, werden trotz drohender hoher Rückfallquoten unterbrochen. Kranke und Sterbende werden nicht mehr so begleitet, wie es die Menschlichkeit erfordert. Beerdigungen, dieses wichtige Ritual der Trauerbewältigung, werden aufs oft als unmenschlich empfundene Minimum reduziert. Existenzen zerbrechen in Einsamkeit oder angesichts empfundener Ausweglosigkeit aus wirtschaftlichen und anderen Zwangslagen“ (Ethikrat 7.4.2020).

Im Grunde erwies sich jede „Lockerung“, auf die nicht innerhalb von zwei Wochen eine Zunahme von Krankheitsfällen folgt, im Nachhinein als unnötig. Besonders zu erwähnen sind hier die großen Demonstrationen in Stuttgart, Berlin, Hamburg und München, die zu keiner nachweisbaren Zunahme der Erkrankungszahlen geführt haben (DLR 18.7.2020).

Der Kanadier Douglas Allen schrieb nach der Durchsicht von über 100 Studien: „Die jüngsten Untersuchungen zeigten, dass Lockdowns bestenfalls einen marginalen Effekt auf die Zahl der Covid-19-Todesfälle hatten. (…) Die begrenzte Wirksamkeit von Lockdowns erklärt, warum auch nach über einem Jahr die kumulative Zahl der Covid-19-Todesfälle pro Million nicht negativ mit der Strenge der Abriegelung in den einzelnen Ländern korreliert. (…) Es ist möglich, dass die Lockdowns als eine der größten politischen Fehlleistungen in Friedenszeiten in die Geschichte der Neuzeit eingehen wird“ (Allen 29.9.2021). Ein kanadisches Team zahlreicher Public Health-Experten fand nur einen geringen Zusammenhang zwischen Lockdowns und der Strenge der Maßnahmen und der Zunahme von SARS-CoV2-Infektionen v.a. im Herbst 2020 (Vickers 12.5.2022).

Im Juli 2023 veröffentlichte das Robert-Koch-Institut einen Abschlussbericht zum StopptCOVID-Projekt, in dem anhand des „R-Wertes“ nachgewiesen werden soll, dass verschiedene nicht-pharmazeutische Interventionen, etwa die  Schul- und Betriebsschließungen sowie die Corona-Impfung wirksam waren (RKI 20.7.2023). Allerdings stellt eine tiefergehende Analyse dieser Studie diese Behauptung in Frage. Demnach überprüft die Studie die Wirkung der Maßnahmen nicht wirklich, sondern setzt sie stillschweigend voraus  (4.8.2023). Oliver Beige, einer der Autoren, sagte der NZZ: „Die Studie kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass die R-Werte sanken, bevor die Massnahmen überhaupt in Kraft traten. Damit stimmt die zeitliche Reihenfolge nicht: Wenn der Berg raus ruft, bevor ich rein rufe, ist es kein Echo. (…) Im Grunde müsste man eine neue Studie durchführen. Aber nicht durch das RKI. Es gibt in Deutschland wie auch im Ausland genügend unabhängige Experten dafür. Zudem sollten auch die unerwünschten Nebenwirkungen der Massnahmen in die Untersuchung einfliessen: die schweren psychologischen Folgen bei Kindern, auch die Belastungen für Erwachsene. Die Bundesregierung müsste ein Interesse daran haben, herauszufinden, ob die Massnahmen nützen oder schaden.“ (NZZ 22.8.2023).

Gerd Antes kommentierte den RKI-Bericht bissig: „Wie man dieses Resümee nach drei Jahren Blindflug ziehen kann, ist mir schleierhaft. Ohne einen Generalplan, ohne systematisch erhobene Daten, dafür mit dramatisch falschen Zahlen, mit denen die Bevölkerung nur verrückt gemacht wurde. Bei den geschätzten Infektionszahlen sind uns Dunkelziffern präsentiert worden, die, je nach Experte, bis zum zehnfachen variiert haben“ (Antes 16.8.2023).

Auch das EbM-Netzwerk stellte dem RKI-Erguss ein verheerendes Zeugnis aus: Sie verbreite Behauptungen, die nicht durch eine Analyse gestützt sind. „Dem Bericht mangelt es an einer kritischen Diskussion der gewählten Methodik und an der kritischen Würdigung der Ergebnisse. Außerdem fehlt es der Berichterstattung an einer Einbettung in den internationalen Stand des Wissens. In der Gesamtschau handelt es sich um einen geradezu erstaunlichen Bericht, der sich weit entfernt von den gültigen wissenschaftskulturellen Standards und den Kriterien der evidenzbasierten Medizin bewegt. Das gewählte Vorgehen ist ungeeignet, einen Nachweis der Auswirkungen der Pandemiekontrollmaßnahmen zu erbringen.“ (EbM-Netzwerk Okt 2023).

#Die WELT berichtete am 8. Februar 2024, dass Karl Lauterbachs Ministerium das StopptCOVID-Gutachten ohne Ausschreibung an das ihm unterstellte Robert-Koch-Institut vergeben hatte.  – ein völlig unübliches Verfahren, das den Verdacht auf ein Gefälligkeitsgutachten wecke. Öffentliche Aufträge seien grundsätzlich ausschreibungspflichtig. Die Daten würden zudem seit Juli 2023 unter Verschluss gehalten. Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung entscheide das RKI in eigener Verantwortung, hieß es aus dem Bundesgesundheitsministerium. Für Wolfgang Kubicki ein durchsichtiges Manöver: „Die deutsche Öffentlichkeit soll offensichtlich von BMG und RKI an der Nase herumgeführt werden. Denn es gibt bis heute keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass die von der Bundesregierung eingesetzten Anti-Corona-Maßnahmen wirksam waren.“ (WELT 8.2.2024, Bezahlschranke)

Die größte bisher erschienene Analyse von Lockdowns durch das John Hopkins Institut kam zum vernichtenden Ergebnis:

Lockdowns haben wenig bis gar keine Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, aber verursachten dort, wo sie angeordnet wurden, enorme wirtschaftliche und soziale Kosten. Lockdowns entbehren jeder Grundlage und sind als Maßnahme der Pandemiepolitik abzulehnen (Herby Jan 2022).

Möglicherweise führten die Lockdowns sogar zu höheren Sterberaten. Im Sommer 2020 konnte man in Großbritannien nachweisen, dass die Rettung eines Lebensjahres eines Covid-Patienten andere Patienten zwischen sieben und mehr als 100 ihrer Lebensjahre gekostet hat (Miles 13.8.2020).

Der schwedische Arzt Sebastian Rushworth verglich die Sterbeziffern aus Schweden (ohne Lockdown) und den USA (mit Lockdown) und kam zu dem Schluss: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die USA weniger als doppelt so viele Todesfälle durch COVID zu beklagen haben wie Schweden (0,27 % der US-Bevölkerung gegenüber 0,16 % der schwedischen Bevölkerung), aber 18-mal so viele überzählige Todesfälle! Dieser enorme Unterschied lässt sich eindeutig nicht durch das Virus erklären. Es muss eine andere Erklärung geben. Die einzige vernünftige Erklärung, die mir einfällt, ist, dass sie auf die katastrophalen Auswirkungen der Lockdowns auf die öffentliche Gesundheit zurückzuführen ist. Es wird interessant sein zu sehen, ob die US-Bevölkerung ihre politischen Führer in den kommenden Jahren für diese massiv zerstörerische Fehleinschätzung zur Rechenschaft ziehen wird.“ (Rushworth 4.2.2022).

Die Gruppe um John Ioannidis schrieb in ihrem Review zu den Auswirkungen von Lockdowns: „In den Jahren 2020-2022 wurden weltweit eine Reihe aggressiver restriktiver Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern. Es wird jedoch immer deutlicher, dass ein wichtiger negativer Nebeneffekt dieser sehr aggressiven Reaktionsstrategien (Lockdown) eine deutliche Zunahme von Armut, Hunger und Ungleichheit sein kann. Verschiedene wirtschaftliche, bildungs- und gesundheitspolitische Auswirkungen haben nicht nur Kinder, Studenten und junge Arbeitnehmer unverhältnismäßig stark getroffen, sondern auch und vor allem Familien mit niedrigem Einkommen, ethnische Minderheiten und Frauen, was die bestehenden Ungleichheiten verschärft hat. Für zahlreiche Gruppen mit bereits bestehenden Ungleichheiten (geschlechtsspezifisch, sozioökonomisch und ethnisch) vergrößerte sich die Kluft der Ungleichheit. Bildung und finanzielle Sicherheit nahmen ab, während die häusliche Gewalt zunahm. Dysfunktionale Familien waren gezwungen, mehr Zeit miteinander zu verbringen, und es kam zu einer Zunahme von Arbeitslosigkeit und  einem Verlust von Sinns des Lebens. Dies hat zu einem Teufelskreis aus zunehmender Ungleichheit und Gesundheitsproblemen geführt. In Verbindung mit den Auswirkungen von Ungleichheiten beschreiben wir, wie diese Faktoren zusammenwirken und zu einer Verschärfung der Welleneffekte führen können. Angesichts der nachgewiesenen gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Kosten, die den potenziellen Nutzen wahrscheinlich bei weitem überwiegen, schlagen die Autoren vor, dass zunächst, sofern zutreffend, aggressive Abriegelungsmaßnahmen rückgängig gemacht und ihre Wiedereinführung in Zukunft vermieden werden sollte“ (Schippers 6.7.2922).

„Wir haben zwei Jahre lang umsonst mit Lockdowns verschwendet“ (Bhattacharya 13.3.2022).

Die Test-Pandemie

Die Pandemiewelle war im April 2020 vorbei und ging anschließend in die Phase der „schleichenden“ Ausbreitung mit klimatisch bedingten Zunahmen jeweils im Winterhalbjahr über. Die ansteigende Durchseuchung der Bevölkerung wurde nach Matthias Schrappe „im Rückblick irrtümlicherweise als ‚Welle bezeichnet“. Der Lockdown sei eine Art kosmetischer Korrektur gewesen, bei deren Beendigung die Zahl der positiv Getesteten sofort wieder ansteigt. „Das sagt alles über die Sinnhaftigkeit dieser Methode“ (Schrappe 22.11.2020, heise 19.2.2021).

Im Sommer 2020 gab es nur noch wenige COVID-19-Krankenhausaufnahmen und nur noch wenige Todesfälle (ebm 8.9.2020, Heudorf 25.9.2020). Die Zahl der Testpositiven stieg trotzdem im Sommer 2020 durch die massive Ausweitung der PCR-Tests – von ca. 350’000 pro Woche Mitte Juni auf 670’000 Anfang August und schließlich 1,5 Millionen im November 2020. Von vielen Getesteten wurden zudem mehrmals Abstriche entnommen, was die Zahl der Testergebnisse noch weiter erhöhte (RKI 23.9.2020). Der Prozentsatz der positiven PCR-Tests lag Ende Juni 2020 bei 1,0, Mitte September 2020 bei 0,7 – 0,8, Ende September bei 1,2.

Mit Beginn der kalten Jahreszeit 2020 gab es eine saisonal bedingte Zunahme von Erkältungskrankheiten, die nur zu einem Teil durch SARS-CoV2 verursacht war (worldometers Germany, RKI 2020, Influenza-RKI 2020). Im Oktober 2020 kam es zu einem Anstieg der PCR-Test-Positiven auf 3,6 % Ende Oktober auf 20, 9 % Ende November auf 2020, auf 11,5 % Mitte Dezember 2020, auf 10 % Mitte Januar 2021und auf 9,3 % Ende März 2021 (jeweils mittwochs in RKI 2020). Dieser Verlauf stand jedoch in keiner Beziehung zur Zahl der stationären Aufnahmen von COVID-19-Patienten oder diesbezüglicher Todesfälle (Abb. 2 bei Walach 8.12.2020).

Positive PCR-Tests geben wenig Auskunft über das aktuelle Krankheitsgeschehen. Bei allen „Erkältungsviren“ gibt es symptomlose Träger, nur werden da keine Massentests durchgeführt. Auch bei völlig gesunden Menschen lassen sich verschiedene, vermeintlich pathogene Viren nachweisen(Hardtmuth 14.12.2021). Bei Influenza etwa erkrankt weniger als ein Viertel der Virusträger (Medscape 18.3.2014). Rhinoviren lassen sich auf den Schleimhäuten der meisten gesunden Menschen nachweisen (HK 29.9.2020). Viren oder Virusbruchstücke werden ständig „herumgereicht“, wodurch die Immunität in der Bevölkerung erhalten bleibt.

Es fehlten Informationen darüber, wie viele Menschen tatsächlich an COVID-19 erkrankten, wie schwer diese Erkrankungen waren und wie viele Menschen tatsächlich durch eine Corona-Erkrankung starben. Verlässliche Zahlen etwa im Rahmen einer repräsentativen Kohortenstudie, wie sie in anderen Ländern erhoben werden, gibt es in Deutschland nicht. In den Krankenhäusern wurde bis 2023 bei jedem Patienten ein Coronatest gemacht, und jeder positiv Getestete ging als „Fall“ in die Statistik ein (BR 5.10.2020). Nach einer Umfrage der ZEIT lagen 20 bis 30 Prozent der Patienten, die PCR-positiv getestet werden, nicht wegen COVID-19 im Krankenhaus. Sie wurden aber als „Corona-Patienten“ geführt (Focus 17.2.2021). Verlässlicher ist das repräsentative Influenza-Sentinel des RKI, bei dem Abstriche von Kranken auf Erkältungsviren untersucht werden. Demnach machten im ersten Quartal 2021 SARS-CoV2 deutlich weniger als zehn Prozent der Befunde aus , und Ende März 2021 etwa 50 % der schweren Luftwegsinfekte, mit sinkender Tendenz (RKI März 2021).

Nach einer Analyse der Initiative Qualitätsmedizin wurden im ersten Halbjahr 2020 insgesamt deutlich weniger Patienten im Krankenhaus behandelt als 2019. Auch die Gesamtzahl der Fälle mit schwerer Atemwegsinfektion, der Intensivfälle und Beatmungsfälle war zu jedem Zeitpunkt geringer als 2019. Erstaunlicherweise wurden 2020 drei Mal mehr COVID-Verdachtsfälle als nachgewiesene COVID-Fälle aufgenommen. Die Sterbefälle 2020 wichen nur unwesentlich vom Mittel der Sterbefälle der Jahre 2016-19. „Zu keinem Zeitpunkt war in den beteiligten Krankenhäusern ein Kapazitätsengpass messbar“ (IQ 26.10.2020).

Die Rate der fehlerhaft positiven PCR-Befunde lag zwischen 0,5 und 1,4 Prozent, und somit befanden wir uns in Zeiten geringer Infektionsraten im Bereich der Nulllinie (Haditsch 27.5.2020, Rabe 21.7.2020, Walach 29.9.2020). Das RKI bezeichnete die Rate falsch positiver PCR-Befunde zwar als „sehr gering“ (RKI 9.9.2021), jedoch ließen bekannt gewordene Labor-„Pannen“ vermuten, dass das Problem falscher Befunde durch die Massentests ein großes Ausmaß angenommen hatte (BR 28.10.2020). Bei niedrigen Infektionszahlen waren schon sehr geringe Fehlerquoten ein relevantes Problem (hs 23.6.2020, multipolar 21.6.2020). Zudem unterlagen die über 200 kommerziellen PCR-Testsysteme bis 2022 keiner externen Kontrolle, sondern es genügte eine nur von den Herstellern selbst vorgenommene Zertifizierung (PEI 23.3.2020, ebM-Netzwerk 8.9.2020).

Ein gravierender Fehler bei den PCR-Tests wurde durch unbedeutende Virusbruchstücke verursacht: „Für die Übertragung sind vollständige lebendige Viren erforderlich, nicht die durch PCR identifizierten Fragmente“ (Jefferson 3.12.2020, Uni-Due 18.6.2021). Während intakte und infektiöse Viren nur maximal neun Tage nach Beginn einer COVID-19-Erkrankung ausgeschieden werden, sind Teile ihres Erbmaterials durchschnittlich 20 Tage, unter Umständen jedoch auch noch nach zwei bis drei Monaten nachweisbar (RKI 24.7.2020, Mayer 31.7.2020, Cevik 29.7.2020, Boucau 21.7.2022). Sogar Menschen, die gar nicht erkranken, können Virusmaterial im Rachen haben – etwa wenn sie schon früher mit dem gleichen oder einem ähnlichen Virus Kontakt hatten und immun sind. Seit April 2021 wissen wir außerdem, dass Bruchstücke von SARS-CoV-2 während einer Infektion in die DNA menschlicher Zellen integriert werden können (Zhang 19.4.2021). Diese Fragmente können von PCR-Tests erkannt werden, mit dem Ergebnis eines falsch-positiven Tests, denn es handelt sich nicht um einen aktiven Virus.

Je empfindlicher der PCR-Test eingestellt ist („Testschwelle“), umso eher werden Virusbruchstücke entdeckt. Das bedeutet dann: der Test gibt Alarm, aber der Getestete ist weder krank noch ansteckend (Laekh 25.9.2020, WELT 15.45.2021). Machte man daraus – wie regelmäßig etwa das Robert-Koch-Institut oder die Tagesschau – einen „Infizierten“, so erzeugte man damit ein falsch positives Ergebnis. Der Berliner Richter Pieter Schleiter legte Verfassungsbeschwerde gegen die Corona-Politik ein und sagte: „Jemanden auf der Grundlage eines PCR-Tests, vielleicht auch nur aufgrund eines Kontakts für zwei Wochen einzusperren, ohne dass ein Richter darüber entscheidet – das geht für meine Begriffe nicht“ (Welt 12.3.2021, Bezahlschranke).

Aus dem Nachweis von Coronavirus-RNA durch PCR-Tests kann weder auf eine Erkrankung noch auf Infektiosität geschlossen werden. Damit begründete Quarantänemaßnahmen – besonders schwerwiegende Eingriffe in die Freiheitsrechte – waren somit vermutlich rechtswidrig (FAZ 30.9.2020).

Bei einem Massen-PCR-Test in der Slowakei Anfang November ergab sich eine „Durchseuchung“ der gesunden Bevölkerung von ca. einem Prozent (38’000 Testpositive unter 3,6 Millionen, DLF 18.11.2020). Hätte man derartige Prozentzahlen – zwischen 1% bei anlassloser Testung und 10% bei anlassbezogener Testung – auf die deutsche Gesamtbevölkerung übertragen, wären das zu jedem Zeitpunkt mehrere Millionen Testpositive bzw. bis zu einer Millionen „Neuinfizierte“ pro Woche gewesen (Schrappe 10.1.2021) – eine beträchtliche Dunkelziffer, die die Nachverfolgungspolitik ad absurdum führte und eine zunehmende Herdenimmunität wahrscheinlich machte.

Immer mehr Experten stellten die Aussagekraft des PCR-Tests etwa zur Begründung von Pandemiemaßnahmen in Frage (n-tv 31.8.2020, Uni-Due 18.6.2021). Seit sogar die WHO den Nutzen von Massen-PCR-Tests bei Gesunden anzweifelte, durfte man auch als Nicht-Verschwörungstheoretiker die ständig berichteten „Inzidenzwerte“ als bedeutungslos bezeichnen (WHO 20.1.2021, RTL 21.6.2021). Für Christoph Lütge war die „Inzidenz“ von 50 „ein Witz“ (NZZ 13.1.2021). Boris Kotchoubay zog im Mai 2023 in Cicero das Fazit: „Da die Anzahl positiver Testergebnisse für sich genommen keine Aussagekraft hat, waren alle Maßnahmen und Einschränkungen aufgrund dieser Zahl sinnlos. Sie hatten keinen Bezug zum epidemischen Geschehen und konnten dieses Geschehen keineswegs beeinflussen“ (Kotchoubay 21.5.2023).

Ein internationales Wissenschaftler-Konsortium forderte Ende November 2020 die Redaktion von Eurosurveillance auf, den Artikel von Christian Drosten und Victor Corman, mit dem im Januar 2020 der damals neu entwickelte PCR-Test vorgestellt wurde (Corman 23.1.2020) zurückzuziehen: „Bei unserer erneuten Überprüfung des im Corman-Drosten-Papier beschriebenen Testprotokolls zur Identifizierung von SARS-CoV-2 haben wir Fehler und inhärente Irrtümer identifiziert, die den SARS-CoV-2-PCR-Test unbrauchbar machen… In Anbetracht der hier aufgezeigten wissenschaftlichen und methodischen Mängel sind wir überzeugt, dass dem Herausgebergremium von Eurosurveillance keine andere Wahl bleibt, als die Publikation zurückzuziehen.“ (Borger 27.11.2020).

Nach einer Studie im Lancet scheidete höchstens jeder zweite positiv Getestete intakte Viren aus (Cevik 19.11.2020). Deutsche Epidemiologen hielten 50 – 70 Prozent der Testpositiven für nicht infektiös (Stang 4.6.2021). Nach einer Recherche der New York Times hatten sogar bis zu 90% der PCR-positiv Getesteten gar keine infektiösen Viren auf der Schleimhaut (NT 29.8.2020). Es war nicht zu fassen, nicht zu ermessen, wie viele Menschen trotzdem grundlos in Quarantäne mussten (Christian Drosten bei n-tv: „wohl die allermeisten“), wie viele wichtige Operationen deswegen grundlos verschoben wurden, wie viele Betriebe oder Schulen deswegen grundlos geschlossen wurden, wie viele Schüler deswegen zum Maskentragen im Unterricht gezwungen werden, wie viele Lockdowns deswegen noch angedroht oder angeordnet wurden.

Die Massentests hätten gestoppt werden und durch repräsentative Studien ersetzt werden müssen. SARS-CoV2-Testungen waren allenfalls bei bestimmten Risikogruppen sinnvoll (ebm 8.9.2020).

Die ungezielten Massentests waren fahrlässig, trügerisch und auch von der Logistik her kaum zu bewältigen. Gesundheitsexperten warnten vor „unkontrollierbaren Problemen mit falsch-positiven Befunden (…), die von den Institutionen, die mit der Nachverfolgung beauftragt sind, nicht bewältigt werden können“ (Schrappe 31.8.2020). Der Vorsitzende des Laborverbands AML, Michael Müller, merkte noch vor Beginn der bayerischen Testorgie kritisch an: „Die Tests… für alle Bürgerinnen und Bürger einfach so ohne Anlass freizugeben, ist weder medizinisch angemessen noch epidemiologisch effektiv, sondern letztlich eine nicht notwendige Verschwendung von Finanzmitteln (MT 8.7.2020).

Anstatt wie in Island oder Großbritannien repräsentative Studien durchzuführen, um die „Durchseuchung“ der Bevölkerung zu untersuchen (diesbezügliche Expertenempfehlungen wurden von der Politik ignoriert), wurden und werden Milliarden Euro für PCR-Tests ausgegeben. Hinzu kamen noch die teuren Sequenzierungen wegen der Virusmutanten und Kosten für die Schnell- und Selbsttests. Der britische Evidenzmediziner Tom Jefferson bezeichnete die Testomanie als „enorm teuren Fehlgriff“. Durch ihre fehlerhaften Ergebnisse erzeuge sie „unnötigen Schaden für Leben und Lebensgrundlagen, mehr sinnloses Leiden“ (DailyMail 12.12.2020). Wie viele Flüchtlingsfamilien hätte man mit diesem Geld aus der Hölle der griechischen Flüchtlingslager holen können, um ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen!

Wurde mehr getestet, oder wurden positive Schnelltest-Ergebnisse mit PCR-Tests „nachgetestet“, dann stieg die sogenannte „Inzidenz“. Sie wara dadurch beliebig und manipulierbar.

Möglicherweise diente die wissenschaftlich weder begründete noch begleitete Teststrategie dazu, die politisch verordneten Maßnahmen zu rechtfertigen (ebm-netzwerk 9.9.2020). Die Test-Eskalation hielt das Panikniveau hoch und führte zu immer neuen regulatorischen Rundumschlägen von Seiten der Exekutive. Der Soziologe Maurizio Bach bestätigte das: „Als mit Abstand wirkungsvollstes Instrument der gesamtgesellschaftlichen Angststeuerung erweist sich in der Corona-Krise aber die tägliche Veröffentlichung der Inzidenzzahlen, des Anteils der Positivgetesteten pro 100.000 Einwohner. Gehen sie hoch, steigt der Angstpegel in der Gesellschaft merklich; gehen sie runter bleibt die Furcht vor einer Rücknahme der „Lockerungen“. Die jeweils nächste Welle wirkt als ständige Drohkulisse. Mit einer anhaltenden Entspannung der emotionalen Gesamtlage in der Bevölkerung wird deshalb in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sein“ (Bach 28.3.2021).

So war die Stadt München im September 2020 ein angeblicher „Corona-Hotspot“ – es gab aber zwischen 11. August und 28. September keinen einzigen Coronatodesfall. Bei Ausrufung des Lockdowns im Berchtesgadener Land lagen dort lediglich zwei Patienten auf einer Intensivstation (Merkur 21.10.2020). Der Chefarzt einer großen Klinik im Hochrisiko und Lockdown-Landkreis Rottal-Inn stellte fest: „Unsere Klinik ist für einen November normal belegt. Seit ca. 3 Wochen liegen 3 Patienten mit COVID-19 intubiert auf der Intensivstation. Keine Anzeichen für ein Dekompensieren der medizinischen Versorgung. Konsequenz: Business as usual, aufmerksames umsichtiges Arbeiten, keine Panik“ – und wurde wegen dieser Äußerung von Politik und Medien unter Druck gesetzt (PNP 30.10.2020). In Rosenheim, der Stadt mit einer der höchstens „7-Tage-Inzidenzen“ Bayerns und vorzeitigem Beginn des Lockdowns, lagen Ende Oktober 2020 „null Patienten auf Intensiv mit Corona, und wir haben null Corona-Patienten an einem Beatmungsgerät“ (Rosenheim24 28.10.2020). Bei allen fünf Patienten, die nach Ende Oktober 2020 im „coronaverseuchten“ Schongauer Krankenhaus gestorben waren, konnte COVID-19 als Todesursache ausgeschlossen werden (SZ 6.11.2020).

Am 2. November 2020 wurde vom RKI vorübergehend eine neue Teststrategie verkündet. Ärzte sollten nur noch testen, wenn Symptome wie hohes Fieber, Husten und Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns zusammenkamen, wenn die Patienten zur Risikogruppe gehörten oder Kontakt mit einem Testpositiven hatten. Um sofort eine Einschätzung vornehmen zu können, sollten zunehmend Schnelltests eingesetzt werden (FAZ 3.11.2020). Bayern scherte aus dieser Teststrategie aus und testete weiter jeden, der in die Teststationen kam.

Ende November 2021 wurde bekannt, dass ein leitender Mitarbeiter des RKI auch Gesellschafter der Firma Genexpress war, die Geschäfte mit Corona-Tests machte (Handelsblatt 27.11.2021, Bezahlschranke).

Ab März 2021 galt ein neues Testkonzept: Bundesweit sollten alle Bürgerinnen und Bürger kostenlos einmal pro Woche in Testzentren, Apotheken oder Praxen einen Antigen-Schnelltest (euphemistisch: „Bürgertest“) machen können. Der schriftliche Nachweis über einen negativen Test sollte in Zukunft „als Voraussetzung zum Betreten bestimmter Einrichtungen“, etwa Kinos oder Theater dienen (STERN 2.3.2021).

Die Stadt Erfurt machte es vor: An zwei Tagen im März durften die Geschäfte in der Innenstadt öffnen, und Erfurter mit einem negativen Corona-Schnelltest bekamen ein Bändchen und durften shoppen (mdr 4.3.2021). Tübingen führte Anfang März eine Schnelltestpflicht für Einkäufer ein (SN 8.3.2021). In Berlin war ab April 2021 „Shoppen“ nur noch mit negativem Schnelltest gestattet (rbb 1.4.2021). „Die Durchführung von Veranstaltungen in sicheren Zonen mit getesteten und nicht-infektiösen Teilnehmern ist für die Veranstaltungswirtschaft einer der Schlüssel zur Wiederaufnahme des Betriebes“, so Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (WELT 18.3.2021). In Mecklenburg-Vorpommern stellte sich die Testpflicht vor einer Shoppingtour für die Einzelhändler als „Katastrophe“ heraus (OZ 6.4.2021).

Die Teststrategie kostete den Staat Milliarden (SZ 4.3.2021). Im Mai 2021 gab die Bundesregierung allein in Baden-Württemberg 45 Millionen Euro für 8,5 Millionen Schnelltests aus und entdeckte damit ca. 4000 Infizierte  – pro Fall Kosten von mehr als 11’000 Euro (SWR 7.7.2021). Im November 2022, als die Pandemie bereits zu Ende war, wollte Karl Lauterbach die kostenlosen Schnelltests sogar noch bis April 2023 fortschreiben (WELT 17.11.2022, Bezahlschranke). Noch absurder war es bei Kindern: In Hessen wurden gegen Schuljahresende 2021 wöchentlich zweimal 1,1 Millionen Kinder getestet. Innerhalb einer Woche wurden 34 Kinder positiv getestet – ca. 170’00 Euro für das Auffinden eines asymptomatischen Kindes (StK Hessen 14.7.2021). Testzentren schossen wie wild aus dem Boden, zur Eröffnung brauchte es kaum irgendwelche Voraussetzungen. Allein in Nordrhein-Westfalen hatte sich die Zahl der Zentren von Mitte März bis Mitte April verfünffacht.

Zur Abrechnung mussten weder die Namen der Getesteten noch Einkaufsbelege über Tests vorgelegt werden – es reichte die Übermittlung der Testzahl, und schon floss Geld. Dem Betrug waren Tür und Tor geöffnet (tagesschau 27.5.2021). Die SZ schrieb am 25.8.2022: „Etwa zwölf Milliarden Euro hat der Staat bislang den privaten Teststationen gezahlt. Bundesweit laufen Hunderte Ermittlungsverfahren; der Gesamtschaden wird in den Ermittlungsbehör-en auf mehr als eine Milliarde Euro geschätzt“ (SZ 25.8.2022, Bezahlschranke). Allein in Baden-Württemberg entstand durch Abrechnungsbetrug im Zusammenhang mit Corona-Testzentren ein Schaden von mindestens 76 Millionen Euro (SWR 10.11.2022).

Es wurden massenhaft und ungeregelt Tests importiert und eingesetzt, die nicht für den Eigengebrauch zugelassen sind, auch für sogenannte „Pilotstudien“, auf fraglicher Grundlage. Gerd Antes sagte in einem Interview Anfang September 2021: „Es gibt aktuell über 550 Tests von ganz verschiedenen Herstellern allein zur professionellen Anwendung. Diese Tests werden alle nicht so geprüft, wie sie eigentlich geprüft werden müssten. Warum brauchen wir über 550 Schnelltests verschiedener Hersteller, die eine „Sonderzulassung“ haben, welche ohne jede Bewertung dieser Tests unter realen Bedingungen erfolgt? Ich sage es einmal sehr deutlich: Was diese Tests liefern, ist nicht einmal als Größenordnung einzuschätzen. In Bezug auf die Diskussion um 2G oder 3G kann das schlimmstenfalls fatale Auswirkungen haben. Auch hier bräuchten wir eigentlich Studien, die die Eigenschaften der Schnelltests bewerten“ (Cicero 3.9.2021). Für den Selbsttest werden Testkits in Supermärkten angeboten, deren Ergebnisse nirgendwo anerkannt werden (iphone 15.3.2021).

In den USA war nach Recherche des Journalisten  Jordan Schachtel der „industrielle Komplex der COVID-Tests“ völlig außer Kontrolle. Es war eine Wachstumsbranche, die täglich mehrere hundert Millionen Dollar verschlingt, eine „kaputte, korrupte Industrie, die größtenteils Schrotttests produziert, und sogar Pläne schmiedet, ein COVID-Testkit in jeden Haushalt in Amerika zu stellen“ (Schachtel 14.12.2021).

Bei einem positiven Testergebnis war in jedem Fall die Meldung beim Gesundheitsamt obligatorisch, außerdem ein zusätzlicher PCR-Test.

Nach den Gebrauchsanweisungen der meisten Schnelltests war eine Anwendung außerhalb der akuten Phase einer Infektion ausdrücklich nicht empfohlen: Falsch positive Ergebnisse waren bei einer solchen Strategie häufig. Lothar Wieler, Robert-Koch-Institut, nannte eine falsch-positiv-Quote von fünfzig Prozent (Min. 1.03 Phoenix 26.3.2021). Bei Schnelltests an Schulen in Ludwigsburg waren bis zu 70 Prozent der positiv getesteten Kinder nicht mit dem Coronavirus infiziert, in Hamburg lag diese Quote im Juni 2021 bei 80 Prozent  (LK 25.3.2021, ZEIT 4.7.2021). Laut einer Grafik und einem Berechnungs-Tool des RKI konnten auch mehr als 90 Prozent aller Testergebnisse falsch positiv sein (RKI 21.2.2021).

„Die Aussagekraft von Schnelltests bei symptomlosen Personen in der Praxis liegt offensichtlich ganz nah beim Würfeln“ (Klaus Stöhr, 29.8.2021)

Thomas Mertens, Chef der STIKO, die auch zu nicht-pharmazeutischen Maßnahmen Empfehlungen abgeben kann, zweifelte die Sinnhaftigkeit von Massentests für Schüler an: „Ich frage mich, wie wichtig es tatsächlich ist, jedes symptomlos infizierte Kind durch Testung zu entdecken … Würde es möglicherweise reichen, jedes Kind mit Symptomen frühzeitig zu identifizieren und zu isolieren? Das mag zwar ketzerisch klingen, aber man sollte darüber nachdenken“ (PNP 6.8.2021).

Die Cochrane Collaboration konstatierte in einem Review: Wir haben keine Daten oder Studien gefunden, die die Genauigkeit dieser Tests bewerten, wenn  sie beim wiederholten Screening von Personen ohne bekannte Exposition gegenüber SARS-CoV-2 eingesetzt werden. Solche Test-Strategien können sich bisher nicht auf ‚Real-World‘-Evidenz aus der Praxis stützen(Cochrane 24.3.2021). Weiter hieß es, bei der Testung von 10’000 symptomlosen Personen und einer „Inzidenz“ von 500 „müsste man damit rechnen, dass die Tests 125 bis 213 positive Ergebnisse liefern würden und dass 90 bis 189 dieser positiven Ergebnisse falsch positiv wären“. Bei der realistischeren Inzidenz von 100 oder 150 wäre die Fehlerquote noch deutlich höher. Die Aktualisierung vom August 2022 bestätigte die Aussage früherer Reviews. Die Sicherheit, mit Schnelltests einen gesunden Infizierten zu entdecken, betrug weniger als 50 Prozent (Ärztebl 2.8.2022, Rabe 3.8.2022).

Die Schnelltests waren oft auch falsch negativ. Christian Drosten machte die Rechnung auf: „An fünf von acht Tagen entdecke ich mit dem Antigentest eine Infektion, an drei Tagen werde ich sie übersehen“ (tagesschau 13.4.2021). Dies lag vor allem daran, dass in den ersten zwei Tagen nach der Ansteckung die Schnelltests noch nicht anschlugen. Die aussagekräftigeren Abstriche vom Rachen (durch den Mund) wurden frühestens 40 Stunden nach einer Infektion positiv, zeigten dann aber auch Infektiosität an. Nasenabstriche brachten erst 18 Stunden später ein verwertbares Ergebnis (Imperial 2.2.2022, BILD 3.2.2022). In den USA wurden zwischen November 2020 und Oktober 2021 die positiven Schnelltests von 180’000 gesunden Personen mit PCR-Tests nachkontrolliert. Nur 38 Prozent der Befunde bestätigten sich (Connor 18.3.2022).

Werner Bergholz, der auch als Sachverständiger beim Bundestag geladen war, resümierte: Die geringere Spezifität und Sensitivität von Antigen-Schnelltests führt beim Testen von asymptomatischen Personen und einer Prävalenz, die im Moment in Deutschland vorliegt, zu überwiegend falsch positiven Ergebnissen und zu mindestens 20% „übersehenen“ Infektionen… Es ist aufgrund der prinzipiellen Schwächen des Antigentests und der Fehlerquellen des PCR Tests mit der im Moment unbekannten falsch positiv Rate nicht zielführend, die Teststrategie ‚Antigen-Schnelltests mit nachgeschalteten PCR Tests‘ an Schulen durchzuführen“ (Bergholz 10.4.2021). Nach Professor Reinhard Berner, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Dresdner Uni-Klinik, waren die Schnelltests an Schulen keine sinnvolle Strategie. Die Treffsicherheit sei „lausig schlecht“, das galt umso mehr, je jünger die Kinder waren, und vor allem, wenn sie symptomfrei waren (DNN 22.4.2021, Bezahlschranke):

„Wenn ich an einer Schule 1.000 Schüler teste, unter denen zehn infiziert sind, finde ich nur zwei von ihnen, acht aber nicht. Dafür finde ich zusätzlich sechs bis acht falsch positive, die also erst einmal in Quarantäne müssen, obwohl sie nicht infiziert sind“ .

Wer sich für die Fehlerhaftigkeit der gängigen Schnelltests interessierte, und für die Wahrscheinlichkeit, durch einen falsch-positiven Befund in eine 14tägige Quarantäne zu kommen, konnte bei Corona-blog nachschlagen. 

Das RKI versuchte, die mangelnde Qualität und Aussagekraft der Tests durch Ausweitung der Testmenge auszugleichen: Eine hohe Testfrequenz erhöht die Aussagekraft eines negativen Antigentests… Eine wiederholte Testung derselben Person (z. B. an zwei von drei aufeinanderfolgenden Tagen oder alle 48 Stunden) erhöht die Wahrscheinlichkeit, das diagnostische Fenster eines Antigentests zu treffen und würde somit in Abhängigkeit der dadurch verhinderten Übertragungen zur Reduzierung des allgemeinen Infektionsgeschehens beitragen“ (RKI 29.4.2021). Im Juli 2021 empfahl das Robert-Koch-Institut, sich in Grundschulen und Kindergärten nicht auf Schnelltests zu verlassen, sondern PCR-Lolli-Pool-Tests einzusetzen (EB 1.7.2021).

Wiederholt wurden Datenpannen in Corona-Schnelltestzentren bekannt, durch die die Registrierungen von Tausenden Getesteten mit hinterlegtem Testergebnis und persönlichen Daten abgerufen werden konnten (heise 9.4.2021).

Die Verbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus führte dazu, dass Schnelltests in ihrer Aussagekraft noch weiter eingeschränkt waren. „Die beobachtete niedrige diagnostische Sensitivität dürfte sich auf die geplante breite Einführung von Testprogrammen auswirken“ (Fujita-Rohwerder Jan 2022). Der Flowflex SARS-CoV-2 hatte die höchste Empfindlichkeit gegenüber der Omikron-Variante, vier weitere Schnelltests wurden als mäßig empfindlich eingestuft (Nordbayern 1.2.2022).

US-amerikanische Forscher schrieben: „Ausgehend von der Viruslast und von Übertragungen, die durch epidemiologische Untersuchungen bestätigt wurden, waren die meisten Omikron-Fälle mehrere Tage lang infektiös, bevor sie durch Antigen-Schnelltests nachgewiesen werden konnten (Adamson 5.1.2022). Ein Schweizer Forscherteam schreibt: „Insgesamt haben wir bei allen Tests eine Tendenz zu einer geringeren Empfindlichkeit für Omikron im Vergleich zu SARS-CoV-2 und den anderen VOCs (variants of concern) festgestellt“. Klinische Einschätzungen des Krankeitsbilds seien vorrangig, um die Aussagekraft der Tests zu verbessern (Beklitz 22.12.2022). In Israel waren Schnelltests in 47% falsch negativ, in 37% fasch positiv (David 8.1.2022).

Bemerkenswerte Nebeneffekte der zunehmenden Test-Nachfrage durch 2G plus und Omikron waren die Überlastung der Labore – es kam zu einer Art Triage bei der Verarbeitung der Proben – und der sich leerende Markt für PCR-Tests und Schnelltests (WELT 11.1.2022).

In Bayern wurde im März 2021 verfügt, dass alle KiTa- und Kindergartenkinder nach „stärkeren Erkältungssymptomen“ und alle Schüler nach jeder „Erkältung“ nur mit negativem Coronatest wieder in die Gemeinschaftseinrichtung kommen durften (stmas 11.3.2021, km 12.3.2021, SZ 16.3.2021). Die dadurch einsetzende Massentestung machte durch Falsch- oder Zufallsbefunde die bayerischen KiTas und Kindergärten zu mutmaßlichen Hotspots und die Kinder zu Quarantäne-Opfern und vermeintlichen Virusschleudern. Dies wiederum führte zu Rufen nach noch mehr Routine-Schnelltests bei Kindern.

Die Bundesregierung verpflichtete Mitte April 2021 alle Unternehmen dazu, ihren Beschäftigten einmal wöchentlich einen Schnelltest anzubieten (Bundesregierung 14.4.2021). Eine explizite Testpflicht wurde nicht vorgeschrieben, weil es beim Abstrich um einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit geht (SPIEGEL 12.4.2021). Bei Schülerinnen und Schülern waren die Behörden da weniger zimperlich – bei ihnen geschah das auch ohne schriftliche Einwilligung. Viele Landesregierungen trauten es den Eltern nicht zu, die Kinder zu Hause eigenverantwortlich zu testen. Den Lehrern dagegen wurde es zugestanden, Selbsttests zu Hause durchzuführen.

Bundesweit sollten sich alle Schüler und Lehrer zweimal wöchentlich auf SARS-CoV2 testen (lassen). Bei Nicht-Teilnahme oder Nicht-Vorweisung eines negativen Testergebnisses durften die Klassenräume nicht betreten werden. Markus Söder begründete die Einführung der Testpflicht in Bayern mit der durch nichts zu belegenden Behauptung: „Wir sehen, dass die Schulen ein sehr intensiver Teil des pandemischen Geschehens sind.“ (BR 7.4.2021, Merkur 7.4.2021). Die Regierung von Niedersachsen und der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt schlugen für das Schuljahr 2021/22 sogar tägliche Corona-Tests vor (ndr 22.7.2021, Merkur 23.7.2021).

Diskutiert wurde eine Ausweitung der Testpflicht auf Kindergartenkinder: „Das wäre gut, denn Testen gibt Sicherheit und schützt“, wurde als Argument vorgebracht, und ergänzend muss man hinzufügen: Es führte massenhaft zum 14tägigen Hausarrest gesunder Kinder und ihrer Familien (ZEIT 23.4.2021). Die Hamburger Sozialbehörde arbeitete an einem Pilotprojekt zur regelhaften Testung von Kitakindern (Zeit Online 31.3.2021, Bezahlschranke). In Bayern mussten Kita-Kinder ab dem ersten Geburtstag dreimal wöchentlich auf SARS CoV2 getestet werden. Möglich waren auch Schnelltests zuhause, einmal pro Woche (Montag) musste jedoch unter Aufsicht getestet werden. Die Angstspirale wurde immer weiter gedreht und betraf immer jüngere Altersgruppen (br24 7.12.2021). Christoph Lütge bezeichnete die Testpflicht bei Kleinkindern einesystematische – und völlig sinnlose – Quälerei der Kleinsten. Es ist einfach nur widerlich“  (Lütge 16.1.2022).

Der VGH München lehnte im April 2021 den Eilantrag ab, die Regelung zu Corona-Tests für Schülerinnen und Schüler vorläufig außer Vollzug zu setzen. Er stellte jedoch klar, dass die Testteilnahme „ausschließlich freiwilliger Natur“ ist. Bei Ablehnung müsse sichergestellt sein, dass Unterrichtsangebote im Distanzunterricht bestehen. Andernfalls sei nicht von der erforderlichen Freiwilligkeit der Einwilligung in die Erhebung gesundheitsbezogener Daten auszugehen (br 8.4.2021, juris 12.4.2021). Die Schulleiter waren in Fällen von Testverweigerung offensichtlich oft ratlos (br24 19.7.2021). Dem half die Staatsregierung bald ab: In der Änderung der bayerischen Coronaverordnung vom 5. Oktober wurden Testverweigerer Schulschwänzern gleichgestellt, der Anspruch auf Distanzunterricht entfiel: „Schülerinnen und Schüler, die nicht geimpft bzw. genesen sind, sich nicht den erforderlichen Tests unterziehen und deshalb nicht am Unterricht teilnehmen können, verletzen daher grundsätzlich ihre Schulpflicht“. Sie könnten mit „Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen“ oder Bußgeldern belegt werden, hieß es in einem Schreiben des Ministeriums. Es bestehe jedoch kein „Testzwang“. Diese bizarre Argumentationsschiene kannte man schon von der Impfkampagne (SPIEGEL 11.10.2021).

In den meisten Bundesländern durften die Eltern bei den Selbsttestungen nicht anwesend sein. Die Schüler mussten sich ohne direkte Hilfe selbst testen, unabhängig vom Alter und ohne aktives Eingreifen eines Lehrers: „Zur Testung wird ein Teststäbchen ca. 2 cm tief in jedes Nasenloch eingeführt, an der Naseninnenseite hin- und herbewegt und dann in eine Testflüssigkeit getaucht… Erhalten die Schülerinnen und Schüler beim Schnelltest ein positives Testergebnis, sollten sie dies der aufsichtführenden Lehrkraft bzw. der Schulleitung mitteilen… Die betroffene Schülerin bzw. der betroffene Schüler muss sich absondern, d. h. von anderen Personen isoliert und – sofern möglich – von den Erziehungsberechtigten abgeholt oder nach Hause geschickt werden“. Abgesehen davon, dass das beschriebene Einführen von Teststäbchen in die Nase unangenehm war, wurde dieses Verfahren nie wissenschaftlich evaluiert. Konsens war bisher immer der Abstrich von der Rachenhinterwand.

Die Schulen bzw. Lehrer bewegten sich juristisch auf dünnem Eis, als rechtlich fragwürdige Testungen womöglich noch gegen den Willen von Schülern oder ihren Eltern vorgenommen wurden (MPG §40). Zwar stellten die Staatsregierungen Lehrer prinzipiell von der Haftung frei, aber nur für den Fall, dass bei der Beaufsichtigung der Selbsttests keine „grobe Fahrlässigkeit“ vorlag (KM 7.4.2021). Nasale Selbsttests waren medizinethisch invasive Eingriffe und bedurften daher bei Minderjährigen einer Einwilligung der Eltern, die auch nur dann wirksam war, wenn vorher über Risiken vollumfänglich aufgeklärt wurde und eine Nutzen/Risiko-Abwägung stattgefunden hat.

Das bayerische Kultusministerium war da anderer Meinung und drehte den Spieß um: „Die Abgabe einer ausdrücklichen Einverständniserklärung durch die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten (bzw. durch volljährige Schülerinnen und Schüler) ist nicht erforderlich… Wenn Ihre Tochter bzw. Ihr Sohn nicht an den Selbsttests in der Schule teilnehmen soll und auch kein alternatives negatives Testergebnis vorgelegt werden kann, müssen Sie das der Schule mitteilen. Ein Schulbesuch ist dann nicht möglich“ (KM 11.4.2021). In manchen Regionen wurde Eltern sogar ein Bußgeld angedroht, falls sie ihre Kinder nicht an den Testungen teilnehmen lassen (WN 16.4.2021). Das war juristisch fragwürdig, wurde aber nie richterlich überprüft.

Medizinprodukte hätten nach der Medizinprodukte-Betreiberverordnung nur ihrer Zweckbestimmung entsprechend und nur von Personen angewendet werden dürfen, die die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung besitzen. Eine Einweisung in die ordnungsgemäße Handhabung war erforderlich. Es hätten Qualitätssicherungssysteme eingerichtet werden müssen, die Schulen hätten Sicherheitsbeauftragten für Medizinprodukte benötigt. Man konnte LehrerInnen und (Di)RektorInnen nur raten, zu remonstrieren, um das Haftungsrisiko nach oben weiterzureichen.

Mitte März 2021 wurde in Deutschland auch ein Corona-Spucktest zur Selbstanwendung zugelassen (GL 15.3.2021). Er verlangte allerdings ein gewisses Maß an Kooperation („es sollte 3- bis 5-Mal kräftig gehustet werden“), exakte Dosierung des Speichelvolumens („das gesammelte Probevolumen sollte ohne Schaum 0,5 ml betragen… das korrekte Volumen ist für die Zuverlässigkeit des Tests essenziell“) und anschließendes Hantieren mit einer Pufferflüssigkeit. Ohne Hilfe eines Erwachsenen war das illusorisch. Er wurde an Schulen kaum verwendet.

Keiner der SARS-CoV2-Tests war für die Eigenanwendung durch Minderjährige und für die Anwendung bei Gesunden validiert (Hirte 11.4.2021).

Schnelltest hatten nur eine „Sonderzulassung“, allerdings nicht für Schulen. Viele Schüler waren durch wesentliche Schritte der Anwendung der Tests überfordert – vom Auspacken, über die Probennahme und die Auswertung bis hin zur Entsorgung. Selbst erwachsene und untrainierte Laien taten sich da schwer. Bei manchen Tests gab es sogar Warnhinweise etwa bezüglich der Testflüssigkeit („nicht in die Augen bringen“). In Hamburg wurde ein Test aus dem Verkehr gezogen, der die giftige Flüssigkeit Octylphenol enthält (WELT 21.4.2021). An einer Schule in Baden-Württemberg wurden die Schüler wieder nach Hause geschickt, weil der Beipackzettel des Schnelltests vorschreibt, dass jeder, der einen Test macht, auch entsprechendes Schutzmaterial wie Laborkittel, Schutzbrille und Handschuhe tragen muss (RNZ 21.4.2021).

Bayerische Elternverbände und Lehrkräfte protestierten heftig dagegen, dass sich Schüler in den Klassenzimmern selbst testen sollten: „Klassenzimmer sind keine Testzentren“ (SZ 25.3.2021, Merkur 12.4.2021). Die GEW äußerte sich kritisch unter anderem wegen fehlendem Datenschutz, psychischer Belastung der Schüler, Arbeitsaufwand und mangelndem Infektionsschutz, und stellte ein Remonstrationsschreiben und eine Überlastungsanzeige auf ihrer Website zur Verfügung (GEW 24.3.2021).

Der Weimarer Familienrichter Christian Dettmar hob im April 2021 an zwei Schulen in Thüringen aus Gründen des Kindswohls die Pflicht zum Tragen von Masken, zur sozialen Distanz und zur Teilnahme an Corona-Tests auf (Dejure 8.4.2021). Dies löste bundesweit eine Klagewelle gegen die Testpflicht aus (WELT 16.4.2021). Der Richter wurde wenig später der Rechtsbeugung bezichtigt, seine Wohnung wurde durchsucht, persönliches Eigentum wurde beschlagnahmt. Es bestehe der Anfangsverdacht, „dass er sich bei dieser Entscheidung einer Beugung des Rechts schuldig gemacht hat, indem er sich bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt hat, seine Entscheidung also von den gesetzlichen Vorschriften nicht mehr getragen wird, so dass sie willkürlich erscheint“ (LTO 27.4.2021). Oliver García, Geschäftsführer des Juristenblogs Dejure, schrieb: „Ich wüßte nicht, dass so etwas schon einmal vorgekommen wäre in Deutschland: Daß ein Richter überzogen wird mit Durchsuchungsmaßnahmen im Zusammenhang mit seiner rechtsprechenden Tätigkeit  … Würde ein solcher Fall in Rußland spielen, gäbe es am nächsten Tag möglicherweise eine Sondersendung im deutschen Fernsehen“ (García 2.6.2021). Im Januar 2023 entschied das Thüringer Richterdienstgericht, dass der Amtsrichter vorläufig nicht mehr als Richter arbeiten darf (TA 24.1.2023).

Das Netzwerk KRiStA verurteilte den Vorfall als Eingriff in richterliche Unabhängigkeit (Achgut 27.4.2021). Durch einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts wurde Dettmar wenig später rehabilitiert (rsw beck 6.6.2021). Ende Juni  2021 wurde er jedoch von der Staatsanwaltschaft erneut ins Visier genommen – und diesmal nicht nur er selbst, sondern auch die Klägerin, der Verfahrensbeistand, Zeugen und Gutachter. Es kam zu zahlreichen Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen. Offensichtlich sollen damit Kritiker der Coronamaßnahmen eingeschüchtert werden (BILD 29.6.2021, Strate 29.6.2021, heise 4.7.2021). Ende Mai 2022 wurde gegen Christian Dettmar Anklage wegen Rechtsbeugung erhoben. Er habe sich laut Anklage in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt, um die angebliche Unwirksamkeit und Schädlichkeit staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der öffentlichkeitswirksam darzustellen (BZ 2.6.2022). Christian Dettmars Erwiderung auf die haltlose Anklage der Staatsanwaltschaft kann im Blog von Bastian Barucker nachgelesen werden (Barucker 18.7.2023). Am 23.8.2023 wurde Dettmar vom Landgericht Erfurt wegen „Rechtsbeugung“ zu zwei Jahren HAft auf Bewährung verurteilt (mdr 24.8.2023).

Die „freiwilligen“ Selbsttests hatten erhebliche psychische und soziale Auswirkungen : Die Testungen fanden statt in ungeschützten Räumen ohne Diskretion und Schutz der sensiblen, personenbezogenen (Gesundheits-)Daten der Schüler. Die Schüler erlebten sich als potentielle Gefährder, herabgewürdigt zu Testobjekten. Es war für sie eine unzumutbare seelische Belastung, das Durchfließen der Testflüssigkeit beobachten und auf die Verfärbung der Testlinien warten zu müssen, die wie ein selbstvollstrecktes Gottesurteil zur Absonderung, Aussonderung, ja Vertreibung führen konnte und die eigene Familie mit in den Strudel riss. Die Kinder erlebten Druck, Stress, Angst und Scham; in den Klassen kam es zu Gruppenbildungen, Ausgrenzung und Mobbing („Jeder, der sich nicht testen lässt, muss noch weiter weg von den anderen sitzen„). Emotional labile Kinder und Jugendliche wurden dadurch traumatisiert (bbc 1.9.2021). Wegen der hohen Fehlerquote der Schnelltests kam es zu unzähligen unnötigen Quarantänemaßnahmen.

Es war ein gravierender Verstoß gegen die Menschenwürde und das Kindswohl, dass Kinder an sich selbst diagnostische Maßnahmen vornehmen mussten.

In manchen Bundesländern wurde ab dem Schuljahr 2021/22 an den Grundschulen ein sogenannter PCR-Lolli-Pooltest durchgeführt (z.B. KM Bayern 2021). Die Schüler kauten 30 Sekunden auf zwei unangenehm schmeckenden Abstrichtupfern herum, die dann gemeinsam für eine Klasse („Pool“) mit der PCR-Methode ausgewertet wurden. War ein Pool positiv, wurden noch am selben Tag die jeweiligen Einzelproben der Schüler untersucht und ausgewertet. Das Ergebnis wurde Schulen und Eltern und dem Gesundheitsamt elektronisch mitgeteilt. Testpositive Kinder mussten in Quarantäne.

Das Material der Tupfer von PCR-Pooltests wurde als ungiftig dargestellt (SchuMi NRW). Es handelte sich um dieselben Tupfer, die auch bei Schnelltests verwendet werden. Die „Watte“ bestand aus handelsüblichem Nylon und ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol), ein Stoff, der auch z.B. bei LEGO oder Playmobil verwendet wird. Sie wurden nach Auskunft aus NRW nicht mit Ethylenoxid, sondern mit Strahlen sterilisiert.

PCR-Lolli-Tests verfügten über keine komplette EU-Zulassung (weder regulär per CE noch als Sonderzulassung über das BfArM). Zugelassen als Medizinprodukte waren nur die einzelnen Komponenten: die Probenahme-Tupfer in der Schule sowie Utensilien im Labor, insbesondere das „RT-PCR System“. Die Lutsch-Tupfer verstießen mindestens durch fehlende Anwenderdokumentation gegen EU-Recht. Einen Steckbrief zum PCR-Lolli-Test finden Sie hier.

PCR-Tests mussten nach Bundesgesundheitsministerium durch „medizinisches Personal“ vorgenommen werden, nach bayerischem Gesundheitsministerium durch „medizinisches oder ärztlich eingewiesenes Personal“. Bei der Durchführung der Tests konnte es zur Kontamination oder Verwechslung von Proben kommen. Auch die Anwenderdokumentation des chinesischen Herstellers wies die Tupfer zur Anwendung durch medizinisch-professionelles Personal aus und nicht zur Eigenanwendung durch Laien oder gar Kinder, und auch nicht durch Lutschen. Der Einsatz eines Medizinprodukts in der Schule erforderte zudem einen Sicherheitsbeauftragten und eine Gefährdungsanalyse. Die Proben wurden daher an den meisten Schulen nicht ordnungsgemäß entnommen. Die PCR-Lollitests an Schulen waren „ohne gültige Rechtsgrundlage nichts anderes als Körperverletzung im Amt“, die Ergebnisse und daraus folgende Maßnahmen wie Schulausschluss und Quarantäne waren rechtlich fragwürdig (Rubikon 30.9.2021).

In Bayern formierte sich eine Elterninitiative, die den sofortigen Stopp der Lolli-PCR-Tests forderte und einen diesbezüglichen Brief an die Verantwortlichen der Staatsregierung schrieb (kinderrechtejetzt 7.10.2021). EIne Petition gegen die Lollitests wurde im Bayerischen Landtag abgekanzelt. Die beiden Berichterstatter, Gerhard Waschler (CSU) und Anna Schwamberger (GRÜNE) beschränkten sich darauf, „die einen Tag zuvor erstellte Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung zu zitieren: Die Abstrichtupfer würden nicht schmecken und keine Stoffe abgeben; sie trügen ein CE, seien geprüft und erfüllten alle gesetzlichen Anforderungen. Das war’s. Die Petition wurde abgewiesen“ (kinderrechte jetzt 29.1.2022).

Bei Laboruntersuchungen der Tupfer, die von betroffenen Eltern selbst finanziert wurden, fanden sich organische Verbindungen (u.a. Formaldehyd, Dekan, Ethylacetat) und mineralische Rückstände (Silizium, Aluminium, …) gefunden – von denen keiner deklariert war. Es wurde auch nachgewiesen, dass die Fasern des „Wattebausches“ über scharfkantige Enden verfügten, und dass sich Teile (Mikropartikel) bei der Benetzung mit Speichel ablösten und verschluckt wurden. In der Bewertung heißt es: Die als „Lollis“ für PCR-Pooltests eingesetzten Babio-Abstrichtupfer enthalten zahlreiche Stoffe, die nicht deklariert und als gesundheitsgefährdend zu bewerten sind.In Anbetracht dessen, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 bei Kindern fast immer mild oder sogar symptomlos verläuft, erscheint es unter diesen Bedingungen fraglich, ob der gewünschte Nutzen (Erkennung einer Infektion mit SARS-CoV-2) bezogen auf das Risiko einer gesundheitlichen Schädigung ausreichend ist, um die Durchführung der PCR-Lollitests als Massen-Screening hunderttausender Kinder zu rechtfertigen“(Kinderrechtejetzt 18.2.2.2022, 26.2.2022).

Auf ihrer Website ging die Organisation Kinderrechte Jetzt e.V. auf grundsätzliche Fragen zu Lollitests ein, etwa bezüglich Schadstoffen, Grenzwerten oder Regularien für Kinder (kinderrechtejetzt 2.3.2022, Update: 13.10.2022). Auf Grund neuer Erkenntnisse wollte der Ausschuss für Bildung und Kultus des Bayerischen Landtags die Petition „PCR-Pooltestungen an Schulen“ erneut  behandeln (kinderrechte jetzt 10.10.2022).

Im Unterschied zum Schnelltest wurden beim PCR-Test Daten verarbeitet, da ein Labor beteiligt war und die Ergebnisse elektronisch an die Schule, gegebenenfalls auch an das Gesundheitsamt übermittelt wurden. Daher mussten die Eltern einwilligen. In manchen Bundesländern wie etwa in Bayern mussten sie auch in die Weitergabe der Daten in anonymisierter Form an eine Forschungseinrichtung einwilligen. Die Forschungsdaten sollten erst nach zehn Jahren gelöscht werden (KM 10.9.2021). Bei fehlender Einwilligung fand in der Regel „Distanzunterricht“ statt. Dieser erschöpfte sich jedoch in der Versendung von Unterrichtsmaterial. Mancherorts gründeten Eltern daher „illegale“ Schulen (br 25.9.2021).

Welche Auswirkungen das (Selbst-)Testen auf das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern, auf die kindliche Psyche, auf die Schweigepflicht und den Datenschutz hatte, schilderte ein nordrhein-westfälischer Gymnasiallehrer auf Youtube (Kaiser 17.3.2021). Er rief seinen Kollegen zu:

„Ich wundere mich vor allem darüber, dass ihr euch nicht wundert. Ausgebildete Pädagogen nicken diese Eingriffe in Privatsphäre und Würde des Menschen ab.“

Die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Helene Timmermann befürchtete: „Die Angst, krank und infiziert zu sein, wird zwangsläufig zum täglichen Begleiter…  Es wird in Zukunft deutlich mehr Angststörungen und Zwangsstörungen geben. Das bahnt sich jetzt schon an: Eltern rufen an und sagen: ‚Mein Kind war schon immer ängstlich und zurückgenommen, aber jetzt ist es dramatisch, wir halten es nicht mehr aus“  (Nordkurier 6.3.2021).

Von Mitte Februar bis März 2021 verdoppelte sich die Zahl der durchgeführten Testungen bei Kindern und Jugendlichen, begleitet von einem prozentualen Rückgang der positiven Tests und einer ausbleibenden Zunahme  schwerer Erkrankungen (NB 22.3.2021, tagesspiegel 25.3.2021). Die Testpandemie führte jedoch zu einem Anstieg der „Inzidenz“ und zu alarmistischen Meldungen bei RKI und Politikern (n-tv 7.4.2021). Kinder wurden erneut als Virusschleudern gebrandmarkt (Merkur 26.3.2021RKI 30.3.2021). Das wiederum diente dann als Argument für die Ausdehnung der Impfkampagne auf das Kindesalter.

Der Gutachter Werner Bergholz äußerte in seiner schriftlichen Stellungnahme für die Anhörung im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestag am 17. Mai 2021: „Es ist aufgrund der RKI Statistiken evident, dass das Risiko durch eine Covid-19 Infektion für Schüler absolut vernachlässigbar ist. … Schulkinder spielen bei der Infizierung von anderen Altersgruppen keine Rolle, unabhängig ob Homeschooling oder Präsenzunterricht vorliegt. … Eine Risikomanagement Bewertung kommt zu dem Schluss, dass das Infektionsrisiko durch den Schulbetrieb vernachlässigbar ist und deshalb regelmäßige Schnelltests an Schulen sinnlos sind, zumal von den Tests unmittelbar gesundheitliche Risiken ausgehen. Die Inzidenzzahl bzw. der R-Wert hat keine erkennbare Relevanz für die Gefährdungsbeurteilung im Zusammenhang mit Schulen und sind aufgrund von technischen Mängeln nicht für eine sach- und fachgerechte Beurteilung des Infektionsgeschehens geeignet“ (Bergholz 17.5.2021).

Die Teststrategie von Bund und Ländern – „Testen, testen, testen“ – hatte keine wissenschaftliche Evidenz.

Bei zufälligen PCR-Abstrichen in Warteschlangen vor Touristenattraktionen in New York fand man – auch außerhalb der Erkältungssaison – eine „Inzidenz“ von deutlich über 1000 für endemische Coronaviren, in der Haupterkältungszeit lag die „Inzidenz“ teilweise bei 8000 – bei gesunden Menschen (Birger 11.7.2018).

Eine ausführliche Kritik an dfen Corona-Testungen von Schülern formulierte Christof Kuhbandner (telepolis 15.3.2021).

Der ehem. Familienrichter Hans-Christian Prestien wies auf die Möglichkeit hin, bei Verdacht auf Verstoß gegen die Kinderrechte beim zuständigen Familiengericht ein Kinderschutzverfahren gem. §§ 1666 Abs. 1 und 4 BGB anzuregen und zum Beispiel die Rechtmäßigkeit von Anordnungen wie Maskentragen, Social Distancing oder Selbsttests überprüfen zu lassen. Hierzu bot er Mustervorlagen auf seiner Website an. Das Familiengericht habe dann von Amts wegen zu überprüfen, ob durch Anordnungen oder Handlungen das „körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes“ gefährdet sein kann. Ein Video mit Herrn Prestien zum Thema Kindeswohl in der Pandemie iwurde von Youtube gelöscht.

Der Verband der Kinder- und Jugendärzte lehnte flächendeckende Tests an Schulen und Kitas ab: „Ausgehend von allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen der Screening- und Infektionsdiagnostik erscheint es angesichts fehlender Daten zur Validität von Antigenschnelltests gerade bei asymptomatischen Kindern zum jetzigen Zeitpunkt weder gerechtfertigt noch angemessen, diese Tests flächendeckend in Schulen und Kitas einzusetzen… Die zu erwartende hohe Zahl an falschen negativen und falschen positiven Ergebnissen würde aus unserer Sicht weit mehr Schaden anrichten als nutzen“. Außerdem waren die unangenehmen Abstriche tief in der Nase oder im Rachen für Kinder sehr belastend sein (KiN 2.3.2021).

Im März 2022 forderten die drei maßgeblichen Kinderärzteverbände die sofortige Einstellung anlassloser Antigen-Schnellteste / PCR-Poolteste (BVKJ 4.3.2022). Die Tests verhinderten „keine einzige Infektion irgendeines Kindes“, sondern: „Die Lage in den Kitas verschlechtert sich nicht aufgrund der Zahl der Infektionen, wie von manchen Politikern behauptet, sondern aufgrund der weiterhin meist angstgesteuerten Maßnahmen und Forderungen, die den Alltag von Kindern und Familien belasten.“ (WELT 12.3.2022).

Im September 2021 forderten über 130 Kinder- und Jugendärzte, Virologen, Psychologen und Psychotherapeuten in einem offenen Brief an die Kultusminister der Länder, die Corona-Massentestungen an Schulen zu beenden. Die Testungen an gesunden Kindern „ohne einen konkreten Anlass“ seien ineffektiv, „extrem kostenintensiv“ und belasteten die Kinder, denen damit ständig nahegelegt werde, sie seien eine Gefahr für ihre Umwelt und die Allgemeinheit.

Auch der Bayerische Schulleitungsverband, die Interessensvertretung der Schulleitungen an Grund-, Mittel- und Förderschulen, positionierte sich gegen Schüler-Selbsttests in Klassenzimmern – allerdings nicht aus Sorge um die Kinder, sondern wegen Bedenken um den Gesundheitsschutz des Personals (bsv 12.3.2021).

Über 6000 Unterzeichner, darunter Ärzte, Psychologen und andere Fachleute, forderten Anfang September 2021 in einem Brief an die Kanzlerkandidaten Bildungsgarantie und Normalität für Kinder und Jugendliche: Regelbetrieb ohne Wenn und Aber, kindgerechte Hygienemaßnahmen, Beendigung von Massentests und unverhältnismäßiger Quarantäne sowie Gleichstellung aller Kinder und Jugendlichen mit geimpften und genesenen Erwachsenen (IniFam Sept 2021).

In Norwegen informierte die Regierung in einem einfachen Flussdiagramm über ein sinnvolles Vorgehen bei einem Atemwegsinfekt, und überließ Eltern erkrankter Kinder die Entscheidung zu einem Coronatest; war der positiv, so empfahl sie fünf Tage „Selbstisolation“. „Wenn Sie sich Sorgen um Ihr Kind machen oder wenn die Symptome anhalten, sollten Sie einen Arzt aufsuchen (…) Das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs von COVID-19 ist sehr gering, sowohl bei Kindern und Jugendlichen im Allgemeinen als auch bei Kindern und Jugendlichen mit schweren und chronischen Erkrankungen oder Zuständen“ (fhi 20.11.2021). Ab Februar 2022 mussten auch kranke Kinder nicht mehr getestet werden (Høeg 12.2.2022).

In Großbritannien lehnte die parteiübergreifende parlamentarische Gruppe „Pandemic Response and Recovery“ eine Weiterführung der Testungen gesunder Schulkinder ab. Auch nach zwei Jahren habe es keine soliden randomisierten Kontrollstudien zum Nutzen für die öffentliche Gesundheit gegeben.  Die von Experten vorgelegten Beweise zeigten im Gegenteil, dass die andauernden Testungen den Kindern erheblichen Schaden zufügen und bei ihnen Ängste auslösen. Sie seien sehr invasiv und eine traumatische Erfahrung, daher unethisch und „nichts weniger als staatlich geförderter Kindesmissbrauch“. Zudem seien sie „eine entsetzliche Verschwendung von Zeit und Geld“. Tests sollten nur dann durchgeführt werden, wenn sie klinisch notwendig sind, z. B. wenn ein Kind so krank ist, dass es ärztlich behandelt werden muss (appg 2.2.2022).

Der Winter-Lockdown 2020/21 – sechs Schüsse ins Dunkle

„Ich weiß nicht, also handle ich“ (Gunnar Kaiser 12.11.2020)

Der zweite Lockdown in Deutschland wurde zunächst für den 2. bis 30. November als „Lockdown light“ verfügt und ging danach mehrfach in die Verlängerung bzw. nach Söderschem Neusprech in die „Vertiefung“ (PNP 22.11.2020) bzw. „Verbesserung“ (OP 5.12.2020). Er wurde begründet mit der Annahme bzw. Befürchtung einer exponentiellen Zunahme schwerer Erkrankungen und der daraus folgenden Überlastung der Intensivstationen. Es fehlte jedoch dafür jegliche wissenschaftliche Grundlage. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung lag die „Inzidenz“ unter 50.

Um der Kritik von Verfassungsrechtlern den Boden zu entziehen, verabschiedete der Bundestag am 18.11.2020 im Eiltempo die dritte Fassung des „Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (buzer 19.11.2020). Das Problem der Selbstentmachtung des Parlaments änderte sich durch diese Novelle nicht – der Gesundheitsminister bzw. die Exekutive konnte nach der Ausrufung einer epidemischen Lage weiter frei schalten und walten (Prantl 19.11.2020). Die Bundesregierung musste lediglich den Bundestag regelmäßig mündlich über die Entwicklung der Lage unterrichten.

Der November-Lockdown zielte zunächst nur auf Kultur und Gastronomie und legte diese beiden Bereiche still – trotz fehlender Belege, dass sie die Epidemie vorantreiben. Im Gegenteil: Gerade hier waren penible Hygienekonzepte erarbeitet und viele Investitionen getätigt worden, um die Auflagen zu erfüllen (BR 29.10.2020). Die Verbote und Schließungen waren eine neuerliche Katastrophe für die sowieso schon angeschlagene Gastronomie- und Kulturbranche und für alle Menschen, die davon wirtschaftlich abhängig waren.

Laut Angela Merkel handelte es sich um eine politische Maßnahme zur Reduzierung von Kontakten. Sie nannte die neuen Regeln „geeignet, erforderlich, verhältnismäßig“. Gerechtigkeit im engeren Sinne hätte es nur in Form eines allgemeinen Lockdowns gegeben, das mildere Mittel aber sei für den einen ein „Ja“ und für den anderen ein „Nein“ (Pressekonferenz ab Min. 50:00, SPIEGEL 2.11.2020).

Die Maßnahmen waren jedoch nicht geeignet. Sie verringerten weder die Erkrankungs- noch die Todeszahlen, und auch die Ansteckungszahl „R“ blieb unverändert auf gleichem Niveau. Das Institut für Statistik der LMU München beanstandete, dass die Maßnahmen vor allem den notwendigen Schutz der älteren Bevölkerung verfehlten, und bezweifelte auch, dass die anschließende Verschärfung des Lockdowns zielführend sein würde, um die vulnerable und hochbetagte Bevölkerung zu schützen (CODAG 11.12.2020). In einer weiteren Veröffentlichung konstatierten die LMU-Statistiker, dass auch die spätere Verschärfung der Lockdown-Maßnahmen eine chaotische, unberechenbare Wirkung hatte; in manchen Bundesländern nahmen die Infektionszahlen sogar deutlich zu (CODAG 21.1.2021). „Ein direkter Zusammenhang zwischen Infektionszahlen und sozialen Kontakten ist … aus den Daten nicht direkt ersichtlich“ (CODAG 5.3.2021). Eine erst 2023 veröffentlichte Studie aus Wales zeigte sogar, dass  der Aufruf der Regierung, ältere oder vulnerable Personen sollten zu Hause bleiben und sich isolieren, nicht effektiv, sondern eher kontraproduktiv war (BBC 23.4.2023).

Die Maßnahmen waren nicht erforderlich. Bis Dezember 2020 starben in Deutschland vorrangig über 80-Jährige, und das war zum größeren Teil dadurch bedingt, dass es immer mehr Hochbetagte gibt; bei der jüngeren Bevölkerung ergab sich dagegen eher eine Untersterblichkeit. In der Summe errechnet sich für das Jahr 2020 keine oder höchstens eine sehr geringe (0,9%) Übersterblichkeit, die wahrscheinlich auf das Verschieben von Operationen oder Diagnostik zurückzuführen war (CODAG 11.12.2020, Focus 31.1.2021, Ärzteblatt 21.10.2021, AN 2.11.2021).

Es gab auch zu keinem Zeitpunkt eine Überlastung des Gesundheitssystems – im Gegenteil: 2020 war die Auslastung der Betten an den deutschen Krankenhäuser historisch niedrig (tagesschau 5.1.2021, Ärztebl. 12.3.2021). Der Anteil der COVID-19-Fälle mit akuten Atemwegserkrankungen an allen stationär aufgenommen COVID-19-Fällen lag im Winter 2020/21 nur bei etwas mehr als der Hälfte, die übrigen „COVID-19-Fälle“ lagen wegen Krankheitsbildern wie Herzinfarkt, Harnwegsinfektion oder Beinbruch in den Kliniken (AN 2.11.2021). Zudem waren inzwischen alternative Strategien entwickelt worden, die die Gesellschaft und die Wirtschaft schonen, auf Schutzkonzepte für Risikogruppen setzen und dadurch effektiver und weniger schädlich wären (Schrappe 22.11.2020).

Die Maßnahmen waren auch nicht verhältnismäßig. Der Verfassungsrechtler Oliver Lepsius nannte sie einen Ausdruck der Hilflosigkeit, einen „diffusen Eingriff“, bei dem Verursachungsbeiträge und Wahrscheinlichkeiten keine Rolle mehr spielten: „Während Dax-Unternehmen weiter Gewinne machen, dürfen es Einrichtungen, die dem sozialen Leben dienen, gerade nicht“. Es fehle die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit; die Inanspruchnahme von Freiheitsrechten werde moralisiert als ein unsolidarischer, illegitimer Akt (Lepsius 7.12.2020).

Die erste Lockdown-Verlängerung Dezember 2021

Anstatt kritisch die verfügten Maßnahmen zu überprüfen, sich andere Ratgeber zu holen und vielleicht die Strategie zu wechseln, setzten die Regierenden kurz vor Weihnachten noch eins drauf und diktierten ab dem 16. Dezember 2021 einen „harten“ Lockdown (tagesschau 13.12.2020) – unterstützt durch eine Stellungnahme der Nationalen Wissenschaftsakademie „Leopoldina“ (ZDF 8.12.2020). Michael Esfeld, selbst Mitglied der Leopoldina, sah in dieser Stellungnahme einen „eindeutiges Beispiel von politischem Missbrauch von Wissenschaft. Aber auch davon, wie sich Wissenschaftler von der Macht verführen lassen und alle wissenschaftlichen Standards und jegliche Verantwortung über Bord werfen“ (BILD 15.2.2021).

Bundesweit wurde das öffentliche Leben heruntergefahren. Das betraf fast alle Lebensbereiche und griff mit strikten Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen auch in den Privatbereich ein. In mehreren Bundesländern, u.a. Sachsen und Bayern, wurde sogar eine komplette nächtliche Ausgangssperre angeordnet – nach einem Kommentar in der NZZ eine durch nichts gerechtfertigte „Freiheitsberaubung“, ein „Inszenierungsfuror“ und der „Traum“  autoritärer Politiker vom internierten Bürger (NZZ 7.4.2021). Sie wurde zwei Jahre später vom Bundesverwaltungsgericht als als unverhältnismäßig und rechtswidrig eingestuft (BVerwG 22.11.2022, br 22.11.2022). Die mehr als 20’000 Bußgelder, die damals verhängt worden waren, werden teilweise zurückgezahlt (br 30.11.2022, SZ 9.3.2023). Im Februar 2023 erklärte das Chemnitzer Verwaltungsgericht die Ausgangsbeschränkungen in Sachsen im März 2020 als rechtswidrig (tag24 21.2.2023).

Erneut wurde auch für Wochen kein Schulunterricht erteilt, „als ginge es hier um … Shishabars und nicht um die wahrscheinlich wichtigste Hoheitsaufgabe des Staates überhaupt“ (Handelsblatt 29.12.2020; s. auch Abschnitt Kinder: Opfer der Pandemie-Maßnahmen). Die von der Regierung Söder verhängten Ausgangssperren wurden sechs Monate später durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als schwerwiegender Eingriff in die Freiheitsrechte für rechtwidrig erklärt (BILD 6.10.2021). Selbstverständlich ging die bayerische Regierung in Revision.

Als Ziel wurde angegeben, die Infektionszahlen zu drücken und die sogenannte „Nachverfolgung“ durch die Gesundheitsämter wieder möglich zu machen – ein unredliches Ziel, denn sinkende Infektionszahlen sind im Winterhalbjahr unrealistisch (Schrappe 22.11.2020, n-tv 22.12.2020, tagesschau 5.1.2021), und die Nachverfolgungsstrategie  bei einer ansteckende Erkältungskrankheit, die meist mild verläuft, ist sinnlos, kostspielig und gefährlich (Bhattacharya Sept 2020). „Wer auf eine Inzidenz unter 50 kommen will, braucht den Polizeistaat“, warnte die WELT im Januar 2021 (WELT 16.1.2021) – oder einen zerstörerischen andauernden Lockdown, der mit Panik unterfüttert wird.

Die Unredlichkeit der Regierung zeigte sich auch am Bruch des erst drei Monate alten Versprechens von Jens Spahn: Man würde mit dem Wissen von heute, das kann ich ihnen sagen, keine Friseure mehr schließen und keinen Einzelhandel mehr schließen. Das wird nicht noch einmal passieren(WELT 2.9.2020).

Die Argumentation von Angela Merkel, es gebe bei den COVID-19-Erkrankungen ein dramatisches „exponentielles Wachstum“ (tagesschau 13.12.2020), ließ sich an den tagesaktuellen Zahlen und Kurven des RKI und des Intensivregisters der DIVI nicht ablesen – es sei denn, man stellte für jeden noch so kleinen Anstieg eine exponentielle Gleichung auf (Corodok 12.2.2021). Auch die Aussage von Markus Söder, Corona sei „außer Kontrolle“ geraten (br 14.12.2020), hatte keinen Bezug zur Realität. Hier wurde offensichtlich Panik gemacht, um die angebliche Alternativlosigkeit („wir sind zum Handeln gezwungen“) der Entscheidung zu begründen und von eigenem Versagen abzulenken (Focus 12.12.2020).

Alle Lockdowns wurden zu Zeitpunkten in Kraft gesetzt, an denen die Krankenhausbelegung deutlich unter der des Vorjahres 2019 lag. Jens Spahn wusste spätestens seit August 2020 durch Abrechnungsdaten der Krankenkassen, dass schon der erste Lockdown zu einer extremen Unterauslastung der Krankenhäuser geführt hatte – durch Diagnosenverzögerungen, verschobene Operationen und Ängste von Patienten, sich im Krankenhaus anzustecken. Mit dem Winter-Lockdown wurde eine erneute Auslastungs- und Versorgungskrise in Gang gesetzt. Die  Krankenhäuser wurden mit Freihaltepauschalen von über 10 Milliarden Euro unterstützt. Ein Expertenbeirat von Vertretern aus Fachkreisen, der seit April 2020 die Auswirkungen der Corona-Sonderregelungen für die Krankenhäuser überprüfte, informierte Ende August 2020 die Bundesregierung, dass COVID-19 keine Gefahr für das deutsche Gesundheitssystem darstellt, und dass die Freihaltung von Kapazitäten in den Krankenhäusern überflüssig und extrem kostenintensiv seien (AN 2.11.2021).

Matthias Schrappe sagte in einem im Interview mit Cicero erzürnt:Die ganze Sache stinkt zum Himmel. Da sind 15 Milliarden Euro an die Krankenhäuser verteilt worden, so dass das Jahr 2020 zumindest für die Krankenhäuser zum wirtschaftlich erfolgreichsten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen werden konnte, und keiner fragt mal, wo das Geld eigentlich geblieben ist. Stattdessen wird weiterhin Mangel proklamiert… Dennoch muss man festhalten, dass die Krankenhausbetreiber das Geld offenbar nicht nur bei der Patientenversorgung eingesetzt haben, sondern zur Verbesserung ihrer Bilanzen. Die Helios-Kliniken etwa konnten 2020 die höchste Dividende in ihrer Geschichte an die Aktionäre ausschütten. Die Gelder scheinen also offensichtlich ganz woanders angekommen zu sein. Und es wäre ja mal ganz interessant, an dieser Stelle weiter zu recherchieren“ (Cicero 5.11.2021, Bezahlschranke).

Die Runde aus Kanzlerin und Ministerpräsenten – ein Gremium, das im Grundgesetz nicht vorgesehen ist (BZ 30.1.2021) -, setzte trotzdem den Winter-Lockdown in Gang. Die Politiker ließen sich von notorischen Hardlinern beraten, unter ihnen Lothar Wieler, Christian Drosten, Michael Meyer-Hermann und die Physikerin Viola Priesemann, die einen maximalen Fünf-Kilometer-Radius für alle vorschlug (nb 5.1.2021, dlf 20.1.2021). Eine konforme, handverlesene Beraterrunde, in der sich radikale Ansichten wie in einer Echokammer verstärkten (WELT 18.1.2021). Die einzige Gegenstimme gegen Schul- und KiTa-Schließungen kam vom Infektiologen Reinhard Berner (WAZ 6.1.2021). Die Lockdown-Maßnahmen wurden „erst einmal“ befristet bis zum 10. Januar.

Die „Priesemann-Gruppe“ mit ihrer ZeroCovid-Strategie hatte bei den Beratungen die Oberhand, obwohl ihre Modellierungen durchwegs danebenlagen (Pace 29.1.21, Focus 29.1.2021, Gersemann 1.5.2021). Die Tagesschau veröffentlichte Ende April 2021 einen Faktencheck, in dem die Fehlerhaftigkeit vieler Modellierungen aufgezeigt wurde, etwa die viel zitierten Schätzungen des Mobilitätsforschers Kai Nagel. Nach seiner Modellierung müsste „der Inzidenzwert selbst im günstigsten angenommenen Fall des Modells mittlerweile bei über 500 liegen, der reale Wert beträgt etwa ein Drittel davon. Bemerkenswert ist dies insofern, als dass Nagels Modellierungen auch eine der Grundlagen sind, auf die sich die Verhängung von Ausgangssperren im Infektionsschutzgesetz stützt“ (tagesschau 21.4.2021). „Wenn … Physiker oder Physikerinnen ohne tiefergehende Erfahrung mit Hygiene und Infektionsgeschehen solche Modelle entwickeln, ist die Gefahr groß, das in der gegenwärtigen Situation wirklich relevante menschliche Verhalten wissenschaftlich falsch zu erfassen“, so Gerd Antes im Focus (Focus 29.1.2021). Und das hatte Konsequenzen, wie Jan Fleischhauer ebenfalls im Focus schrieb: „Wir reden bei der Abweichung auch nicht über eine Kleinigkeit, einen Zahlendreher, wie er mal vorkommen kann. Der Inzidenzwert ist der heilige Gral der Politik. An dieser Zahl hängt alles: Grundrechtseinschränkungen, wie man sie nicht einmal im Kaiserreich kannte. Die Schließung der Schulen, die eine ganze Generation von Kindern in ihrer Entwicklung zurückwerfen wird, die weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens und damit die Zerrüttung der Lebensgrundlage von Millionen“ (Focus 10.5.2021).

Im November 2021 machte die Virologin Melanie Brinkmann von sich reden mit dem Vergleich, ein Fußballstadium fülle sich innerhalb von sechs Wochen komplett mit Wasser, wenn sich die anfängliche Menge von einem Tropfens Tag für Tag verdoppelt (FAZ 21.11.2021).

Der Statistiker Daniel Haake twitterte über die Zweifelhaftigkeit solcher Modellierungen: „Nun wird davon gesprochen, dass es Szenarien sind. Das ist natürlich korrekt. Aber dann müssen auch die anderen Szenarien präsentiert und mitgeteilt werden, wovon sie abhängen. Warum wird das nicht bei der Vorstellung der Modelle kommuniziert, sondern erst im Nachhinein? Auch wird nun davon gesprochen, dass die Prognosen nur für einen kurzen Zeitraum aussagekräftig sind und mit der Zeit ungenauer. Das stimmt natürlich. Aber warum wurde das (von einigen Modellieren) nicht direkt kommuniziert?“ (Haake 20.5.2021).

Der Astrophysiker Bernhard Müller schrieb in einer Ergänzung dum Schrappe’schen Thesenpapier Nr 8, dass „beim Einsatz mathematischer Modelle für Vorhersagen des Infektionsgeschehens erhebliche Defizite bestanden und die Realität weit komplexer ist, als es gemeinhin verbreitet wird“. Er habe darauf hingewiesen, dass es natürliche Mechanismen gibt, die exponentielles Wachstum von Epidemien brechen können, und viele Modelle verzerrte Vorhersagen liefern, weil sie der Komplexität der Infektionsausbreitung nicht gerecht werden (Müller 10.10.2021, BZ 21.11.2021, kommentiert auch von pace 23.1.2023).

Der „Wissenschaftsnarr“ Ulrich Dirnagl vermutete: „Vielleicht besteht aber der eigentliche Nutzen der Pandemie-Modellierungen darin, Worst-Case-Szenarien wissen­schaftlicher erscheinen zu lassen – und damit einschneidende Maßnahmen für die breite Masse einleuchtender und akzeptabler zu machen. Diese also wissen­schaftlich zu bebildern“ (laborjournal 4.5.2021).

Peter Wiedemann sezierte das später in der Berliner Zeitung: „Die Politik verfolgte ihre eigene Agenda: Es ging ihr um vorsorglichen Alarmismus. Der Trick, um dennoch behaupten zu können, man folge der Wissenschaft, war simpel: Politik reduzierte die Wissenschaft auf diejenigen Wissenschaftler, die ihr für die Mobilmachung gegen das Virus brauchbar erschienen. Pointiert ausgedrückt: Dem Slogan ‚Following the Science‘ ging zunächst immer die eigene Entscheidung voraus, welche Wissenschaftler die Leitwölfe sein sollten – von einer Ergebnisoffenheit der Politik, die ‚der‘ Wissenschaft folgt, konnte also von Beginn an keine Rede sein.“ (BZ 5.1.2023).

Die WELT schrieb: „Wichtig ist nur, dass auch diejenigen gehört werden, die die Krise nicht immer nur schlimmer werden sehen. Entscheidend für den Einfluss einer Stimme sollte sein, wie oft sie in den vergangenen anderthalb Jahren Recht behalten hat“ (WELT 1.5.2021). Da wären Herr Wieler, Herr Drosten, Viola Priesemann und Karl Lauterbach auf jeden Fall nicht dabei: „Lauterbach ist der Beleg dafür, dass man trotz fortlaufenden Fehleinschätzungen als Experte gelten kann“ (NZZ 8.5.2021).

Der stellvertretende Chefredakteuir der Neuen Osnabrücker Zeitung Burkard Ewert bezeichnete Karl Lauterbach als gefährlichen Demagogen (Ewert 22.12.2020).

Die Regierung benutzte zweifelhafte Modellierungen, um den Menschen mit Horrorszenarien Angst einzujagen und Fehleinschätzungen zu vernebeln. Dadurch verloren viele Menschen das Vertrauen in die wissenschaftlichen Institutionen und in den Staat.

Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichsten Fachdisziplinen kritisierte das selektive Heranziehen bestimmter Expertisen und befürchtete dadurch Schaden an der Unabhängigkeit und der Freiheit der Wissenschaft. In ihrem Papier „Kritischer Geist in der Krise“ beschrieben sie die aus ihrer Sicht wichtigsten und grundlegenden Aspekte der Rolle der Wissenschaft in einer freiheitlichen und aufgeklärten Gesellschaft (Kritischer Geist August 2021).

Die zweite Lockdown-Verlängerung Januar 2021

Am 5. Januar 2021 wurde die zweite Verlängerung des Lockdowns verfügt, um erstmal drei Wochen, Verschärfungen inclusive. Wahrscheinlich wollte die Regierung nicht bis 8. oder 9. Januar abwarten, denn die Fallzahlen begannen bereits zu sinken. Die Kontakte blieben weiter begrenzt, in vielen Gegenden durfte man seinen Wohnort um nicht mehr als 15 Kilometer verlassen – eine weitere Einschränkung ohne jede wissenschaftliche Grundlage (Zastrow 5.1.2020). KiTas, Kindergärten und Schulen blieben geschlossen, und Familien durften sich nicht mehr gegenseitig besuchen – eine Katastrophe vor allem für die Kinder, obwohl sie bei der Ausbreitung der COVID-19-Erkrankung kaum eine Rolle spielen (Eurosurveillance 7.1.2021). Die BILD-Zeitung warf Kanzleramtsminister Helge Braun vor, mit „fragwürdigen Behauptungen“ und „Tricks“ gegen Schulöffnungen gearbeitet zu  haben. Mehrere Kultusministerien hätten auch den Verdacht geäußert, dass das Papier, mit dem die Leopoldina die Schulschließungen befürwortete, vom Kanzleramt „bestellt“ worden sei (m-news 8.2.2021).

Der Kinderschutzbund kritisierte die Einschränkungen heftig (dlf 7.1.2021). Nach Ansicht der Theologin Margot Käßmann sollten bei Entscheidungen über Corona-Maßnahmen genauso viele Familienexperten mit am Tisch sitzen wie Virologen, „sonst werden Maßnahmen verabschiedet, die Familien endgültig fix und fertig machen“ (tagesschau 17.1.2021).

Zunehmend äußerten sich auch tonangebende Pressorgane kritisch, etwa die WELT mit dem Artikel „Das Virus lebt von jetzt an in uns – egal, wie viele Lockdowns noch folgen“ (WELT 7.1.2021), die Neue Züricher Zeitung mit dem Beitrag Wie die Politik den Lockdown lieben lernte: Die Rückkehr zur Normalität soll unnötig hinausgezögert werden“ (NZZ 8.1.2021) oder BILD mit „Wie die Regierung die Alten gegen die Jungen ausspielt“ (BILD 14.2.2021).

Am 12. Januar 2021 verkündete Markus Söder für Bayern die Pflicht, in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften FFP2-Masken zu tragen. Diese Masken sind eigentlich zum Arbeitsschutz gedacht, nun aber räumte Söder mit seiner Verordnung den Markt leer und brachte wegen des anfänglich hohen Preises der FFP2-Masken ärmere Menschen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, ganz besonders Geflüchtete ( ZDF 17.1.2021, BFR 20.1.2021).

FFP2-Masken sind nicht nach dem Medizinproduktegesetz kontrolliert und enthalten Schadstoffe wie flüchtige organische Kohlenwasserstoffe, Titandioxid, Formaldehyd und Mikrofasern aus Plastik (FR 4.2.2021, s.a. hier: Die Mund-Nasen-Bedeckung: Im nicht-professionellen Kontext fragwürdig). Sie vergrößern im Vergleich mit chirurgischen Masken deutlich den Atemwiderstand; daher setzen Laien sie meist undicht auf und blasen, falls sie infektiös sind, mehr Viren in die Umgebung als mit herkömmlichen Masken (Fikenzer 6.7.2021, NB 13.1.2021). Die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC hielt nichts von der Verpflichtung zu FFP2-Masken, ebenso wenig die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene: „Der Beschluss des Berliner Senats zu einem FFP2-Masken-Tragegebot gefährdet die Bevölkerung“ – und: FFP2-Masken „sind keine Option für die Bevölkerung“ (SN 2.2.2021, DGKH 31.3.2021, DGKH 7.7.2021). Am 7. März berichtete der Focus, dass Millionen von FFP2-Masken nur unzureichend schützen und deutlich mehr Partikel durchlassen als zunächst angenommen. Sie seien nie auf Schutz vor Aerosolen geprüft worden, sondern nur für den Arbeitsschutz, etwa für Bauarbeiter. „Die Verbraucher werden hier getäuscht, weil die Norm eine Sicherheit verspricht, die es oft nicht gibt“ (Focus 7.3.2021).

Der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts René Gottschalk nannte die FFP2-Maskenpflicht „absoluten Unsinn“: „Wenn die Politik das beschließt, bedeutet das nur, dass sie eine erstaunliche Unkenntnis über das Wesen der FFP2-Masken hat“ (Frankfurter Rundschau 20.1.2021 S.31). Würde nun auch noch das Verbot kommen, Bart zu tragen, damit die Masken besser sitzen?

Es kursierte der Verdacht, dass die FFP2-Masken unters Volk geworfen werden, damit die gigantische Halde an teilweise minderwertigen und überteuerten Masken abgebaut wurde, die vom Bundesgesundheitsministerium bestellt, aber größtenteils nicht bezahlt wurden (PlusMinus 19.9.2021, S. 10 in dw 30.1.2021). Um an die damals knappen Masken zu kommen, hatten Bund und Länder teils abenteuerliche Geschäfte gemacht. „Wie der Bundesrechnungshof später feststellte, hatte das Ministerium seinerzeit Milliarden Schutzmasken zu viel und zu teuer geordert“. In der Folge kam es zu Dutzenden von Gerichtsverfahren, angestregt vor allem von Lieferanten, die vom Bund nicht bezahlt wurden, mit einem Streitwert von mehr als 400 Millionen Euro. Das Bundesgesundheitsministerium versuchte mit fadenscheinigen Gründen, seine Maskengeschäfte geheim zu halten und die Gerichtsverhandlungen zu verschleppen (Capital 8.2.2022).

Das Bundesgesundheitsministerium verteilte massenhaft minderwertige Masken an Pflegeheime und andere Einrichtungen und plante sogar, unbrauchbare Masken an Hartz-IV-Empfänger, Behinderte und Obdachlose abzugeben (WELT 1.6.2021, tagesschau 6.6.2021).

Da es bei den Maskenempfehlungen um viel Geld ging, hatte sich auch viel Schmutz abgesetzt, der nach und nach aufgewirbelt wurde: Etliche Politiker und Hintermänner waren an dem Geschäft als „Vermittler“ beteiligt und hatten sich damit eine goldene Nase verdient (AZ 1.3.2021, Merkur 4.3.2021, n-tv 9.3.2021, tagesschau 17.3.2021, SZ 17.3.2021, tagesschau 19.4.2021, Apotheke adhoc 23.4.2021, t-online 30.4.2021, tagesschau 17.6.2021, Focus 16.7.2021, tichy 8.9.2021). Juristische Sanktionen gab es zunächst nicht, zwei der Hauptakteure durften ihre Provisionen behalten (WELT 18.11.2021, br 12.7.2022). Mitte Dezember 2023 wurde die Münchner Unternehmerin und CSU-Politikertochter Andrea Tandler wegen millionenschwerer Steuerhinterziehung im Rahmen eines Maskendeals zu vier Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt. Ebenso unanständig, aber juristisch nicht zu beanstanden sind die Provisionen von fast 50 Millionen Euro, die sie behalten darf (LTO 15.12.2023).

Profitiert hatten auch die Apotheken durch eine Sonderaktion des Bundesgesundheitsministeriums: Bei der FFP2-Maskenaktion im November 2020 flossen 2,1 Milliarden Euro Steuergelder an die Apotheker, pro Apotheke durchschnittlich mehr als 100.000 Euro (tagesschau 10.6.2021). Satte Gewinne auf Kosten der Steuerzahler gab es weiterhin bei Firmen, die Schnelltests verkauften oder Testzentren betrieben – begünstigt durch mangelndes Management und fehlende Kontrolle seitens der Behörden (Perspektive 1.6.2021). Die NZZ konstatierte eine „in der Pandemie beängstigende Leidenschaft von Regierung und Parlament, anderer Leute Geld zu verwenden, um fremder Menschen Interessen zu bedienen“ (NZZ 10.6.2021, Bezahlschranke).

Matthias Schrappe kommentierte in seinem Thesenpapier Nr. 8: Politischer Aktivismus des zuständigen Ressorts und die mangelnde operative Kompetenz eines vornehmlich auf Regulierung und Gesetzesvorbereitung ausgerichteten Ministeriums haben der Bundesrepublik eine Reihe kostenintensiver Beschaffungsskandale beschert, während gleichzeitig die politische Führungsebene sich nicht in der Lage sah, das Pandemiemanagement auf eine angemessene Datengrundlage zu stellen oder überhaupt eine mehr als auf kurzfristiges containmentsetzende Strategie zu entwickeln“ (Schrappe 27.8.2021).

Der Spielraum für Korruption war bei den enorm kostspieligen Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 gewaltig. Einer der Herausgeber des British Medical Journal, Kamran Abbasi, schrieb: „Covid-19 hat staatliche Korruption in großem Stil entfesselt, und das ist schädlich für die öffentliche Gesundheit. Politiker und Industrie sind für diese opportunistische Veruntreuung verantwortlich, aber auch Wissenschaftler und Gesundheitsexperten. Die Pandemie hat gezeigt, wie der medizinisch-politische Komplex in einer Notsituation manipuliert werden kann“ (BMJ 13.11.2020). Im November 2021 wurde bekannt, dass das Bundesgesundheitsministerium in den Jahren 2019 und 2020 130 Millionen Euro Spenden von Privatkonzernen erhielt, darunter AstraZeneca, Bayer, Facebook und Google (apothekeadhoc 5.11.2021).

Im Oktober 2022 berichtete die WELT, dass 800 Millionen Masken wegen Ablauf des Verfallsdatums verbrannt werden (WELT 7.10.2022).

Die dritte Lockdown-Verlängerung Januar 2021

Im Anschluss an den um drei Wochen verlängerten Winter-Lockdown nahm das Unheil nun scheibchenweise seinen Lauf, mit immer weiteren Verlängerungen und „Verschärfungen“ (n-tv 12.1.2021).

Am 19. Januar beschloss die Kanzlerin-Ministerpräsidenten-Runde eine dritte Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns um dreieinhalb Wochen – obwohl die Zahl der COVID-19-Intensivpatienten zu diesem Zeitpunkt deutlich rückläufig und keine Überlastung des Gesundheitssystems absehbar war – die drohende Überlastung war das ursprüngliche Argument für die Ausrufung der „epidemiologischen Lage nationaler Tragweite“ und der Lockdowns. Der Soziologe Bertram Häussler, Leiter des unabhängigen Gesundheitsforschungsinstituts IGES, sprach von „Mega-Lockdown auf Basis unbrauchbarer Zahlen“. Die Zahlen, die das RKI jeden Morgen veröffentlicht, seien im Durchschnitt über drei Wochen alt; die hohen Sterbeziffern im Januar 2020 hätten sich aus der Nachmeldung von über 7000 Todesfällen aus dem Jahr 2020 ergeben (Ärztezeitung 15.1.2021, Focus 27.1.2021).

Wie zu erfahren war, lehnten Angela Merkel und Markus Söder strikt eine Öffnung der Grundschulen ab – Söder mit dem Argument „dann blockiere ich den ganzen Beschluss“ (SZ 21.1.2021, stefanie 2.2.2023). Franz Knieps, Chef der BKK schrieb, der Staat dürfe es nicht hinnehmen, dass es vom Geldbeutel oder dem Improvisationstalent der Eltern abhängt, ob die Kinder Zugang zu Bildung bekommen. „Ich habe den Eindruck, die politischen Entscheidungsträger können sich die Situation für Kinder in bildungsfernen Haushalten gar nicht vorstellen“. Außerdem müsse die Einbeziehung von unter 14jährigen in die rigiden Kontaktbeschränkungen aufgehoben werden. Da kleine Kinder nirgends allein hingehen, bedeutete das für sie ein völliges Kontaktverbot. „Das ist doch krank“ (RND 18.1.2021). In der BILD-Zeitung hieß es: „Niemandem hat unsere Regierung mehr zugemutet als den Kindern. Für niemanden hat unsere Regierung weniger getan als für die Kinder. Nichts versteht unsere Regierung weniger, als was gerade in unseren Kindern vor sich geht“ (BILD 14.2.2021).

Kanzlerin Merkel begründete die Fortschreibung und die Verschärfungen des Lockdowns mit veränderten Viren. Aus Großbritannien und Irland drohe eine ansteckendere Virusmutante. Der Beschluss sei eine Vorsichtsmaßnahme (Merkur 22.1.2021).

Wir bekamen es offensichtlich mit einer neuen und gefährlichen Mutante der Pandemiepolitik zu tun: Mit der Aussetzung der Grundrechte auf Verdacht.

Die „neue“ Virusmutation B.1.1.7 war gar nicht so neu, sondern eine von vielen Tausend bisherigen und künftigen Mutationen (ScienceFiles 20.12.2020, Nexstrain 14.4.2021). Sie war auch nicht, wie suggeriert wurde, um 50% – 70% bedrohlicher als die alte, sondern hob die Ansteckungsrate von 10 – 11% (alte Variante) auf 15,0%. Es steckten sich also 4-5% mehr Kontaktpersonen an (mdr 21.1.2021). Ende März 2021 meldeten die englischen Gesundheitsbehörden, dass die neue Variante keine höhere Sterblichkeit verursacht als die bisher bekannten Virusstämme (cityam.com 31.3.2021). Dies wurde durch eine im Lancet veröffentlichte Studie bestätigt (Frampton 12.4.2021). Auch breitete sich die„neue“ Mutation in Großbritannien seit Anfang Januar nicht mehr weiter aus, sondern die Fallzahlen sanken wieder anhaltend (Walker 15.1.2021, Graham 29.1.2021, ons 12.3.2021). In Deutschland ging die Zahl der wöchentlichen Todesfälle seit Ende Januar 2021 deutlich zurück und pendelte anschließend um den langjährigen Mittelwert; die Todesfälle „an oder mit Corona“ sanken bis zum Sommer 2021 auf ein sehr niedriges Niveau (destatis 2021).

Lothar Wieler vom RKI behauptete, dass bei Kindern die Corona-„Inzidenz“ im März 2021 „sehr rasant“ angestiegen sei und dabei „möglicherweise die ansteckendere Virusvariante B.1.1.7 eine Rolle“ spielen würde (DLF 12.3.2021). Dies war eine Irreführung: Die Zahlen seines eigenen Instituts zeigten, dass sich seit Mitte Februar 2021 zwar die Zahl der Testungen bei Kindern verdoppelt hatte; die Zahl der positiven Proben war dagegen zurückgegangen (RKI 16.3.2021). An deutschen Krankenhäusern wurden keine steigenden Zahlen an Infektionen bzw. Kontaminationen bei Kindern oder Erwachsenen unter 50 Jahren registriert (Tagesspiegel 19.3.2021).

Die kinderärztlichen Gesellschaften beantworteten Anfang April 2021 die Frage, ob Kinder zu diesem Zeitpunkt überproportional am COVID19-Infektionsgeschehen beitragen, „mit einem klaren NEIN“ (DGKJ 1.4.2021). „Die Mehrzahl der Kinder wird nach wie vor nicht krank, da gibt es keine Steigerung. Wir sehen zwar auch Kinder, bei denen wir eine Infektion im Test nachweisen können, aber wir haben quasi keine Kinder wegen einer Covid-19-Erkrankung in den Kliniken“ (Prof. Zepp im SWR 15.4.2021).

Im September 2021 lagen in 350 deutschen Kinderkliniken 131 Kinder mit positivem Coronatest, dagegen wesentlich mehr Kinder mit Erkrankungen durch andere Erkältungsviren. Die während der Pandemie geborenen Kinder hatten wegen des Lockdowns nicht die Gelegenheit, sich unter dem Schutzmantel mütterlicher Antikörper eine stille Immunisierung gegen verschiedene Viren zuzulegen, und mussten das nun ohne diesen Schutz nachholen (Ärztezeitung 9.9.2021).

Lungenentzündungen durch SARS-CoV2 verliefen bei Kindern deutlich milder als durch andere Viren (Jia 1.7.2021). Zu keinem Zeitpunkt der Pandemie lagen mehr als ein Dutzend coronapositiv getesteter Kinder gleichzeitig auf der Intensivstation, wobei viele nicht einmal wegen COVID-19 aufgenommen worden waren (BILD 8.9.2021).

Jörg Dötsch, Präsident der Deutschen Gesell­schaft für Kinder- und Jugendmedizin hielt Langzeitfolgen wie PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) oder Long-COVID bei Kindern und Jugendlichen wegen ihrer Seltenheit und guten Prognose für nicht beunruhigend, hingegen würden unnötige Lockdownmaßnahmen wie Schulschließungen zur massiven Beeinträchtigung einer ganzen Generation führen. Man müsse die Erkenntnisse zur geringen Gefährdung von Kindern in politische Entscheidungen miteinbeziehen (Ärztebl. 9.9.2021).

Auch in Australien hatte die überwiegende Mehrheit der Kinder, die sich mit Covid-19 infizierten, leichte oder gar keine Symptome. Die meisten hatten sich zu Hause bei ihren Eltern und nicht in der Schule angesteckt  (news.com 8.9.2021).

„Ein Kind in Deutschland wird eher vom Blitz getroffen, als dass es wegen einer Covid-Erkrankung auf der Intensivstation landet“ (Nikolaus Hass in BILD 7.6.2021).

In einer Stellungnahme pädiatrischer Fachgesellschaften hieß es: „Die nun seit Beginn der Pandemie gemachte Beobachtung, dass von den schätzungsweise 14 Millionen Kindern und Jugendlichen in Deutschland nur etwa 1200 mit einer SARS-CoV-2-Infektion im Krankenhaus (< 0,01%) behandelt werden mussten und 4 an ihrer Infektion verstarben (< 0.00002%), sollte Anlass sein, Eltern übergroße Sorgen vor einem schweren Krankheitsverlauf bei ihren Kindern zu nehmen. In der Saison 2018/19 wurden nach Angaben des RKI insgesamt 7461 Kinder unter 14 Jahren mit Influenza hospitalisiert gemeldet, 9 Kinder verstarben. Nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur lag im Jahr 2019 die Zahl der durch einen Verkehrsunfall getöteten Kinder bei 55, nach Angaben der DLRG die Zahl der ertrunkenen Kinder bei 25. Diese Zahlen sollen und dürfen keinesfalls gegeneinander aufgerechnet werden, mögen aber bei der Einordnung helfen“ (DGPI 18.4.2021).

Klaus Stöhr, der von Angela Merkel entgegen dem Wunsch einiger Bundesländer nicht als Experte für die Kanzlerrunde geladen war, sagte: „Wenn man beispielsweise die Infektionszahlen in Irland genauer analysiert, verliert die Variante ihren Schrecken …. unterm Strich haben sich die Neuansteckungen in den letzten zehn Tagen halbiert. Das spricht eher dafür, dass diese Variante auch beherrschbar ist“. Stöhr kritisierte auch die einseitig mathematische Ausrichtung der Corona-Politik und die Fortschreibung der erfolglosen Lockdown-Strategie: „Wie man mit einer Schließung von Kindergarten- und Schulschließungen das Infektionsgeschehen in Altenheimen eindämmen kann, verstehe ich gar nicht“ (Merkur 21.1.2021).

Der ehemalige Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier sagte: „Mich stört, dass so manche Verantwortliche in der Politik offensichtlich meinen, man dürfe in Zeiten der Pandemie so ziemlich alles an Einschränkungen vornehmen. Sie orientieren sich auch vornehmlich an den Ratschlägen von Naturwissenschaftlern und hören zu wenig auf Verfassungsjuristen und Sachverständige, die etwas sagen könnten zu den gesellschaftlichen Nebenwirkungen der Corona-Bekämpfung… Die Politik ist auch dem Freiheitsschutz der Bürger verpflichtet. Die Menschen in diesem Land sind keine Untertanen (Tagesspiegel 22.1.2021). In einer späteren Rede sagte er, es gebe kein „Supergrundrecht“ auf Sicherheit oder Gesundheitsschutz, und schon gar nicht hätten sich die anderen Grundrechte einem solchen pauschal unterzuordnen. Er sehe bei den politischen Entscheidungen eine zunehmende Umgehung geltender Gesetze. Corona habe vor Augen geführt, wie Grundrechte binnen Stunden suspendiert werden. Aber rote Linien gebe es sehr wohl (WK 7.6.22, Bezahlschranke; Reitschuster 6.6.2022).

Heribert Prantl äußerte in einem Interview, Fragen über Leben und Tod dürften nicht auf dem Weg der Verordnung, also durch die Exekutive, entschieden werden: „Der Bundestag hat es geduldet, dass per Verordnung Grundrechte auf- und zugedreht wurden – gerade so, als hätte ein Grundrecht Armaturen wie ein Wasserhahn“ (BZ 30.1.2021).

Während von höheren Gerichtsinstanzen wenig zu hören war, verkündeten doch einige Amtsrichter Urteile im Sinne der Grundrechte. So befand das Amtsgericht Ludwigsburg einen Bußgeldbescheid wegen Nichteinhalten von Abstandsregeln als rechtswidrig und faktenwidrig und verkündete einen Freispruch (drive 24.2.2021). Das Verwaltungsgericht Frankfurt erklärte im März die hessischen Regeln zu Einschränkung im Einzelhandel für rechtswidrig (FAZ 16.3.2021).

Nach langem Schweigen zur größten Grundrechtskrise der Bundesrepublik meldete sich im Februar 2021 auch einmal zaghaft das Bundesverfassungsgericht in Gestalt ihres Vorsitzenden Stephan Harbarth (CDU) zu Wort: Die wesentlichen Entscheidungen müssen vom Parlament getroffen werden“ (RND 9.2.2021).

Stephan Harbarth, dessen Unabhängigkeit wegen früherer Tätigkeiten als Wirtschaftsanwalt und CDU-Politiker zweifelhaft ist (Handelsblatt 5.3.2020, Lorscheid 18.8.2021, Hamed 8.10.2022), warb für Verständnis für die Corona-Politik: Unter Zeitdruck bestehe nun mal die Gefahr von Fehlern. Der Verfassungsgerichts-Präsident stellte sich auch hinter die umstrittenen Videokonferenzen der Regierungschefs von Bund und Ländern „bei lebensnaher Betrachtung kein Weg an einem Koordinierungsgremium vorbei“. Er hielt Vorteile für Geimpfte für rechtmäßig und verkündete die Auffassung: „die Bekämpfung des Coronavirus vollzieht sich in den Bahnen des Rechts“ (Dlf 2.4.2021, tagesschau 3.4.2021, zdf 3..4.2021). Nicht ohne ein Gschmäckle waren die jährlichen „Abendessen der Kanzlerin mit den Verfassungsrichtern, gerade im Vorfeld von Richtersprüchen bezüglich Pandemiegesetzgebung oder Masernimpfpflicht (tagesspiegel 12.7.2021, Coronadok 27.9.2021).

Die Rechtsanwältin Jessica Hamed beklagte in einem Interview die Untätigkeit der Gerichte, was die Freiheitsrechte angeht: „Wir sehen uns immer stärker einer geschlossenen staatlichen Front gegenüber, in der die drei Gewalten gefühlt ‚an einem Strang ziehen‘, statt sich gegenseitig zu kontrollieren. Die Gerichte haben nicht mehr den Mut, das Handeln der Regierung auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Sie ziehen sich häufig auf rein formale Fragen zurück und befassen sich kaum noch grundsätzlich mit der Materie… Wir bewegen uns vermehrt auf einen rechtschutzfreien Raum zu“ (BZ 7.5.2021). In einem späteren Aufsatz in LIBRA fasste Jessica Hamed ihre Kritik am Bundesverfassungsgericht zusammen: „Von Corona bis Klima: Wie sich das Bundesverfassungsgericht selbst abschafft“ (Hamed 24.5.2022)

Der Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek erhob schwere Vorwürfe gegen das Bundesverfassungsgericht. Hintergrund war der Eilantrag gegen die „Bundes-Notbremse“, den Murswiek im Auftrag des SPD-Rechtsexperten Florian Post am 22. April gestellt hatte. „Statt unserem Antrag zügig stattzugeben und rechtsstaatliche Verhältnisse in der Corona-Bekämpfung wiederherzustellen, tut das Bundesverfassungsgericht gar nichts“. Das widerspreche dem Auftrag des Gerichts. Es verhalte sich, so Florian Post, wie ein politischer Erfüllungsgehilfe, statt seine Aufsichtspflicht wahrzunehmen. Er frage sich „wie tief sich der Präsident des Gerichts als ehemaliger CDU-Abgeordneter bei der Kanzlerin in der Schuld sieht“ (BILD 27.4.2021).

Niko Härting, der die Abgeordneten der Partei „Freie Wähler“ bei ihrer Klage gegen die Bundesnotbremse in Karlsruhe vertrat, warf dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts  Stephan Harbarth sowie Richterin Baer Befangenheit vor (Ärzteblatt 27.9.2021). Ex-Verfassungsrichter Michael Bertrams hielt den Vorwurf für begründet (amp-krsta 6.10.2021). Die WELT berichtete am 9. Oktober, dass Harbarth sich sogar selbst dafür eingesetzt hatte, kurzfristig das Thema Corona auf die Tagesordnung zu setzen (WELT 9.10.2021). Wie zu erwarten war, wurde der Befangenheitsantrag jedoch abgelehnt. Eine Krähe hackt der anderen…. (BVG 18.10.2021).

Beim Bundesverfassungsgericht waren 2021 mehr als 880 Verfahren mit Bezug zur Corona-Pandemie anhängig (Gössner 13.10.2020, Merkur 27.1.2021, RND 9.2.2021). Dem Gericht wurde allerdings auf Grund seines Schweigens „Arbeitsverweigerung“, „Apathie“ und „faktisches Nichtstun“  attestiert (HH 15.4.2021, WELT 16.7.2021, Bezahlschranke), und wenn es denn arbeitete, dann arbeitete es der Regierung zu (BZ 7.5.2021). Klagen wurden abgelehnt, etwa die Eilanträge gegen die sinnfreie und verfassungswidrige nächtliche Ausgangsbeschränkung, gegen die Beschränkungen von Freizeiteinrichtungen, Einzelhandel und kulturellen Einrichtungen, gegen Schulschließungen und Bußgeldkataloge, gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Über 50 Verfassungsbeschwerden wurden erst gar nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 5.5.2021, BVerfG 2.6.2021). Die Kläger werden vertröstet auf den St. Nimmerleinstag. Juristen befürchteten durch dieses Aussitzen von Entscheidungen Langzeitschäden im Rechtssystem: „Die Maßnahmen des Gesetzgebers werden damit de facto durchgewunken. Dies alles steht klar im Widerspruch zur Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts als Hüter der Verfassung“ (Reitschuster 22.6.2021). Heribert Prantl schrieb Ende Oktober 2021: „Noch nie hat das Verfassungsgericht so versagt“ (SZ 30.10.2021, Bezahlschranke).

Am 30.11.2021 verkündete das Bundesverfassungsgericht in zwei Urteilssprüchen, alle Verordnungen im Bundesnotbremsen-Gesetz vom April 2021 seien „trotz des Eingriffsgewichts verhältnismäßig gewesen“ (BVerfG 30.11.2021, BVerfG 30.11.2021). Das Verbot von Präsenzunterricht habe das Recht auf schulische Bildung nicht verletzt – nach Heribert Prantl ist diese Aussage eine Frechheit“. Der Regierung müssen beim Beschluss zur „Bundesnotbremse“ die verheerenden Auswirkungen bekannt gewesen sein, und dem Bundesverfassungsgericht, viele Monate später, erst recht (SZ 3.12.2021, Bezahlschranke, tagesschau 10.2.2021). Seit April 2021 war außerdem bekannt, dass nächtliche Ausgangssperren keine Auswirkung auf den Verlauf der Pandemie hatten (FAZ 21.4.2021).

Den Begriff Menschenwürde suchte man in den beiden Urteilen vergebens. Ohne auf die Kollateralschäden des Bundesnotbremsen-Gesetzes und auf kritische Stimmen von verschiedenen Verfassungsrechtlern einzugehen (BZ 19.4.2021, WELT 21.4.2021, RP 30.4.2021) – eine mündliche Verhandlung gab es ohnehin nicht – , lieferten die Richter damit einen Freifahrtschein für künftige Lockdowns mit Ausgangsbeschränkungen, Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen, einfach nur dann, wenn die Regierung die Lage als gefährlich einschätzt („Einschätzungsprärogative“). Und: Das höchste deutsche Gericht setzte noch einen drauf und verlangt 2G plus plus (=PCR-Test) für seine nächste Verhandlung. Für alle, ohne Wenn und Aber. Das ist auch ein Signal nach außen“ (SPIEGEL 11.12.2021, Bezahlschranke).

Die Mainzer Rechtsanwältin Jessica Hamed lehnte in einem Verfahren alle Richter und Richterinnen des Ersten Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Ein Gerichtsverfahren mit 2G-plus-plus-Regeln sei eindeutig verfassungswidrig (BZ 16.12.2021).

Heribert Prantl war außer sich: Das Bundesverfassungsgericht hat lange zwanzig Monate geschwiegen; es hat geschwiegen zu den Lockdowns, zu den Freiheitsbeschränkungen, zu den Ausgangssperren und Schulschließungen; es hat Eilentscheidungen gegen die Anti-Corona-Maßnahmen abgelehnt, es hat das Land vertröstet und die gründliche Prüfung der Dinge in Hauptsacheverfahren versprochen. Das Gericht hat nun in der Hauptsache entschieden, aber keine Leitlinien formuliert für ein Handeln des Staats. Es hat stattdessen der Politik hauptsächlich einen langen Freibrief geschrieben. Es ist dies die kleine Abdankung eines großen Gerichts. Die Corona-Beschlüsse widersprechen der Rolle des Gerichts als Hüter der Verfassung. Ein Hüter hütet, er schaut nicht einfach nur zu“.(SZ 3.12.2021, Bezahlschranke).Nach Meinung von Heribert Prantl hätten die Karlsruher Richter den Gesetzgeber auch auffordern müssen, die Unkenntnis über die Verbreitung des Virus zu verringern und empirische Forschung dazu in Auftrag zu geben. Dem Gesetzgeber hätte angedroht werden müssen, andernfalls seine auf Unwissenheit gestützte Begründung für die Grundrechtseingriffe nicht mehr zu akzeptieren.

„Wer die Karlsruher Beschlüsse liest, wähnt sich bei einem verfassungsjuristischen Tontaubenschießen: Erst wird das Grundrecht hochgeschossen, dann wird es abgeschossen“ (Heribert Prantl)

In einem Interview mit der Berliner Zeitung sagte Prantl zu den Beschlüssen: „Sie sind dürftig in ihrer Begründung. Sie sind oberflächlich in der juristischen Argumentation. Sie sind gefährlich in der Reduzierung des Rechtsschutzes. Und sie sind feige in ihrer Grundhaltung“ (BZ 4.12.2021).

Auch Oliver Lepsius bezeichnete den Beschluss als pandemischen Umbau des Rechtsstaates“. „Das BVerfG irrt, wenn es meinen sollte, dem politischen System durch verfassungsrechtliche Abstinenz einen Dienst zu erweisen“ (LTO 3.12.2021). In der FAZ schrieb er: „Freiheit wird durch Gesundheit bewirtschaftet! Sehen wir hier den Ausnahmezustand, den das Grundgesetz formaliter nicht kennt, in Gestalt einer rechtsstaatlichen Uminterpretation? Man fragt sich, welche rechtsstaatlichen Grenzen dem Gericht vor Augen standen, wenn die Verhältnismäßigkeitsprüfung keine Grenzen setzt und vertikale wie horizontale Gewaltentrennung verzichtbar sind“ (FAZ 10.12.2021, Bezahlschranke).

Hans-Jürgen Papier nannte in einem Interview die „sehr großzügige und pauschale Zurücknahme richterlicher Kontrolle“ fragwürdig. Ganz überwiegend gehe es um Grundrechtseingriffe der Exekutive, für die ein so weiter Spielraum keinesfalls gelten könne. Aus eben diesem Grund existiere das Grundgesetz mit seinen Freiheitsrechten: Damit nicht eine mehrheitliche Gruppe von Bürgern ohne Rechtfertigung über die andere frei bestimmen kann“ (t-online 17.12.2021).

Der Rechtswissenschaftler Volker Boehme-Neßler kommentierte in der ZEIT: „Mit dieser Entscheidung zur Bundesnotbremse schafft es Karlsruhe nicht, diese Gräben zu überwinden und die Gesellschaft zu befrieden. Es fokussiert sich einseitig auf die großen Gefahren durch die Pandemie. Die ebenso großen Gefahren, die mit einschneidenden und lang wirkenden Grundrechtseingriffen verbunden sind, verliert es aus dem Blick. Das ist fatal. Denn die Grundrechte schützen die Freiheit, ohne die eine Demokratie nicht denkbar ist. Ist Freiheit einmal verloren gegangen, wird es schwierig, sie zurückzuerobern“ (ZEIT 30.11.2021).

Auch noch nach Ende der Pandemiemaßnahmen musste Volker Boehme-Neßler die Frage stellen: Wo war der Rechtsstaat? … Wir hatten Ausgangssperren. Ausgangssperren sind ein typisches Instrument von Diktaturen oder autoritären Systemen. Zu einer Demokratie passen sie ganz und gar nicht. Wir hatten wochenlange Schulschließungen. Wir fangen erst jetzt an zu begreifen, mit welchen langfristigen Schäden die Kinder seitdem zu kämpfen haben. Die Corona-Jahre waren auch geprägt von zahllosen
Demonstrationsverboten. Die Verwaltungsgerichte haben das immer wieder gebilligt – und tatenlos
zugesehen, wie den Bürgerinnen und Bürgern ein elementares Freiheitsrecht entzogen wird. (…) Die Justiz hat die harten Corona-Maßnahmen des Staates ohne Wenn und Aber gestützt. Das ist aber
nicht die Aufgabe der Gerichte im Rechtsstaat. Sie müssen den Staat und seine Behörden kontrollieren, korrigieren und ihnen – wenn es nötig ist – auch in den Arm fallen. Zum Schutz der Bürger vor dem Staat. Das ist hier nicht passiert. Die Justiz hat dadurch viel Vertrauen in der Bevölkerung verspielt. Das ist fatal. Denn langfristig funktioniert ein Rechtssystem nur, wenn die Bürger ein Minimum an Vertrauen haben. Gerichte, denen die Bevölkerung nicht vertraut, werden auf die Dauer irrelevant.
Politik und Gesellschaft müssen das aufarbeiten – intensiv und ohne Tabus“. (Cicero 5.3.2023, Bezahlschranke).

WELT-Redakteur Benjamin Stibi schrieb: „Aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit gehört es normalerweise nicht zum guten Ton, die Arbeit eines Gerichts öffentlich infrage zu stellen. Allerdings trägt das Bundesverfassungsgericht mit seinem Verhalten selbst zur Kritik bei. Wo es seine Prioritäten setzt, wurde daran deutlich, dass in der Jahresvorausschau 2021 kein einziges Verfahren gegen Corona-Maßnahmen aufgelistet war, und auch sonst hüllt sich das Gericht in Schweigen darüber, wann es gedenkt, über die zahlreichen Corona-Beschwerden zu entscheiden“ (WELT 16.7.2021, Bezahlschranke). Wenig später stellte er deprimiert fest: „Dass es das Bundesverfassungsgericht kein einziges Mal in der Pandemie geschafft hat, der Angst-getriebenen Corona-Politik Einhalt zu gebieten und erneut unkritisch die Regierungslinie übernommen hat, bedeutet ein historisches Versagen. Man kann es nicht anders ausdrücken: Das Virus hat den Rechtsstaat infiziert (JuWi 30.11.2021).

Die Initiative kritischer Richter und Staatsanwälte kritisierte, dass das Bundesverfassungsgericht keinen einzigen Wissenschaftler bzw. wissenschaftlichen Vereinigungen, die die Corona-Politik der Bundesregierung und die Arbeit des RKI kritisch begleitet haben, als „sachkundigen Dritten“ angefragt hatte. Es habe die Wirksamkeit der angewandten Mittel wie Ausgangssperren nicht in Frage gestellt und daher auch nicht ausreichend abgewogen, ob sie vertretbar waren. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung löse sich dadurch in Nichts auf, werde auf „Leerlauf“ gestellt (KRiSta 8.12.2021).

Michael Maier kommentierte in der Berliner Zeitung: „Von Stephan Harbarth und seinen Kollegen muss verlangt werden, dass sie sich als unbestechliche und unabhängige Richter erweisen. Die deutschen Gerichte warten auf einen Spruch aus Karlsruhe schon sehr, sehr lange. Die Bevölkerung ist verunsichert und frustriert. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu lange weggeduckt. Das höchste unabhängige Verfassungsorgan der Justiz muss ein paar Pflöcke einschlagen, damit die juristischen Chaos-Tage beendet werden können… Scheitert Karlsruhe an dieser Aufgabe, wird es einen Notstand in den deutschen Gerichtssälen geben. Die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist die Beendigung des juristischen Ausnahmezustands, um das friedliche und freiheitliche Zusammenleben in diesem Land dauerhaft zu sichern“ (BZ 28.10.2021).

Im April 2022 veröffentlichte die ehemalige Leiterin des Gesundheitsamtes Frankfurt Ursel Heudorf eine grundsätzliche Kritik an der Stellungnahme der Charité und dem darauf beruhenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus medizinischer Sicht.Es ist nicht nachvollziehbar, wie eine nach Auffassung der Autorin des vorliegenden Beitrags fachlich so fehlerhafte Stellungnahme in einem wesentlichen Punkt zur Grundlage einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werden konnte, obwohl andere Stellungnahmen deutlich bessere Evidenz angeführt hatten und das Gericht auf die Mängel der Stellungnahme hingewiesen wurde. Auf der Grundlage der von Fachverbänden präsentierten Evidenz hätte das Bundesverfassungsgericht vielmehr dem bis heute vorherrschenden Narrativ der gefährlichen Schulen und der Kinder als ‚Virenschleuder‘ ein Ende setzen müssen. Folge dieses Versäumnisses zu Lasten der Schwächsten der Gesellschaft ist, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland auch heute noch stärker eingeschränkt werden als Erwachsene – wie nach unserer Kenntnis in kaum einem anderen europäischen Land“ (Heudorf 21.4.2022).

Die Stellungnahme von Frau Heudorf wurde von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene unterstützt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit der Bundesnotbremse im Hinblick auf Kinder und Schulen sei aus medizinischer (v.a. pädiatrischer) und wissenschaftlicher Sicht fragwürdig (DGK 25.4.2022).

Der Augsburger Staatsrechtler Josef Franz Lindner schlug eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor, denn „Deutschland muss die Grundrechte beachten, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegt sind“ (NZZ 7.5.2021, Bezahlschranke). Im Mai 2022 reichten die Rechtsanwälte Axel Koch und Bernhard Ludwig Beschwerde gegen die Bundesrepublik beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein. Anfang Februar 2023 forderte der EGMR eine Stellungnahme zu den Schulschließungen während der Coronapandemie. Er forderte unter anderem eine Antwort auf die Frage, ob das Kindeswohl tatsächlich der zentrale Maßstab für die erneuten Schulschließungen gewesen sei. Außerdem wollten die Richter wissen, inwieweit die Auswirkungen früherer Schulschließungen in der Pandemiezeit bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden waren (SPIEGEL 5.2.2023). Die Beschwerde in Straßburg habe sehr gute Chancen, glaubt  Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler (BILD 5.2.2023).

Anderer Meinung als Harbarth war auch der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Ferdinand Kirchhof, der in einem Interview sagte: „Mir fehlt die Beteiligung des Parlaments an der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und der ihnen entgegenstehenden Rechtsgüter. Es ist feststehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Bundestag selbst diese Austarierung bei einer Beschränkung von Grundrechten übernehmen muss“ (WELT 2.4.2021, Bezahlschranke).

Für Gerd Antes, ehemaliges STIKO-Mitglied, wurde alles versäumt, was nötig gewesen wäre: „Die gegenwärtige Hilflosigkeit ist nicht neu, lässt sich jedoch immer weniger verbergen und wird entsprechend immer öfter thematisiert. Sie ist selbstverschuldet und nicht überraschend. Mitte Februar werden die Entscheidungsträger genauso hilf- und konzeptlos sein wie jetzt“  (Focus 29.1.2021).

Anders agierte etwa das spanische Verfassungsgericht: Es erklärte die Notstandsgesetze vom März 2020 und den Ausnahmezustand vom November 2021 für verfassungswidrig. Auch die Einführung eines Impfnachweises für den Zugang zu Restaurant, Bars oder ganzen Regionen wurde gerichtlich gestoppt. Alle Bußgelder mussten zurückgezahlt werden (dlf 14.7.2021, ansamed 12.8.2021, abc 9.9.2021, BZ 26.10.2021). Das baskische Oberste Gericht erlaubte es Nachtclubs und Restaurants nicht, von ihren Gästen einen Impfnachweis zu verlangen. Die unterschiedslose Auferlegung einer Passpflicht sei nicht gerechtfertigt  (El Pais 22.11.2021).

Auch in Slowenien wurden Bußgelder gegen Corona-Verstöße nachträglich als verfassungswidrig eingestuft. Das Parlament beschlosse im September 2023 die Rückzahlung der Strafen (BZ 22.9.2023).

Die vierte Lockdown-Verlängerung Februar 2021

Am 10.2.2021 erfolgte die vierte Verlängerung des Lockdown bis zum 7. März 2021, trotz deutlichen Absinkens von Erkrankungen, Intensiv- und Todesfällen. „Die Politik greift nach dem letzten Strohhalm, um an ihrer Lockdown-Strategie festhalten zu können… Es gibt keine belastbaren Zahlen, die belegen, dass die Mutation für mehr Krankheit und Tod verantwortlich wäre“, kommentierte das Christoph Lütge in der NZZ (NZZ 13.2.2021).

Diesmal wurde sogar der „Inzidenz“-Wert von 50/100’000 verworfen, der bis dato als Voraussetzung für Lockerungen galt: Man müsse jetzt unter 35/100’000 kommen, um den neuen Virusmutanten Einhalt zu gebieten, und auch das sei noch nicht das „Ende der Fahnenstange“. Karl Lauterbach meinte sogar: „Die 25 ist die neue 50“. Und für Lothar Wieler war die Pandemie erst bei einer „Inzidenz“ von unter 10 gut kontrollierbar: „Eine Inzidenz von zehn wäre eine coole Zahl“ (WELT 12.2.2021).

Die fünfte Lockdown-Verlängerung März 2021

Die fünfte Lockdown-Verlängerung vom 3.3.2021 kam mit einem wirren Stufenplan daher, der erneut mit fragwürdigen „Inzidenzen“ operierte, ohne andere Kriterien zu berücksichtigen  (ZEIT 4.3.2021, Bundesregierung 3.3.2021). Impfungen, Schnelltests und Terminbuchungen sollten den Besuch von Läden, Restaurants oder Kulturveranstaltungen sicherer machen. Sie führten aber eher dazu, dass sich kaum Kundschaft einfand: „Kunden bleiben weg, Umsätze brechen ein“ (ndr 4.3.2021, WELT 4.5.2021). Entsprechend entsetzt reagierten Einzelhandelsverbände, Handwerk und Reisebranche (ZDF 4.3.2021). Das Thema Kultur wurde im Wesentlichen wieder vertagt.

Schulen oder Kinder wurden in dem Beschluss vom 3. März 2021 nur in einem Verweis auf die Eigenverantwortung der Länder erwähnt, das Wort „Universität“ kam überhaupt nicht vor. Weiterhin gingen Millionen deutsche Schüler nicht in die Schule oder hatten Wechselunterricht – Kurzarbeit sozusagen. Eine erboste Mutter schrieb an Bayerns Ministerpräsident Söder: „Es ist kaum zu glauben, dass ich mit meinen Kindern zum Frisör kann oder mir die Fußnägel lackieren, aber meine beiden Söhne seit Monaten nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Schulpflicht nachkommen dürfen“ (Merkur 7.3.2021).

Stattdessen hatten sich die Verantwortlichen bis ins letzte Detail Gedanken gemacht über private Zusammenkünfte („Paare gelten als ein Haushalt“, „vor der Zusammenkunft ein Selbsttest“), über Verkaufsflächen („Begrenzung von einer Kundin oder einem Kunden pro 10 qm für die ersten 800 qm Verkaufsfläche und einem weiteren für jede weiteren 20 qm“) und über Öffnungs- bzw. Schließungsschritte („Steigt die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner in dem Land oder der Region an drei aufeinander folgenden Tagen auf über 50 Neuinfektionen an, wird ab dem zweiten darauffolgenden Werktag in den geöffneten Bereichen nach Ziffer 6b verfahren“). Hatte man einmal diese ganze ministerpräsidentielle Kopfgeburt gelesen, konnte man erahnen, was in den kommenden Monaten noch folgen sollte (Bundesregierung 3.3.2021).

Ein Ende aller Maßnahmen kam in der Strategie gar nicht vor. Das hatte den Geschmack einer Endlosschleife: Selbst bei null könnten wieder neue Virusmutanten auftauchen, und die „Lockerungen“  könnten jederzeit wieder zurückgenommen werden. Die Grundrechte blieben im Zustand der Kündbarkeit. Oder wie Markus Söder sagte: „Es kann sich zum Guten, aber auch zum Schlechten entwickeln“ (SZ 4.3.2021). Das RKI prognostizierte am 12. März ein rasches Ansteigen der „Inzidenz“ auf 350, ein Forscherteam des Kanzleramts-Beraters Kai Nagel sogar eine „Inzidenz“ von bis zu 2000, triumphierend weiterverbreitet von Karl Lauterbach. Diese Prognosen lagen letztlich völlig daneben, was der Medizinstatistiker Gerd Antes mit dem Satz kommentierte: „Es ist ein chronischer Fehler der Modellbildung, einen Trend fortzuschreiben und naiv in die Zukunft zu schauen“ (BILD 27.4.2021, Bezahlschranke).

Die sechste Lockdown-Verlängerung März 2021

Am 23. März 2021 verfügte die „Kanzlerrunde“ die Fortsetzung des Lockdowns bis 18. April, inclusive einer Verschärfung („Ruhetage“) über Ostern (tagesschau 23.3.2021). Offenbar angeheizt durch die NoCovid-Berater wurde argumentiert, es gebe „ein starkes Infektionsgeschehen und eine exponentielle Dynamik“. Weiter hieß es, nur eine strenge Eindämmung des Infektionsgeschehens in den nächsten Wochen würde zu einer früheren Rückkehr zur Normalität und zu insgesamt kürzeren Beschränkungen führen. Die Mobilität und alle Kontakte müssten „auf das absolut notwendige Minimum“ beschränkt werden (Bundesregierung 23.3.2021). Der bizarre Bund-Länder-Beschluss zu den Kontaktbeschränkungen über die Osterfeiertage 2021 war tatsächlich ernst gemeint, und vermutlich haben sich viele daran gehalten (van Ooyen 19.3.2023).

Die Sterbeziffern der vorangegangenen Wochen zeigten hingegen ab Mitte Januar einen Rückgang um 80 bis 90 Prozent, und ein steiles Absinken ab der vierten Januarwoche 2021 (worldometers, EuroMoMo März 2021). Schon einen Tag später nahm Angela Merkel den Beschluss zu den Ruhetagen wieder zurück  (fr 24.3.2021).

Im Winterhalbjahr war bei den hohen Testzahlen ein Rückgang zu niedrigen „Inzidenz“-Werten kaum erreichbar (RND 12.2.2021, Merkur 15.2.2021). Die Werte wurden auch dadurch hochgehalten, dass zunehmend PCR-Tests bei Personen durchgeführt wurden, die im Schnelltest ein positives Ergebnis hatten (tkp 6.2.2021). „Die Politik verbaut mit dieser Teststrategie den Ausstieg aus den Corona-Einschränkungen“, so der Ebersberger CSU-Landrat Robert Niedergesäß (Merkur 10.4.2021). Die Regierenden schienen in ihrer Bunkermentalität zu verharren, während bei den Menschen die Unzufriedenheit wuchs: Nach einer Umfrage von Anfang März 2021 wünschten sich fast 20 Prozent eine komplette Rückkehr zur Normalität, nur noch 35 Prozent standen hinter den beschlossenen Maßnahmen (msl24 3.3.2021).

Ende März wurde die Debatte neu aufgenommen: „Zahlen rasen förmlich hoch – Forderungen nach Lockdown werden lauter“, meldete n-tv am 28.3.2021, und: „Gesundheitsminister Spahn sagt, womöglich müsse das gesellschaftliche Leben stark heruntergefahren werden“ (n-tv 28.3.2021).

Im März 2021 waren in Deutschland 9714 (=11 %) weniger Menschen gestorben als im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2020 in diesem Monat (Destatis 13.4.2021).

Am 10. April 2021 wurden Pläne für eine „Nachschärfung“ des Infektionsschutzgesetzes bekannt, mit Ausgangssperren und Schließungen im Einzelhandel, Erziehungs- und Bildungsbereich (t-online 10.4.2021, BZ 11.4.2021). Die Ankündigung kam trotz des schon seit Mitte März sinkenden R-Werts und der seit Ende März abnehmenden „Fall“zahlen, die im Lagebericht des RKI vom 9. April in den Grafiken auf Seite 5 und 8 deutlich zu sehen waren (RKI 9.4.2021). Die einzige verlässliche und repräsentative Erhebung zur jeweiligen „Grippesaison“, das Sentinel der Arbeitsgemeinschaft Influenza am RKI zeigte keine „dritte Welle“: Die COVID-19-Infektionszahlen lagen im März/April 2021 mit sieben Prozent aller gemeldeten Atemwegsinfektionen stabil auf niedrigem Niveau (RKI 2021, AGI 3.4.2021 S.5).

Die vom RKI veröffentlichten Daten machten es sehr wahrscheinlich, dass die sogenannte „Dritte Welle“ weitgehend durch die Zunahme der Testhäufigkeit bei den unter 20-Jährigen zu erklären ist. Es ließ sich kein erhöhtes Risiko für Krankenhausaufnahmen in den jüngeren Altersgruppen erkennen (Schrappe 22.4.2021). Bei den unter 18jährigen lag mehr als die Hälfte derer, die vom RKI als „COVID-19 hospitalisiert“ gemeldet waren, gar nicht wegen COVID-19 im Krankenhaus (Armann 7.6.2021). Eine Überlastung der Krankenhäuser oder gar eine „Triage“, wie sie einige Intensivmediziner an die Wand malten, war nie in Sicht (Helios 19.4.2021). Einzig die Angaben der DIVI zur Intensivbettenbelegung zeigten nach oben. Sie waren allerdings mit Vorsicht zu genießen, da es bei den häufigen hausinternen Verlegungen zu Doppeltzählungen kam: „!Achtung: hier kommt es zu Mehrfachzählungen“ (DIVI 9.4.2021). 

Nach einer Umfrage von BILD bei verschiedenen Intensivmedizinern war im April die Lage auf den Intensivstationen zwar angespannt, aber beherrschbar.  Thomas Voshaar, Chefarzt der Lungenklinik Bethanien Moers erklärte: „Der Alarmismus der Intensivmediziner der DIVI ist unverantwortlich und unverhältnismäßig. Denn er istdurch die tatsächlichen Zahlen nicht gestützt. Nicht mal ein Viertel der 22’000 Intensivbetten in Deutschland sind mit Covid-19-Patienten belegt. Wieso droht da Gefahr?“ (BILD 21.4.2021, Bezahlschranke).

Ein Krankenhausarzt (Oberarzt) bestätigte in einem anonymen Beitrag im Reitschuster-Blog diese Aussage: Triage gab es schon immer. Dass jetzt gerade dieses Argument verwendet wird, um auf die ausgelastete Situation auf den Intensivstationen hinzuweisen, ist für mich absurd… Die emotional vorgetragenen Belastungen der Spitzenmediziner, die zumeist nicht selbst an der „Front“ stehen, wenn es um die Behandlung der COVID-19-Patienten geht (einige von ihnen haben noch nie einen COVID-19 Patienten selbst behandelt und noch nie auf einer Intensivstation gearbeitet), sind daher getrost zu ignorieren aus meiner Sicht“ (Reitschuster 18.4.2021).

Auch der Chef der größte deutschen Krankenhauskette Helios Francesco De Meo sah keinen Grund zur Panik: „Wirklich dramatisch ist die Lage derzeit nicht… es macht wenig Sinn, den Leuten zusätzliche Angst zu machen“. Patienten in Deutschland würden schneller als in Ländern wie etwa Spanien auf eine Intensivstation verlegt, die Sterblichkeit sei aber gleich hoch (WELT 22.4.2021).

Intensivmedizinern wie Uwe Janssens (ehem. DIVI-Präsident), Gernot Marx (DIVI-Präsident) oder Christian Karagiannidis musste klar sein, in welches Desaster sie unser Land mit ihren Alarmrufen trieben (Nordkurier 24.4.2021). Karagiannidis ruderte Minuten (!) nach der Abstimmung im Bundestag am 21.4. zurück: Alles nicht so schlimm, Wachstum der Intensivbelegung gebremst (Karagiannidis 21.4.2021).

Die angebliche Überlastung der Krankenhäuser durch Coronapatienten war Fake News, um Akzeptanz für das fragwürdige „Notbremsen“-Gesetz herzustellen.

Lockdowns: Unwirksam und schädlich

Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen 18 Monate und anhand der weltweiten Entwicklung der Infektions- und Sterblichkeitsziffern lassen sich keine relevanten Erfolge bisheriger Pandemie-Bekämpfungsmaßnahmen erkennen, aber viele schwerwiegende Kollateralschäden.

(aus: „Zehn Thesen zum rationalen und humanen Umgang mit Corona“ von Paul CullenKarl-Heinz JöckelUlrich KeilAngela Spelsberg  und Andreas Stang, 4.11.2021).

Viele ursprüngliche Vorhersagen werden durch die Forschungsdaten weitgehend bestätigt, darunter: ein Anstieg der nicht durch COVID verursachten Übersterblichkeit, eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit, Kindesmissbrauch und häusliche Gewalt, zunehmende globale Ungleichheit, Ernährungsunsicherheit, verlorene Bildungschancen, ungesunde Lebensgewohnheiten, soziale Polarisierung, steigende Verschuldung, Rückschritte bei der Demokratie und ein Rückgang der Menschenrechte. Junge Menschen, Menschen und Länder mit niedrigerem sozioökonomischem Status, Frauen und Menschen mit bereits bestehenden Schwachstellen waren am stärksten betroffen. Die gesellschaftlichen Schäden sollten das vorherrschende gedankliche Modell der Pandemiebekämpfung in Frage stellen: Es ist wahrscheinlich, dass viele COVID-Maßnahmen mehr Schaden als Nutzen verursacht haben (Bardosh 14.5.2023).

Der monatelange Lockdown in Deutschland  ging zu Lasten der Kinder, der Jugendlichen, der Mütter und der vielen Selbständigen, ob im Kultur-, Einzelhandels- oder Gastronomiebereich. Er verursachte Arbeitslosigkeit, Insolvenzen, Ausverkauf und Verschuldung (Kreiß 8.1.2021). Er brachte Leid über die älteren Menschen, denn soziale Begegnungen und die Selbstversorgung wurden erschwert (BZ 8.12.2020). Er ließ psychische Krankheiten wie Depressionen oder Angststörungen zunehmen, und mit ihnen stressbedingte Krankheiten wie Bluthochdruck, Schlaganfall oder Herzinfarkt, aber auch familiäre Gewalt und Selbstmorde (SZ 11.12.2020, FAZ 17.12.2020, BZ 10.11.2020). „Wenn man die Zunahme der Depressionen infolge des Lockdowns in Europa und den USA analysiert, führt diese allein zu einem stärkeren Verlust an Lebensjahren als deren Verlust wegen Covid-19 weltweit“ (Kotschoubey 19.5.2023).

Vor allem Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren litten im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit deutlich häufiger unter Depressionen, Angststörungen und Adipositas (DAK 19.9.2022). Dies ergab auch eine Studie des RKI vom Oktober 2020: „Während die mittleren Werte für depressive Symptome von der ersten Welle der Pandemie bis zum Sommer 2020 zurückgingen, stiegen sie ab Oktober 2020 an und blieben während des gesamten Jahres 2021 konstant erhöht, mit einem weiteren Anstieg zwischen 2021 und 2022 (…) Während depressive Symptome in allen Untergruppen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zunahmen, stachen die Entwicklungen bei Frauen, den jüngsten und ältesten Erwachsenen und der Gruppe mit hohem Bildungsniveau hervor. Außerdem nahmen Angstsymptome zu, während die selbst eingeschätzte psychische Gesundheit zwischen 2021 und 2022 abnahm“ (Mauz 10.10.2022).

Es kann nicht sein, dass wir ausschließlich tagesaktuell SARS-CoV2-Laborergebnisse erheben, aber erst Monate bis Jahre später erfahren sollen, ob und wie viele Menschen wegen ausgefallener Therapien oder aus purer Existenzangst Suizid begangen haben (Wangerin 5.1.2021).

In der Studie „Intimität, Sexualität und Solidarität in der COVID-19-Pandemie“ beobachtete die Wiener Soziologin Barbara Rothmüller die psychosoziale Stimmungslage seit Beginn des ersten Lockdowns. Rund ein Viertel der Befragten gab an, bereits Ausgrenzung aufgrund der Haltung zur Pandemiebekämpfung erlebt zu haben, mit teils massiven sozialen Sanktionen durch Bekannte, Familienmitglieder, Arbeitsumfeld oder in sozialen Netzwerken. Rund ein Fünftel der Befragten hat im Zuge der Krise den Kontakt zu Vertrauenspersonen verloren oder aktiv abgebrochen. Jeder zehnte Befragte gab an, dass die letzte Umarmung zum Zeitpunkt der Befragung mehr als drei Monate zurücklag (ORF wachs4.2.2021).

Gerade für Jugendliche und junge Erwachsene wurde der Spielraum immer weiter eingeengt: Verbote von Treffen und Alkoholkonsum im öffentlichen Raum, die Einschränkung der Reisefreizügigkeit, Maskenpflicht und Abstandsregeln an den Schulen, die fortgesetzte Beschränkung der Jugendarbeit (BSZ 14.8.2020). Sogar im Sommer 2021, bei kaum noch messbaren „Inzidenzen“, wurden Grillfeste und Partys von der Polizei gesprengt und die Teilnehmer kriminalisiert (WELT 2.7.2021, Bezahlschranke). An den Unis gab es über drei Semester nur Online-Vorlesungen ohne jedes soziale Studentenleben. Bei einer Umfrage unter elftausend Studenten zeigte sich, dass die große Mehrheit im Wintersemester 2019/2020 noch mit ihrem Lernerlebnis zufrieden war, im Sommersemester 2020 dagegen waren es nur noch 51 Prozent. Die Gründe für die Unzufriedenheit waren mangelndes Sozialleben unter den Studierenden (68 Prozent), Motivations- und Konzentrationsprobleme beim Lernen zu Hause (58 Prozent) und die fehlende Orientierung bei der Einschätzung des Lernstoffes (42 Prozent) (McKinsey Okt 2010).

Im Januar 2021 schlug das Deutsche Studentenwerk wegen der Pandemie-Folgen für Studierende Alarm. „Die psychosoziale Beratung der Studenten- und Studierendenwerke wird förmlich überrannt, die Wartezeiten werden länger. (…) Vereinsamung, digitale Isolation und depressive Verstimmung sind oftmals die Folge“ (BZ 7.1.2022). Die psychologischen Beratungsstellen der Universitäten waren im ganzen Jahr 2021 massiv überlastet. Die Nachfrage stieg um bis zu 85 Prozent. Studentenwerke und Hochschulrektorenkonferenz forderten ein Sofortprogramm (zdf 23.1.2022).

Viele junge Erwachsene waren auch durch Arbeitslosigkeit und zunehmende Armut betroffen (n-tv 23.9.2020). Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge fiel 2020/21 auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung (RND 14.4.2021). Laut Paritätischem Armutsbericht 2022 erreichte die Armut in Deutschland mit einer Armutsquote von 16,6 Prozent im zweiten Pandemie-Jahr (2021) einen traurigen neuen Höchststand. 13,8 Millionen Menschen waren demnach 2021 zu den Armen zu rechnen, 600.000 mehr als vor der Pandemie.„Die Befunde sind erschütternd, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie schlagen inzwischen voll durch. Noch nie wurde auf der Basis des amtlichen Mikrozensus ein höherer Wert gemessen und noch nie hat sich die Armut in jüngerer Zeit so rasant ausgebreitet wie während der Pandemie”, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.(DerParitätische 6/2022).

Nach einer Umfrage der Uni Salzburg war es die Hauptangst der 6- bis 18-Jährigen, dass ihr Leben nie mehr so wird, wie es vor der Pandemie und den Lockdowns war. Sie gingen davon aus, dass ihre Zukunft nachhaltig negativ beeinträchtigt wird (Focus 18.3.2021).

Helen Timmermann beschrieb die Situation der Teenager: „Sie wachsen in einer körperfeindlichen Zeit auf – und das in einer Lebensphase, in der Körperlichkeit und das vertraut werden mit dem sich verändernden Körper so wichtig sind. Es geht darum, auszutesten, wie man auf andere wirkt, wie es sich anfühlt, Körperkontakt zu haben, wo die Grenzen sind. Diese Dinge müssen in der Pubertät normalerweise ausprobiert werden. Aber Nähe zu Mitmenschen gilt zurzeit als gefährlich. Die heutigen Teenager werden eher zu Körperlosigkeit erzogen“ (Nordkurier 7.3.2021). „Wir klauen jungen Menschen ihre Jugend“, sagte Markus Lanz im ZDF (ZDF 2.10.2020).

Eine 20-Jährige Augsburgerin schrieb im Januar 2023 einen bewegenden Rückblick über die drei Jahre Pandemie: „Die Krise mag jetzt vorbei sein. Für uns lässt sich die Zeit aber nicht mehr zurückdrehen. Mit 20 schaue ich inzwischen dem Erwachsenenleben ins Auge, obwohl ich gefühlt gestern noch 17 Jahre alt war. In der Zeit dazwischen liegt eine Menge geplatzter Träume.“ (AA 31.1.2023).

Nach einer Umfrage der „GenerationenStiftung“ fühlten sich 84 Prozent der unter 26-Jährigen von der Regierung im Stich gelassen. Mehr als die Hälfte der jungen Erwachsenen sah sich von keiner der zur Wahl stehenden Parteien mehr vertreten (tagesspiegel 22.6.2021). Gerhard Matzig sprach in der SZ von einer „Generation tief erschüttert.“ Er schrieb: „Morgens sieht man manchmal Schüler mit ihren Masken auf dem Weg zur Schule. Man kennt Studentinnen, die seit einem Jahr studieren, aber noch nie eine analoge Universität von innen gesehen haben. Man kennt Elfjährige, die im Sportunterricht bei sengender Hitze eine halbe Stunde im Kreis laufen müssen, mit Maske. … Eigentlich lautet die Frage nicht, warum ein paar Frustrierte unter den Jungen sich danebenbenehmen. Eigentlich lautet die Frage: Warum jetzt erst? Und eigentlich will man ihnen nicht nur zurufen, dass sie ihre fucking Musik mal bitte leiser machen und ihre fucking Bierflaschen einsammeln sollen – sondern man möchte ihnen eine Bastelanleitung für den politischen Barrikadenbau zukommen lassen. Verwunderlich ist eher, warum die Generation Silent tatsächlich so still ist“ (SZ 22.6.2021, Bezahlschranke).

Die Maßnahmen der Pandemiepolitik hatten gravierende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen in Deutschland. Nach einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung waren zusätzlich 477.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren von depressiven Symptomen betroffen. Bei weiblichen Jugendlichen kam es zu einem Anstieg depressiver Symptome von 13 auf 35 Prozent, bei den männlichen Jugendlichen zu einem Anstieg von 7 auf 15 Prozent (BiB 2021)  Deutsche Jugendämter registrierten vermehrt psychische Krisen und Selbstmordversuche, psychotherapeutische Einrichtungen erhalten immer mehr Anfragen von jungen Menschen mit Essstörungen (br 27.1.2021, SZ 29.1.2021). In Bayern gab es 2020/21 12 Selbstmorde bei unter 14-Jährigen, in den Jahren zuvor keinen einzigen (Holaczek 17.2.2022). Nach einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat Corona die Lebenszufriedenheit von Abiturientinnen und Abiturienten des Jahrgangs 2020 stark gedämpft. Der Einbruch sei untypisch für junge Menschen in diesem Lebensabschnitt und entspreche dem drastischen Rückgang der Lebenszufriedenheit in Kriegsgebieten (br 23.9.2021). Allein im Frühjahr 2021 mussten vermutlich 500 Kinder wegen Suizidversuchen bundesweit auf Intensivstationen behandelt werden. Diese Fallzahlen aus dem zweiten Lockdown entsprachen einem Anstieg um rund 400 Prozent im Vergleich mit der Zeit vor Corona (KSta 5.1.2022). Dass Karl Lauterbach den Zusammenhang mit den Pandemiemaßnahmen abstritt, war ein Beleg für seine Unfähigkeit und fehlende Empathie (WELT 11.1.2022, Bezahlschranke, SPIEGEL 11.1.2022).

Die WELT kommentierte: „… einige Dinge werden wir uns nicht verzeihen.Insbesondere nicht jenen Wissenschaftlern, Politikern und Medien, die einen hartenLockdown herbeigeredet haben, deren paternalistischer Gestus und deren oftdurchschaubare Instrumentalisierung von Solidarität vor allem eine Machtdemonstration desStaates ermöglichte: Wir greifen tief in das Leben der Bürger ein. Die vulnerablen Gruppen wurden schlecht geschützt. Und die vulnerabelste Sache der Welt,die Kinderseelewurde vielfach missbraucht. und geschändet. Das Ergebnis ist fatal, wie eine Studie der Essener Uniklinik diese Woche andeutet. Die Zahl der Kinder, die nach Selbstmordversuchen auf Intensivstationen landeten, hat sich vervierfacht. Die Dunkelziffer und auch die Zahl weniger drastisch gescheiterter Versuche dürfte höher sein. Schulschließungen, die üble Rhetorik, Kinder zu potenziellen Oma-und-Opa-Umbringern zu machen, der fahrlässige Umgang mit Studien zum Infektionsrisiko „Kinder“ all das hat zu falschen Entscheidungen geführt. Die kinderlose Kanzlerin sagte vor einem Jahr: ‚Will mir nicht anhängen lassen, dass ich Kinder quäle.‘ Doch genau das hat ihre Politik getan und die der Ministerpräsidenten. Die Unterstützung einiger Wissenschaftler und Medien war bemerkenswert…“ (WELT 8.1.2022, Bezahlschranke).

Auch US-amerikanische Forscher fanden eine exorbitante Zunahme an Depressionen und Selbstmordgedanken bei jungen Menschen auf Grund der Pandemiemaßnahmen (Connectiv 4.12.2020).  In der Schweiz ließ sich eine enorme Zunahme schwerer Depressionen vornehmlich bei der jüngeren Bevölkerung beobachten. Unter den 14 – 24jährigen waren bis 29 Prozent betroffen, unter den 25–34-Jährigen 21 Prozent. In Österreich litten nach einer Erhebung der Universität Krems sogar fünfzig Prozent der jungen Menschen an Depressionen, Angstkrankheit oder Schlafproblemen. Die Abteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie, etwa am Wiener AKH, am Kinderspital Zürich oder an der Vitos Kinder- und Jugendklinik in Eltville, waren überfüllt durch Patienten mit schweren Essstörungen, Angstkrankheiten, Depressionen und Selbstmordversuchen (OTS 27.1.2021, Standard 27.1.2021, kz 27.1.2021, FAZ 28.3.2021, NZZ 11.4.2021).

Es handelte sich um ein Phänomen, das überall zu beobachten war: Ein internationales Forscherteam fand eine weltweite Zunahme von schweren Depressionen und Angststörungen um über 25 Prozent bedingt durch die Coronapandemie bzw. die Pandemiemaßnahmen, vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen und bei Frauen (Lancet 11.10.2021). Die pathophysiologischen Hintergründe, auf welche Weise sich soziale Isolation langfristig auf Hirnfunktionen auswirken würde, beschrieben Danilo Bzdok und Robin I. M. Dunbar in ihrer Forschungsarbeit Social isolation and the brain in the pandemic era“. Bedenklich sei unter anderem, dass Kontakteinschränkungen den Fokus der Gedanken von außen nach innen richten, was bei anfälligen Personen das Gefühl sozialer Isolation weiter verschlimmert (Bzdok 18.10.2022).

Die Behauptung, dass „Events“ und „Feiern“ die Hauptschuldigen an der Ausbreitung von SARS-CoV2 waren, war durch nichts belegt. Nach Aussage von Gerd Antes, ehemaligem STIKO-Mitglied, wurde das Virus einfach durch die vielen spontanen Kontakte der Menschen untereinander weitergegeben. „Dieses Hochjubeln von Clustern als ‚Haupttäter‘ ist aus meiner Sicht hochgradig inkompetent (SWR 20.10.2020).

Wenn man bedenkt, dass laut RKI nur 3,5% der Ansteckungen bei Freizeitaktivitäten entstanden, 0,7% in KiTas, Kindergärten, Schulen oder Hochschulen, 0,5% in Restaurants, aber 56% in Privathaushalten (gmx.net 27.8.2020), hätte man eigentlich alle Privathaushalte schließen bzw. das Betreten oder Verlassen derselben mit Quarantäne und Bußgeldern bestrafen müssen.

Es gab unzählige weitere Kollateralschäden im individuellen und gesellschaftlichen Bereich, auch weltweit, die von der Exekutive komplett ignoriert wurden (Focus 4.2.2021, s.a. Abschnitt Die Pandemie zerstört Lebensgrundlagen). Die WELT nannte die verantwortlichen Politiker „Protagonisten eines Geschehens, das sie lustvoll exekutieren, ohne seine Gesetze zu kennen; Aufsager von Worten, in denen etwas spricht, das sie vollziehen, ohne es noch zu begreifen“. Ein Kolumnist der Zeitung sprach sogar von einer „zunehmenden Selbstradikalisierung“ der Kanzlerin, und befürchtete: „Wenn wir aus diesem Albtraum erwachen, wird von dem Deutschland, das wir kennen, weniger übrig sein, als sich die meisten derzeit vorstellen können“ (WELT 12.1.2021 mit Bezahlschranke, WELT 16.1.2021).

Durch Lockdowns wurden die gefährdeteren Bevölkerungsgruppen nicht nur nicht geschützt, sondern sogar mehr gefährdet: Deutsche, Österreichische und Schweizer Gesundheitsexperten vermuteten, dass die Einschränkungen der physischen Bewegungsfreiheit und der zwischenmenschlichen Kontakte sowie die Panikansagen einen gravierenden negativen Einfluss auf die Gesundheit hatten, insbesondere bei der älteren Generation. Den Autoren fiel auf, dass Länder, die die Bewegungsfreiheit am stärksten und am längsten eingeschränkt haben, im Winter 2020/21 eine Übersterblichkeit aufwiesen. In den skandinavischen Ländern, mit wenig Bewegungseinschränkungen, einer beruhigenden Kommunikationsstrategie und Appellen an die Eigenverantwortung der Bevölkerung gab es dagegen keine Übersterblichkeit. Ausgerechnet die zu schützenden Risikogruppen waren daher auch von den ständigen Verschärfungen des Lockdowns besonders stark betroffen (Scimed 24.12.2020).

Das Beispiel Argentinien zeigte, dass längere Ausgangsbeschränkungen und Schließungen zumindest unter demokratischen Bedingungen völlig kontraproduktiv sind: Der längste Lockdown der Welt hatte die Wirtschaft plattgemacht und die Menschen ins Elend getrieben – bei ständig steigenden Infektions- und Sterbezahlen (tagesschau 15.10.2020, BL 15.10.2020).

Auch das von den Lockdown-Apologeten wie der Leopoldina angeführte Beispiel Irland war eher ein abschreckendes Gegenbeispiel: Das Herunterfahren der Gesellschaft im Spätherbst 2020 war weitgehend ineffektiv und äußerst verlustreich (worldometers, corodok 6.1.2021). Die Zahlen gingen sofort nach Ende des Lockdowns wieder steil nach oben, und am 30.12.2021 wurde ein erneuter Lockdown angeordnet.

In Australien und Neuseeland war die NoCovid-Strategie mit ihren endlosen Lockdowns gescheitert (rnd 24.8.2021). Auf Dauer lassen sich Menschen nicht voneinander isolieren, und ein Land oder einen Kontinent kann man nicht vollständig nach außen abschotten, selbst wenn es eine Insel ist. Es gab zwar bis Sommer 2021 deutlich weniger Erkrankungsfälle als in anderen Teilen der Welt, dafür wurde immenser wirtschaftlicher und psychologischer Schaden angerichtet. „Infizierte werden in Lager gesperrt und wie Terroristen gejagt, wenn sie Quarantäne-Regeln brechen. Politiker raten Bürgern, nicht mit den Nachbarn zu sprechen… Ein junger Mann, der im Juni aus Belgien nach Australien zurückkehrte, um seine sterbende Mutter ein letztes Mal zu sehen, wurde von den Behörden aufgefordert, einen eigenen Flug zu chartern, um die Covid-19-Pandemie-Regularien einzuhalten. Er protestierte dagegen mit einem Hungerstreik, die Mutter starb allein im Krankenhaus“ (WELT 28.8.2021, Bezahlschranke). Der Journalist Jordan Schachtel schrieb: „Am 11. Oktober wird sich der bevölkerungsreichste Bundesstaat Australiens offiziell in einen Apartheidstaat verwandeln und das erste bekannte Gebiet der Welt werden, das „ungeimpfte“ Bürger radikal von der Gesellschaft ausgrenzt“ (Schachtel 28.9.2021).

Bundestagspräsident Schäuble mahnte eine strenge Abwägung zwischen dem Schutz des Lebens und den Nachteilen der Pandemiemaßnahmen an: Wir können nicht um jeden Preis jedes Leben schützen, und alles andere muss dahinter zurücktreten“ (n-tv 1.1.2021). Professor Christoph Lütge, Mitglied des Bayerischen Ethikrats, schrieb: „Das Durchschnittsalter der Corona-Toten liegt bei etwa 84 Jahren und da stirbt man an Corona oder auch an etwas anderem. So ist es nun einmal. Menschen sterben. Wenn sie da ihre Voruntersuchungen verpassen, sterben Menschen an Herz-Kreislauf, an Krebs oder der Influenza“ (BR 21.1.2021).

Der Ex-Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof pflichtete dem bei: Man kann eine Gesellschaft, man kann eine Wirtschaft, man kann persönliche Beziehungen auch zu Tode schützen. Mein Beispiel dafür ist immer der Straßenverkehr. Dort gibt es jedes Jahr Verletzte und Tote. Nun könnten wir entscheiden: Das dulden wir nicht, wir unterbinden den Straßenverkehr mit Autos, Fußgängern, Radfahrern. Damit haben wir Gesellschaft, Wirtschaft und Personen effektiv geschützt – aber eben zu Tode geschützt. Das lässt sich auf die Pandemie übertragen“ (WELT 2.4.2021, Bezahlschranke).

Die Schäden des Lockdown überwiegen dessen Nutzen bei Weitem; und während der Nutzen nur für die Risikogruppen besteht, treffen die Schäden alle Teile der Bevölkerung (Esfeld Dez. 2020)

Eine Literaturübersicht über die negativen Auswirkungen von Lockdowns bot Stefan Baral auf Twitter (Baral 22.8.2022). Eine Studie, die sogar die Zunahme von COVID-19-Todesfällen durch Lockdowns belegte, veröffentlichten Sanjeev Sabhlok und Jason Gavrilis im Juli 2022 (Sabhlok juli 2022). Im Januar 2021, 9 Monate nach dem Frühjahrslockdown 2021, kam es überall in Europa – außer in Schweden (!) – zu einem dramatischen Einbruch der Geburtenrate von durchschnittlich 14% (Pomar 13.10.1022). Wahrscheinliche Ursachen: Lockdown-Maßnahmen, Viruspanik und wirtschaftliche/soziale Krise.

Angesichts der gravierenden Folgen und der erkennbaren Ratlosigkeit der Politiker lag Olaf Scholz‘ Rechtfertigung für den Lockdown völlig daneben: „Wir haben als Regierung geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“ (SZ 13.12.2020). Und wenn er davon sprach, die Finanzierung des Lockdown-Orgie sei kein Problem (waz 19.12.2020), vergaß er die Heerscharen, die daran Pleite gehen. Tatsächlich wurde mit dem Lockdown einem bedeutenden Teil der Bevölkerung erheblicher wirtschaftlicher Schaden zugefügt – am meisten denen, die sich keine Einschränkungen mehr leisten konnten (ZEIT 14.12.2020, tkp 31.12.2020). Die Corona-Krise führte zu einer historischen Schrumpfung der deutschen Wirtschaftsleistung und riss tiefe Löcher in den Staatshaushalt (Tagesspiegel 14.1.2021).

Ein ständiger Fürsprecher „harter“ Maßnahmen war der Virologe Christian Drosten, der sich sogar zu der Aussage verstieg: „Wenn sich die Politik dann aber anders entscheidet, dann hat sie sich auch nicht mehr für die Wissenschaft entschieden“ (Morgenpost 9.12.2020).

Auch die Nationalakademie Leopoldina, von der sich die Bundesregierung beraten ließ, gehörte zu den Scharfmachern. Am 8.12.2020 veröffentlichte sie ein Papier mit dem Titel „Die Feiertage und den Jahreswechsel für einen harten Lockdown nutzen„. Der RKI-Präsident Lothar Wieler gehörte zu den Unterzeichnern, ebenso Christian Drosten als externer Berater. Weitere Personen, die als Nicht-Mitglieder die Leopoldina-Stellungnahmen mitverfasst und unterzeichnet haben, waren Melanie Brinkmann, Cornelia Betsch, Dirk Brockmann, Sandra Ciesek, Clemens Fuest, M. MeyerHermann, Viola Priesemann – Wissenschaftler, die bei der Bundesregierung aus und ein gingen (ZDF 8.12.2020, stefanie 26.2.2023).

Wer einen Ausschnitt der Wirklichkeit als Wahrheit propagiert, der spaltet die Gesellschaft.

Das Leopoldina-Mitglied Michael Esfeld kritisierte in einem Protestschreiben vehement die Forderung seiner Akademie nach einem Lockdown und forderte dazu auf, dies zurückzuziehen: Die Stellungnahme sei einseitig und verletze die Prinzipien wissenschaftlicher und ethischer Redlichkeit. Es gebe in Bezug auf den Umgang mit der Ausbreitung des Coronavirus keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die bestimmte politische Handlungsempfehlungen wie die eines Lockdowns rechtfertigen (Esfeld 8.12.2020). Ähnlich äußerten sich das Leopoldina-Mitglied Thomas Aigner, der den fehlenden Diskurs beklagte (Aigner 26.12.2020), und der Regensburger Psychologe Christof Kuhbandner (Kuhbandner 18.12.2020).

In seiner Abhandlung zu „Wissenschaft und Aufklärung in der Corona-Krise“ schrieb Michael Esfeld: „Die Verbreitung des Coronavirus ist kein Verteidigungsfall. Wie die Zahlen zeigen, ist es auch kein sonstiger Fall der Gefährdung der Bevölkerung insgesamt. Es gibt daher keine Berechtigung dafür, in dieser Situation zu Notrecht zu greifen. Deshalb schaffen die beschlossenen Einschränkungen der Grundrechte einen bedenklichen Präzedenzfall. Sie setzen die Messlatte für den Notstand in verantwortungsloser Weise herunter.“ Es gebe keine Berechtigung dafür, in der vorliegenden, akuten Situation der Ausbreitung des Coronavirus Grundrechte auszusetzen und sich durch technokratische Planung des gesellschaftlichen bis hin zum familiären Leben über die Würde der betroffenen Menschen hinwegzusetzen. Die Gesellschaft drohe durch eine unheilige Allianz aus angeblichen wissenschaftlichen Erkenntnissen und politischen Zwangsmaßnahmen in „selbstverschuldete Unmündigkeit“ hineinzulaufen (Esfeld Dez 2020).

Eine substanzielle Wirkung von Lockdowns ist wissenschaftlich nicht belegt – im Gegenteil: Der weltweit angesehenste Epidemiologe John Ioannidis wies wiederholt darauf hin, dass mit zunehmender Verschärfung von Lockdown-Maßnahmen kein größerer Nutzen, sondern nur größerer Schaden erzielt wird (Ioannidis 5.1.2021).

John Ioannidis nannte die Behauptung, Lockdowns wären wirksam, für „grob übertrieben“ und wies auf die enormen Unsicherheiten bei den Modellierungen von Lockdowns hin: „Wenn über diese Unsicherheiten nicht aufgeklärt wird, könnte letztendlich das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Qualität politischer Entscheidungen, die auf statistischen Modellen beruhen, untergraben werden“ (Ioannidis 10.12.2020). Er führt weiter aus, die Berücksichtigung der Kollateralschäden sollte eine wichtige Rolle bei politischen Entscheidungen spielen. Drei Jahre später fasste er mit drei KoAutoren zusammen: „Eine neue wissenschaftliche Elite von mediengewandten Experten aus Bereichen wie Virologie und Modellierung (mit oder ohne einschlägige Referenzen) gewann an Sichtbarkeit und Einfluss in politischen Kreisen. Die engstirnigen, reduktionistischen, rigorosen und manchmal parteiischen Perspektiven dieser Wissenschaftler und ‚Influenzern‘ trugen dazu bei, die COVID-19-Politik zu rechtfertigen, die Opfer, Entbehrungen und Leiden in allen Gesellschaftsschichten mit sich brachte und Hunderte von Millionen von Menschenleben kostete (Ioannidis 6.6.2023).

Die Ärztezeitschrift Lancet pflichtete dem bei: „Wir rufen alle Wissenschaftler, Vertreter des öffentlichen Gesundheitswesens, Journalisten und Politiker auf, die Kollateralschäden staatlicher Maßnahmen zur Kontrolle von COVID-19 und ihre negative Auswirkung auf viele kurz- und langfristigen gesundheitlichen Aspekte abzuwägen und zu berücksichtigen“ (Lancet 4.2.2021). Über die Fehlerhaftigkeit von Modellierungen berichtete im April 2021 sogar die Tagesschau (Tagesschau 21.4.2021).

Es gab eine überwältigende Evidenz dafür, dass restriktive Maßnahmen kaum einen Einfluss auf die Infektions- bzw. Sterblichkeitskurven hatten (Pandata 9.7.2020, Github 27.7.2020, Bjørnskov 6.8.2020, Benedavid 5.1.2021). Ein Artikel in Nature vom März 2021 konstatierte: „Weltweit ist keinerlei Beleg dafür zu finden, dass die Anzahl der COVID-19-Toten/Million Einwohner durch Ausgangsbeschränkungen reduziert wird“ (Nature 5.3.2021). Nach einem systematischen Review der John Hopkins Universität vom Mai 2022 hatten die Covid-Lockdowns im Jahr 2020 in Europa und den USA nur geringe bis gar keine Auswirkungen auf die Todesrate durch das Virus (Herby 20.5.2022).

In Dänemark, wo im November 2020 über sieben Gemeinden ein strenger Lockdown (Home office, regionales Reiseverbot, Schließungen von Schulen, Restaurants, Freizeiteinrichtungen und öffentlichem Nahverkehr) verhängt wurde, entwickelten sich die Infektionsraten nicht anders als in umliegenden Gemeinden mit weniger restriktiven Maßnahmen: „Wir fanden, dass eine extreme Version der gesellschaftlichen Abriegelung keinen Einfluss auf die Virusentwicklung hat“ (Kepp 4.1.2021). Die dänische Regierung kündigte Anfang August 2021 an, dass bis Ende September alle Corona-Regeln aufgehoben werden (rnd 8.8.2021).

Im Berchtesgadener Land, wo der deutschlandweit früheste und längste Lockdown des Winters 2020/21 verhängt wurde, waren die Ansteckungsraten drei Monate später immer noch ähnlich hoch wie zu Beginn (tagesschau 20.1.2021). Gerichte äußerten wiederholt Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Ausgangsbeschränkungen (BZ 6.4.2021).

In einer am 19. November erschienenen Übersicht, die 106 Länder umfasste, schrieben die Autoren: „Covid-19 hat bei Regierungen auf der ganzen Welt ein breites Spektrum an Reaktionen ausgelöst. Dennoch sind die Ansteckungs- und Sterblichkeitskurven in den Ländern sehr ähnlich. Dies wird bestätigt durch unsere Ergebnisse, dass jeglicher Zusammenhang mit den Maßnahmen der Regierung während der Pandemie fehlt. Die jeweiligen demografischen, gesundheitlichen, entwicklungs- und umweltbedingten Faktoren scheinen für die Vorhersage der tödlichen Folgen von COVID-19 viel entscheidender zu sein als die Maßnahmen der Regierung, insbesondere wenn diese Maßnahmen mehr von politischen als von gesundheitspolitischen Zielen geleitet werden“.

Begünstigende Faktoren für eine höhere Sterblichkeit seien dagegen die geographische Lage (Breitengrad 25°-65°), hohe Lebenserwartung, Altersstruktur und Übergewicht. Harte Maßnahmen und Panik-Ansagen würden dagegen durch Bewegungsmangel und psychischen Stress zu einer Schwächung des Immunsystems und erhöhter Infektanfälligkeit führen (LaRochelambert 19.11.2020, Ärztebl 14.4.2021). Regelmäßige Bewegung und Sport könnten dagegen vor schweren Krankheitsverläufen schützen (Ärztebl 16.4.2021). „Erwachsene, die sich im empfohlenen Umfang körperlich betätigten, hatten mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit eine SARS-CoV-2-Infektion, eine schwere oder eine zum Tode führende COVID-19-Erkrankung“ (Won Lee 22.7.2021).

Israelische Wissenschaftler schrieben nach ihrer Analyse von Lockdowns:

Die vergleichende Analyse verschiedener Länder zeigte, dass die Annahme der Wirksamkeit von Lockdowns nicht durch Beweise gestützt werden kann – weder in Bezug auf die aktuelle COVID-19-Pandemie noch in Bezug auf die Spanische Grippe 1918-1920 und andere weniger schwere Pandemien in der Vergangenheit. Der Preis von Lockdowns für die öffentliche Gesundheit ist hoch: Unter Zugrundelegung des bekannten Zusammenhangs zwischen Gesundheit und Wohlstand schätzen wir, dass Lockdowns 20 Mal mehr Lebensjahre kosten als sie retten. Es wird daher vorgeschlagen, dass eine gründliche Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt werden sollte, bevor  Lockdowns wegen COVID-19 oder einer künftigen Pandemie verhängt werden“ (Yanovskiy 6.7.2022).

Die NoCovid-Strategie: Coronamaßnahmen für immer?

Bei den Pandemiemaßnahmen der Bundesregierung ging es nie wirklich um das Verhindern einer Überlastung des Gesundheitssystems – dafür gab es zu keinem Zeitpunkt einen Anhalt – , sondern über lange Zeit um das „Besiegen“ des Coronavirus (t-online 12.1.2021), um „NoCovid“ (Merkur 17.2.2021) und eine Strategie des Dauer-Lockdowns. Die Regierung umgab sich vorrangig mit Experten, die dieser Strategie anhingen. Die WELT schrieb in einem Kommentar: „Im Kanzleramt regiert eine NoCovid-Sekte.  Sie verfolgt ein fiktives Ziel – keine Ansteckungen in einem globalisierten Land – und leider haben viele Medien dieser Fiktion mit der Kritik am föderalen „Flickenteppich“ der Corona-Regelungen Schützenhilfe geleistet“ (WELT 12.4.2021).

Es ist eine haltlose, hoffnungslose und sinnlose Strategie, die da gefahren wird (Matthias Schrappe, Focus 15.1.2021).

Aus der E-Mail-Korrespondenz zwischen Innenministerium und Robert-Koch-Institut, deren Herausgabe von Berliner Rechtsanwälten erzwungen wurde, ließ sich ersehen, dass sich die Bundesregierung am Modell China und seinem totalitären Umgang mit der Pandemie orientierte – ohne es allerdings offen auszusprechen. „Mehr als 100-mal wurden die Worte ‚China‘ oder ‚chinesisch‘ geschwärzt“ (Focus 11.2.2021). Mitglied der COVID19-Taskforce des Bundesinnenministeriums war auch der Soziologe und NoCOVID-Vertreter Heinz Bude, der sich später in einem Artikel mit Titel „Aus dem Maschinenraum der Beratung in Zeiten der Pandemie“ zu rechtfertigen versuchte. Aya Velazquez hat seine Tätigkeit und seine Rechtsfertigungsversuch ausführlich kritisch gewürdigt (Velazquez 3.11.2022) und den freigeklagten eMail-Verkehr der Autoren des Strategiepapiers vom März 2020 ausführlich analysiert (Velazquez 26.4.2023).

Eine Maximalvariante von NoCovid inclusive ihrer philosophischen Rechtfertigung verkündete Jürgen Habermas im September 2021 (Habermas Sept 2021). Er war der Meinung, das staatliche Handeln sei unter anderem an die Pflicht gebunden, „alle Strategien auszuschließen, bei denen er Gefahr läuft, die wahrscheinliche Gefährdung von Leben und körperlicher Unversehrtheit einer vorhersehbaren Anzahl unschuldiger Bürger in Kauf zu nehmen, also selber zu verursachen“.

Nach Andreas Rosenfelder entwarf Habermas “ den totalen Corona-Staat – ein rechtliches Monstrum, das in seiner Allgewalt jedes No-Covid-Regime in den Schatten stellt“. Habermas scheine vergessen zu haben, „dass einmal eine Welt existierte, die zwar Viren kannte, aber keine Lockdowns“. Der Staat alsbiopolitischer Leviathankönnte zum Zweck der Infektionskontrolle „jedwede Freiheit einschränken, immer und überall, ohne Bedingung und ohne Maß. Wer darin nicht den Schattenriss einer Diktatur erkennt, der ist wohl nicht mehr zu retten“ (WELT 11.10.2021, Bezahlschranke).

Die ZEIT-Redakteurin Thea Dorn nannte die ZeroCovid- bzw. NoCovid-Strategie „Fürsorgeradikalismus“ und „Kontrollfanatismus“ mit Feindseligkeit gegenüber allem Spontanen und Nicht-restlos-Steuerbaren. Sie würde vorgeben, das Lebendige zu bewahren, unterwerfe aber alles Leben einer maximalen Kontrolle. Eine lebendige und freiheitlich verfasste Demokratie dagegen müsse sich zum Geist des Unvollkommenen, des Ausgleichs, des Anti-Radikalen bekennen (ZEIT 17.2.2021 mit Bezahlschranke). Die WELT schrieb am Beispiel Neuseeland und Australien: „Eine ganz auf die Kontrolle der Krankheit ausgerichtete Extrempolitik birgt die Gefahr, dass ein politisches System entsteht, das mit unseren Grundwerten unvereinbar ist – und das am Ende mehr Leid und mehr Opfer produziert, als eine Pandemie das in einer modernen und offenen Gesellschaft je könnte“ (WELT 26.8.2021, Bezahlschranke).

In einem Artikel über die Fehler der Computer-Modellierungen schrieb Jan Fleischhauer im FOCUS: „Wer die Simulation programmiert, bestimmt auch über die Entscheidungsabläufe. Man muss nur eine Variable ändern, und schon ändern sich die politischen Vorgaben. Am Anfang hieß es, das Ziel der Corona-Maßnahmen sei, die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Also wurde die Zahl der freien Intensivbetten zum entscheidenden Parameter. Dann rückte der sogenannte Inzidenzwert in den Vordergrund, erst von 50, jetzt von 35. Auch dieser Wert hat sich schon wieder verändert. Nun kommt es darauf an, dass er stabil bei 35 liegt… Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hat auf die Frage, wann der Lockdown denn ende, geantwortet: „Das entscheidet nicht die Politik, sondern das Virus.“ Das ist ein in jeder Hinsicht bemerkenswerter Satz. Man kann ihn als Eingeständnis der völligen Ohnmacht lesen – oder im Gegenteil als Ausdruck absoluter Anmaßung (Focus 21.2.2021).

Stefan Leupertz, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, bezeichnete es als gefährlich, wenn der Staat beginne, schon die Generierung der Informationen und ihre Interpretation durch nicht mehr unabhängige Experten zu organisieren. Das Innenministerium habe mit Erfolg versucht, ein Informations- und Meinungskartell zu organisieren, das es den politischen Entscheidungsträgern ermöglicht, durch eine Politik der Angst Entscheidungskompetenz auch ohne belastbare sachliche Rechtfertigung zu erlangen (Focus 11.2.2021).

Matthias Schrappe befürchtete eine „Betonierung“ des Lockdown: „Die Logik dieses Instruments ist, dass man es immer weiter anwenden muss. Denn sonst werden die Zahlen ja wieder schlechter… Frau Merkel hat sich in einen Tunnel vergraben. In der Risikoforschung nennt man das Kuba-Syndrom, wenn sich eine Führungsgruppe nur mit Menschen umgibt, die alle der gleichen Meinung sind. Dann gibt es nur die dauerhafte Fortsetzung von Fehlern“ (Focus 15.2.2021).

Der Staatsrechtler Hinnerk Wißmann sah in der Pandemiepolitik „die Aufkündigung der Moderne“: Der Begriff der Vorsorge kehrt die Beweislast um. Man sollte ehrlich sein: Freiheit, die ihre Ungefährlichkeit beweisen muss, ist abgeschafft“. Eine solche Politik führe in die totale Entgrenzung des Maßnahmenstaats und stelle einen Verfassungsbruch dar. Es werde kommuniziert, „dass man bei Verboten bleiben müsste, egal wie die Lage sich konkret entwickelt: Hohe Zahlen seien schlimm, niedrige aber letztlich auch nicht gut, weil sie angesichts ‚britischer Mutanten‘ falsche Sicherheit mit sich brächten… Wenn jeder Todesfall „an, mit und wegen Corona“ als Versagen der Politik, als ethisches Versagen einer solidarischen Gesellschaft betrachtet wird, darf die Verbotspolitik prinzipiell niemals enden. Selbst bei höchster Impfstoffwirkung und selbst bei Impfpflicht und selbst bei Therapien wird es auf unabsehbare Zeit weiter Todesfälle ‚im Zusammenhang mit Corona‘ geben – eben weil der Tod die eine große Sache ist, die die ganze Menschheit noch immer verbindet. Menschen sterben, oft mit einem schweren Tod, fast immer unverschuldet, mit unerfüllten Träumen, Ängsten, alleingelassen, oder auch in Ruhe und gelöster Stimmung, manchmal jung, oft alt, oft auch an Infekten, wenn das Leben sich erschöpft hat“ (Verfassungsblog 6.2.2021).

Ulrike Guérot befürchtete, dass sich „ein politisches System in einem undemokratischen Krisenmodus mit Blick auf Ausgrenzung und Kontrolle von Bürgern verselbständigt und die Exit-Tür nicht mehr findet… Was sind die Kriterien für die Beendigung der epidemischen Notlage? Vor allem aber: wird „2-G“ beendet, wenn Corona vorbei oder im Griff ist, keine Überlastung der Krankenhäuser zu vermelden ist, keine Corona-bedingte Übersterblichkeit mehr verzeichnet werden kann? Oder wird der digitale Pass dann beibehalten? Wird möglicherweise aufgesattelt? Werden demnächst andere Daten durch ihn erfasst, die meine gesellschaftliche Teilhabe beschränken? Soll er künftig auch andere Impfungen dokumentieren, oder darf man mit Grippe ins Kino, mit Corona aber nicht? Wird in ihm demnächst erfasst, ob ich leicht erhöhte Temperatur habe, einen Herpes, Fußpilz oder meine Tage?“ (WELT 13.8.2021, Bezahlschranke).

Ähnliche Bedenken hatte schon Giorgio Agamben gleich nach Ausrufung der Pandemiemaßnahmen: „Besorgniserregend ist nicht in erster Linie und nicht nur die Gegenwart, sondern das, was danach kommt. So wie die Kriege den Friedenszeiten eine Reihe unheilvoller Technologien hinterlassen, so werden sehr wahrscheinlich auch nach dem Notfall der öffentlichen Gesundheit die Experimente fortgesetzt, die die Regierungen vorher nicht durchzuführen vermochten“ (NZZ 18.3.2021).

Die Rechtsphilosophin Katrin Gierhake mahnte im September 2021 ein Ende der Maßnahmen an: „Worin besteht eigentlich aktuell die Legitimation zum Eingriff in die Freiheit der Staatsbürger? Die unmittelbare Notsituation, die es anfangs zu beheben galt, scheint nun spätestens seit April dieses Jahres überwunden zu sein und war auch im Jahr 2020 ganz gewiss nicht ganzjährig gegeben. Geht es also um Gefahrenabwehr allein aufgrund der Existenz des Virus, gewissermaßen als abstrakte, stetige, diffuse Dauergefahr? Dann ist unsere Zukunft eigentlich besiegelt: Die Maßnahmen werden nie mehr aufgehoben… Es ist wirklich an der Zeit, dass die Verwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht all die Dinge gründlich prüfen – und zwar allein nach ihrer Verfassungs- und Rechtmäßigkeit und nicht nach politischer Opportunität“ (rdig 20.9.2021).

Typische Maßnahmen der NoCovid-Politik waren die „alternativlosen“ Grenzschließungen zu „Mutationsgebieten“ aus dem Jahr 2020 und die nicht minder einschneidende Testpflicht bei der Rückreise nach Deutschland aus dem Jahr 2021, um den Import von Virusmutanten zu verhindern (Merkur 13.2.2021, Hamed 5.8.2021). Als ob sich ein Virus durch Grenzpolizisten aufhalten lässt.

Der bis dahin streng regierungstreue Merkur schrieb im Februar 2021 zu Markus Söders NoCovid-Phantasie:Ein Plan der gruseln lässt Wer glaubt, mitten im offenen Europa und mitten im Winter die Inzidenzen dauerhaft auf 3, 5 oder 10 drücken zu können, kann sich genauso gut vornehmen, den Schnupfen auszurotten. Er verliert am Ende beides: den Kampf gegen das Virus – und die Freiheit. Bayern droht die Söderkratie – und die einst stolze Staatspartei CSU mutiert zur Kopfnickerpartei. Der No-Covid-Plan passt zu Söders Absage an jedweden Stufenplan für schrittweise, an Kriterien gebundene Lockerungen – und es passt auch zu seinem zunehmend autoritären Regierungsstil“ (Merkur 12.2.2021).

Von der Süddeutschen Zeitung dagegen wurde den NoCovid-Exponenten an prominenter Stelle Raum für ihre bizarren Ideen gegeben, etwa im BeitragWie wir ohne Covid-19 leben können“ (SZ 15.2.2021) oder mit der absurden Äußerung des Feuilletonisten Gerhard Matzig: „Die Todeszahlen sind nicht mehr so hoch wie zuvor. Aber jede Zahl über null, das muss der Anspruch der Gesellschaft sein, ist eine Zahl, die es zu vermeiden gilt“ (SZ 13.4.2021, Bezahlschranke). Der Psychologe Mattias Desmet meinte dazu: Im Rahmen einer biologisch-reduktionistischen, virologischen Ideologie ist eine kontinuierliche biometrische Überwachung angezeigt, und die Menschen werden ständigen präventiven medizinischen Eingriffen wie Impfkampagnen unterworfen. All dies, um angeblich die öffentliche Gesundheit zu optimieren. Außerdem muss eine ganze Reihe medizinischer Hygienemaßnahmen ergriffen werden: Vermeiden von Berührungen, Tragen von Gesichtsmasken, ständiges Desinfizieren der Hände, Impfungen, usw. Für die Verfechter dieser Ideologie kann man nie genug tun, um das Ideal der größtmöglichen “Gesundheit” zu erreichen(Barucker 3.8.2021).

Jede Verschärfung oder Verlängerung des Lockdowns war eine vorhersehbar vergebliche Anstrengung. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis war grotesk schlecht (WELT 17.12.2020). Nach der Spieltheorie kann jemand, der sich einer bestimmten Theorie verschrieben hat, die relativ teuer für ihn und seine Umgebung ist, nicht mehr davon abweichen, sonst vernichtet er seine Karriere (Rieck 23.1.2021). Wir erlebten daher im Winter 2020/21 eine immer toxischere Dosis, nachdem die jeweils niedrigere Dosis unwirksam war.

Andreas Rosenfelder schrieb in der WELT: „Warum Kanzlerin und Ministerpräsidenten nicht vom Lockdown abrücken, liegt auf der Hand. Sie klammern sich an die Richtigkeit ihrer Strategie, um ihre politische Haut zu retten, zumindest bis zur nächsten Wahl. Höchste Zeit, dass andere die „Notbremse“ ziehen. Sonst verwandelt sich der wachsende Unmut der Bevölkerung in eine politische Krise, die das Potenzial hat, nicht nur die für das Desaster verantwortlichen Parteien hinwegzuspülen… Wenn die Politik den Ausweg aus der Sackgasse nicht findet, wird aus einer Epidemie, die bisher harmloser verläuft, als es das „Best-Case-Szenario“ vor einem Jahr vorsah, unter Garantie ein historisches Worst-Case-Szenario“ (WELT 21.3.2021, Bezahlschranke).

Die Ruhe in der Bevölkerung erinnerte an den Frosch, der im Wasserglas sitzen bleibt, wenn man das Wasser nur langsam erhitzt. Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz deutete dieses Stillhalten als Zusammenspiel zwischen einer narzisstisch gestörten Elite und einer massenpsychologisch wirksamen kollektiven Angst-Psychose in der Mehrheit der Bevölkerung, die sich Rettung durch starke Führer erhofft („Corona-Angst“ S. 33ff.). Raphael Bonelli diagnostiziert eine kollektive Zwangsneurose als Grund für die Endlosigkeit der Pandemiemaßnahmen (Bonelli 10.11.2021).

Die Coronaerkrankung fand ihre Opfer zum großen Teil in Alters- und Pflegeheimen oder in der ambulanten Pflege und hätte in erster Linie dort bekämpft werden müssen, nicht in Schulen, in Friseurläden, in Privatwohnungen oder auf Schlittenbergen (ZEIT 18.12.2020, n-tv 22.12.2020). Gerade für die hochbetagte Bevölkerungsgruppe erwies sich der Winter-Lockdown 2020/21 als wirkungslos (s. Abbildung S. 24 bei Schrappe 10.1.2021).

Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, sagte Anfang Januar 2021 der BILD-Zzeitung: „Der Lockdown, der jetzt seit Anfang November anhält, hat quasi nichts gebracht. Die Todeszahlen sind unverändert erschreckend hoch. Der Schutz der Risikogruppen ist immer noch beschämend schlecht… Der Schutz der Alten wurde kategorisch als abwegig abgelehnt. Man könne nicht ein Drittel der Menschen einsperren, darum ging es auch nie – jetzt sperrt man quasi alle ein, ohne dass es einen echten Effekt hätte (BILD 13.1.2021).

Vier Wochen später schrieb Julian Reichelt, Chefredakteur von BILD: „Wenn jemand sagt, dass wir unseren Kindern ein würdevolles und weitestgehend unbeschwertes Leben in der Schule ermöglichen müssen, auch wenn das für unsere Eltern riskant sein könnte, stemmt sich die Kanzlerin höchstpersönlich dagegen, seit Monaten… Das Ergebnis: Verheerende Sterbezahlen in den Altenheimen, bedrückende Depression in den Kinderzimmern. Eine Strategie kann kaum mehr scheitern“ (BILD 14.2.2021).

Einen Eindruck von sinnvollen Alternativstrategien vermitteln der Focus-Beitrag der Infektiologen und Versorgungsforscher Philipp Henneke, Karin Wolf-Ostermann und Winfried Kern (Focus 12.1.2021) und der „Stufenplan bis zum Ende der Pandemie“, der von der Gruppe CoronaStrategie vorgeschlagen wird (CS 7.2.2021). Das Autorenteam um Matthias Schrappe gab zu bedenken: „Es besteht die paradoxe Situation, dass eine mit hohen gesellschaftlichen Kosten verbundene Lockdown-Politik durchgesetzt wird, ohne andere Optionen in Betracht zu ziehen und über einen dringend notwendigen Strategiewechsel überhaupt nur nachzudenken, obwohl die am stärksten Betroffenen, die höheren Altersgruppen und Pflegeheimbewohner/Innen, durch einen Lockdown nicht geschützt werden (Schrappe 10.1.21).

Bezeichnend war, dass Kanzlerin Angela Merkel die Autoren um Schrappe aufforderte, nicht weiter an die Öffentlichkeit zu gehen, was diese mit der Aussage konterten, sie seien Bürger, keine Untertanen (RND 18.1.2021).

Das Märchen vom überlasteten Gesundheitssystem

Zu keinem Zeitpunkt kam es zu der heraufbeschworenen „exponentiellen Zunahme“ von COVID-19-Fällen.

Biologische Systeme kennen kein exponentielles Wachstum, sondern stoßen immer an natürliche Grenzen („Sättigung“), die das Wachstum eindämmen und die Ausbreitungskurve abflachen (Ostermann 2.4.2020, Walach 8.9.2020, Levitt 1.6.2020). Der R- bzw. Ansteckungswert (abzurufen jeweils im Mittwoch-Lagebericht des RKI 2020) war ab ca. 20. Oktober 2020 rückläufig und schwankte ab Beginn des Winter-Lockdowns um 1,0, um mit beginnendem Frühjahr abzusinken – eine ähnliche Situation wie 2020 (s. Der Lockdown vom Frühjahr 2020: Weder notwendig noch angemessen).

Es gab zu keinem Zeitpunkt eine Überlastung des Gesundheitssystems oder einen Kapazitätsengpass an den Krankenhäusern in Deutschland.

Von März 2020 bis Februar 2021 machten SARS-CoV2-Positive nie mehr als 14 Prozent der Erkältungsfälle in Allgemeinpraxen aus, wobei es in diesem Zeitraum auch deutlich weniger Erkältungsfälle als in den Jahren zuvor gab (Walach 13.11.2020, InfluenzaRKI). Im Vergleich zum Vorjahr wurden sogar weniger Krankenhausaufnahmen von Patienten mit schweren Atemwegsinfektionen und auch weniger damit zusammenhängende Beatmungsfälle registriert. Nur bei jedem vierten Patienten, der wegen Verdacht auf COVID-19 in ein Krankenhaus aufgenommenen wurde, konnte die Diagnose im Labor bestätigt werden (IQM 2020).

Die Zahl der Notaufnahmen in Krankenhäuser überstieg im Jahr 2020 in keiner Woche die Zahlen des Jahres 2019, sondern lag im Dezember immer noch deutlich unter den Vorjahreswerten. Insgesamt war die Auslastung der Betten an den deutschen Krankenhäusern mit ca. 68 Prozent auch auf den Intensivstationen im Jahr 2020 historisch niedrig (Ärztebl. 12.3.2021, Frank 23.9.2021). In der Altersgruppe der über 80-Jährigen waren im Winter 2020/21 schwere Atemwegsinfektionen ähnlich häufig wie in den Jahren zuvor, während sie bei allen anderen Altersgruppen deutlich seltener waren – ein Hinweis auf den unzureichenden Schutz der Risikogruppen und das Versagen der Lockdown-Politik (Influenza-Wochenbericht RKI). Nach Angaben des Expertenbeirats des Gesundheitsministeriums wurden 2020 im Bereich der allgemeinen Krankenhäuser 13 Prozent weniger Fälle als 2019 versorgt.

Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), sagte am 2. April 2021 in einem Interview: „Diese andauernden Überlastungsszenarien – auch von medizinischen Verbänden und Experten – sind nicht zielführend. Jeder Schwerkranke – egal ob Covid oder nicht – wird eine angemessene Versorgung in den Kliniken erhalten. Eine totale Überlastung unseres Gesundheitssystems oder gar Triage wird es in den kommenden Wochen absehbar nicht geben. Es droht auch kein Ende der Versorgung.“  Droh-Szenarien zur Einhaltung der Kontaktbeschränkung seien die falsche Taktik. Er wünsche sich dagegen, dass die Bürger besser informiert werden und nicht mit dramatischen Zahlen bedroht werden (BILD 2.4.2021). Der Notfallsanitäter Jan Schad bestätigte diese Sichtweise aus seiner praktischen Erfahrung (BZ 5.5.2021).

Das Sonderentgelt von 100 Euro, das Krankenhäuser ab dem 1. Oktober 2020 pro Tag und COVID-19-Patient bekamen, trug dazu bei, dass stationäre Patienten mehr getestet wurde und dadurch der prozentuale Anteil der COVID-19-Diagnosen stark anstieg: Bis zu 30 Prozent der testpositiven Patienten lagen nicht wegen COVID-19 im Krankenhaus, wurden aber als „Corona-Patienten“ geführt (Focus 17.2.2021). Die Zahl der Test-Positiven in der Gesamtbevölkerung korrelierte in keiner Weise mit der Zahl der stationären Aufnahmen bzw. mit der Belastung des Gesundheitssystems. Sie hätte daher nicht zur Grundlage politischer Entscheidungen gemacht werden dürfen (Walach 13.11.2020, Walach 8.12.2020).

Der ehemalige Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof merkte an (WELT 2.4.2021, Bezahlschranke): „Allein um staatliche Therapieeinrichtungen nicht zu überlasten, dürfen die Grundrechte des Bürgers nicht beschränkt werden. Da muss der Staat dann schlicht mehr Einrichtungen schaffen.“

Sein Kollege Dietrich Murswieck ergänzte: „Für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Lockdown bleibt festzuhalten, dass im Zeitpunkt der Entscheidung wie bis Ende 2020 eine wesentlich erhöhte Mortalität für das Gesamtjahr nicht feststellbar war. Wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass die Mortalität ohne den Lockdown stark angestiegen wäre, ist dies ein starkes Indiz für die Unverhältnismäßigkeit des Lockdown“ (Murswiek 1.3.2021).

Im Jahresdurchschnitt waren 2020 vier Prozent aller Intensivbetten mit Corona-Patientinnen und -Patienten belegt. Insgesamt benötigten die COVID-19-Patienten nur 1,7 Prozent der Krankenhausbettenkapazität. Die Pandemie hat „zu keinem Zeitpunkt die stationäre Versorgung an ihre Grenzen gebracht“ (BMG 30.4.2021, AN 2.11.2021). Aus dem deutschen Intensivregister DIVI („Zusätzliche Zeitreihen“ bei DIVI) ging hervor, dass die Belegung der Intensivstationen seit Mai 2020 konstant bei plus/minus 20’000 Patienten lag, bei ca. 24’000 vorhandenen Betten und einer Notfallreserve von über 10’000 Betten. Durchwegs waren 15 bis 17 Prozent der Betten frei. Eine mindestens 80%ige Auslastung der Intensivstationen wird aus wirtschaftlichen Gründen prinzipiell immer angestrebt. Eine informative  Betrachtung des Hin und Her auf den Intensivstationen lieferte Ralf Wurzbacher (Nachdenkseiten 30.4.2021).

Angespannte Situationen auf Intensivstationen gab es in den letzten Jahren häufig, nur wurde deswegen kein Lockdown durchgeführt (FAZ 28.2.2015, Dtsch Ärztebl. 7.2.2017, BILD 12.3.2018, KSA 18.2.2019). Der Mangel an Intensivpflegekräften war schon seit so langer Zeit Thema, dass man sich an die Untätigkeit der Politiker geradezu gewöhnt hatte (Berger 3.11.2020). Die Gründe für die geringe Attraktivität des Pflegeberufs waren bekannt und seit Jahren unverändert: Die hohe Arbeitsbelastung, die geringe Wertschätzung, der schlechte Betreuungs- und Personalschlüssel, die mäßige Bezahlung sowie die Ökonomisierung der Medizin (Dtsch Ärztebl. 116, 2019).

Der Notfallmediziner Paul Brandenburg kritisierte in einem Interview die Sparmaßnahmen, zu denen die Krankenhäuser seit Jahren durch die Ökonomisierung des Gesundheitswesens gezwungen werden (Preradovic 4.11.2020). Sarah Wagenknecht sah „das wahrscheinlich größte der vielen Versäumnisse, deren sich die Politik in der Corona-Zeit schuldig gemacht hat“ darin, nichts gegen den Pflegemangel unternommen haben. Schon vor Corona seien 300’000 Pflegekräfte wegen mieser Arbeitsbedingungen und schlechter Bezahlung aus ihrem Beruf geflohen. „Inzwischen dürfte die Zahl um einiges höher liegen“ (WELT 12.11.2021, Bezahlschranke).

Matthias Schrappe schlug im grauen Corona-November 2021 vor: Warum bieten wir diesen Menschen nicht Wiedereinstiegsprämien von 5.000 bis 10.000 Euro an, wenn sie sich in der kommenden Woche wieder in einem Krankenhaus melden. Ein solches Programm könnte man ja mal verlangen. Anstatt der derzeit freien 19.000 Intensivbetten sollten binnen 14 Tagen wieder 25.000 betriebsbereit sein und danach, wiederum 14 Tage später, 30.000. Das wäre eine nationale Initiative, für die sich die Politik stark machen sollte. Die Bundesagentur für Arbeit hat übrigens festgestellt, dass es im letzten Jahr keinen Mangel, sondern ein Plus von 43.000 Pflegekräften gegeben hat. Hier liegt die Frage ja nahe, wo diese Pflegekräfte beschäftigt sind und welche Qualifikation sie mitbringen(Cicero 5.11.2021, Bezahlschranke).

Auch in der Pandemie spielte die Finanzierung der Krankenhäuser die erste Geige. Die Intensivstationen wollten gefüllt sein, der Rubel musste rollen. In keinem anderen Land wurden im Vergleich zur Melderate so viele SARS-CoV2-Infizierte intensivmedizinisch behandelt – etwa dreimal so viel wie in der Schweiz und sechsmal so viel wie in Italien (Schrappe 17.5.2021). 2020 zahlte die Bundesregierung 10,2 Milliarden Ausgleich für frei gehaltene Corona-Betten. Als im September der breite Fluss der Mittel gestrichen wurde und das Geld nur noch sparsam und gestaffelt floss, gingen die meisten Krankenhäuser trotz Corona wieder in den normalen Operationsbetrieb über“ (WELT 15.5.2021, Bezahlschranke).

Paradox erschien die kontinuierlich sinkende Bettenkapazität auf den Intensivstationen ab Oktober 2020, wie sie auf den Grafiken von DIVI deutlich zu sehen war – obwohl man ja bei der drohenden Überlastung eher einen Ausbau der Kapazitäten erwartet hätte, insbesondere angesichts der Ausgleichszahlungen von 15 Milliarden Euro an die Krankenhäuser und 530 Millionen Euro als Prämien für knapp 11.000 zusätzliche Intensiv-Betten (Schrappe 17.5.2021).

Matthias Schrappe merkte in einem Interview mit der WELT an: „Es sind nicht nur 10.000 Intensivbetten seit Sommer verschwunden, sondern man hat offensichtlich retrospektiv die Zahlen vom letzten Sommer korrigiert“ (WELT 16.5.2021, Bezahlschranke).

Jens Berger schrieb im November 2021: „Zurzeit werden 2.439 freie Betten gemeldet. Das ist nicht wirklich dramatisch, obgleich es natürlich regional in der Tat zu Kapazitätsproblemen kommt. Stünden zusätzlich – wie von der Bundesregierung ja eigentlich so geplant – 13.700 weitere Betten zur Verfügung, müsste man das Thema eigentlich gar nicht weiter behandeln. Dann könnten die deutschen Häuser wohl die Covid-Patienten der gesamten EU aufnehmen. So haben wir 13.700 „zusätzliche“ Intensivbetten, für die der Steuerzahler stolze 686 Millionen Euro bezahlt hat, von denen laut Divi 9.387 in den Kellern der Krankenhäuser lagern und die als „Notfallreserve“ geführt werden. Nun vergeht ja kein Tag, an dem nicht irgendein Funktionär von überlaufenden Intensivstationen und einer angeblich drohenden Triage spricht. Ist das kein Notfall? Diese Frage ist unerheblich, da hier ein weiteres, viel größeres, Politikversagen zum Tragen kommt – man hat offenbar ganz „vergessen“, dass Intensivbetten auch vom Personal betrieben werden müssen, und Personal fehlt im gesamten Krankenhausbetrieb bekanntlich an allen Ecken und Enden“ (Berger 20.11.2021).

Die Bettenreduzierung war auf der Website Intensivstationen.net sichtbar. Sie hatte wahrscheinlich wirtschaftliche Gründe, denn die Corona-Freihaltepauschale wurde seit November 2020 nur noch unter der Bedingung ausbezahlt, dass mehr als 75%, bei kleineren Krankenhäusern sogar mehr als 85% der Intensivbetten belegt sind; eine Abmeldung leerer Betten machte daher für die Kliniken aus wirtschaftlichen Gründen Sinn. In über 100 Landkreisen haben Krankenhäuser ihre Intensivbetten im November 2020 signifikant reduziert (Solidaris 25.11.2020, Barz 17.9.2021). In seiner Stellungnahme für das parlamentarische Begleitgremium der COVID19-Pandemie diagnostizierte der Informatiker Thomas Lausenschwerwiegende gesetzliche Fehlanreizbildungen seitens der Regierung bzw. des BMG, die erheblich zur negativen Beeinflussung des Pandemieverlaufes führten“, undnachweisbar schwere Fehlentscheidungen der Regierung auf Basis falscher oder nicht vorhandener Dateninterpretationen“ (Lausen 5.7.2021).

Matthias Schrappe sagte in einem Interview mit der WELT: Nun steht fest: Die Angst vor knappen Intensivkapazitäten oder der Triage war unbegründet. Und es steht weiter fest, dass das vielen Entscheidern während des gesamten Pandemieverlaufs bewusst gewesen sein muss.“ Schrappe weiter: „Die Bundesregierung nahm immerhin eine halbe Milliarde Euro in die Hand, um den Aufbau zusätzlicher Intensivbettenkapazitäten zu finanzieren. Nach unseren Recherchen scheinen diese Betten aber nicht existent zu sein. Sie sind offensichtlich niemals geschaffen worden oder wurden beantragt, obwohl es keine Pflegekräfte dafür gab… War die Drohung begründet, wonach es jedem blühen könnte, zu Hause oder vor der Notaufnahmen zu ersticken, wenn wir nicht gegensteuern? Wir haben uns die Zahlen angesehen und sind zu dem Schluss gekommen: Es war nicht begründet. Im Gegenteil. Es gab in den Krankenhäusern offensichtlich die Tendenz, Patienten ohne Not auf die Intensivstation zu verlegen – während der Pandemie. Unsere Zahlen zeigen: Gemessen an der Sieben-Tage-Melderate sind nirgendwo sonst auf der Welt so viele Covid-Kranke auf Intensivstation behandelt worden wie bei uns. Hinzu kommt: Ende April 2021 wurden 61 Prozent der Covid-Patienten in Krankenhäusern auf Intensivstationen behandelt. In der Schweiz waren es nur 25 Prozent, in Italien elf Prozent. Auch da sind wir weltweit die Nummer eins. Sicher ist: Ein Intensivbett bringt einen höheren Erlös als ein Normalbett. Ein Patient auf der Intensivstation muss auch nicht zwingend ans Beatmungsgerät. Klar ist nur: Es gibt Zweifel an einem zielgerichteten, adäquaten Einsatz unserer Ressourcen. Es gibt sogar einzelne Tage, an denen offiziell mehr Patienten auf Intensivstation lagen, als überhaupt hospitalisiert waren. Mit dem Satz „Wir laufen voll“ lässt sich das nicht in Einklang bringen. Es geschehen da seltsame, unverständliche Dinge… Im Rückblick tun sich Fragezeichen auf, ob da redlich gespielt wurde“. (WELT 16.5.2021, Bezahlschranke).

Möglicherweise wurden Patienten sogar unnötigerweise beatmet, um teure Intensiv-Behandlungen abrechnen zu können (WELT 27.6.2021, Bezahlschranke).

Obwohl diese Fakten längst bekannt waren, kamen sie erst im Juni 2021 durch den Bundesrechnungshof groß an die Öffentlichkeit. In seinem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages (cdn 9.6.2021) zitierte dieser ein Schreiben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 11. Januar mit der „Vermutung, dass Krankenhäuser zum Teil weniger intensivmedizinische Behandlungsplätze meldeten, als tatsächlich vorhanden waren“. Die an das DIVI-Zentralregister gemeldeten Daten seien daher „nicht mehr für eine Bewertung der Situation geeignet.“ Es habe wohl mehr freie Intensivbetten gegeben als ausgewiesen. Der Bericht kritisierte, dass das System der Ausgleichszahlungen „unerwünschte Mitnahmeeffekte“ eröffnet habe. Die Zahlungen hätten vielen Krankenhäusern 2020 eine „massive Überkompensation“ aus Steuermitteln ermöglicht. Der Bund habe außerdem von März bis September 2020 knapp 700 Millionen Euro ausgegeben für 13.700 neue Intensivbetten – doch die konnte der Rechnungshof nicht finden (tagesschau 10.6.2021).

Auch die gesetzlichen Krankenkassen bemängelten, dass die Krankenhäuser im ersten Coronajahr 13 Prozent weniger Patienten behandelt und trotzdem mehr 15 Prozent mehr erlöst hätten: Corona hatte den Krankenhäusern das goldene Jahr der Krankenhausfinanzierung beschert – justiziable Betrugsfälle inclusive (BZ 5.3.2022, BZ 8.3.2022). Im Jahresdurchschnitt seien nur zwei Prozent der Krankenhausfälle Corona-Kranke gewesen. Trotzdem hätten die Krankenhausvertreter versucht, die Mindestvorgaben für Pflegepersonal zu verhindern und damit die Versorgungsqualität zu verschlechtern (FAZ 16.6.2021).

Nach einem Schreiben des RKI ans Bundesgesundheitsministerium hätten an vielen Krankenhäusern nicht die Intensivärzte, sondern die Controller die Zahlen ans Intensivregister gemeldet, „teilweise offenkundig, um monetäre Nachteile für den Standort zu vermeiden“. Ein Chefarzt eines großen Klinikums sagte gegenüber der Tagesschau, die Priorisierung der Covid-Patienten über die Freihaltepauschalen habe dafür gesorgt, dass andere Patienten zu spät nötige Untersuchungen und Eingriffe bekommen (tagesschau 17.6.2021).

Noch im Dezember 2021, also ein Jahr später, war der Betrugsverdacht, den der Bundesrechnungshof hegt, nicht weiter aufgeklärt. Es ging immerhin um 10,2 Milliarden Euro „Ausgleichszahlungen“ und 686 Millionen Euro für neue Intensivbetten. In den Bundesländern besteht offensichtlich „eine sehr unterschiedliche Bereitschaft, die Vorgänge zu prüfen“ (mdr 29.12.2021).

Bedachte man, dass die monatelange Lockdown-Serie, die Geschäfts- und Schulschließungen, die Quarantänemaßnahmen, das „Notbremsen“-Gesetz etc. auf manipulierbaren und manipulierten Zahlen beruhten, dann war man einfach nur fassungslos (BILD 10.6.2021). Der STERN sprach von „Intensivbettenbetrug“, der zur Freiheitsberaubung geführt habe (STERN 11.6.2021).

Das Juristennetzwerk KRiSta kommentierte den Bericht des Bundesrechnungshofes: „Der Bericht des BRH zeigt vor allem, dass das gegen Null gesunkene Vertrauen in die Repräsentanten unseres Staates seine Gründe hat und wir von der Vorstellung, Deutschland sei ein wohlorganisiertes und effizient funktionierendes Staatswesen, Abschied nehmen müssen. Die Stellungnahme des BRH hat massive Schädigungen unserer Demokratie unter dem Deckmantel der Corona-Bekämpfung aufgedeckt. Noch erheblich weitergehende Schäden stehen zu befürchten“ (KRiSta 18.6.2021).

Das Bundesgesundheitsministerium hatte offensichtlich finanzielle Anreize zu Fehlentwicklungen gegeben und sich auf die Angaben eines Interessensverbandes (der Intensivmedizin) verlassen. Es waren nicht nur Rücktritte fällig, sondern gewaltige Entschädigungszahlungen an alle, denen die Pandemiemaßnahmen des letzten Halbjahres die Existenz gekostet hat.

Der automatische Lockdown Frühjahr 2021: Das „Bundes-Notbremsen“-Gesetz

Am 21. April beschloss der Bundestag mit den Stimmen der Koalition das „Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“. Es schrieb weitgehende Schließungen und Ausgangs- und Kontaktsperren vor, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei Tagen hintereinander die „Inzidenz“ von 100 überschritten wurde (Bgbl 22.4.2021). Private Zusammenkünfte wurden in diesem Fall auf die Angehörigen eines Hausstandes und maximal eine weitere Person begrenzt. Zwischen 22 Uhr und fünf Uhr des Folgetages galten Ausgangsbeschränkungen. Die Ausgangsbeschränkungen wurden mit der sogenannten „Oxford-Studie“ begründet, nach Recherche von Monitor eine unbrauchbare „Junk“-Studie (Monitor 29.4.2021).

Angeordnet wurde auch die Schließung der meisten Geschäfte (bis zu einer „Inzidenz“ von 150 war mit negativem Testergebnis einkaufen noch erlaubt), aller Freizeiteinrichtungen, Museen, Kinos, Theatern und ähnlichen Einrichtungen sowie von Gaststätten. Schulen, Berufsschulen, Hochschulen und Volkshochschulen mussten ab einem „Inzidenz“wert von 165 den Präsenzunterricht einstellen. Bayern und Schleswig-Holstein machten das weiterhin schon bei einer „Inzidenz“ von 100, eine Art regionale Bildungsnotbremse (Merkur 26.4.2021, SH 28.4.2021).

Außerdem sah das Gesetz eine Teststrategie für Schüler und Lehrer vor. Zweimal wöchentlich sollen diese auf das Coronavirus getestet werden, um am Präsenzunterricht teilnehmen zu dürfen. Reinhard Berner, Direktor der Uniklinik und -poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Dresden, äußerte sich empört: „Das ist ein verheerendes Zeichen, das zeigt, wie wenig wichtig der Politik die Kindergesundheit und das Aufwachsen der Kinder in dieser Pandemie ist“. Äußerungen, dass die Kinder das Virus aus den Schulen in die Familien tragen und die Familienväter und -mütter auf den Intensivstationen sterben werden, seien unsinnig und durch keine einzige Studie belegt (Focus 23.4.2021).

Das Gesetz umfasste eine lange Liste neuer Strafvorschriften; demnach konnte jemand bis zu fünf Jahre Gefängnis verurteilt werden, wenn er im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit eine Krankheit oder einen Krankheitserreger verbreitete. Aufgezählt waren in dem betreffenden Paragraphen 73 knapp 50 Ordnungswidrigkeiten (Buzer §73). Jan Fleischhauer kommentierte „Ob alle Abgeordneten wissen, was sie mit dem neuen Infektionsschutzgesetz beschlossen haben?… Ich habe mir die Paragrafen genauer angesehen. Auch wer infektionsschutzwidrig ein Ladengeschäft öffnet, wandert ins Gefängnis, wenn es dumm läuft. Selbst ein Getränk oder eine öffentlich verzehrte Speise können einen hinter Gitter bringen. Ich finde es ein bisschen happig: fünf Jahre Knast, weil man sich nach Einbruch der Dunkelheit noch einmal draußen die Beine vertritt oder in der Öffentlichkeit eine Cola trinkt? Das hat es nicht mal in der DDR gegeben, und die war bekanntlich nicht zimperlich, was die Einschränkungen von Bürgerrechten angeht“ (Focus 23.4.2021).

Das Gesetz führte zu einer Art automatischem Lockdown auf Basis eines fiktiven, nichtssagenden „Inzidenz“-Wertes, der hauptsächlich auf der Zahl der (zunehmenden) Testungen beruhte. Angela Merkel präsentierte sogar ein Zahlenspiel, nach dem die „Inzidenz“ mit dem Prozentsatz der Geimpften ansteigt, von ganz alleine (Merkur 28.4.2021).

Die  Gesetzesnovelle wurde im Eiltempo verabschiedet, durchgepeitscht von CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus („Dieses Gesetz ist ein Gesetz fürs Leben. Stimmen Sie zu, stimmen Sie für das Leben!“). Der Bundesrat war angeblich nicht zustimmungspflichtig. Dies stellte die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in Frage: „Ist ein Gesetz zustimmungsbedürftig und mangelt es an der Zustimmung des Bundesrats, so kommt das Gesetz nicht gemäß Art. 78 GG zustande“ (Grefrath 26.4.2021). Abgeordnete der Regierungsparteien waren unter Druck gesetzt worden, für das Gesetz zu stimmen (t-online 23.4.2021). Parallel dazu lief eine Medienkampagne, etwa im SPIEGEL: „Wir werden um einen ernsthaften Lockdown nicht herumkomen“ (stefanie 2.4.2023).

Heribert Prantl nannte die Zeit für die Beratung angesichts der gravierenden Grundrechtseinschränkungen „lächerlich“ (Buchkomplizen 17.4.2021). Bekannt wurde auch eine geheime Beschlussvorlage, die einen nahezu unbegrenzten Lockdown des gesamten Kulturbereichs bedeutet hätte (SZ 20.4.2021).

Die Vierte Fassung des Infektionsschutzgesetzes stellte die alleinige Kompetenz für die „Notbremse“ ab einer „Inzidenz“ von 100 in die Hände der Bundesregierung, ohne Mitsprache von Ländern und Gemeinden. Der Rechtsschutz der Betroffenen war dabei empfindlich eingeschränkt: Überprüfbar waren die Maßnahmen nur noch durch eine  Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht, nicht mehr durch Klagen bei den Oberverwaltungsgerichten bzw. Verwaltungsgerichtshöfen. Es wurden zahlreiche bislang nicht beschiedene Verfassungsklagen eingereicht (BILD 22.4.2021, WELT 22.4.2021, WELT 23.4.2021).

Der Verfassungsexperte Dietrich Murswiek nannte das Schweigen des Bundesverfassungsgerichts potenziell schädlich für den Rechtsstaat: „Fakt ist: In der Corona-Krise sind die Grundrechte der gesamten Bevölkerung in einem solchen Ausmaß eingeschränkt worden, wie es dies in einem Rechtsstaat zu Friedenszeiten noch nie gegeben hat. Dass das Bundesverfassungsgericht nach fast anderthalb Jahren noch immer nicht mit einer Leitentscheidung Richtlinien für den rechtlichen Umgang mit einer solchen Ausnahmelage gegeben hat, wird das Ansehen des Gerichts nachhaltig schädigen“ (BILD 16.9.2021).

Unter anderem unterstützte der Verein Initiative freie Impfentscheidung e. V. mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die sogenannte „Bundes-Notbremse“. Als Beschwerdeführer traten zwei Familien, zwei Schulen und ein Kindergarten auf. Das Gesetz verletze durch die automatisierten KiTa- und Schulschließungen schwerwiegend die Grundrechte von Schülerinnen und Schülern, Kindergartenkindern, deren Eltern sowie der betroffenen Schulen und Kindergärten (IfI 16.5.2021).

Auch bei einer „Inzidenz“ unter 100 wollte die Bundesregierung noch ein Wörtchen mitreden. Auch dann sollten private Treffen nur mit einem weiteren Haushalt und mit einer der möglichen Schutzmaßnahmen möglich sein, und nur mit Masken, Schnelltests oder vollständigem Impfschutz. Die Innengastronomie sollte bis zu einer „Inzidenz“ unter 50 „unbedingt geschlossen“ bleiben, ebenso der Hotelbetrieb und die Theater, Opern- und Konzerthäuser. Eine Öffnung sollte erst unter 50 und dann nur mit Maskenpflicht und reduzierten Besucherzahlen denkbar sein. Bars und Clubs würden geschlossen bleiben. Die Maskenpflicht am Arbeitsplatz sollte inzidenzunabhängig bestehen bleiben, ebenso die zweimal wöchentliche Testung als Voraussetzung für den Schulbesuch  (n-tv 14.5.2021).

Wenige Tage später machte Spahn für weitere Lockerungen plötzlich eine „Inzidenz“ von unter 20 zur Bedingung (BZ 23.5.2021). BILD konterte mit Schlagzeilen wie „Unsere Nachbarn sind schon viel weiter – Darum brauchen wir keinen Lockdown mehr“ (BILD 25.5.2021) oder „Doch seltsam: Während Deutschlands Nachbarn mutig öffnen, klammern sich Bund und Länder an die Corona-Beschränkungen!“ (BILD 27.5.2021. Ourworldindata 28.5.2021). In Frankreich beispielsweise war eine Notbremse erst ab einer „Inzidenz“ von 400 vorgesehen, falls es auch einen-m starken Anstieg der  Neuinfektionen und „eine drohende Überfüllung der Intensivstationen“ gäbe (WELT 30.4.2021).

Kritik an der „Notbremse“

In zahlreichen juristischen Stellungnahmen wurden schwere verfassungsrechtliche Bedenken gegen das „Notbremsen“-Gesetz geäußert:

Der Präsident und die Vizepräsidentin des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts nannten die Bundes-Notbremse verfassungswidrig: „Wenn die Bundeskanzlerin es als Mehrwert sieht, dass die Verwaltungsgerichte ausgeschaltet werden, dann frage ich mich, was für ein Verständnis von Rechtsstaat sie hat“. Das Gesetz beschneide den Rechtsweg, und verstoße unter anderem gegen Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes, gegen die freie Entfaltung der Persönlichkeit (RP 30.4.2021).

Der Rechtswissenschaftler Uwe Volkmann sah ein zentrales Problem darin, dass der Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte der Länder komplett verloren geht, denn gegen Bundesgesetze gibt es keine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit – ein ziemlich gefährlicher Präzedenzfall“. Den Bürgern bleibe es nur, auf die Straße zu gehen (Phoenix 14.4.2021).

In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hieß es: „In der Rechtsprechung wurde das alleinige Abstellen auf „Inzidenzwerte“ als Voraussetzung von Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie bereits öfter kritisiert“. Gerichte hätten vor allem Zweifel an der Verhältnismäßigkeit von Schutzmaßnahmen in größeren Gebieten wie Kreisen geäußert, sofern dies allein mit dem „Inzidenz“wert in diesem Gesamtgebiet begründet werde. „Ob sie einer abschließenden verfassungsgerichtlichen Prüfung standhielte, dürfte zweifelhaft sein“ (Telepolis 14.4.2021, Bundestag 15.4.2021).

Das Verwaltungsgericht von Rheinland-Pfalz etwa hatte in einem Eilverfahren gegen die Ausgangssperre in Mainz für ungültig erklärt (SaZ 15.4.2021). Einer Studie der Universität Gießen zufolge blieben nächtliche Ausgangssperren in Hessen ohne Auswirkung auf die „Inzidenz“zahlen: „Wir finden keine statistisch signifikante Evidenz, dass nächtliche Ausgangssperren eine Auswirkung auf die Verbreitung der Pandemie haben (FAZ 21.4.2021).

Die Klage des Berliner Rechtsanwalts Niko Härting  gegen die Ausgangssperren wurde zwar im Eilverfahren zunächst abgelehnt, dürfte aber in der Hauptsache im Spätherbst entschieden werden. „Sollte das Gericht zu der Auffassung kommen, dass die Ausgangssperren nicht verhältnismäßig waren, hätte die Bundesregierung letztlich die Grundrechte von Millionen Bürgern verletzt“ (Focus 26.8.2021).

Die Juristin Jessica Hamed hielt die Gesetzesnovelle für verfassungswidrig. Das staatliche Vorhaben treffe den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts und greife damit rechtswidrig in die Würde des Menschen ein. Die Verantwortung für die Grundrechtseingriffe trage in erster Linie die Politik, aber auch die Gerichte, und die Bürger, die dem Staat signalisieren, dass sie ein „hartes Durchgreifen“ wünschen. „Wir haben als Gesellschaft im Gesamten versagt und uns an den Werten, die wir als für uns verbindlich ansehen, versündigt. Die Verabschiedung des geplanten § 28b IfSG ist letztlich nur der bis dato konsequente Höhepunkt einer beispiellosen rechtsstaatlichen Fehlentwicklung“ (BZ 13.4.2021).

„Entsetzt“ zeigte sich Jens Gnisa, Richter und Ex-Vorsitzender des Deutschen Richterbundes. Er sprach von dem am tiefsten in die Grundrechte einschneidenden Bundesgesetz der letzten Jahrzehnte, von einer Missachtung der Justiz, von einem „nicht mehr einzufangenden Dauer-Lockdown“.Die ganze Gesellschaft werde auf Autopilot gestellt und eine „vorausschauende Lebensplanung“ werde in vielen Bereichen unmöglich, „weil man immer quasi über Nacht mit einem automatisch eintretenden Lockdown rechnen muss“ (BZ 11.4.2021).

Auch Verfassungsrechtler wie Robert Seegmüller und Volker Boehme-Neßler zweifelten an der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesnovelle (BZ 19.4.2021, WELT 21.4.2021). Boehme Neßler meinte: „Der Punkt ist, diese Pandemiemaßnahmen sind alles tiefe Eingriffe in Grundrechte. Und das heißt, automatisch und pauschal werden bei Erreichen eines bestimmten Inzidenzwertes Grundrechtseingriffe vorgenommen. Das halte ich grundsätzlich für verfassungswidrig, weil es nicht verhältnismäßig ist… Die Ausgangssperren sind wahrscheinlich nicht geeignet, vielleicht sogar kontraproduktiv, weil sie dazu führen, dass die Leute zu Hause sitzen. Und zu Hause finden die Ansteckungen statt. Und etwas, was nicht geeignet ist, kann niemals in Grundrechte eingreifen. Das erlaubt die Verfassung nicht(WELT 21.4.2021, Bezahlschranke).

Heribert Prantl, Journalist und Jurist, sagte: „Dieses Infektionsschutzgesetz liegt mir wie ein Stein im Magen. Ich habe große Zweifel daran, dass ein Rechtsstaat das verdauen kann… Als geeignet und verhältnismäßig betrachte ich die Ausgangssperren nicht. Wenn ich höre, wie in der Politik oder der Virologie darüber gesprochen wird – es ist wohl auch ein Mittel zur Verstärkung der Angst… Der Umbau des Staates, den ich als Rechtsstaat erlebt habe, in einen Präventionsstaat, ist gefährlich… wenn ich die Prävention so wie in den letzten Jahrzehnten auf das Podest hebe, dann werden die Zugriffsmöglichkeiten des Staates uferlos.“ (Buchkomplizen 18.4.2021). Das Gesetz schafft nicht Vertrauen, sondern Misstrauen“ (SZ 25.4.2021).

Heribert Prantl legte in einem Interview mit der Berliner Zeitung noch einmal nach: „Karlsruhe wird zur ersten und einzigen Instanz gemacht und ist damit überfordert. Regulär vor einem normalen Gericht klagen können Sie erst dann, wenn Sie gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen haben und deswegen gegen Sie eine Sanktion verhängt worden ist. Das Gesetz mutet Ihnen also zu, dass Sie erst das Gesetz brechen und dafür eine Strafe kassieren; erst dann können Sie sich wehren. Die Bürger werden also gewissermaßen zur Rechtswidrigkeit gedrängt. So entsteht kein Vertrauen. Dieses Gesetz ist in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellos. Es stellt einen Eingriff in unser Rechtssystem dar, der schwer verdaulich ist… Fortwährende Grundrechtseinschränkungen per Automatismus wären eine fortwährende rechtsstaatliche Katastrophe“ (BZ 15.5.2021).

Kritik kam auch vom Netzwerk kritischer Richter und Staatsanwälte. Der neue §28b im Infektionsschutzgesetz ermögliche auf unabsehbare Zeit ein automatisiertes „Durchregieren bis in die Wohnzimmer der Menschen“  (KRiSta 12.4.2021).

Der CDU-Politiker Prof. Dr. Max Otte twitterte: Wenn das durchgeht, ist die Diktatur vollendet und die klassischen Bürgerrechte sind weg, das sollte jedem klar sein(Otte 11.4.2021).

Auch Ärzte und Journalisten übten Kritik am „Notbremsen“-Gesetz:

  • Die Autorengruppe um Matthias Schrappe nannte die Novelle Zentralisierter Willkür“ . Sie verletze das Verhältnismäßigkeitsgebot, schließe Differenzierung als Konzept der Pandemiebekämpfung aus und erschwere eine richterliche Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit. Außerdem beruhe sie auf einem willkürlich gesetzten „Schwellenwert“ und knüpfe daran einen Automatismus. Sie sei auch eine die Länderkompetenzen begrenzende Rechtsverordnungsermächtigung. Damit desavouiere es auch den Föderalismus. „Der Gedanke an eine neue Notstandsverfassung im Gesundheitsbereich drängt sich auf“ (Schrappe 14.4.2021).
  • Detlev Krüger, ehemaliger Chefvirologe der Berliner Charité, wandte sich zusammen mit dem Virologen Klaus Stöhr in einem offenen Brief an den Deutschen Bundestag Darin heißt es: „Wir raten dringend davon ab, bei der geplanten gesetzlichen Normierung die ‚7-Tages-Inzidenz‘ als alleinige Bemessungsgrundlage für antipandemische Schutzmaßnahmen zu definieren“ (WELT 13.4.2021). Pustekuchen.
  • Der Epidemiologe Klaus Stöhr äußerte, „dass man es in einem Jahr der Pandemie nicht geschafft hat, die Entscheidungen auf eine transparente und besser datengestützte wissenschaftliche Grundlage zu stellen, sagt einiges über das Krisenmanagement aus“ (BZ 23.4.2021, Bezahlschranke).
  • Die Verbände der Kinder- und Jugendärzte kritisierten die „Notbremse“ zur Corona-Eindämmung vor allem hinsichtlich der Schulschließungen: „Alle Schulen ab einer Inzidenz von 200 pauschal dichtzumachen wäre für das Kindswohl fatal… Neben dem Recht auf körperliche Unversehrtheit gibt es ein Recht auf Bildung“ (OZ 13.4.2021). Noch fataler war der am 21. April beschlossene noch tiefere Wert von 165, der ganz offensichtlich gewürfelt wurde – „Ein Lockdown für Kinder“, wie Andreas Rosenfelder in der WELT schrieb (WELT 19.4.2021). Rosenfelder diagnostiziert bei den Regierenden und der „überalterten Elite“ eine tiefe Missachtung für die Kinder und einen „Methusalem-Komplott“ gegen die junge Generation, und befürchtet eine Bildungskatastrophe. Ein Schock auch für die betroffenen Eltern: Ihnen würde womöglich durch das neue Gesetz keine Entschädigung für Verdienstausfall mehr zustehen, wenn sie ihre Kinder wegen Schulschließungen zu Hause betreuen müssten (BILD 21.4.2021).
  • Hendrik Streeck kritisierte die Verschärfung des Lockdowns, da die Menschen sich dann vermehrt in Innenräumen aufhalten und ein größeres Infektionsrisiko haben. Überdies zeigte er sich verwundert über die Alarmrufe: In Frankreich liege die „Inzidenz“ viermal höher als in Deutschland, aber man gehe dort relativ gelassen damit um. In Deutschland führten steigende „Inzidenz“werte dagegen zu Warnungen, als ob das Land kurz vor der Triage stehe (RND 9.4.2021). Der Lockdown in Serie ist eben irgendwann verfassungswidrig, selbst wenn man ihn per Gesetz beschließt… Wenn die Intensivstationen nicht ausreichen, müssen wir nach zwölf Monaten weitere eingerichtet haben“, kommentiert der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch in der FAZ (FAZ 9.4.2021).
  • Ein Kommentator der NZZ deutete das neue Gesetz als Bildungsbremse: „Kaum Gehör schenkt derselbe Staat den Hilferufen aus den Reihen der Kinder- und Jugendpsychologie, der Bildungsforschung, der Wirtschaft und der Kultur. Fast mit einem Achselzucken wird hingenommen, dass eine Generation heranwächst, die sich Wissen nur in episodischen Schüben und ausserhalb des Klassenverbands aneignet. Beschämend für eine Bildungsnation ist die Nonchalance, mit der die Bedenken der Universitäten missachtet werden“.  Das  Gesetz sei „ein Ausdruck von Unfreiheit, Angst und Hilflosigkeit – und eine Herausforderung für den Rechtsstaat… Deutschland verharrt in einem stupiden Lockdown-Fundamentalismus mit eingebautem Jo-Jo-Effekt. Und der ist wie jeder Fundamentalismus vor allem eins: unvernünftig“ (NZZ 21.4.2021).

Kritik kam auch aus der Wirtschaft. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüter, spricht von „Empirie-Freiheit der politischen Entscheidungen“: Die Politik habe sich nie die notwendige Datengrundlage für politische Entscheidungen besorgt. Das habe dazu geführt, „dass wir in einer Ahnungslosigkeit sind, dass im Gesetzentwurf zur ‚Bundesnotbremse‘ steht, wir haben ein diffuses Infektionsgeschehen“ (tagesschau 4.5.2021).

Bereits eine Woche nach Inkrafttreten der „Notbremse“ attestierten Datenexperten den Beschränkungen einen „ausbleibenden Effekt“ (Merkur 2.5.2021). Diesen Befund bestätigten die Statistiker der LMU München in ihrem 16. Bericht von Ende Mai 2021: Bei den R-Werten, wie sie vom Robert-Koch-Institut täglich bestimmt werden, ergibt sich seit September kein unmittelbarer Zusammenhang mit den getroffenen Maßnahmen weder mit dem Lockdown-Light am 2. November und der Verschärfung am 16. Dezember 2020, noch mit der „Bundesnotbremse“, die Ende April 2021 beschlossen wurde“ (CODAG 28.5.2021).

Artur Aschmoneit schrieb sarkastisch: „Bundesnotbremse wirkt in der Schweiz noch besser als in Deutschland – nur ist in der Schweiz alles offen“ (Corona Doks 7.5.2021). Allein wegen dieser Nicht-Geeignetheit der „Notbremse“ war die Verordnung verfassungswidrig.

Gunnar Schupelius schrieb in der BZ: „Einen Beweis dafür, ob der Lockdown zum Ziel führt, können die Politiker … bis heute nicht erbringen. Wir sprechen über 156 Tage Dauer-Lockdown mit Repressionen, wie sie dieses Land in Friedenszeiten noch nie gesehen hat. Wir sprechen über den täglichen schweren Eingriff in die Menschenwürde. Denn zur Würde des Menschen gehört es, selbst entscheiden zu dürfen, was er für ein würdiges Leben hält und welche Risiken er eingehen möchte. Der Lockdown bleibt ein Blindflug mit verheerenden Folgen. Oder wie es der frühere Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof sagt: ‚Man kann eine Gesellschaft auch zu Tode schützen’“ (BZ 5.4.2021).

In Frankreich stiegen im April 2021 die positiven Testzahlen trotz einer strengen Ausgangssperre, während sie im benachbarten Spanien trotz Öffnung aller Geschäfte und Lokale bis 20.00 Uhr stabil blieben. Der Korrespondent von n-tv sah dort „Massen von Menschen – glücklichen Menschen“ (n-tv 12.4.2021).

Nach einem Jahr Kontakteinschränkungen ohne messbaren Erfolg – etwa im Vergleich mit Schweden – war die unentwegte Fortführung der Lockdown-Politik für die Menschen unzumutbar. Der Chefvolkswirt des Mittelstandsverbands BVMW warnte vor einem drohenden wirtschaftlichen Totalschaden (tagesschau 23.3.2021). Finanzminister Scholz plante neue Rekordschulden, um die weiteren Maßnahmen incl. Tests und Masken zu finanzieren (zdf 22.3.2021). Der Bundesrechnungshof sprach von einer „besorgniserregenden Finanzlage“, von der Notwendigkeit unpopulärer Entscheidungen und von der Überprüfung der Sozialtransfers. Wesentliche Ausgaben seien in der mittelfristigen Finanzplanung von Olaf Scholz nicht berücksichtigt (WELT 8.4.2021).

Wer den Lebensschutz zum absoluten Gut erhebt und die schweren Kollateralschäden der Lockdown-Politik ausblendet, verunmöglicht Politik. Sie wird zum Management verzwergt (NZZ 23.3.2021).

Die Regierenden waren allem Anschein nach realitätsfern und beratungsresistent. Hans-Joachim Maaz sah darin ein Muster narzisstisch belasteter Politiker: Sie wollten zum Erhalt ihres Selbstwerts als besonders tüchtig und entscheidungsfähig erscheinen und konnten Irrtümer oder Fehlentscheidungen nicht zugeben, denn dann würden sie „in einen Abgrund“  blicken, es käme nahezu einem „Todesurteil“ gleich. Sie mussten ihren Kurs bis zum bitteren Ende – zu einer Art ‚Endsieg‘ – durchhalten“ („Corona-Angst“ S.74ff.).

Die wenigen ausgewählten Wissenschaftler mit Zugang zur Machtzentrale waren Theoretiker und Modellierer. Sie sollten, so der SPIEGEL, die gewünschten Argumente liefern und Druck auf die Ministerpräsidenten ausüben. „Die Vielfalt an Positionen, die die wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatte über die Corona-Politik inzwischen erreicht hat, wird dort nicht abgebildet. Vor allem wird der grundsätzlichen Frage, ob die Lockdown-Maßnahmen in den vergangenen Wochen erfolgreich und notwendig waren, wenig Raum gegeben“ hießt es im SPIEGEL (SPIEGEL 18.1.2021).

Matthias Schrappe schrieb: „Nach einem bekannten Muster berief sich die Politik auf genau die Expertise, die sie in ihrer sehr spezifischen Sicht auf die Pandemie bestätigte“.Jürgen Windeler, der damalige Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG sagte später in einem Interview mit dem Tagesspiegel: „Wir hatten sowohl Herrn Spahn als später auch Herrn Lauterbach angeboten, in der Pandemie Beiträge zu leisten. Eine Antwort haben wir nicht bekommen – die Modellierer wurden als wertvoller erachtet. (…) Für Schul- und Friseursalonschliessungen oder ,Verweilverbote‘ braucht man vernünftige Grundlagen, insbesondere was das Verhältnis zwischen Nutzen und Schaden angeht. Wer so etwas entscheidet, braucht Evidenz oder sollte sich um sie kümmern – beides hat gefehlt. (…) Ich habe die Lage als so aufgeladen und für bestimmte Positionen als so unerwünscht empfunden, dass ich gesagt habe, in dieses Fahrwasser will ich das IQWiG nicht bringe.“ (tagesspiegel 17.2.2023, Bezahlschranke).

Die Berliner Zeitung diagnostizierte einen „Tunnelblick“ : „Politik orientiert sich somit an einigen Protagonisten einer Mikroskop-Wissenschaft, wo eigentlich eine breit gefächerte Public-Health-Perspektive nötig gewesen wäre“ (BZ 5.1.2023).

„Wir verfügen über zahlreiche Zahlen zum Virus, aber wir verstehen nicht das Geringste“ (Schrappe 27.8.2021)

Nach Michael Esfeld war die von der Regierung vorgetragene Art von Wissenschaft zur Staatsreligion avanciert. „Sie schwingt ähnlich unhinterfragt das Zepter und durchdringt alle Lebensbereiche mit ähnlicher Totalität, bis hinein ins Seeleninnere des Menschen, das sie mit ihren Erzählungen und Normen infiziert. Szientismus, also die Annahme, dass die Methoden der Naturwissenschaft alle anderen Wissens- und Lebensbereiche dominieren sollten, herrscht in diesen Tagen unangefochten. Und er wird von staatlicher Seite in gefährlicher Weise instrumentalisiert, um die Freiheit des Individuums zu unterhöhlen. Dabei ist solches Handeln alles andere als vernünftig. Denn Vernunft würde gebieten, objektiv abzuwägen, ob die Schäden der derzeitigen Methoden der „Pandemiebekämpfung“ ihren Nutzen nicht längst schon mehr als aufwiegen“ (Esfeld 15.1.2021).

Michael Esfeld sprach angesichts der Vermählung von Pandemiepolitik und Szientismus von einem Kult. Dieselbe Wortwahl fand sich bei Gunnar Kaiser, der weiter ausführte: „Fakten werden … in einem Kult nicht wahrgenommen, wenn sie dem eigenen Weltbild, der eigenen Erzählung widersprechen“ (Kaiser 5.12.2020).

In einerGemeinsamen Position von Ärzteschaft und Wissenschaft“ wurde der November-Lockdown schon im Vorfeld als „weder zielführend noch verhältnismäßig“ bezeichnet (KBV 30.10.2020, SZ 28.10.2020). Er sei eher kontraproduktiv: „Wir erleben bereits die Unterlassung anderer dringlicher medizinischer Behandlungen, ernstzunehmende Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen durch soziale Deprivation und Brüche in Bildungs- und Berufsausbildungsgängen, den Niedergang ganzer Wirtschaftszweige, vieler kultureller Einrichtungen und eine zunehmende soziale Schieflage als Folge“. Es sei zu befürchten, dass man wenige Wochen nach Ende dieses Lockdowns wieder in der gleichen Situation sein werde. Es brauche eine Fokussierung der Ressourcen auf den spezifischen Schutz der Bevölkerungsgruppen, die ein hohes Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben. An die Stelle von Risikokommunikation müsse eine Gebotskultur gesetzt werden.

Ähnlich äußerte sich ein Team von neun Wissenschaftlern um den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Sachverständigenrates Gesundheit, Matthias Schrappe. In ihren Thesenpapieren halten die Autoren einen Strategiewechsel für unvermeidlich. Die Kontaktverbote und die Nachverfolgung führten zu keiner Trendumkehr, sondern zur Überlastung der Gesundheitsämter. Der Schutzauftrag für verletzliche Bevölkerungsgruppen werde dagegen missachtet: „Obwohl von Anfang an klar erkennbar war, dass es sich um eine ‚Epidemie der Alten‘ handelt, und man alle Zeit gehabt hätte, sich mit gut zugeschnittenen Präventionsprogrammen auf Herbst und Winter vorzubereiten (und die Intensivkapazitäten zu sichern), ist nichts geschehen – außer einer sich perpetuierenden Aneinanderreihung von Lockdowns“ (Schrappe 10.1.2021).

Die Autoren des Thesenpapiers schrieben weiter, Zielvorgaben wie „wieder unter 50/100.000 kommen“ seien unrealistisch und verletzten das Gebot der Erreichbarkeit. Die Annahme, dass man während des Winters Zahlen wie im August bekommen kann, entbehre jeder Grundlage. In der Gesellschaft könne so der Eindruck entstehen, es gehe nur um die Begründung beschlossener Maßnahmen.

Zudem seien die verwendeten Grenzwerte unbrauchbar. Der Eindruck, man wisse über den Stand der Epidemie und die tatsächlich in einem Zeitraum auftretenden Neuerkrankungen Bescheid, täusche und untergrabe die Glaubwürdigkeit des politischen Handelns. Die Berechnung so genannter „Inzidenzen“ sei als Handlungsgrundlage nicht tragfähig und versperre den dringend notwendigen Weg zur Nutzung sinnvollerer Vorgehensweisen. Das Festhalten am Narrativ einer Bedrohung à la Bergamo sei mit modernen Methoden der Risikokommunikation und -bewältigung nicht vereinbar (Schrappe 22.11.2020). „Je länger die Krise dauert, desto weniger verfangen solche Bedrohungsszenarien. So schwindet Vertrauen. Irgendwann hört kaum einer mehr hin“ – so der Mitautor Holger Pfaff (WELT 22.11.2020). Anders sah das Karl Lauterbach: „Ehrlicherweise gilt: 80% unseres Erfolgs waren die Horrorbilder aus Italien“ (Lauterbach 3.5.2020).

Der Charité-Epidemiologe Stefan Willich warnte vor gravierenden Schäden im Gesundheitssystem: „Mit dem Lockdown wird die Belastung für das Gesundheitswesen insgesamt zunehmen. Wir sehen jetzt schon die Folgen im psychiatrischen Bereich, wie Angststörungen oder Depressionen. Vor allem aber müssten alle anderen Krankheiten weiter behandelt und Patienten versorgt werden können, um einen therapeutischen Rückstau und eine Verschlechterung des Zustands der Patienten zu verhindern“ (BZ 29.10.2020).

Auch der Chefredakteur des Münchner Merkur befürchtete große Kollateralschäden und schrieb: „Die von der Politik verordnete Medizin hat so schwere Nebenwirkungen, dass ihre dauerhafte Gabe so katastrophal ist wie das Virus selbst. Auch verschobene Operationen, endlose Einsamkeit, geraubte Bildungschancen und verlorenes Lebensglück fordern Opfer.“ (Merkur 28.10.2020).

Zahlreiche Bürgermeister forderten einen Verzicht auf den Lockdown, um das Leben in den Städten zu schützen (Tageblatt 29.10.2020).

Aus der Sicht des Verfassungsrechtlers Oliver Lepsius war ein Lockdown „in der Form, wie wir ihn erlebt haben … rechtswidrig“ (Lepsius 7.10.2020). Ferdinand Kirchhof, der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, hielt selbst regionale Lockdowns für juristisch klärungsbedürftig. Die Politik müsse nachweisen, dass es konkrete Risiken in bestimmten Branchen gibt; die Maßnahmen müssten zielgenau sein, und angemessen gegenüber anderen rechtlichen Einbußen (WELT 20.10.2020). Nach Oliver Lepsius kann es auch nicht angehen, dass Bürger ständig zur Erlangung ihrer Freiheiten vor Gericht gehen müssen, sondern sie müssen sich darauf verlassen können, dass die Politiker in ihren Entscheidungen die Grundrechte beachten.

Andreas Rosenfelder, Ressortleiter des WELT-Feuilletons, kritisierte scharf, dass die Politiker die Verantwortung für das Scheitern des November-Lockdowns auf die Bürger abwälzen: „Das Moralisieren verdeckt, dass die Verantwortlichen ihren Job nicht machen. Erst schlägt man einen Kurs ein, der gerade nicht auf Eigenverantwortung setzt, sondern auf Schließungen, Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren in Hotspots. Wenn dieser Weg dann aber nicht zum Ziel führt, tragen die unvernünftigen Bürger die Schuld (…). Dabei fehlt jede Perspektive, denn ein ‚harter Lockdown‘, das zeigt Frankreich, würgt mit dem sozialen und wirtschaftlichen Leben zwar auch die Infektionsdynamik ab, setzt sie am Ende aber wieder neu in Gang (…) Vielleicht hat die Politik, die sich von Verschärfung zu Verschärfung hangelt und jedes Mal behauptet, wir müssten uns jetzt ’noch einmal anstrengen‘ (Merkel), keine Kraft mehr für langfristiges Planen. Vermutlich denken Merkel, Söder und Spahn schon jetzt darüber nach, was im Januar wieder auf sie zukommt, wenn die Bevölkerung auch den ‚harten Lockdown‘ in den Sand setzt.“ (WELT 9.12.2020).

Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung äußerte in einer Videobotschaft: „Die Pandemiebekämpfung verliert und verlässt das gebotene Maß. Der Shutdown, der jetzt verkündet wird, ist in der Art und Weise, wie er kommuniziert und exekutiert wird, auch ein Shutdown des Prinzips der Verhältnismäßigkeit“ (SZ 1.11.2020).

Ein Kommentator in der Neuen Züricher Zeitung verwies auf das ethische Problem, dass Lockdown und Quarantäneregelungen auch die vielen Menschen treffen, die immun gegen das Coronavirus sind. Die wohl grösste Triage-Entscheidung ist indes ein Lockdown. Er verzögert die Behandlung vieler Kranker und senkt den Wohlstand und damit die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens. Beides kostet viele Leben“ (NZZ 4.11.2020).

Das Coronavirus SARS-CoV2 veränderte unser Zusammenleben und unsere Gesellschaft radikal. Für viele glich das einem nicht enden wollenden Albtraum. Es drohte eine zunehmende Radikalisierung der Menschen, die durch die Pandemiemaßnahmen in Existenznot und Verzweiflung getrieben wurden, oder denen durch Einschränkungen des Demonstrationsrechts die Stimme genommen wurde. Die AfD hatte das Thema für sich entdeckt und wollte durch eine kritische Haltung „die Tür zu breiteren gesellschaftlichen Schichten öffnen“ (Tagesschau 3.11.2020). Eine Tür, die auch durch das Versagen anderer Oppositionsparteien geöffnet wurde.

René Schlott beklagte im Deutschlandfunk die Anmaßung des Staates, „über alle sozialen Kontakte selbst innerhalb der Familie und der eigenen vier Wände zu entscheiden und notfalls alle gesellschaftlichen Beziehungen – womöglich in irreversibler Weise – zu kappen.“ Der „starke Staat“ habe im Laufe der letzten Monate mehrfach demonstriert, wie er „mit einem Federstrich“ Kunst und Kultur vollständig verbieten sowie Millionen von Bürgerinnen und Bürgern die Existenzgrundlage rauben und sie zu Almosenempfängern machen könne – akklamiert von einer angstkonformen Mehrheit der Bevölkerung, die teilweise sogar noch weitere Verschärfungen fordere. Dabei habe schon Hannah Arendt gewarnt, dass „massenhafte Übereinstimmung […] nicht das Ergebnis einer Übereinkunft, sondern ein Ausdruck von Fanatismus und Hysterie“ sei (DLF 30.11.2020).

Der Philosoph Markus Gabriel schrieb Ende März 2021 in der NZZ unter der Überschrift „Freiheit ist die Lösung, nicht das Problem“: „Wir sind nicht nur im Griff eines Virus, das einer uns niemals vollständig transparenten eigenen Logik folgt, sondern vor allem im Griff eines staatlichen Scheiterns auf der Basis einer ins Unbedingte gesteigerten Risikotheorie“. Und er rief die Bürger auf: Deswegen sollte spätestens jetzt die Stunde der Freiheit schlagen. Dies bedeutet, dass wir demokratische Prozesse von unten nach oben einleiten müssen, die von den Bürgern lokal organisiert werden, um gleichermassen denjenigen, die teils schwer vom Virus, und denjenigen, die teils brutal von der Virusbekämpfung betroffen sind, zu ihren Freiheitsrechten zu verhelfen“.  (Markus Gabriel, NZZ 20.3.2021, Bezahlschranke).

Die BILD-Zeitung schrieb Ende Juli 2021, mitten in der Delta-Varianten-Hysterie: Es scheint, als sei das eigentliche Ziel der Corona-Politik nun: Niemand soll merken, dass es auch ohne einen Großteil der Maßnahmen geht“. (BILD 26.7.2021).

 

Der Sommer 2021: Die Ruhe vor dem zweiten Coronawinter

Saisonbedingt kam es ab Mai 2021 zu einem deutlichen Rückgang aller Pandemie-Maßzahlen. Im Juni 2021 lag in einigen Landkreisen die „Inzidenz“ bei null, aber die Beschränkungen galten weiter (ZDF 8.6.2021). Wolfgang Kubicki (FDP) forderte in einem Interview die sofortige Aufhebung aller grundrechtsbeschränkenden Maßnahmen, es gebe dafür keine Rechtsgrundlage mehr (WELT 10.6.2021). Sogar die GRÜNEN verlangten eine Generalrevision zahlreicher Pandemie-Sonderregeln sowie die Entmachtung von Jens Spahn: „Die letzten Monate haben gezeigt, dass die Sonderbefugnisse des Bundesgesundheitsministers nicht gerechtfertigt sind. Der verpfuschten Testverordnung von Jens Spahn hätte es sehr gut getan, wenn jemand anderes draufgeschaut hätte als sein eigenes Haus“ (PA 9.6.2021).

In der WELT hieß es unter der Überschrift „Überall sinkt die Inzidenz – aber niemand zögert so wie Deutschland“: Inzwischen ist Deutschland europaweit – knapp vor Italien – das Land mit den strengsten Corona-Restriktionen, geht man nach dem Oxford Government Response Tracker, der die Härte der staatlichen Eingriffe misst. Kein anderes Land in Europa hat den Schulunterricht noch so stark eingeschränkt wie die Bundesrepublik mit Distanz- und Wechselunterricht. Wo Schulen geöffnet sind, müssen Kinder und Jugendliche Masken tragen und sich zweimal pro Woche testen lassen“ (WELT 27.5.2021, Bezahlschranke).

In den meisten Kreißsälen  in Deutschland war zwar eine Begleitperson zur Geburt zugelassen, jedoch oft erst zum Ende des Geburtsvorgangs in der sogenannten Austreibungsphase. Den Beginn der Geburt, die sogenannte Eröffnungsphase, die für gewöhnlich mehrere Stunden dauern kann, mussten viele Frauen alleine verbringen. Zu Terminen in den Schwangeren-Ambulanzen und Hebammensprechstunden waren  meist keine Begleitpersonen zugelassen. Diese Restriktionen waren für viele Frauen traumatisierend. In einer Petition wurde eine kontinuierliche Geburtsbegleitung durch den Partner auch während der Corona-Pandemie gefordert.

Wissenschaftler um den Publizisten Werner Rügemer und die Philosophin und Bioethikerin Heike Knops kritisierten im Juni 2021 in ihrer „Corona Erklärung“ die Eingriffe in demokratische Grundrechte, in das Gesundheitswesen, in das Alltagsleben und in die Wirtschaft. Die Corona-Politik sei ein Dauer-Desaster mit enormen Schäden. Es sei Zeit, den Panikmodus zu beenden und Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. 

Da das Maßnahmenpaket der „Notbremse“ am 30. Juni 2021 endete, das Virus aber bis dahin nicht vollständig verschwunden sein würde, wurde die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ am 11. Juni 2021 zum siebten Mal verlängert, vorläufig bis 22.September (zdf 11.6.2021) – nach WELT-Redakteur Andreas Rosenfelder eine skandalöse Einschränkung der Grundrechte „auf Vorrat“ (WELT 4.6.2021, Bezahlschranke). Wenige später schrieb er: „Nicht normal ist die unverantwortliche Panikmache, die seit einem halben Jahr mit den Mutationen des Coronavirus betrieben wird. Wenn nun dieselben Leute, die schon die „Bundesnotbremse“ herbeigeredet haben, wieder (wie die Virologin Melanie Brinkmann) vor Lockerungen warnen oder (wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn) die Gefährlichkeit offener Schulen betonen, hoffen sie vielleicht, sie könnten ihre Mitverantwortung für das Desaster überspielen und den neuen Wissensstand vergessen machen. Sie setzen dabei auch auf einen Faktor, der von keiner Modellierung erfasst wird: die Bereitschaft der Menschen, kritiklos hinzunehmen, was ihnen seit anderthalb Jahren als alternativlose Politik verkauft wird“ (WELT 23.6.2021, Bezahlschranke).

Der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts René Gottschalk meinte, es sei wesentlich, den Alarmismus endlich zu verlassen und Wissen statt Angst zu verbreiten. Man müsse vom „Test-, Überwachungs- und Regelungswahn“ wegkommen: „Keine anlasslosen Tests mehr bei asymptomatischen gesunden Menschen. Keine umfangreichen Isolierungs- und Quarantänisierungsmaßnahmen aufgrund fragwürdiger Tests, zu denen die Gesundheitsämter entgegen besserem (aber von der Politik konsequent ignoriertem) Wissen verpflichtet waren. Keine umfassenden einschränkenden Maßnahmen aufgrund immer wieder neuen Inzidenzen.“ (BZ 28.6.2021).

Die „Deltavariante“ des Coronavirus kam den Hardlinern während der Corona-Sommerflaute gerade recht. Es wurde eine neue Angstkampagne vom Zaun gebrochen, vorne dabei wieder Karl Lauterbach, der erneut die Impfung aller Kinder forderte, sich mit einer Falschbehauptung vergaloppierte (BILD 1.7.2021) und auf Widerspruch bei den Kinderärzten stieß (RP 28.6.2021).

Die NoCovid-Modelliererin Melanie Brinkmann erklärte: „Die Delta-Variante wird nach den Sommerferien sehr schnell durch die Schulen rauschen, wenn wir keine Vorsorge treffen“, und empfahl weiter Maskenpflicht und Tests (BZ 4.7.2021). Auch Markus Söder drehte mit an der Panikschraube: „Ich lasse nicht zu, dass wegen kleiner Interessen am Ende das ganze Land in Mitleidenschaft gezogen wird … Wir sind in einem Wettlauf mit der Zeit gegen die Delta-Variante… Es kommt jetzt auf jeden Tag an“ (SZ 20.6.2021).

Die Mathematiker von der Hochschule Mittweida oder der Mobilitätsforscher Kai Nagel, die schon mit einer früheren Prognose voll daneben lagen (tagesschau 21.4.2021), prognostizierten für den Herbst 2021 eine exponentielle Zunahme von Krankenhausaufnahmen und Millionen Infizierte; Nagel forderte gleich auch noch drastische Maßnahmen an den Schulen und eine Impfquote von 95 Prozent. Die Medien und Politiker wie Jens Spahn nahmen diesen Ball gerne auf und spielten ihn weiter (tagesspiegel 17.7. 2021, mdr 13.7.2021, Focus 19.7.2021, BILD 21.7.2021, SPIEGEL 17.7.2021). Auch Christian Drosten war wieder mit einer Warnung in den Medien vertreten: Es stünde ein schwieriger Herbst bevor, und Ungeimpfte könnten sich vor allem von Geimpften infizieren, die das Virus unbemerkt weitergeben (fr 19.8.2021). Bis September 2021 war jedenfalls von einer „Delta“-Welle bei Kindern nichts zu spüren (BZ 3.9.2021)

Nach Jens Spahn sollte es auch nach den Sommerferien 2021 keinen normalen Schulbetrieb geben. Die Schutzmaßnahmen sollten aufrechterhalten werden, und zwar nicht nur Testen und Lüften, sondern auch Maskenpflicht und Wechselunterricht. Da titelte sogar die sonst so regierungstreue Süddeutsche Zeitung: Durchgefallen(SZ 20.6.2021), und der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit bekannte: Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass es nicht noch einmal (..) zu Kita- und Schulschließungen mit unaufholbaren Bildungsdefiziten und seelischen Verletzungen kommt. Dies zu verhindern, lohnt jede wissenschaftliche Anstrengung“ (Schmidt-Chanasit 20.6.2021). Einen Tag später ruderte Spahn auf vielfache Proteste hin zurück (tagesspiegel 21.6.2021).

Die bayerische Regierung beschloss, dass Schüler in Bayern auch im Schuljahr 2021 am Sitzplatz Masken tragen und sich zwei- bis dreimal pro Woche testen mussten – außer den Geimpften (Nordbayern 26.8.32021). Bei Krankheitssymptomen wie Husten oder Schnupfen mussten auch geimpfte Schüler oder Lehrer ein negatives Testergebnis vorweisen. Kinderärzte widersprachen der Vorgabe, Tests bei harmlosen Krankheitssymptomen machen zu müssen; das würde die Praxen überlasten. Der Vorsitzende des Verbands der Kinder- und Jugendärzte Thomas Fischbach sagte: „Wir fordern gezieltes Vorgehen bei schweren Krankheitssymptomen anstatt anlassloser Massentests“ (br 7.10.2021, Ärzteblatt 11.10.2021).

In Nordrhein-Westfalen waren zwei Wochen nach Schulbeginn bereits 30’000 Schüler in Quarantäne (rp 30.8.2021). Laut NRW-Gesundheitsministerium sollten jedoch nur noch infizierte Kinder in Quarantäne, während die Kontaktpersonen engmaschiger getestet wurden (WDR 7.9.2021). In Hamburg wurde vier Tage nach Schulbeginn eine ganze Klasse Erstklässler in 14-tägige Quarantäne geschickt – ohne Möglichkeit zur Freitestung. Eine betroffene Mutter schrieb an die Verantwortlichen einen bitteren Protestbrief (WELT 29.8.2021).

Die Berliner Amtsärzte hatten sich auf eine Abkehr von der Quarantäne ganzer Schulklassen geeinigt: Nur noch die positiv Getesteten mussten zu Hause bleiben, Kontaktpersonen außerhalb der engsten Familie wurden nicht mehr ermittelt. „Mit der Strategieänderung stärken wir die Chancen unserer Kinder auf gutes, gesundes und altersgerechtes Aufwachsen.“ Die Priorität sollte nun auf Bildung und Teilhabe liegen (bb24 27.8.2021). Dieser Kurswechsel wurde von prominenten Infektiologen und Epidemiologen unterstützt (ZEIT 27.8.2021). Man musste nicht lange warten, und es kam Kritik von Politikern. Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) nannte den Beschluss rechtswidrig, die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey sprach sich für konsequente Nachverfolgungen aus (rbb24 28.8.2021).

Der Plan, 650’000 Klassenzimmer zu Kosten von 400 Millionen Euro mit mobilen Luftreinigungsgeräten auszustatten, deren Wirksamkeit nicht wirklich erwiesen ist, blieb teures Wahlkampfgetöse. „Es gibt Schulen, die haben die Dinger gekauft und festgestellt, dass sie so laut sind, dass sie keinen vernünftigen Unterricht mehr machen können“, so Gerd Landsberg,  Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, im Interview auf NDR Info (ndr 19.7.2021). Die Geräte würden außerdem zu hohen Luftgeschwindigkeiten und Zugerscheinungen für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte führen (Stuttgart.de 9.7.2021). Die Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie riet von mobilen Luftreinigungsgeräte in Schulen, Kindergärten und Kitas ab – sie seien „überflüssig“, denn „die epidemiologischen Daten zum Infektionsgeschehen an Schulen lassen nicht erkennen, dass es zusätzlich zu der ohnehin sehr niedrigen Rate möglicher innerschulischer Übertragungen ein relevantes Risiko von Aerosolbasierten Fernübertragungen gibt“. Es gebe auch keine Studien, die die Wirkung solcher Geräte belegen (DGPI 16.9.2021).

Laut technischem Briefing des britischen Gesundheitsministeriums blieb die rohe Sterblichkeitsrate bei der „Deltavariante“ deutlich hinter anderen Varianten zurück. Eine britische Studie, die etwas anderes ergab, wurde von Medizinstatistikern wegen fehlerhafter Methodik harsch kritisiert (Twohig 27.8.2021, BILD 29.8.2021 Bezahlschranke). Die Übertragbarkeit der Delta-Variante („secondary attack rate“) in Privathaushalten unterschied sich nicht von früheren Varianten (PHE 25.6.2021, PHE 6.8.2021 Table 4, Table 7). „Delta“ hatte lediglich einen evolutionären Vorteil durch die schlechtere Wirkung der COVID-19-Impfung auf diese Variante. „Delta“ hat sich wohl auch einfach in anderen, noch nicht „durchseuchten“ Bevölkerungsgruppen bzw. „Netzwerken“ ausgebreitet als die früheren Varianten und deshalb anfangs zu ebensolchen Wellen geführt (CSPI 31.8.2021).

Trotz aller Kritik wurde weiter mit der „Inzidenz“ Politik gemacht. Matthias Schrappe nannte in seiner Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht die „Inzidenz“ einen ungeeigneten Parameter zur Beschreibung des Infektionsgeschehens und folgert: Wenn ein Indikator grundsätzlich ungeeignet ist, kann dieser auch nicht durch die Einführung eines Grenzwertes geeignet werden“. (Schrappe 29.7.2021).

Die Bundesregierung schien bezüglich ihrer Corona-Strategie eine Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht zu fürchten und vor allem deshalb von der „Inzidenz“ als Maßzahl abzurücken (Focus 26.8.2021), sekundiert vom RKI, nach dem in die Bewertung der Pandemielage künftig auch die Entwicklung der schweren Erkrankungen und Krankenhausaufnahmen einbezogen werden sollte (swr 13.7.2021).

Am 25. August 2021 beschloss die Große Koalition gegen die Stimmen der meisten Oppositionspolitiker die achte Verlängerung der epidemischen Lage nationaler Tragweite zunächst bis Ende November 2021 – trotz offensichtlich fehlender Überlastung des Gesundheitssystems (Bundestag 25.8.2921 – incl. Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten).

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig stimmte mit „Nein“ und schrieb eine ausführliche persönliche Erklärung an den Bundestagspräsidenten. Darin heißt es unter anderem: „Nahezu zwanzig Mal haben wir im Bundestag in den letzten anderthalb Jahren Änderungen am Infektionsschutzgesetz vorgenommen. Mit keinem anderen Gesetz hat sich unser Parlament so oft in so kurzer Zeit beschäftigt, wie mit diesem. Die Hektik, mit der wir in nahezu jeder Sitzungswoche das Infektionsschutzgesetz weiter ausweiten, um vermeintlich Schlimmeres zu verhindern, kann ich immer weniger nachvollziehen. Die scheinbare Panik, mit der wir in immer kürzer werdenden Abständen das Infektionsschutzgesetz ändern, ist außerhalb des Berliner Regierungsviertels kaum zu spüren. Zum Glück… Wie oft haben wir versprochen, dass die Beschränkungen ein Ende haben? Wie oft haben wir das Einführen harter Maßnahmen, von „Wellenbrechern“, „Lockdowns light“ und „Notbremsen“, damit gerechtfertigt das danach zur Normalität zurückgekehrt werden kann? Wir haben versprochen, dass es keine Impfplicht geben wird. Wir haben versprochen, dass Kinder wieder ohne Maske in die Schule gehen können. Wir haben nichts davon gehalten…. Vor diesen Hintergrund und als Ergebnis meiner eigenen Bewertungen kann ich diese erneute Änderung nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren und werde deshalb der Änderung des Infektionsschutzgesetzes nicht zustimmen“ (Ludwig 7.9.2021).

Markus Söder äußerte noch im August 2021 die Ansicht, dass durch die Impfungen sowohl der Schutz des Lebens als auch eine Verhinderung bei der Überlastung des Gesundheitssystems gut erfüllt seien, und kündigte für Bayern Lockerungen an – etwa die Abkehr von der FFP2-Maskenpflicht (Ärzteblatt 26.8.2021).

 

Herbst 2021: Zwei-Klassen-Gesellschaft

Im Juli 2021, als die Neuaufnahmen auf den Intensivstationen bundesweit auf nahe null zurückgegangen waren (Küchenhoff 21.7.2021, Küchenhoff 27.7.2021), meldeten sich immer mehr Politiker und Presseorgane mit der Forderung, Ungeimpften die gesellschaftliche Teilhabe zu beschneiden, etwa Helge Braun, Jens Spahn und Horst Seehofer, aber auch Politiker der GRÜNEN wie Winfried Kretschmann, Robert Habeck und Annalena Baerbock (WELT 25.7.2021, SZ 26.7.2021, mdr 26.7.2021, Merkur 9.8.2021).

Wolfgang Kubicki warf der Bundesregierung Wortbruch vor. In Zielsetzung und Wirkung komme es einer direkten Impfpflicht gleich, wenn die Regierung ungeimpfte Personen vom sozialen Leben ausschließt (WELT 4.8.2021). Der SPIEGEL kommentierte, es müsse jetzt das Ziel sein, die Verantwortung für die Gesundheit wieder in die Hände der Bürgerinnen und Bürger zu legen. Die Regierung sollte sie sich fragen, ob das Risiko, mehr Schritte in Richtung der alten Normalität zu gehen, wirklich größer ist, als sich von ihr zu entfernen (SPIEGEL 3.8.2021).

Ein Kommentator der WELT, Henryk M. Broder, forderte, Ungeimpften das Wahlrecht zu beschneiden – Satire aus der spitzen Feder eines Journalisten, dessen Eltern dem KZ entkamen (WELT 8.8.2021, Bezahlschranke).

Regierungstreue Juristen und Ethiker sekundierten mit dem Versuch, aus der Verfassung Möglichkeiten zur Diskriminierung eines Teils der Bevölkerung herauszudestillieren. Den Vogel schoss der Jurist Christian Pestalozza ab mit der kabarettreifen Aussage: „Der Gleichheitssatz sagt, dass Gleiches gleich zu behandeln ist und Ungleiches ungleich behandelt werden muss oder darf. Geimpfte und Nicht-Geimpfte sind ungleich, was das gesundheitliche Risiko anbelangt. Also dürfen oder müssen sie ungleich behandelt werden. Das heißt, dass Nicht-Geimpfte Beschränkungen unterworfen werden können, weil sie gefährdeter und gefährlicher sind.“ (WDR 25.7.2021).

Der Hygieniker Günther Kampf forderte im Lancet „hochrangige Beamte und Wissenschaftler auf, die unangemessene Stigmatisierung von Ungeimpften, zu denen unsere Patienten, Kollegen und andere Mitbürger gehören, zu beenden und zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um die Gesellschaft zusammenzubringen“. Geimpfte Personen hätten ein geringeres Risiko einer schweren Erkrankung, seien aber dennoch ein relevanter Teil der Pandemie. Es sei daher falsch und gefährlich, von einer Pandemie der Ungeimpften zu sprechen. In der Vergangenheit hätten sowohl die USA als auch Deutschland negative Erfahrungen mit der Stigmatisierung von Teilen der Bevölkerung aufgrund ihrer Hautfarbe oder Religion gemacht (Kampf 20.11.2021).

Am 26. Juli 2021 präsentierte Lothar Wieler den Teilnehmern einer geheimen Schaltkonferenz zwischen Kanzleramtschef Helge Braun und den Staatskanzlei-Chefs der Bundesländer ein neues Panik-Papier in dem es hieß: „Die vierte Welle hat begonnen“. Die Inzidenz müsse weiterhin „Leitindikator“ für die Pandemie bleiben. Hohe Impfquoten alleine seien nicht ausreichend, es müssten neue Freiheitseinschränkungen her (BILD 27.7.2021, Bezahlschranke). Es gab auch wieder Forderungen nach einem Lockdown, diesmal verniedlicht mit dem phantasievollen Namen „Notschutzschalter“ (ZEIT 11.11.2021). NoCovid ließ wieder einmal grüßen.

Immer noch schielten viele Politiker nach Australien und Neuseeland, obwohl die NoCovid-Strategie dort trotz massiver Repression grandios gescheitert war (ntv 4.8.2021, abc-net 16.8.2021, n-tv 22.8.2021). „Unfolgsame Bürgerinnen und Bürger bekommen nun die volle Autorität des Staates zu spüren. Dem Anstifter einer Anti-Lockdown-Demo wurde ein Blitzprozess gemacht: acht Monate Haft. Ein Pärchen, das am Bondi Beach ein Sandwich aß, zahlte 1.000 Dollar pro Kopf: In der Sonne zu sitzen, ist nicht erlaubt. Proteste werden rigoros auseinandergetrieben. Und trotzdem steigen die Delta-Fälle immer weiter“ (ZEIT 30.8.2021). Durch die wirtschaftlichen und sozialen Krise drohte die Selbstmordrate in Australien um 50 Prozent anzusteigen; zehn Prozent der Australier hatten während der zahlreichen Lockdowns Selbstmordgedanken (NatH 7.5.2021, abc.net 24.6.2021).

Als einzige Länder mit einer radikalen NoCovid-Politik verblieben China und Nordkorea. Dort wurden weiterhin ganze Städte komplett abgeriegelt, etwa Shanghai mit 26 Millionen Einwohnern im März/April 2022, und riesige Quarantäne-Lager für Infizierte und ihre Kontaktpersonen errichtet. Wohnungstüren wurden versiegelt, Wohnblöcke mit Zäunen abgeriegelt, und zahlreiche Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen, weil diese desinfiziert werden sollten. Durch den kompletten Lockdown kam die Lebensmittelversorgung ins Stocken, und es gab massenhaft Selbstmorde. Es drohten enorme wirtschaftliche Folgeschäden mit Einkommenseinbußen, Lieferkettenproblemen, Exporteinbrüchen und einer politischen Destabilisierung (Mattheis 28.3.2022, Songpinganq 9.1.2022, Eberhard 7.4.2022, Tucker 11.4.2022, BBC 22.4.2022, Cicero 21.3.2022, Bezahlschranke, StWu 25.4.2022). In der chinesischen Provinz Innere Mongolei waren im Oktober 2021 laut Medienberichten etwa 10.000 Touristen gestrandet, die nicht mehr weiterreisen durften (taz 29.10.2021). Auf Grund massiver Proteste beendete die chinesische Regierung im Januar 2022 die Kontakteinschränkungen und Quarantänemaßnahmen der ZeroCovid-Politik. Erwartungsgenmäß folgte eine massive Welle von Erkältungskrankheiten (tagesschau 14.12.2022).

Ab 1. August 2021 musste für jeden Grenzübertritt in Richtung Deutschland entweder eine Impfung, eine Genesung oder ein negativer Test nachgewiesen werden. Bundespolizei und die bayerische Polizeigewerkschaft hatten eigentlich abgewunken, denn sie würden die Kontrollen nicht leisten können (WELT 28.7.2021, Bezahlschranke). Schweizer Journalisten diagnostizierten einen deutschen „Bürokratie-Wahnsinn“, der ins Leere laufe: Bei 20’000 Kontrollen in den ersten Augusttagen habe es 11 Verstöße gegeben (BLICK 10.8.2021).

Es gab keine Belege dafür, dass Grenzkontrollen irgendeinen Effekt hätten – es handelte sich um reinen Aktionismus, der die Menschen weiter verunsicherte (war vielleicht Verunsicherung und Verwirrung der langfristige Plan, damit die Menschen aufhören, Fragen zu stellen, und schließlich blind folgen?). Ein Artikel in der WELT verwies auf „die Tatsache, dass Reiserückkehrer nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres überhaupt keine bedeutsame Rolle in der Pandemie spielen – und die Politik die Aufmerksamkeit damit auf ein Scheinproblem lenkt“. Zum Zeitpunkt der Einführung der neuen Regelung war die Zahl der gesicherten Auslandsinfektionen sogar gesunken (WELT 30.7.2021, Bezahlschranke). Dessen ungeachtet blieb die Quarantäneregelung für Kinder unter 12 Jahren bestehen, wenn sie aus einem Urlaub im EU-Nachbarland zurückkommen. Sie mussten, wenn sie nicht vollständig geimpft waren, mindestens fünf Tage in Quarantäne (BILD 11.2.2022).

Die Juristin Jessica Hamed stellte einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin gegen die Testpflicht bei Rückreise. Die Verordnung habe nicht nur eine mangelnde Ermächtigungsgrundlage, sondern sei auch ein Verstoß gegen den Schengener Grenzkodex, eine Verletzung des Rechts auf Personenfreizügigkeit und eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Geimpften und Ungeimpften. In vielen Ländern läge auch kein erhöhtes Risiko vor.  Weiterhin würden vor allem Familien mit Kindern belastet, insbesondere jene, die über ein geringes Einkommen verfügen. Das dürfte vermehrt auch Menschen mit Migrationshintergrund treffen, die etwa verreisen, um ihre Familie zu besuchen (Hamed 5.8.2021). Der Eilantrag wurde abgelehnt, weil keine „Eilbedürftigkeit“ vorliege, „da mit der Testpflicht weder körperlich noch finanziell noch zeitlich unzumutbare Nachteile für die Betroffenen einhergehen würden“ (BZ 13.8.2021). Wie so oft bei Klagen gegen Pandemiemaßnahmen war mit einer endgültigen Gerichtsentscheidung in einem realistischen Zeitraum nicht zu rechnen.

Man musste sich das bildlich vor Augen führen: Eine Familie mit halbwüchsigen, ungeimpften Kindern wollte aus dem Italienurlaub nach Hause fahren, und eines ihrer Kinder wurde vor der Heimreise positiv getestet. Die Folgen: Keine Einreise nach Deutschland, 14 Tage Quarantänehotel in Italien, und nach der Rückkehr möglicherweise noch ein Bußgeld wegen Verstoßes gegen die Schulpflicht. Der Publizist Milosz Matuschek diagnostiziert einen Machtexzess ohne Ende, ein „Long Covid“ der Politik (Matuschek 29.7.2021).

WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt sah Deutschland  auf dem Weg in einen autoritären Staat und schrieb: „Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um mit immer größerem Misstrauen auf fallende Tabus zu blicken, die allesamt in einem autoritären Staatsapparat kulminieren… Jeder dieser unbescholtenen Bürger, der sich nach einem harten Jahr mit der Familie einen Urlaub gegönnt hat und nun zum Objekt verdachtsunabhängiger Personenkontrollen werden kann, wird wohl nicht vergessen, dass er von der Politik ähnlich behandelt wird wie Waffenschieber, Terroristen oder Drogendealer. Dieses Land mit seiner düsteren Geschichte im 20. Jahrhundert stellt die eigene freiheitliche Verfasstheit derzeit jeden Tag neu ins Risiko. Auch die vernünftigsten Teile der Mitte werden das so nicht länger hinnehmen wollen“ (WELT 4.8.2021, Bezahlschranke).

Die 3G-Regel: Schlimmer geht immer

Bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 10.8.21 wurden dann deutschlandweit massive Einschränkungen für Ungeimpfte beschlossen.

Ab 23. August 2021 galt eine Testpflicht für Ungeimpfte für die Teilnahme an weiten Teilen des öffentlichen Lebens (Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Innengastronomie, Sport und Freizeit, Beherbergung, Friseure, Veranstaltungen im Innenbereich). Ungeimpfte würde man künftig möglicherweise nicht nur am fehlenden Impfausweis, sondern auch an den langen Haaren erkennen.

Schnelltests verloren nun nach 24 Stunden ihre Gültigkeit und müssen ab 11. Oktober 2021 selber bezahlt werden. Die  Preise lagen bei 20 € für den Schnelltest und bei 80 bis 100 € für einen PCR-Test – ab Dezember 2021 auch für Kinder und Jugendliche (br 7.9.2021). Der Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek sah das Rechtsstaatsprinzip auf den Kopf gestellt: „In der Pandemie wurde der Grundsatz ins Gegenteil verkehrt, wonach der Staat Freiheitseinschränkungen rechtfertigen und die Tatsachen, die zur Rechtfertigung dienen, beweisen muss. Jetzt muss der Bürger beweisen, dass er ungefährlich ist, und ab Oktober auch noch die Kosten für die Beweisführung tragen – in Form eines Corona-Tests“ (BILD 16.9.2021).

Dies war alles aber erst der Anfang, denn „Bund und Länder werden alle Indikatoren, insbesondere die Inzidenz, die Impfquote, und die Zahl der schweren Krankheitsverläufe sowie die resultierende Belastung des Gesundheitswesens genau beobachten und sich auf weitere Maßnahmen verständigen, falls die Anstrengungen beim Impfen und Testen nicht ausreichen, um das weitere Infektionsgeschehen zu kontrollieren“ (NZZ 10.8.2021).

Geimpfte und Genesene (bei ihnen war eine Auffrischimpfung nach 6 Monaten erforderlich) wurden von den Testauflagen und den Quarantänepflichten ausgenommen (BuReg 10.8.2021).

Grundlage der Maßnahmen waren nicht mehr die „Inzidenzen“, sondern die Belegung von Krankenhäusern und Intensivstationen. Nach Matthias Schrappe kam man durch die isolierte Betrachtung der Krankenhausaufnahmen „vom Regen in die Traufe“. Man könne eine Epidemie nicht mit nur einem Messwert steuern (Schrappe 27.8.2021). Eine Überbelegung von Intensivstationen wurde auch nicht wegen COVID-19 wahrscheinlicher, sondern durch die zunehmende Abmeldung von Intensivbetten wegen Personalmangel (Ärztebl Okt 2021). Dadurch waren im Oktober 2021 4500 Intensivbetten weniger betriebsbereit als noch ein Jahr zuvor (WELT 29.10.2021, Bezahlschranke). Dieser Trend setzte sich auch 2022 fort – laut Tim Röhn von der WELT ein „politisches Komplettversagen“ (Röhn 11.12.2022).

Aus medizinischer Sicht war es völlig schleierhaft, warum Genesene nach sechs Monaten nicht mehr genesen sein sollen, war doch bei Ihnen von einem jahrzehntelangen Schutz auszugehen. Die Washington Post schrieb: „Die falsche Hypothese, die natürliche Immunität sei unzuverlässig, hat zum Verlust Tausender amerikanischer Menschenleben [gemeint ist: durch unnötige Verschwendung von Impfstoffen] und zu vermeidbaren Impfkomplikationen geführt und die Glaubwürdigkeit der Gesundheitsbehörden beschädigt“ (WP 15.9.2021).

Augenblicklich traten die Hardliner auf den Plan: Baden-Württemberg kündigte umgehend die sofortige Umsetzung der Verordnung unabhängig von eventuellen Inzidenzen an,  und darüber hinaus eine  PCR-Testpflicht in Clubs und Diskotheken (StN 13.8.2021). Auch die bayerische Regierung setzte wenig später die „3G-Regel“ in Kraft, unabhängig von der Inzidenz und auf unbestimmte Zeit (Merkur 22.8.2021). Am 12.10.2021  wurde das nochmal verschärft, denn nun mussten auch Betreiber, Beschäftigte und Ehrenamtliche, die Kontakt zu Kunden und Besuchern haben, geimpft oder genesen sein, oder zweimal pro Woche einen negativen Test vorweisen (infranken 13.10.2021).

Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, kündigte die „3G-Regel“ für den Präsenzunterricht an Universitäten an, mit Tests, die die Studenten aus eigener Tasche bezahlen müssen. An der Uni Hannover sollten sich 3G-Studenten mit einem farbigen Band kenntlich machen, ebenso wie auch an der Uni Wuppertal (HRK 11.8.2021, Uni-H 17.9.2021, Wtotal 8.10.2021). Ein Student der TH Bingen reichte einen Eilantrag gegen die 3G Regel ein, die Regierung von  Rheinland-Pfalz lehnte jedoch einen Vergleich ab (SWR 12.10.2021, swr 20.10.2021). Im November war dann die Universität Erlangen/Nürnberg Vorreiter und sperrte ungeimpfte Studenten komplett von Vorlesungen und Seminaren aus (BILD 12.11.2021).  Nur einer (!) der Professoren veröffentlichte einen Protestbrief an die Universitätsleitung – Tenor:Die FAU hat einen Lehrauftrag für alle Studenten und das bedeutet: Gleiche Bedingungen und Chancen für alle (Unruh 14.11.2021). Nach einer Umfrage waren an dieser Universität nahezu 90 Prozent der Studenten geimpft oder genesen. Der Rest sollte mit einem „besonderen Beratungsangebot“ überzeugt werden (FAU 9.9.2021).

Die Bundesregierung stellte sich schon im Sommer 2021 das 3G-Modell auch für Züge und Inlandsflüge vor. Das Kanzleramt beauftragte Verkehrsminister Andreas Scheuer, einen Erlass zu erstellen – ein Ansinnen, das sofort viele Kritiker auf den Plan rief: „Stellen Sie sich das mal vor: Millionen Pendler an den großen Bahnhöfen müssten morgens, bevor sie in den Zug einsteigen, gefragt werden, ob sie getestet, genesen oder geimpft sind“ (WELT 27.7.2021, BILD 27.8.2021). Eine regierungsinterne Prüfung ergab, dass eine 3G-Regel in Fernverkehrszügen und im öffentlichen Nahverkehr nicht praktikabel und unverhältnismäßig sei (WELT 15.1.2021).

Auch immer mehr Arztpraxen machen mit bei der Diskriminierung Ungeimpfter und beriefen sich dabei auf das „Hausrecht“. Nach Ansicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung war dies rechtswidrig: „Ärzte können eine Behandlung nicht von der Einhaltung der 3G-Regel abhängig machen“ (br 5.10.2021). Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg empfand Impfverweigerung als frech und
gesellschaftliche inakzeptabel“ und wollte
sich „im politischen Raum weiter dafür einsetzen, dass 2G/3G-Regeln – abgesehen von Notfällen – auch in den Praxen der Ärzte und Psychotherapeuten gelten dürfen, sollen“ (KVBW 11.11.2021).

Die WELT schrieb am Tag nach der Ministerpräsidentenkonferenz vom 10. August 2021: Angela Merkel arbeitet weiterhin im Hochrisiko-Modus, wie die jüngsten Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern zeigen. Dabei ist es höchste Zeit, den Ausnahmezustand zu verlassen… Es sieht so aus, als habe sie sich eingegraben im Ausnahmezustand“ (WELT 11.8.2021, Bezahlschranke).

Sarah Wagenknecht nannte den Druck, der auf Ungeimpfte ausgeübt wird, „unsäglich“ (BZ 19.8.2021).

Die 2G-Regel: Noch schlimmer geht auch immer

Markus Söder, notorischer Hardliner, kündigte Anfang August 2021 an, Ungeimpfte möglicherweise mit einer so genannten „2G-Regel“ komplett aus bestimmten gesellschaftlichen Bereichen ausschließen – ein Vorhaben, das die Bundesjustizministerin zunächst für verfassungswidrig hielt (tagesschau 10.8.2021, StZ 23.8.2021). Auch Jens Spahn schlug pauschale Einschränkungen für ungeimpfte Personen, etwa grundsätzliche Kontaktbeschränkungen und einen Ausschluss von Veranstaltungen und der Gastronomie vor, selbst mit negativem Test.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags bewertete es kritisch, nichtgeimpfte Bürgerinnen und Bürger dauerhaft zu sanktionieren, das stelle „an sich einen schwerwiegenden Eingriff in ihre allgemeine Handlungsfreiheit dar“. Es werde ihnen „in erheblichem Maße erschwert, am sozialen und kulturellen Leben teilzunehmen“ (heise 27.8.2021, WD 17.8.2021).

Genau das war aber gerade die Absicht. Veranstalter und Privatwirtschaft wurden mehr und mehr von der Politik aufgerufen, Ungeimpfte auszuschließen, auch wenn sie negativ getestet waren. Jens Spahn etwa sagte: „2G wird in viele Bereichen ohne staatlichen Eingriff kommen. Und zwar, weil Veranstalter und Gastronomen von Ihrem Hausrecht Gebrauch machen“ (wa 24.8.2021).

Von wegen ohne staatlichen Eingriff: „2G“ wurde durch wirtschaftliche Anreize kräftig gepusht (Focus 26.8.2021). So beschloss der rot-grüne Hamburger Senat am 24. August 2021, dass Ungeimpfte aus Restaurants und Publikumseinrichtungen ausgeschlossen werden dürfen; dies gilt auch für Schwangere, für über 12-Jährige und für Menschen mit Impfbefreiung – ein klarer Fall für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Im Gegenzug entfielen Beschränkungen wie Abstandsvorgaben, Sperrstunde, Testpflicht oder Tanzverbot (ndr 24.8.2021).

Ungeimpfte Hamburger, auch Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren, wurden also von Anbietern, die das 2G-Modell wählen, ausgeschlossen. Sie durften beispielsweise nicht mehr Schwimmbäder, Sporthallen, Museen, Ausstellungen, Konzerte, Theater, Freizeiteinrichtungen, Restaurants und Cafés besuchen – ein verfassungswidriger Ausschluss von der gesellschaftlichen Teilhabe und eine Impfpflicht durch die Hintertür (IniFam 25.8.2021). Anfang Januar 2022 ging der Hamburger Senat noch weiter und beschloss eine „2G plus“-Regel für Gastronomie, Kultur und Sport in Innenräumen. Ausgenommen von der Testpflicht für Geimpfte und Genesene seien Personen, „die eine Auffrischungsimpfung haben“ (WELT 4.1.2021).

In Berliner Clubs und Diskos galt diese Regel schon seit 20. August 2021 (Suliak 20.8.2021). Der rot-rot-grüne Berliner Senat beschloss am 13. September 2021, dass auch Restaurants, Zoos, Sportstätten und Freizeitangebote entscheiden dürfen, ob sie nur noch geimpfte und genesene Menschen einlassen. Da dadurch ungeimpfte Kinder ausgeschlossen waren, kam es zu einem Proteststurm, dem der Senat schließlich nachgab (tagesspiegel 15.9.2021). Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten warnte vor Arbeitsplatzverlusten und Klagen vor den Arbeitsgerichten (Presseportal 27.8.2021). In Hessen beschloss das Corona-Kabinett, dass alle Einzelhändler, auch Supermärkte wählen durften, ob sie nach der 2G-Regel nur noch Corona-Geimpfte und Genesene in ihre Läden einlassen (FNP 13.10.2021, mdr 14.10.2121).

Norbert Häring veröffentlichte auf seiner Website ein Protestplakat zum Download „für Wirte und Andere, die widerstrebend 2G oder 3G anwenden“.

Schließlich wurde die 2G-Regel politisches Programm und durch die Ministerpräsidentenkonferenz vom 18.11. ab einem Wert der „Krankenhausampel“ ein Automatismus. Die Vorgeschichte und die damals schon bekannten Gegenargumente sind auf Twitter nachzulesen (stefanie 9.11.2022):

„2G“ für Ungeimpfte bedeutete

  • den Ausschluss von der sozialen Teilhabe, auch von Kindern und Jugendlichen
  • das Verbot, Angehörige im Krankenhaus oder Altenheim zu besuchen.
  • das Verbot für Eltern, die Betreuungseinrichtung ihrer Kinder etwa für die „EIngewöhnung“ zu betreten 

Markus Söder hatte schon länger „2G“ flächendeckend für ganz Deutschland gefordert (Bild 8.11.2021). Am 8.11. verkündete er die 2G-Regel für 12- bis 17-Jährige, also den Ausschluss von Kindern und Jugendlichen vom gesellschaftlichen Leben, einen „Freizeit-Lockdown“ (Nordbayern 17.11.2021, IniF 10.11.2021). Er nahm dies auf Druck von Eltern und anderen Parteien zwar teilweise wieder zurück, aber nur für „mitwirkende“ Kinder, nicht etwa für Kino, Stadion, Museen oder Theater. Der komplette Kultur- und Freizeit-Lockdown wurde auf Anfang 2022 verschoben, wohl um den Eltern Zeit für die Impfung zu geben. Danach sollen in Bayern die Kinderrechte endgültig eingestampft werden (br 9.11.2021, merkur 10.11.2021). STIKO-Mitglied Rüdiger von Kries hatte Recht: Kinder und Jugendliche mussten nicht vor COVID, sondern vor der Politik beschützt werden (BZ 10.11.2021).

Am 11. Januar 2021 gab Markus Söder klein bei: Die Ausnahmeregel von 2G für ungeimpfte, aber in der Schule getestete Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren wurde verlängert. Sie durften dauerhaft in die Gastronomie und in Hotels sowie Sport treiben und musizieren, auch wenn dort für Erwachsenen die 2G-Regel galt. Kinder unter 14 Jahren waren von 2G und 2G plus grundsätzlich ausgenommen (br 11.1.2022).

In Bayern wurde am 31.8. eine „Krankenhausampel“ eingeführt: Sprang sie auf „Gelb“ (Aufnahme von >1200 COVID19-Patienten in 7 Tagen), dann galt de facto 2G, denn statt der Schnelltests wurden  – außer an den Schulen – nur noch PCR-Tests akzeptiert (bayern.de 31.8.2021). Sprang sie auf „rot“ (>600 COVID19-Patienten auf den Intensivstationen) wie in der zweiten Novemberwoche 2021, dann galt die 2G-Regel für die meisten Kultur-, Freizeit- und Sportangebote sowie für die Innenbereiche der Gastronomie und auf Beherbergungsbetriebe (br 12.11.2021). Die Maßnahmen wurden zwar alle mit zunehmender Bettenbelegung nach und nach eingeführt, als die „Ampel“ aber wieder rückwärts lief, wurden sie nicht wieder aufgehoben, sondern die „Ampel“ wurde abgeschafft (krankenhausampel.bayern).

In Baden-Württemberg wurde ein kompletter „Lockdown für Ungeimpfte“ beschlossen: Kontakt- und Zugangsbeschränkungen, evtl. sogar Ausgangsbeschränkungen, wenn 200 bis 300 Intensivbetten belegt waren. Ungeimpfte erhielten dann Zugang nur noch zu Läden der Grundversorgung, wie Tankstellen, Supermärkte und Bäckereien. Sie durften keine Kleidung mehr kaufen, nicht mehr zum Friseur gehen und keine Kulturveranstaltungen mehr besuchen. Die Begründung zeugte von wenig vorausschauender Gesundheitspolitik ausgerechnet während einer Pandemie: Es drohten „Kündigungen, eine hohe Personalfluktuation und niedrigere Kapazitäten durch die Auflösung von Intensiv-Pflegeteams“ (FAZ 28.8.2021). Zum Zeitpunkt dieser Meldung lagen 100 testpositive Patienten auf den Intensivstationen in BaWü, Damit waren 4,4% der vorhandenen Intensivbetten belegt. Im Winter 2020/21 waren teilweise 600 testpositive Intensivpatienten versorgt worden. Die Begründung ging aber noch einen Schritt weiter und machte das ungeimpfte Pflegepersonal für die Misere verantwortlich: „Hinzu kommen Motivationsprobleme der Intensivpfleger und Intensivpflegerinnen: Dass unter den Intensivpatienten jetzt einige sind, die eine Impfung bewusst verweigert haben, demotiviert die Mitarbeiter der Intensivstationen“. Der Handel in Baden-Württemberg warnte schon im Vorfeld vor „fatalen Konsequenzen“ aus einer möglichen neuen Corona-Verordnung für Ungeimpfte (buin 9.9.2021). 

Im Corona-Herbst 2021 war die menschenverachtende 2G-Regel zu einer „ganz normalen Idee“ herangereift (br 21.10.2021), die von zahlreichen  Menschen freiwillig, bewusst und aktiv stillschweigend mitgetragen wurde. „Ein ganzes Land verwehrt gesunden Menschen den Zugang zum öffentlichen Leben. Diskriminierung heißt nun 2G – selbstverständlich freiwillig – aber alle machen mit. In einem Land mit derartiger Geschichte eine beängstigende Entwicklung“, schrieb eine anonyme „Führungskraft mit Herz“ (FmH 2.11.2021).

Angela Merkel und Jens Spahn drohten Ungeimpften sogar mit Einschränkungen, die über das 2G-Modell hinausgingen (n-tv 2.11.2021). Man hatte gar nicht genug Phantasie, sich noch Steigerungen auszudenken. Am 12.11. forderte Jens Spahn für alle Veranstaltungen eine „2G-plus-Regel“: Geimpfte und Genesene sollten nur noch mit Test hineindürfen, Ungeimpfte müssten draußen bleiben (rnd 12.11.2021). Die Logik dieser Maßnahme konnte sich nur Zwangsneurotikern erschließen. Da trafen sich dann massenhaft Geimpfte, die ungetestet und möglicherweise ansteckend waren.

Der Virologe Alexander Kekulé stellte die 2G-Regel grundsätzlich in Frage: Auch Geimpfte könnten Überträger des Virus sein, und so könnte eine Infektionswelle unter Geimpften „wie ein Tarnkappen-Bomber durch die Bevölkerung rauschen“. Zudem würden Ungeimpfte und Geimpfte außerhalb der Gaststätten ohnehin aufeinandertreffen. Er hielt es auch für nicht stimmig, dass Genesene sich nach sechs Monaten impfen lassen müssen (Merkur 4.9.2021). Im November 2021 bekräftigte er: „Vor allem das sogenannte 2G-Modell ist ja Teil des Problems. Geimpfte und Genesene glauben, sie wären sicher, weil man ihnen das bis vor Kurzem so gesagt hat. Aber auch sie infizieren sich zu einem erheblichen Teil. Dadurch haben wir jetzt diese massive Welle unter den Geimpften” (WELT 24.11.2021, Bezahlschranke).

Auch der Drosten-Vorgänger Detlev Krüger bezweifelte, dass die 2G-Regelung eine Verbesserung darstellt. „Im Endeffekt bedeutet 2G nur mehr Unfreiheit, ohne mehr Sicherheit zu bieten“ (BILD 8.11.2021). Ähnlich äußerte sich Jonas Schmidt-Chanasit: Maximale Sicherheit gebe es nur mit 1G, das heißt mit kostenlosen Tests für Geimpfte und Ungeimpfte (BZ 6.11.2021). „Wer einen negativen Schnelltest hat, ist nicht infektiös und keine Gefahr für andere. Damit entfällt jede medizinische Notwendigkeit, negativ Getestete vom öffentlichen Leben auszuschließen. Unabhängig vom Impf- oder Boosterstatus“, so Klaus-Dieter Zastrow  (BILD 3.2.2022).

Cyrille Cohen, Leiter der Immunologie an der Bar-Ilan-Universität in Israel und Mitglied des Beratungsausschusses für Impfstoffe der israelischen Regierung, hielt das Instrument des Grünen Passes/Impfpasses in der Omikron-Ära für nicht mehr relevant und forderte, es sollte abgeschafft werden. Er rechnete damit, dass dies in Israel in Kürze der Fall sein würde (unherd 18.1.2022). Andere Berater sagten, die Infektion werde weder verlangsamt noch gestoppt, wenn für das Betreten von Räumen ein Grüner Pass verlangt wird. PCR-Tests seien künftg nur noch für Risikogruppen vorgesehen, etwa für Senioren oder für Menschen mit einer Vorerkrankung. Der Staat gebe einen Teil der Verantwortung für das Management der Gesundheitskrise an die Bürger zurück. Die Regierung wolle künftig keinen Druck zum Impfen mehr ausüben (handelsblatt 29.1.2022).

Hendrik Streeck war der Meinung, ein Ausschluss von Getesteten durch eine „2G-Regel“ sei wissenschaftlich nicht zu begründen: „Es suggeriert, dass von einem Getesteten mehr Risiko ausgeht als von einem Geimpften oder Genesenen – und das ist wissenschaftlich nicht belegt. Man könnte auch andersherum argumentieren“ (WAZ 1.9.2021). Der neuen Osnabrücker Zeitung sagte er: „Es ist doch nicht so, dass Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind, nur noch frustriert alleine zu Hause sitzen und kein soziales Leben mehr haben“. 2G sei „weder sozial noch medizinisch sinnvoll“ (swp 8.9.2021).

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier warnte vor einer weiteren Aushöhlung fundamentaler Grundrechte und sah bei der unterschiedlichen Behandlung von Geimpften und Nichtgeimpften gefährliche Tendenzen: „Solange unklar ist, ob geimpfte Personen weiter ansteckend sind, ist eine Aufhebung oder eine Lockerung der Beschränkungen speziell für geimpfte Personen nicht angezeigt“ (Focus 20.9.2021).

Der Staatsrechtler Dietrich Murwiek diagnostizierte in einem Rechtsgutachten die Verfassungswidrigkeit  des indirekten Impfzwangs durch 2G- und 3G-Regeln, insbesondere 3G mit kostenpflichtigem Test, durch Benachteiligung bei Quarantänepflichten sowie durch Vorenthalten der Verdienstausfallentschädigung für Ungeimpfte:Alle Benachteiligungen der Ungeimpften durch die 2G- und 3G-Regeln sowie durch die Vorenthaltung einer Quarantäneentschädigung lassen sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen und müssen sofort aufgehoben werden“ (Murswiek 4.10.2021). Baden-Württemberg führte noch im Herbst 2022 die finanzielle Diskriminierung weiter und gewährte nur noch dreifach Geimpften eine Entschädigung bei erzwungener Isolation (BW 30.9.2022). Erst im September 2022 kam es zu einem ersten Urteil eines Verwaltungsgerichs, nach dem auch Ungeimpfte im Fall einer Quarantäne Anspruch auf Lohnfortzahlung haben (justiz.nrw 19.9.2022).

Der Freiburger Philosoph und Medizinethiker Giovanni Maio sprach von Erpressung und einer bedenklichen Polarisierung zwischen Geimpften und Nichtgeimpften, die den sozialen Frieden gefährdet (BaZ 22.9.2021).

Der Jurist und Rechtsphilosoph Jörg Benedikt erklärte alle Maßnahmen, mit denen das Leben der Ungeimpften eingeschränkt wird, schlichtweg für verfassungswidrig. Das Narrativ der „Pandemie der Ungeimpften“ sei durch die massiven COVID-19-Ausbrüche unter mehrmals Geimpften widerlegt, und seit Omikron seien umgekehrt die Geimpften und Geboosterten die Treiber der Pandemie. Das Ende aller allein am Impfstatus orientierter Ausgrenzungen sei überfällig,.denn „wo die Gleichheit, die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht, bei der Setzung positiven Rechts verleugnet wird, da ist das Gesetz nicht etwa nur ‚unrichtiges Recht‘, vielmehr entbehrt es überhaupt der Rechtsnatur“ (Benedikt 17.2.2022).

Nach Ulrike Guérot raste das politisches System mit der Zielsetzung einer „2G“-Gesellschaft „wie eine Seifenkiste auf immer undemokratischeren Boden“ (WELT 13.8.2021, Bezahlschranke).

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hob am 16. Dezember 2021 die 2G-Regel in Niedersachsen auf: Die Maßnahme sei nicht notwendig und auch nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar (NDR 16.12.2021). Auch in Baden-Württemberg kam es zu Urteilen gegen 2G: Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim kippte die 2G-Regel an Hochschulen und im Einzelhandel in Baden-Württemberg (BZ 21.1.2022, WELT 25.1.2022).

Ebenso in Bayern: hier erklärte der Verwaltungsgerichtshof die 2G-Regel für Spielzeugläden und Bekleidungsgeschäfte für nichtig: „Bekleidungsgeschäfte dienen dem täglichen Bedarf und fallen nicht unter die derzeitige 2G-Regelung“. Drei Wochen lang hatten die Geschäfte Geimpfte ausgesperrt. Wahrscheinlich hatte die Regierung den genauen Geltungsbereich ihrer sowieso bizarren Corona-Regeln bewusst vernebelt. Zum Schaden der Ladenbetreiber: Die Kundenfrequenz war um fast die Hälfte eingebrochen, die Umsätze im wichtigen Weihnachtsgeschäft um 30 bis 40 Prozent zurückgegangen (BZ 29.12.2021, WELT 30.12.2021). Am 19.1.2022 kippte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die 2G-Regel im bayerischen Einzelhandel (br 19.1.2022).

Die Regensburger Juristin und Rechtsphilosophin Katrin Gierhake schrieb: „Durch eine unfreiwillige, weil „indirekt erzwungene“ Impfung sind unmittelbar zwei Grundrechte betroffen: Das Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG… Da sich beim Bundesgesundheitsministerium der Hinweis findet, dass es keine staatliche Impfpflicht geben werde und die Impfung freiwillig sei, handelt es sich um widersprüchliches politisches Verhalten, wenn der Druck auf die Bürger bis zur Unerträglichkeit erhöht wird, die sich gegen eine Impfung entscheiden. Es ist dabei im Übrigen rechtlich vollkommen unerheblich, aus welchen Gründen sie sich nicht impfen lassen“ (rdig 20.9.2021).

Eine verhaltenswissenschaftliche Studie aus Deutschland belegt die fatalen Folgen des Impfdrucks: Auf der einen Seite kam es zu zunehmendem Widerstand gegen die Impfung und sogar gegen Impfungen allgemein, auf der anderen Seite zu einer Überhöhung des eigenen Impfstatus als Gruppenidentität. So wurde diskriminierendes Verhalten von Seiten der Geimpften gefördert mit der Folge einer gesellschaftlichen Spaltung (nature 3.11.2022).

Dänische und ungarische Forscher fanden bei geimpften Menschen diskriminierende Einstellungen gegenüber ungeimpften Menschen, die genauso stark waren wie die diskriminierenden Einstellungen, unter denen übliche Zielgruppen wie Einwanderer und Minderheiten leiden. Im Gegensatz dazu fanden sie keine Belege dafür, dass ungeimpfte Personen diskriminierende Einstellungen gegenüber geimpften Personen zeigten (Bor 8.12.2022).

Der Verein „Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung“ rief dazu auf, Gesicht zu zeigen gegen 2G (ÄiiE 7.9.2021): „Schreiben Sie, warum Sie finden, dass 2G gar nicht geht – in einem Satz, kurz oder länger (maximal etwa 30 Wörter) und senden Sie diesen Text zusammen mit einem Foto von Ihnen an hallo@2ggehtgarnicht.de. Galerie der Zuschriften auf: https://www.individuelle-impfentscheidung.de/2ggehtgarnicht-statements.“

Eine Initiative von Unternehmern sagte „NEIN“ zur Aussetzung der Lohnfortzahlung: Unternehmer mit Herz.

Der US-amerikanische Sozialphilosoph Jeffrey A. Tucker nannte die weltweit zunehmenden Arbeitsverbote für Ungeimpfte „Säuberung“ („purge“ ): „Die politische Säuberung der Institutionen ist Teil eines größeren Strebens nach Reinheit in unserer Gesellschaft. Manche haben es den neuen Puritanismus genannt. Der Begriff passt. Es geht darum, das Reine vom Unreinen zu trennen, definiert durch die jeweilige Priorität (biologisch, moralisch, politisch). Was als Bestreben nach einer Nation ohne Krankheitserreger begann, entwickelte sich zu einer Stigmatisierung der Kranken und dann zur Forderung nach einer universellen Impfung, obwohl nichts davon Sinn macht: Die Impfung schützt weder vor einer Infektion noch vor der Verbreitung von Krankheiten“ (Tucker 28.9.2021).

Es wurde einfach weiterverordnet, als hätte es keine neuen Erkenntnisse gegeben, etwa zur Fehlerhaftigkeit der Tests, zur Fragwürdigkeit der „Inzidenz“-Berechnung, zur Ansteckung durch Geimpfte, zur nachlassenden Wirkung der Impfung (LZ 10.8.2021) und zu ihrer Nutzlosigkeit in puncto Herdenschutz, sowie zur weitgehenden Harmlosigkeit von COVID-19 bei der jüngeren Bevölkerung (Schreyer 11.8.2021).

Juristisch dringend klärungsbedürftig waren alle Grundrechtseingriffe, die mit willkürlich definierten „Inzidenz“-Schwellen begründet werden, errechnet aus fragwürdigen Tests im Rahmen einer fragwürdigen Teststrategie. Es war ein unverzeihlicher Fauxpas des Gesetzgebers – des Bundestages – „Inzidenzwerte“ mit daraus folgenden weitreichenden Grundrechtseingriffen („Schutzmaßnahmen“) in ein Gesetz zu schreiben – ohne Rücksicht darauf, dass diese Werte in erster Linie von der Zahl der Testungen abhingen (IfSG §28a).

Den Wert von 50 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner und Woche kommentierte Matthias Schrappe als „vollständig inhaltsleer. Wir würden keine Bachelor-Arbeit mit einem solchen Ansatz akzeptieren“ (Schrappe 8.9.2020). Der Verfassungsjurist Oliver Lepsius nannte den Wert von 50 aus juristischer Sicht „hinfällig“ (WDR 7.10.2020). Norbert Häring wies darauf hin, dass es sich, wenn die Erreger sich nicht ansiedeln und vermehren, nicht um Infektionen handelt,  sondern um Kontaminationen: „In den allermeisten Fällen werden diese Menschen keine Symptome haben, weil das Virus nicht in Körperzellen eindringen und sich dort nicht hinreichend vermehren konnte, um Symptome zu verursachen und den Wirt infektiös werden zu lassen“ (Häring 26.9.2021).

Ende August 2021 beschloss die Bundesregierung, den „Inzidenzwert“ 50 als zentrales Kriterium für Pandemie-Schutzmaßnahmen fallenzulassen. Stattdessen sollte die Hospitalisierungsrate wichtigster Indikator für die Belastung des Gesundheitssystems werden  (WELT 23.8.2021). Diese Rate war jedoch stark fehleranfällig, da die Meldekriterien schlecht definiert waren und die Krankenhäuser auch Patienten meldeten, die nur zufällig einen positiven Coronatest haben. Das wurde schließlich mit hohen Prämien –  7800 Euro und mehr für jeden regulären Patienten – belohnt (Frank 7.12.2021). Solche Patienten machten vermutlich etwa die Hälfte der Meldezahlen aus (WELT 25.12.2021, Bezahlschranke; BILD 27.12.2021, Bezahlschranke). Von Redakteuren der WELT wurde eine diesbezügliche Grafik für einige Bundesländer veröffentlicht (WELT 27.12.2021)

Ein Ende der Maßnahmen und ihrer möglichen Eskalation war außer Sicht geraten. Jens Spahn forderte im August 2021, weiter durchzuhalten, zunächst „bis zum Frühjahr“, derweil in anderen europäischen Ländern die Maßnahmen nach und nach fielen (BILD 13.8.2021). In Schweden etwa waren schon seit September 2021 alle Maßnahmen aufgehoben – trotz niedrigerer Impfquote als Deutschland (tagesschau 29.9.2021). Auch Ungarn, Rumänien und Bulgarien  waren maßnahmenfrei. In Spanien gab es kaum noch Einschränkungen, nachdem das höchste Gericht den Covid-Impfpass als illegal eingestuft hatte, weil er zu einer Spaltung der Bevölkerung führe (WELT 1.9.2021, Bezahlschranke).

Nach Ansicht des Mainzer Juristen Rolf Merk hatte sich der Rechtsstaat nicht dafür zu interessieren, ob eine Person geimpft oder nicht geimpft ist – sondern allein dafür, ob sie gefährlich für andere ist oder nicht. Geimpfte zu privilegieren war seiner Ansicht nach rechtswidrig – auch für sie müsste die Testpflicht gelten : „Übertragen aber auch Geimpfte in relevanter Weise das Virus, so fällt der Grund für ihre Bevorzugung weg“ (Merk 23.8.2021). Nur gab es kein Verfassungsgericht, das dafür sorgte, dass sich das änderte.

Auf die Frage von Wolfgang Kubicki, ob die Bundesregierung im Hinblick auf den derzeitigen Stand der Impfungen davon ausgehe, dass das Gesundheitssystem in absehbarer Zeit überlastet wird, antwortete das Bundesgesundheitsministerium: „Eine Überlastung kann mit Blick auf das weiterhin andauernde pandemische Geschehen und der noch zu großen Zahl an ungeimpften Personen in Deutschland nicht in jedem denkbaren Szenario ausgeschlossen werden“ (BMG 11.8.2021). Kubicki kommentiert in der WELT: „Die Bundesregierung verlässt den Rahmen, den sie selbst hat schreiben lassen“ (WELT 12.8.2021, Bezahlschranke).

Kein Wunder: Es fehlte in vieler Hinsicht die Zahlenbasis. Der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Gabriel Felbermayer kritisierte die unzuverlässigen Corona-Statistiken der Bundesregierung. Seiner Ansicht nach war eine systematische Datenerhebung politisch nicht gewollt: „… vielleicht gab es sogar die Sorge, dass bei solchen repräsentativen Tests zu Pandemiebeginn relativ niedrige Infektionszahlen herauskommen könnten … Ich bezweifle stark, dass die verantwortlichen Politiker Interesse daran haben, so kurz vor der Wahl ein komplettes Datenbild zu erheben. Dann kommen am Ende Informationen heraus, die man nicht kontrollieren kann oder die vielleicht sogar Politikversagen belegen könnten“  (SPIEGEL 17,8.2021, Bezahlschranke, BILD 19.8.2021).

Dies bestätigte auch Gerd Antes, der die Bundesregierung bei der Datenerhebung auf der Seite der „Vollversager“ sah und dahinter Machenschaften vermutete: „Eigentlich müsste man tatsächlich davon ausgehen, dass in einer solchen Situation alle mit vereinten Kräften an einem Strang ziehen. Wenn das aber dennoch nicht geschieht, so hat das ganz sicher auch etwas mit Interessenskonflikten und verdeckten Agenden zu tun“ (Cicero 3.9.2021).

Der Cicero konstatierte zum  Jahresende 2021: Epidemiologen und Statistiker beklagen inzwischen ein Datenchaos,aufgrund dessen ein professionelles Pandemie-Management gar nicht möglich ist. Es fehlt angrundlegenden Informationen. Zur Verbreitung des Virus. Zur Impfquote. Zur Zahl der Genesenen. ZurFrage, wie gut die Impfung vor Ansteckung, Übertragung und einem schweren Verlauf von Covid-19schützt.Die Folgen sind fatal. Noch immer haben Mediziner und Politiker die Pandemie nicht im Griff. Immerschärfere Maßnahmen – überwiegend gegen Ungeimpfte – sollen der Krise Einhalt gebieten. Dochdiese treiben vor allem die Spaltung der Gesellschaft voran“ (Cicero 29.12.2021, Bezahlschranke).

Im Januar 2022 legte Gerd Antes in einem Interview mit t-online noch einmal nach: Wir haben nach wie vor keinen Überblick über die Gesamtlage – und wir wissen nach wie vor nicht, wo genau eigentlich Übertragungen stattfinden. (…) …hier bräuchte es dringend Studien dazu, welche Maßnahme überhaupt geholfen haben. Waren geschlossene Schulen der ausschlaggebende Faktor? War es die geschlossene Gastronomie, die für eine Reduktion der Infektionszahlen gesorgt hat? Oder die Kontaktbeschränkungen im Privaten? Man kann das ermitteln – es wird in Deutschland jedoch auf sträfliche Weise vernachlässigt. Mich stört die völlige Kritiklosigkeit angesichts des inkompetenten Verhaltens, das seit eineinhalb Jahren bei Politik und Behörden festzustellen ist. Wer sich dieser Kritiklosigkeit nicht anschließt, gerät schnell ins Fadenkreuz von Moralisten, die ihre eigenen Bewertungen zum Maßstab aller Dinge machen. Es gibt eine Asymmetrie in der öffentlichen Diskussion, eine zunehmende Lagerbildung“ (t-online 6.1.2022).

Es schien nur noch um Macht, finanzielle Interessen und um die Durchsetzung des Dogmas zu gehen: Soviel Impfstoff wie möglich in die Bevölkerung einzubringen (Scholz: „Ich möchte, dass wir alle zusammen in Deutschland 30 Millionen Impfdosen bis Jahresende in die Oberarme kriegen, als erste Impfung, als zweite Impfung und als Boosterimpfung“; SPD 26.12.2021). Wer nicht mitmachte, wurde als unsolidarisch, unpatriotisch, als eine Art „Volksfeind“ verunglimpft, massiv unter Druck gesetzt und medial geschlachtet..

„Ohne Impfen keine Freiheit“ (Söder, 12.7.2021)

„Wir impfen Deutschland zurück in die Freiheit“ (Jens Spahn, zdf 23.8.2021)

„Impfen ist ein patriotischer Akt“ (Jens Spahn, BMG 5.8.2021)

„… weil eben Geimpfte und Ungeimpfte Personen nicht gleich sind“  (Tobias Hans, CDU, zdf 29.9.2021 Min. )

Das war Vokabular aus der Mottenkiste totalitärer Systeme. Die Ampelkoalition transformierte diese verbalen Diskriminierungen in die Neuauflage des Infektionsschutzgesetzes, die einen gezielten Lockdown für Ungeimpfte ermöglicht (tagesthemen 15.11.2021). In Österreich gab es ab 15. November 2021 dazu schon mal einen Probelauf, um zu sehen, ob die Menschen das mit sich machen lassen (ARD 14.11.2021).

Im November 2021 deutete Jens Spahn dann an, die 2G-Regel könnte längere Zeit auf fast alle Lebensbereiche angewendet bleiben, etwa mit der Ansage:

Stellt Euch darauf ein, 2G, geimpft oder genesen, und zwar auffrischgeimpft dann ab einem Punkt x, gilt mindestens mal das ganze Jahr 2022.Wenn Du irgendwie mehr tun willst als Dein Rathaus oder Deinen Supermarkt besuchen, dann musst Du geimpft sein (Jens Spahn n-tv 27.11.2021).

Ich möchte den Lesern den diesbezüglichen Kommentar von Artur Aschmoneit nicht vorenthalten: „Lieber Jens“, 29.112021

Für viele bedeuteten die Maßnahmen gegen Ungeimpfte eine Neuauflage der Apartheit, eine Zweiklassengesellschaft. Für die Geschichtsbücher der Zukunft wurden auch schon Fälle von klassischer Segregation dokumentiert (Nordkurier 7.9.2021). Die Kassenärztliche Vereinigung Berlins forderte am 23. November 2021, Ungeimpfte sollten an den Behandlungskosten beteiligt werden, wenn sie erkranken. In einem offenen Protestbrief forderten 50 Gesundheitsarbeiter, diese Forderung zurückzunehmen.Das bewusste Fördern von Angst und das Ausüben von Druck sei ärztlich unethisch. Das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenkassen schließe eine Benachteiligung aufgrund individuellen Verhaltens aus guten Gründen aus (Corodok 12.12.2021).

Der österreichische Autor Jan David Zimmermann schrieb in seinem Essay Raum und Ausgrenzung: Immer, wenn es in Gesellschaften zur Zunahme einer Diskriminierung einzelner Bevölkerungsgruppen kam, haben jene, die an der Macht waren (und die politische, mediale Hegemonie besitzen), als wesentliche Eskalationsstufe begonnen, den Raum für diese Gruppen umzuordnen, abzustecken, einzuschränken oder für manche Räume gänzliche Zutrittsverbote zu erteilen.(…) Ein weiterer Schritt der Diskriminierung ist, dass eine emotionale Abtrennung der Gruppen vollzogen wird: Stets wird versucht, die eine Gruppe (moralisch, sozial, „rassisch“, kognitiv usw.) überlegener als die andere zu konstruieren. Banal heruntergebrochen: Die einen sind besser, die anderen sind schlechter. Dadurch werden die Guten belohnt (dies dann oft in tatsächlicher Weise) und fühlen sich ab einem gewissen Zeitpunkt auch besser, überlegener, moralischer (…) Ein weiterer Mechanismus der Diskriminierung ist, dass problematische Gruppierungen (im Fall von Corona: tatsächliche Verschwörungstheoretiker, Rechtsextremisten und andere Radikale) die jedoch nur einen kleinen Teil darstellen, auf das gesamte Spektrum der Diskriminierten übertragen werden. (…) Durch Medien, Politik und Personen des öffentlichen Lebens wird das Framing mithilfe stetem Thematisierens wie ein geschürtes Feuer am Leben erhalten und eine alternative Realität entwickelt. Ab einem gewissen Zeitpunkt werden Ursache und Wirkung vertauscht und Eskalation vonseiten der unterdrückten Gruppe wird als Beweis für die Notwendigkeit ihrer Unterdrückung gesehen“ (Zimmermann 13.12.2021).

Der Wissenschaftsjournalist Norbert Häring rief alle Geimpften auf, „sich der Ausgrenzung und Schikane von Menschen zu widersetzen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, bisher nicht haben impfen lassen. Gehen Sie nach Möglichkeit nicht in Bars, Gaststätten, Cafés oder zu Veranstaltungen, die Ungeimpfte nicht zulassen“ (Häring 8.9.2021). In den sozialen Medien kündigten Geimpfte an, Situationen mit Testpflicht künftig zu meiden – ein böses Omen für Gastronomie und Kultur, wie die Entwicklung in Frankreich und Italien zeigte (Focus 14.8.2021), aber auch ein hohes Risiko für die politische Zukunft der Regierenden: Covid-Impfskeptiker sind nach der US-amerikanischen MIT-Studie in der Regel sehr gut informiert, gesellschaftlich hochkompetent und wissenschaftlich gebildet (SchV 9.8.2021).

In Österreich war die Segregation schon weiter fortgeschritten: Ungeimpfte mussten beim Einkaufen eine FFP2-Maske tragen, Geimpfte dagegen brauchten das nicht (euronews 8.9.2021). Nach dem Stufenplan der Regierung durften Ungeimpfte nicht mehr ohne triftigen Grund auf die Straße, wenn mehr als 600 Intensivbetten von Coronapatienten belegt waren (Ärztebl. 25.10.2021). Der Präsident der österreichischen Ärztekammer forderte sogar Steuererleichterungen für Geimpfte und disziplinarrechtliche Konsequenzen für Ärzte, die bei der Impfberatung auch die Nachteile der COVID-Impfung ansprechen. Eine große Gruppe von Ärzten protestierte dagegen in einem Offenen Brief; ein prominenter Mitunterzeichner, der Leiter der Abteilung für Allgemein- und Familienmedizin am Zentrum für Public Health der Uni Wien, Andreas Sönnichsen, wurde prompt von seinem Arbeitgeber gekündigt  (Express 15.10.2021, tkp 14.12.2021, orf 16.12.2021). Die Ärztekammer Salzburg zeigte Andreas Sönnichsen sogar bei der Staatsanwaltschaft an wegen zweier angeblich unrichtiger Impfbefreiungsatteste. Er wurde jedoch am 9. Februar 2021 vom Bezirksgericht Salzburg von den Vorwürfen freigesprochen (sn 10.2.2023).

In der österreichischen Tageszeitung Standard klagte der Autor Ortwin Rosner über „aggressive Stimmungsmache gegen eine Bevölkerungsgruppe“ und die „Verrohung des öffentlichen Diskurses“ (Rosner 7.10.2021). In einem späteren Artikel, der vom Standard wieder zurückgezogen wurde, konstatierte er die alles andere als harmlose „Eigendynamik“ eines historischen Prozesses. „Was hier auf dem Spiel steht, ist nicht weniger als die offene Gesellschaft. Es handelt sich um die Verwandlung der westlichen Staaten in illiberale Demokratien. Ganz überraschend kommt diese Entwicklung nicht, denn die Tendenz der gesellschaftlichen Mitte zum Autoritären hat sich schon länger abgezeichnet“ (Rosner 11.12.2021).

Ein Beispiel dafür, ein deprimierendes Erlebnis auf einer Bahnreise, schildert der Medizinhistoriker Florian Mildenberger – ein Zeitdokument von aufkommendem Alltagsfaschismus (11.12.2021).

Es stellte sich die Frage, warum die Menschen so unter Druck gesetzt werden mussten: Stimmte denn etwas mit dem Impfstoff nicht? Oder ging es darum – und diese Argumentationsschiene war immer öfter zu hören – dass Ungeimpfte das Gesundheitssystem belasten, wenn sie erkranken, und damit den Geimpften auf der Tasche liegen? Dann ergab sich eine endlose Reihe weiterer Fragen: Was ist mit Übergewichtigen? Was ist mit Rauchern? Was ist mit Drogenabhängigen? Was ist mit Zucker und Alkohol? Was ist mit Autofahrern? Was ist mit Skifahrern? Was ist mit der Agrarindustrie? Kommen auch Zwangsmaßnahmen, was die allgemeine Lebensführung betrifft? Müssen demnächst alle Sport treiben, um gesund zu bleiben? Müssen übergewichtige Politiker in Gesundheitsquarantäne? Müssen sich alle Menschen biologisch und vegetarisch ernähren (wäre ja nicht das dümmste)? Fragen über Fragen. Willkommen in der Gesundheitsdiktatur.

Die Autoren Marcus Klöckner und Jens Wernicke zeigten in ihrem Buch „Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen“ anhand 100 Zitaten vorgeblicher Volksvertretern, Journalisten, Mediziner und anderer in der Öffentlichkeit stehenden Persönlichkeiten, wie weit ab 2020 der Alltags-Faschismus in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen war. Tom-Oliver Regenauer schrieb in seiner Rezension: „Irgendwann in der Zukunft werden die Menschen auf die 2020er-Jahre zurückblicken und sich fragen, wie das alles angefangen hat. Sie werden wissen wollen, zu welchem Zeitpunkt der Postmoderne sich die Zivilisation von den Werten der Aufklärung, vom Humanismus, den allgemeinen Menschenrechten und der ’souveränen Autonomie des Individuums‘ (Nietzsche, Genealogie der Moral, 1887) verabschiedet hat. Unsere Nachfahren werden verstehen wollen, wo der Wendepunkt war, bis zu welchem Moment man die Entwicklungen hätte aufhalten können. (…) Genau aus diesem Grund ist das am 7. November 2022 im Rubikon-Verlag erscheinende Buch ‚Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen: Das Corona-Unrecht und seine Täter‘ ein so wichtiges zeitgeschichtliches Dokument.“ (Rubikon 8.10.2022).

 

Oktober 2021: Freedom Day? Denkste!

Nach Berechnungen von John Ioannidis haben Lockdowns wenig bis gar keinen Effekt auf die Virusausbreitung – im Gegenteil, sie könnten die Situation verschärfen, weil die wirtschaftlichen Folgen schlimmer sein dürften als die Infektion. Auch der kanadische Ökonom Douglas W. Allen kam in einer großen Übersichtsstudie (80 Studien zu Lockdowns) zu dem Schluss: „Das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Lockdowns liegt für Kanada, ausgedrückt in geretteten Lebensjahren, zwischen 3,6 und 282. Das heißt, möglicherweise wird der Lockdown als einer der größten politischen Fehler in Friedenszeiten in die Geschichte Kanadas eingehen“. Auch nach einem Jahr Pandemie sei kein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Todesfälle und der Strenge der Abwehrmaßnahmen in verschiedenen Ländern zu erkennen gewesen (Allen Apr. 2021).

Die Virusausbreitung verläuft zyklisch, weitgehend unabhängig von menschlichen Maßnahmen (WaS 21.3.2021, Bezahlschranke). Die Anzahl positiver Tests sagt wenig aus über die Bedrohungslage. Bei den allermeisten positiv Getesteten konnte von „Infektion“ oder Erkrankung“, wie es in Presseartikeln und in Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts hieß, keine Rede sein. Das SARS-CoV2-Virus lässt sich ganz offensichtlich nicht mit irgendwelchen Maßnahmen zum Verschwinden bringen – seien es Massentests, Apps, Impfungen, Quarantäne, Gesichtsmasken, Händehygiene oder Abstandsregeln, oder auch das ständige Säubern oder Desinfizieren von Oberflächen (ZEIT 9.10.2020).

Gesunde Kindergarten- und Schulkinder wurden auf Grund positiver Testbefunde bei gesunden Kontaktpersonen nach Hause geschickt oder in Quarantäne gesteckt. Ganze Schulen wurden ohne einen einzigen echten Erkrankungsfall geschlossen, inclusive Quarantäne für alle Kinder und Lehrer – derartige pauschale Isolationsmaßnahmen wurden erst 2022 vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als rechtswidrig eingestuft (Boegelein 26.7.2022). Flüchtlingsheime wurden wegen einzelnen Positivbefunden wochenlang abgeriegelt, und die Menschen wurden in Unsicherheit gelassen. In Mutter-Kind-Häusern wurden Migrantinnen mit ihren Kindern bis zu 33 Tage in einem Zimmer eingesperrt und traumatisiert – „schlimmer als die Flucht“ (SZ 7.9.2020). In einem Ankerzentrum wurden 580 Geflüchtete sogar acht Wochen lang isoliert (SZ 3.7.2020, BR 18.5.2020). Von den 96 positiv Getesteten auf einem bayerischen Spargelhof hatte kein einziger irgendwelche Krankheitssymptome (Merkur 19.6.2020). Von den 174 positiv getesteten Erntehelfern in Mamming wurde nur einer stationär behandelt (RTL 27.7.2020). In der westfälischen Fleischfabrik Tönnies wurden im Juni 2020 über 2100 Arbeiter positiv auf SARS CoV2 getestet; nur 21 von ihnen erkrankten „ernsthaft“, zwei (0,1%) mit Lungenentzündung und sechs (0,3 %) an einem Atemnotsyndrom; tödliche Verläufe gab es nicht (FAZ 12.8.2020).

Der anhaltende Alarmismus und die Einschränkungen der Grundrechte standen in keinem Verhältnis zur Zahl der tatsächlichen Corona-Erkrankungen.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht dürfen die bürgerlichen Freiheiten nicht eingeschränkt werden, um ein Virus zu bekämpfen oder auszurotten, sondern höchstens zu dem Zweck, eine Überforderung des Gesundheitssystems zu vermeiden, also für die „kapazitätsgerechte Steuerung des Pandemieverlaufs“ (Lepsius 6.4.2020). Thorsten Kingreen präzisierte im Verfassungsblog: „Es geht nicht um den Einzelnen, sondern um die Infrastrukturen, die seine Gesundheit schützen. Die ‚Lage von nationaler Tragweite‘ adressiert also systemische Verwerfungen in den Infrastrukturen des Gesundheitswesens (BT-Drs. 19/18111, 1: ‚Funktionieren des Gemeinwesens‘; drohende ‚Destabilisierung des gesamten Gesundheitssystems‘). Es kann an pflegerischem oder medizinischem Personal oder an technischer Infrastruktur (wie etwa Intensivbetten in Krankenhäusern) fehlen, knapp können aber auch Arzneimittel (insbesondere Impfstoffe) oder einfache Ge- und Verbrauchsgüter wie ein Mund-Nasen-Schutz oder Desinfektionsmittel sein. Die Worte ’nationale Tragweite‘ indizieren schließlich, dass die Epidemie nicht nur einzelne Regionen betreffen darf, sondern sich räumlich so weit ausgebreitet haben muss, dass es einer stärkeren zentralen Steuerung der für den Vollzug des Infektionsschutzrechts und etwa auch der Krankenhausplanung zuständigen Länder bedarf“ (Kingreen 22.10.2021).

Es gab zu keinem Zeitpunkt eine Überforderung des Gesundheitssystems (Interaktiv-BM 2021). Von den Regierenden wurden daher verschiedenste andere Argumente ins Feld geführt, um die Maßnahmen aufrechtzuerhalten, unter anderem die Verhinderung von Todesfällen – jedoch: „Der Schutz des Lebens ist kein „grundrechtlich handhabbares Ziel, wie es der Verfassungsrechtler Oliver Lepsius formulierte. Lepsius schrieb weiter, dass Grundrechtseingriffe ständig beweispflichtig sind, und dass uns die Regierungspolitiker diesen Beweis schuldig bleiben (Lepsius 6.4.2020). Christoph Eisenring schrieb in der NZZ: „Das Mantra, jeder Tote sei einer zu viel, ist denn auch skeptisch zu sehen. Wollten wir dieses im täglichen Leben konsequent umsetzen, hätte dies drastische Konsequenzen: Wir müssten ehrlicherweise den Alkoholkonsum, das Rauchen oder das Autofahren verbieten…“ (NZZ 24.1.2021).

Der Jurist Dietrich Murswiek erinnerte an die Verpflichtung des Staates zum Schutz des Lebens: „Eine staatliche Pflicht zum Schutz gegen aus einer Epidemie resultierende Lebens- und Gesundheitsgefahren ist im Prinzip gegeben. Gegenüber Naturkatastrophen und Epidemien ist der Staat verfassungsrechtlich aber nur zur Gewährleistung existentieller Lebensvoraussetzungen und insofern eines Mindeststandards verpflichtet, aber nicht zur Optimierung des Schutzes. Daher dürfte die Schutzpflicht in der gegenwärtigen Lage für die Abwägung ohne Relevanz sein. Denn das, was der Staat mit den Corona-Maßnahmen erreichen will, ist jedenfalls viel mehr als das, wozu er kraft seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflicht verpflichtet sein könnte.“ (Murswiek 1.3.2021).

Strategien, mit denen das Virus „besiegt“ werden soll, waren technokratische Allmachtsphantasien und wurden immer kostspieliger, bei immer zweifelhafterer Wirksamkeit. Die Maskenpflicht in der Öffentlichkeit hatte keine wissenschaftliche Grundlage, sondern sie war eine politische Entscheidung und möglicherweise sogar kontraproduktiv (s. Abschnitt „Die Mund-Nasen-Bedeckung“); PCR- und Schnelltests sind unzuverlässig und kosteten Milliarden: Für „kostenlose Bürgertests“ (Schnelltests) wurden von Juli 2021 bis Mai 2022 7 Milliarden Euro ausgegeben, für PCR-Tests bis Ende 2022 6 Milliarden Euro (DocHarry 17.7.2022, Zack 18.7.2022).

Nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung hätte die Regierung einen großen Teil der Summe sparen können. Der anfängliche Preis von 59 Euro pro PCR-Test war der Auftakt zu einer anhaltenden gigantischen Verschwendung, denn die effektiven Kosten eines PCR-Tests beliefen sich auf maximal neun Euro, inclusive Laborkosten auf ca. 15 Euro. Der Lobby-VereinAkkreditierte Labore in der Medizin“ (ALM) hatte offenbar starken Einfluss auf das Gesundheitsministerium und arbeitete erfolgreich daran, die Preise hochzuhalten. Die Gewinne der Labore explodierten förmlich. Auch Großbanken wie Goldman-Sachs profitierten von der Goldgräberstimmung (tagesschau 8.1.2023, tagesschau 8.1.2023).

Obwohl die Pandemie längst vorbei war und andere Erkältungsviren mehr und mehr in den Vordergrund rückten, bewilligte der Bundestag im November 2022 durch die Verlängerung der Testverordnung weitere rund 1,28 Milliarden Euro für die Finanzierung „kostenloser Bürgertests“ (handelsblatt 24.11.2022).

Die Gesundheitsämter wurden für die „Nachverfolgung“ zu teuren Monsterapparaten aufgebläht; die Hygiene- und Quarantäneanordnungen verursachten immensen wirtschaftlichen und psychologischen Schaden. Häusliche Quarantäne führte durch die höhere Ansteckungsdosis wahrscheinlich sogar zu schwereren Erkrankungsfällen unter den „Mitgefangenen“ (Jefferson 20.11.2020). Letztlich erwies sich auch bei wissenschaftlicher Überprüfung die Quarantäne von Kontaktpersonen als nutzlos und kontraproduktiv (Love 30.9.2022).

Schon in den ersten Monaten der Pandemie gab es gewichtige Stimmen, die einen Strategiewechsel anmahnten. Der Schweizer Infektiologe Pietro Vernazza schlug vor: Wer krank ist, bleibt zu Hause; wer Kontakt zu Kranken hat, wäscht sich viel die Hände und hält weitgehend Abstand; die Massentests und die Quarantänemaßnahmen bei Gesunden werden gestoppt; entwickelt werden dagegen humane und effektive Schutzmaßnahmen für Institutionen wie Krankenhäuser und Pflegeheime (Vernazza 10.10.2020). Auch das Team um Matthias Schrappe rief immer wieder in Thesenpapieren zu einem Strategiewechsel auf, fordert die Verbesserung der Datenbasis, den gezielten Schutz gefährdeter Gruppen und die Wahrung der Bürgerrechte (Schrappe 2020). In Tübingen wurde ein Konzept zum Schutz älterer Menschen entwickelt und umgesetzt, das die Ansteckungsrate in dieser Altersgruppe stark reduzierte (Tagesspiegel 9.12.2020).

Hendrik Streeck meinte, wir müssten uns damit abfinden, dass das Virus ein normaler Bestandteil unseres Lebens wird: „Wenn man das verinnerlicht, dass dieses Virus wahrscheinlich heimisch wird, dass es uns wahrscheinlich unser Leben lang begleiten wird, dann ist das ein ganz anderer Umgang mit dem Virus, dann sind die Infektionszahlen gar nicht mehr so zentral, sondern viel wichtiger ist die Frage: Werden die Menschen krank?“ (FZ 20.1.2021). Auch von der WHO kam die Botschaft, man werde in absehbarer Zukunft nicht in der Lage sein, das Virus auszurotten: „Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben“  (Tagesschau 24.7.2020). SARS CoV-2 reihte sich in die große Gruppe der Erkältungsviren ein, die jedes Winterhalbjahr durch’s Land ziehen (BZ 10.7.2020, Streeck 5.8.2020, n-tv 19.8.2020).

In großen Ballungsräumen, etwa in den urbanen Zentren Schwedens, Brasiliens, Indiens, Japans und der USA zeichnete sich schon im Herbst 2020 eine gute Grundimmunität in der Bevölkerung ab, ebenso in Madrid und in den österreichischen Ski-Hochburgen (web.de 8.10.2020, KZ 8.11.2020).

Eine repräsentative landesweite Antikörperstudie in Indien – so etwas suchte man in Deutschland vergeblich – ergab, dass im Sommer 2021 67,7% der Menschen Antikörpergegen SARS CoV2 hatten, mit einer Infektionssterblichkeit von 0,058 % (Tt August 2021). Im Oktober 2021 waren mancherorts sogar schon 97 Prozent immun (tagesschau 1.11.2021). In Tokio fanden Forscher bei über 600 Mitarbeitern einer Firma zwischen Mai und August 2020 einen Anstieg der SARS-CoV-2-Antikörper im Blut von 6% auf 47%. Sie fanden eine extrem niedrige Infektionssterblichkeit und schlossen auf eine weitgehende Durchseuchung der Bevölkerung (Hibino 23.9.2020). Auch in Schweden war der Prozentsatz der Menschen mit SARS-CoV2-Antikörpern bis zur zweiten Januarwoche 2021 auf 40% gestiegen, begleitet von einer absinkenden Kurve der Neuerkrankungen und Intensivfällen (Rushworth 25.1.2021, FOHM). Ähnlich sah es in der Ukraine aus (orf 3.2.2021). In Schottland und Estland lag Ende August 2021 die Gesamtimmunität (B-Zell und T-Zell-Immunität) vermutlich bei über 80 Prozent (Rosenbusch 31.8.2021).

In Deutschland lag der Prozentsatz der positiven Antikörpertests trotz der strengen Kontaktbeschränkungen Anfang April 2021 bei 40 %,  (CDI). In Freiburg wurden im Juni 2021 bei 73% der  Einwohner im Alter von über 20 Jahren Antikörper gegen das COVID-19 Coronavirus gefunden – alles Menschen, die von der Impfung nur die Nachteile mitnahmen: Sie hatten schon nach der ersten Impfung die heftigen Reaktionen, die sonst erst nach der zweiten Impfung auftreten (unifr 23.7.2021, Krammer 1.2.2021). Das Robert-Koch-Institut fand bis September 2021 in 87,6 Prozent von 120’000 Blutproben SARS-CoV2-Antikörper, 80,7 Prozent der positiven Befunde kamen von Geimpften (rki 16.12.2022). Zum Jahreswechsel 2021/22 hatten bereits 92 Prozent der Erwachsenen in Deutschland Antikörper (mdr 22.7.2022). Im Juli 2022 waren nach einer Studie in Vorpommern bei 95 Prozent der Jugendlichen Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachzuweisen (Ärztezeitung 17.7.2022). Die von der Bundesregierung wollte in Auftrag gegebenen IMMUNEBRIDGE-Studie zu SARS-CoV2-Antikörpern in der Bevölkerung wurde als „Interimsanalyse“ (vom Juli 2022) am Tag vor der Abstimmung über das neue Infektionsschutzgesetz veröffentlicht. Demnach haben 99 Prozent der Bevölkerung SARS-CoV2-Antikörper durch Impfung oder Infektion. Verpflichtende Coronamaßnahmen sind auch vor diesem Hintergrund absurd (Berit 8.8.2022, Rabe 7.9.2022).

In der Great Barrington Erklärung, verfasst von prominenten Epidemiologen aus Stanford, Harvard und Oxford, äußerten weltweit Tausende von Ärzten ernste Bedenken hinsichtlich der schädlichen Auswirkungen der vorherrschenden COVID-19-Maßnahmen auf die physische und psychische Gesundheit und forderten die Rückkehr zum normalen Leben: „Die Beibehaltung dieser Maßnahmen bis ein Impfstoff zur Verfügung steht, wird irreparablen Schaden verursachen… Der einfühlsamste Ansatz, bei dem Risiko und Nutzen des Erreichens einer Herdenimmunität gegeneinander abgewogen werden, besteht darin, denjenigen, die ein minimales Sterberisiko haben, ein normales Leben zu ermöglichen, damit sie durch natürliche Infektion eine Immunität gegen das Virus aufbauen können, während diejenigen, die am stärksten gefährdet sind, besser geschützt werden. Wir nennen dies gezielten Schutz (Focused Protection)“.

Zunehmende Forderungen nach einem Ende der Maßnahmen (Sommer 2021)

Ende September 2021 forderte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Andreas Gassen die Aufhebung aller Pandemiemaßnahmen zum 30. Oktober 2021 (focus 24.9.2021), die er noch mehrmals bekräftigte, nachdem sich herausgestellt hatte, dass das RKI die Impfquoten herunterrechnet (n-tv 8.10.2021, Wallasch 8.10.2021, tagesschau 9.10.2021, BILD 12.10.2021).

Milosz Matuschek kommentierte dies in der Berliner Zeiung: „Nicht die 4. Welle ist die Gefahr, sondern die Welle der Ungereimtheiten… Der beste Zeitpunkt für einen ‚Freedom Day‘ war gestern“. Weiter hieß es da: „Die staatlichen Zwangsmaßnahmen pauschal gegenüber allen waren und sind grob unverhältnismäßig und ein rechtsstaatlicher Sündenfall. Dass dieser bisher von den Verfassungsgerichten nicht korrigiert worden ist, macht es nicht besser. Aktuell haben wir neben Politikversagen auch ein Versagen des Rechtsapparats. Die neueste Unterscheidung in Geimpfte und Ungeimpfte sowie der unsägliche Druck auf letztere ist ein weiterer fataler Irrweg. Es gibt dafür keinen sachlichen Grund. Und wenn kein sachlicher Grund gegeben ist, sprechen Juristen von Willkür… Die Politik braucht die Angst vor der Pandemie, hat aber offenbar weitaus größere Angst vor den vielen offenen Fragen, die jetzt virulent werden“ (BZ 25.9.2021).

Der Ruf nach einem „Freedom Day“ wurde immer lauter. Sogar im linientreuen SPIEGEL war zu lesen: Heute ist Freedom Day. Die Politik kann die Corona-Maßnahmen einstellen. Die Geimpften brauchen keinen Schutz mehr, die Ungeimpften wollen keinen… Eine freie Gesellschaft hält das aus“ (SPIEGEL 24.9.2021). Heribert Prantl schrieb: „Es ist nicht nur Zeit für das Ende der nationalen Notlage. Es ist Zeit für das Ende des Alarmismus. Es ist Zeit für die Heilung der Gesellschaft. Not- und Ausnahme-Regeln können vor Unheil schützen. Für die Heilung sind auch die  Grundrechte da“ (Prantl 31.10.2021).

Auch der Philosoph Richard David Precht, der bis dahin den Gehorsam der Bürger auf seine Fahnen geschrieben hatte, beurteilte weitere staatliche Maßnahmen gegen das Coronavirus kritisch: „Es ist nicht die Aufgabe des Staates, jedermanns Krankheitsrisiko auszuschließen“, denn „plötzlich ist das, was man tut, nicht mehr verfassungsrechtlich“ (WELT 31.10.2021). Der SPIEGEL sah darin gefährliche, „krude Thesen“ auf „Querdenkerniveau“ (SPIEGEL 2.11.2021, Bezahlschranke).

Prominente deutsche Amtsärzte forderten, die „Politik sollte mit ihrem Wunschdenken aufhören und in der Realität ankommen“. Frank Renken, Leiter des Gesundheitsamts in Dortmund, sagte: „Wir müssen an den Punkt kommen, an dem nicht mehr der Staat über die Gesundheitsämter die Bevölkerung schützt, sondern wieder jeder Mensch diese Verantwortung selbst trägt… Der Corona-Ausnahmezustand ist vorbei, jetzt müssen wir die Folgen aufarbeiten“  – und meinte damit vor allem die psychosozialen Folgen für die Kinder (WELT 22.10.2021, Bezahlschranke).

Jens Spahn kündigte am 18.10. an, die epidemische Lage nationaler Tragweite auslaufen zu lassen (BILD 18.10.2021). Dass er die 3G und AHA-Hygiene-Regeln in Innenräumen für „unbedingt weiter nötig“ hielt, hatte jedoch nichts mit der Idee von Freedom Day zu tun. Spahn ging auch darüber hinweg, dass nicht der Gesundheitsminister, sondern das Parlament das Ende des Notstands bestimmt.

Markus Söder dagegen sprach sich für die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aus. Dies sei die notwendige Rechtsgrundlage für Maßnahmen wie Masken- und Testpflicht etwa an den Schulen. „Wenn diese Lage beendet wird, dann gibt es de facto keine Rechtsrundlage mehr, egal für was. Weder für das Testen in der Schule noch für Masken, noch für ganz normale Ideen wie 3G+, 2G oder 3G“ (br 21.10.2021). Man dürfte dann also weder Kinder quälen noch Ungeimpfte diskriminieren. Wolfgang Kubicki bezeichnete Söders Forderung als „unverfroren und unsinnig“ (WELT 22.10.2021). Vergeblich: In Bayern wurden die Coronamaßnahmen ab November 2021 wieder verschärft, inclusive Maskenpflicht an den Schulen – regelmäßig der erste Reflex, wenn irgendwelche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Kinder sind eben leichte Opfer (Nordbayern 31.10.2021).

Die „Ampelkoalition“ wollte die Maßnahmen ohne „epidemische Lage“ weiterlaufen lassen – vorläufig bis 20. März 2022. „Es laufen schon Vorbereitungen für Corona-Regeln als Dauerzustand „, kommentierte BILD (BILD 20.10.2021). Die Länder sollten weiterhin  Maskenpflicht, 3G-Regeln, Hygienekonzepte, Abstandsregeln und Corona-Auflagen für Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Universitäten verhängen dürfen. Lediglich Schließungen von Betrieben und Schulen, Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen sollten nach dem Willen der Koalitionäre künftig nicht mehr verhängt werden (BILD 27.10.2021).

Künftig könnten also auf Länderebene die Grundrechte massiv eingeschränkt werden, wenn sie der „Verhinderung einer erneuten dynamischen Verbreitung von Covid-19″ dienen, oder vielleicht auch bei künftigen Grippewellen, wie Andreas Rosenfelder in der WELT argwöhnte: „Ein Gesundheitsstaat, der zum Zweck des Infektionsschutzes jederzeit und überall Grundrechte einschränken kann, bekäme damit eine Rechtsgrundlage. Das wäre ein neues, anderes Gemeinwesen – das mit jenen Werten, welche die FDP als Partei der Freiheit und der Bürgerrechte vertritt, nichts mehr zu tun hat“ (WELT 27.10.2021, Bezahlschranke).

Man fragte sich mit Sarah Wagenknecht: Wenn die epidemische Lage zu Ende sein würde, wozu oder warum dann noch diese massiven Eingriffe in die Freiheitsrechte? „Wo soll das eigentlich hinführen?“ (Wagenknecht 28.10.2021). Und man befürchtete mit Heribert Prantl: „Wie lange dauert die Übergangszeit, welche Regeln werden aufrecht erhalten? Wenn die Notstandsregeln solange bleiben, bis es das Virus nicht mehr gibt, werden die Notstandsregeln nie mehr verschwinden. Es ist eine Illusion, Krankheit und Schmerzen und Viren völlig entkommen zu können. Es geht darum, Krankheit und Virus ins Leben zu integrieren, ins persönliche und ins gesellschaftliche Leben“ (Prantl 31.10.2021).

Tobias Riegel sprach von einer „epidemischen Manipulation von nationaler Tragweite“. Der Versuch der Entkoppelung der Corona-Maßnahmen von einer offiziell festgestellten „(Not-)Lage“ könnte „der erste Schritt sein, die angeblich einer akuten Gefahrenabwehr dienenden Maßnahmen von der direkten ‚Gefahr‘ zu trennen und damit zu verstetigen und zu ’normalisieren’“  – ähnlich wie die Terrorgesetze nach dem 11. September 2001, die teilweise noch heute in Kraft sind (Riegel 21.10.2021).

Paul CullenKarl-Heinz Jöckel JöckelUlrich KeilAngela Spelsberg und Andreas Stang schrieben in ihrem Papier „Zehn Thesen zum rationalen und humanen Umgang mit Corona“ (4.11.2021): „Eine globale Ausrottung des Virus ist nicht erreichbar, und strebt man sie an, so wird die Pandemie auf unbestimmte Zeit verlängert. Denn mit dem Auftreten jeder neuen Virus-Variante werden wir wieder auf den Nullpunkt zurückgeworfen. Weltweite Gesundheit ist Utopie und kann keine Pflicht sein. Wenden wir uns also vom herrschenden Pandemieprinzip ab und kehren zurück zum vernünftigen, abwägenden Denken und Handeln in der Politik und bei der Gestaltung unseres individuellen Lebens auf der Basis unseres Grundgesetzes“.

Der Präventiologe Ellis Huber schlug bürgerschaftliche Selbstorganisation und kommunale Demokratie als Lösung vor: Wir müssen unser soziales Leben, entsprechend den wissenschaftlichen Erkenntnissen von „Reinventing Organizations“ so organisieren wie es ein menschlicher Organismus tut: Dienende Führung und Koordination sowie Freiheit für die einzelnen Bürger*innen zum Selbstmanagement in sozialer Verantwortung“ (Huber Nov 2021).

 

November 2021: Same procedure as last year

Anfang November 2021 brach Hektik unter den alten und neuen Regierenden aus, denn die „Inzidenzen“, von denen man sich ja eigentlich schon verabschiedet hatte, stiegen steil an – zunächst ohne starke Auswirkungen auf die Belegung von Krankenhäusern oder Intensivstationen. Grund war die starke Zunahme der Testungen von Gesunden (Pace 29.11.2021). Am 10.11.2021 waren 12,3% der Intensivbetten in Deutschland mit PCR-positiven Patienten belegt. Am 17.11. waren es dann schon 15,1% (DIVI). Die „Hospitalisierunginzidenz“ lag im November bei 4,7 (von 100’000), an Weihnachten 2020 betrug sie 15,5 (ZDF 15.11.2021).

In Bayern mit seiner höheren Infektionsrate waren am 17. November 2021 26,8% der 3136 Intensivbetten mit testpositiven Patienten belegt – etwa die Hälfte davon tatsächlich COVID-19-erkrankt. Es wären allerdings nur 21,5 Prozent gewesen, hätte man seit Sommer 2020 nicht fast zwanzig Prozent der Intensivbetten abgebaut.

Thorsten Wiethölter versuchte in seinem Blog, der wieder aufkommenden Angst vor dem Tod die Spitze zu nehmen: „Es ist Zeit, bezüglich der Covid-Zahlen mal wieder auf den Teppich zu kommen… Im letzten Winter wurden durchaus gewisse Spitzen an Covid-Toten erreicht (wobei bis heute nicht klar ist, wer tatsächlich an Covid vestorben ist). Aber aktuell kann ich nicht erkennen, dass nur ein einziges Bundesland Gefahr läuft, in irgendeiner Form an diese Spitzen heranzukommen“ (Coronakrisenblog 16.11.2021).

Ermutigt durch den Totalausfall des Bundesverfassungsgerichts und vorangetrieben von den Medien, wurde der Druck auf die Bürger so wie im Vorjahr wieder massiv verstärkt, diesmal mit Schwerpunkt auf den Ungeimpften – von der 2G-Regel bis hin zu neuerlichen Kontaktbeschränkungen (SN 2.11.2021, Focus 2.11.2021). Die Maßnahmenkataloge wurden durch die Behörden zu nicht mehr überschaubaren Bürokratiemonstern aufgebläht (leuchtendes Beispiel: BW 27.12.2021). Die Neue Züricher Zeitung schrieb: „Immer neue Massnahmen werden ersonnen, manche werden später aufgehoben, andere schlicht vergessen. Der derzeitige Leitfaden der baden-württembergischen Landesregierung, «Corona-Regeln auf einen Blick», umfasst elf Seiten, eng bedruckt mit Text und Diagrammen. Auf einen Blick? Um sich darin zurechtzufinden, braucht es ein abgeschlossenes Hochschulstudium, eine mehrjährige Berufstätigkeit in der Verwaltung und viel Geduld“ (NZZ 7.1.2022).

Die Begründung für die vorangetriebene Segregation der Ungeimpften, die Robert Habeck in den Tagesthemen lieferte (br 16.11.2021), ließ Schlimmes ahnen: Das Impfen schützt einen selbst… es schützt aber auch das öffentliche Leben, die Berufstätigkeit, das Öffnen und Offenhalten von Schulen“. Mit einer solchen Argumentation stehen wir an der Schwelle zur Gesundheitsdiktatur. Führt man das weiter, dann darf nichts mehr geduldet werden, was zu Krankheiten und Einschränkungen der Leistungsfähigkeit führen könnte.

Beispielhaft für die abstrusen und spalterischen Ideen mancher Politiker sei hier noch der Aufruf der geschäftsführenden Gesundheitssenatorin Berlins Dilek Kalayci (SPD) erwähnt, Geimpfte sollten den Kontakt zu Ungeimpften meiden (rbb24 12.11.2021). Nach wissenschaftlicher Evidenz wäre eher das Umgekehrte ratsam.

Die von vielen Politikern diesseits und jenseits des Atlantiks beschworene „Pandemie der Ungeimpften“ ließ sich in Deutschland nicht abbilden, da die Getesteten nicht nach Impfstatus aufgeschlüsselt wurden, und Geimpfte und Genesene kaum mehr getestet wurden. Zudem war bei annähernd 50 Prozent der Intensivpatienten und Verstorbenen mit COVID-19 der Impfstatus nicht bekannt (Hallmann 13.11.2021). Bis November 2021 wurde gar nicht erfasst, welche Intensivpatienten geimpft und welche nicht geimpft waren.

In Großbritannien konnte man in den Altersgruppen über 18 erkennen, dass Geimpfte sich nicht seltener, vielleicht sogar häufiger mit Corona infizierten als Ungeimpfte: Im November 2021 waren 93,4 % der über 60-jährigen COVID-19-Patienten zweimal geimpft (Röhn 5.12.2021). Die britischen Zahlen zeigten nach Jens Berger:Wir haben es weder mit der Pandemie der Ungeimpften noch mit einer Pandemie der Geimpften, sondern mit einer Pandemie der Alten zu tun“ (Berger 10.11.2021).  Sarah Wagenknecht stellt klar: „Die ‚Pandemie der Ungeimpften‘ ist Geschichte. (…) Erschreckend ist nicht nur der Tonfall, in den die Corona-Debatte mittlerweile abgeglitten ist. Noch erschreckender ist, dass eine Erzählung hundertfach wiederholt wird, an der genau besehen nichts, aber auch gar nichts stimmt. (Wagenknecht 8.11.2021, WELT 12.11.2021, Bezahlschranke).

Und so rieben sich im November 2021 viele erschreckt die Augen angesichts dessen, was angesichts steigender Ansteckungsraten aus der Pandemie-Mottenkiste geholt wurde:

So wie schon im Jahr 2020 verbreiteten Politiker, Medien und Ärztefunktionäre Panik. Wohltuende Ausnahme war Kassenärztechef Andreas Gassen: „Die Lage ist schwierig, aber für Panik besteht kein Anlass. Insbesondere von einigen Politikern und Experten wird versucht, die Ampelparteien mit düsteren Szenarien und fast schon hysterisch anmutenden Warnungen extrem unter Druck zu setzen. Da wird Stimmungsmache betrieben“ (rnd 18.11.2021).

So wie im Jahr 2020 wurden täglich wieder ständig steigende „Inzidenzen“ gemeldet – Kommentar von Gerd Antes: Wenn wir nun etwa wieder täglich darauf hingewiesen werden, dass die Zahl der Neuinfektionen in die Höhe schießt, dann ist das so ja nicht richtig. Was nach oben geht, das ist die Anzahl der positiven Tests. Das ist bei weitem nicht das Gleiche“ (Cicero 30.11.2021, Bezahlschranke). Im Oktober 2021 wurden 800’000 PCR-Tests pro Woche durchgeführt, Ende November waren es 1,8 Millionen – so viele, dass in den Laboren die Geräte glühten und Überforderung gemeldet wurde. Auch die Schnelltests wurden knapp und teuer (WELT 3.12.2021, Bezahlschranke) – so knapp, dass auch für Obdachlose kaum noch Tests da waren, um Einlass in Notunterkünfte zu bekommen. Notfalls müssten dann draußen bleiben. Deutschland im Winter 2021 (Tagesspiegel 4.12.2021).

So wie im Jahr 2020 bezeichnete Angela Merkel das Geschehen als „exponentiell“  und kündigt an: „Es wird starke Einschränkungen für Ungeimpfte geben“ (n-tv 2.11.2021). (Müller, 10.10.2021).

So wie im Jahr 2020 warnten Intensivmediziner vor einer Überlastung der Intensivstationen und forderten Freihaltepauschalen (BZ 2.11.2021). Dazu Matthias Schrappe: „Das ist überhaupt nicht glaubhaft. Die Verbände und diejenigen, die da unentwegt rufen, sollte man lieber mal an ihren eigentlichen Auftrag erinnern. Und die Krankenhausträger wiederum sollte man verpflichten, ausreichend Personal zur Verfügung zu stellen“ (Cicero 5.11.2021, Bezahlschranke). Ähnlich Andreas Gassen: „Es besteht aber derzeit wohl nicht die Gefahr, dass die Kliniken in ihrer Gesamtheit an ihre Leistungsgrenze stoßen. Es gibt insgesamt noch ausreichend Reserven. Wenn die Krankenhäuser jetzt wieder planbare Operationen verschieben, dann ist das eine reine Vorsichtsmaßnahme, um mehr freie Betten bereitzustellen“ (rnd 18.11.2021). Oder Gerd Antes: Wenn die beiden neuralgischen Punkte, die unser Gesundheitssystem derzeit bedrohen – die Krankenhauseinweisungen und die Überlastung der Intensivstationen –, datentechnisch nicht ausreichend erfasst werden, dann läuft wirklich etwas schief. Wir hatten jetzt 22 Monate Zeit, und noch immer kommen Unterlassungssünden zum Vorschein, die in ihrer Summe schwindelerregend sind“ (Cicero 30.11.2021, Bezahlschranke). Oder Tom Lausen: Eine Überlastung der Intensivstationen, insbesondere durch COVID-19 Patienten hat niemals stattgefunden“ (Lausen 14.3.2022). Die Situation auf den Intensivstationen am 17.11.2021 und die Bettenreduzierung der letzten 18 Monate ist hier dargestellt.

So wie im Jahr 2020 gingen manche Landesregierungen wie etwa Bayern und Niedersachsen wieder auf die Schulkinder los und verordneten ihnen eine Maskenpflicht im Unterricht und einen Lockdown in den Bereichen Kultur und soziale Teilhabe, aber auch ein Betretungsverbot für Restaurants, Schuhgeschäften oder Spielzeugläden (Merkur 1.11.2021, IniF 10.11.2021, ndr 11.12.2021).

So wie im Jahr 2020 wurden Weihnachtsmärkte abgesagt – eine völlig sinnlose Maßnahme, die offensichtlich der Steigerung der Panik dient (WELT 24.11.2021, Bezahlschranke).

So wie im Jahr 2020 wurde wieder über Kontaktbeschränkungen, Lockdowns und Kita- und Schulschließungen nachgedacht (Focus 2.11.2021, fr 10.11.2021), im Dezember dann konkret geplant unter dem Schutzschirm des Freifahrtschein-Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Auch FFP2-Masken mussten mancherorts wieder aus den Hosentaschen gekramt werden – Belege für deren Wirkung fehlen nach wie vor (merkur 10.11.2021).

So wie im Jahr 2020 gab es wieder eine neue „Schreckens-Variante“: SARS-CoV2 B 1.1.529 („Omikron“) aus Südafrika. Man wusse von ihr Ende November noch nicht viel, aber auf jeden Fall würde sie schlimmer sein als alle anderen, vielleicht sogar so schlimm wie Ebola (tagesschau 26.11.2021, n-tv 27.11.2021).

So wie im Jahr 2020 gab es Grenzschließungen, die aber zur Eingrenzung eines Virus vergebens sein: Viren reisen um die Welt und werden durch Schranken nicht aufgehalten.

So wie im Jahr 2020 machte die hektische Betriebsamkeit jeden aufrechten Demokraten sprachlos: der Grundrechte-Entzug per Verordnungspolitik ohne parlamentarische Debatte und verfassungsrichterlichen Schutz; Maßnahmen ohne jede medizinische Evidenz wie 2G, FFP2-Pflicht oder die Maskenpflicht bei Schülern; die Ankündigungen, auch künftig ganze Bevölkerungsgruppen zunehmend zu diskriminieren. Das sollte ein trüber Winter werden.

So wie im Jahr 2020 versuchten sich auch die Wissenschaftler der Leopoldina wieder in Politik, ohne die Kollateralschäden zu berücksichtigen. Einer der Autoren war wieder Christian Drosten.  Sie veröffentlichten eine „Ad hoc Stellungnahme“, in der sie „klare und konsequente Maßnahmen – sofort!“ forderten, darunter Vorbereitungen zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, sofortige umfassende Kontaktbeschränkungen für alle „für wenige Wochen“, auch im Privatbereich (oder als zweite Option nur für Ungeimpfte), eine streng kontrollierte bundesweite 2G-Regel, eine generelle FFP2-Maskenpflicht, eine Maskenpflicht für alle an den Schulen und vorgezogene Weihnachtsferien – ein bewährter Trick, um den Eltern die Kosten der Betreuung aufzubürden (Leopoldina 27.11.2021).

Am 18. November 2021 beschloss der Bundestag eine erneute Änderung des Infektionsschutzgesetzes (tagesschau 18.11.2021). Die „epidemische Lage“ wurde nicht verlängert. Harte Einschränkungen sollten dennoch weiter möglich sein. Neu eingeführt wurde bundesweit die 3G-Regelung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Personenverkehr, mit der jetzt erstmals die berufstätige Bevölkerung massiv unter Druck gesetzt wurde. Masken in Schulen sollten verpflichtend sein. Für Heime und Gesundheitseinrichtungen wurden Testpflichten beschlossen. Die tägliche Testpflicht von Personal und begleitenden Eltern brachte viele Arztpraxen an den Rand der Funktionsunfähigkeit, und Schnelltests wurden knapp (rp 25.11.2021).

Auf Beschluss der Länderparlamente bzw. der Ministerpräsidenten waren nun Verbote oder Beschränkungen im Freizeit-, Kultur- oder Sportbereich möglich. Generelle Schließungen von Schulen, Geschäften, Gastronomie oder Sportstätten konnten jedoch nicht mehr angeordnet werden (t-online 18.11.2021). Die neuen Regeln sollten zunächst bis 19. März 2022 gelten.

Am Nachmittag des 18. November 2021 nahm die demokratisch nicht legitimierte Kanzlerin-Ministerpräsidenten-Runde in einem Hinterzimmer den Ball auf und spielte ihn mit Effet weiter. Sie konstruierte einen „Hospitalisierungsindex“ mit drei Stufen und einem entsprechenden Maßnahmenkatalog (swp 18.11.2021). In jeder Stufe ab einem Wert von „3“, der zu diesem Zeitpunkt in ganz Deutschland überschritten wurde, können Ungeimpfte – auch Kinder und Jugendliche – durch die 2G-Regel vom sozialen Leben ausgeschlossen werden. In öffentlichen Verkehrsmitteln wurde die 3G-Regel eingeführt, auch in Bahnhöfen, und auch für Obdachlose, die sich dort wärmen wollen (BZ 7.12.2021). Wer am Arbeitsplatz die 3G-Regel nicht einhielt, dem drohten Lohnverlust und im Zweifelsfall sogar die Kündigung. Die Länder planten zudem, die Impfung für Beschäftigte unter anderem in Krankenhäusern und Pflegeheimen verpflichtend zu machen.

Der „Hospitalisierungsindex“ als Leitzahl wurde von vielen Experten abgelehnt, etwa von Matthias Schrappe (focus 31.8.2021) oder von Eugen Brysch, Stiftung Patientenschutz: „Alles auf den Tisch, aber da sind wir noch weit entfernt, weil: Krankenhäuser sind (…) nicht transparent“ (br 18.11.2021 ab Min. 5:00). Ab Dezember 2021 wurde die Hospitalisierungsrate als Kriterium weitgehend wieder aufgegeben und kam in den weiteren Beschlüssen der Ministerpräsidentenrunde auch nicht mehr vor (SZ 8.12.2021). Die WELT schrieb im Januar 2022: „Die zu deren Ermittlung nötigen Daten werden bis heute offensichtlich so spät, so ungenau und damit so irreführend erhoben und veröffentlicht, dass sie selbst in den Landesregierungen nicht mehr ernst genommen oder sogar kurzerhand ersetzt werden“ (WELT 12.1.2022, Bezahlschranke).

Bis auf einen geringen Pflegebonus  – der dann wieder auf die lange Bank geschoben wurde (zdf 6.12.2021) – wurden keine Maßnahmen beschlossen, um die Situation in den Krankenhäusern organisatorisch zu entspannen. Dazu hätte es schon mehr gebraucht, etwa hohe Rückkehrprämien für abgewandertes Personal, substanzielle Gehaltserhöhungen und eine Reform der bisherigen Krankenhausfinanzierung (DRG), die zum Personalabbau zwingt. Nun aber wurde durch die Ankündigung einer Impfpflicht weiter Personal abgebaut. Wirkungsvoller und motivierender wäre die freiwillige und selbstverantwortliche Schnelltestung vor Arbeitsbeginn gewesen. Diese Art von Selbstorganisation war jedoch für Politiker mit Kontroll- und Disziplinierungsphantasie undenkbar.

Markus Söder verkündete am 19. November 2021 „drastische“ Maßnahmen für Bayern, u.a. Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, auch für Kinder ab 12 Jahren und Jugendliche (WELT 19.11.2021).

Überhaupt war der November 2021 voll von derartigen Ankündigungen, auch durch Politiker, von denen man noch nie etwas gehört hat. Die Grundlage? Fragwürdige Zahlen, denn es gab in Deutschland kaum Erfassungsstrukturen oder ernstzunehmende Forschung. Sollten die Daten, die ich derzeit zur Pandemie bekomme, derart schlecht sein, dass sie zu falscheren Schlüssen führten als gar keine Daten und reines Bauchgefühl, dann ist wirklich Alarmstufe rot (…) Diese Fehler seit Pandemiebeginn täglich zu registrieren und als Grundlage für politische Entscheidungen zu sehen, ist schwer auszuhalten und kann nur mit völligem Unverständnis kommentiert werden... Jetzt könnte man natürlich fragen, warum sich das im zweiten Jahr der Pandemie noch immer nicht geändert hat. Und dann landete man vermutlich in einem riesigen Gestrüpp aus Interessenkonflikten, mangelnder Einsicht und fehlender Kompetenz“, so die resignative Feststellung von Gerd Antes (Cicero 30.11.2021, Bezahlschranke).

In Bayern konstruierte Markus Söder eine „Pandemie der Ungeimpften“, mit einem angeblichen Verhältnis der „Inzidenzen“ zwischen Geimpften und Ungeimpften von 110 : 1469, und einem Verhältnis von 10 : 90 auf den Intensivstationen – dabei war im November 2021 bei über 70 Prozent der Infizierten der Impfstatus gar nicht bekannt, sie wurden aber kurzerhand den Ungeimpften zugerechnet (Röhn 2.12.2021, stern 23.11.2021, Nordbayern 10.12.2021). Die später auf Druck von Medien veröffentlichten Daten des Landesgesundheitsamtes zeigten, dass die tatsächliche „Inzidenz“ der Ungeimpften bei 333,8 lag, also etwa dem 3fachen gegenüber den Geimpften (WELT 9.1.2022). Der Unterschied wurde auch Monat für Monat kleiner: Von Ende August 2021 (1:6) über Oktober 2021 (1:4) sank er bis Dezember 2021 auf unter 1:2 – ein Zeichen für den schlechter werdenden Impfschutz (Nordbayern 11.1.2022). Gegen Markus Söder wurden daraufhin Rücktrittsforderungen erhoben (WELT 7.1.2022).

Ähnliches spielte sich in Sachsen (Röhn 23.12.2021), Mecklenburg-Vorpommern (WELT 14.1.2022) und in Hamburg ab: Corona-Maßnahmen auf der Basis falscherZahlen. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschenscher rechtfertigte scharfe Grundrechtseinschränkungen für Ungeimpfte damit, dass 90 Prozent der Neuinfektionen auf sie zurückzuführen sei, und dass die Sieben-Tage-Inzidenz der Geimpften bei 22 und die der Ungeimpften bei 605 liege (BILD 10.1.2022). Ebenso wie in Bayern hatten die Behörden jedoch massenhaft Menschen mit unklarem Impfstatus zu Ungeimpften umgewidmet. Bei über 60% der Erkrankten war der Impfstatus unbekannt  (ndr 16.12.2021, zdf 9.1.2022). Der tatsächliche Unterschied in der Inzidenz war letztlich dreifach, und nicht 30fach – eindreister Schwindel mit dem Kalkül, die Ungeimpften zum Sündenbock zu machen und weiter auszugrenzen. „Es ist unfassbar und für das Vertrauen in die Lauterkeit staatlichen Handelns eine Katastrophe, wenn eine Landesregierung ganz offensichtlich manipulierte Zahlen vorlegt“, sagte Wolfgang Kubicki der WELT. Tschtenscher werde sich gegenüber dem Parlament erklären müssen, „warum der Hamburger Senat es für nötig hält, seine Bürgerinnen und Bürger mit solchen Tricks zu hintergehen“ (WELT 17.12.2021, Bezahlschranke). Die von der DIVI bis Januar 2022 veröffentlichten Zahlen zum Impfstatus der behandelten Patienten ließen viele Fragen offen (Focus 15.1.2022).

Auch in Großbritannien, Spanien und der Schweiz wurden irreführende Zahlen veröffentlicht, um die Regierungspolitik zu untermauern (NZZ 12.1.2022, Jenkins 13.1.2022, elpais 14.1.2022).

Mit drastischen Sanktionen (hohe Bußgelder, kein Studium, keine Lohnfortzahlung) und Soziallockdown für Ungeimpfte wurde ein faktischer Impfzwang eingeführt, der nur nicht als solcher benannt ist. Man wollte sich nicht eingestehen, dass ein von vielen Politikern oft wiederholtes Versprechen (etwa Jens Spahn: „Ich gebe Ihnen mein Wort: Es wird in dieser Pandemie keine Impfpflicht geben“) gebrochen wurde.

Jessica Hamed schrieb: „Von Kultur, Gastronomie, Sport und Unterhaltung ausgeschlossen, wird der Mensch auf seine bloße physische Existenz zurückgeworfen. Nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts umfasst das menschenwürdige Existenzminimum ein „Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“. Mit 2G werden Ungeimpfte von jenem Mindestmaß an Teilhabe jedoch ausgeschlossen, sodass der Ausschluss Ungeimpfter als menschenverachtend angesehen werden kann“ (…) Die faktische Impfpflicht wird (…) durch die rechtlich nicht vorgesehenen Mittel der sozialen Ächtung und der sozialen Kontrolle sanktioniert“. Die Juristin sah als einzigen Ausweg, „das Kind beim Namen zu nennen und im Bundestag eine Impfpflicht zu beschließen – und damit eine verfassungsrechtlich kaum haltbare Regelung in ein Parlamentsgesetz zu gießen, eine Klageflut zu provozieren und die Verfassungsgerichtsbarkeit auf den Plan zu rufen“. Durch eine Impfpflicht könnten auch die, die die Impfung ablehnen, eher damit Frieden schließen; denn bei einem Impfschaden „müssen sich dann nicht den Vorwurf machen, sich ‚freiwillig‘ geschädigt zu haben“ (Hamed 18.11.2021).

Auf dem telegram-Kanal LangesExcelinformiert der Naturwissenschaftler Bernhard Lange unermüdlich und übersichtlich auf „Onepagern“ über die aktuelle Corona-Lage mit dem Ziel, aufzuklären ohne Angst zu schüren – hier die Situation am 8. November 2021. Auf Bild 2 ist deutlich zu sehen, das vor allem die Kinder im Schulalter zu den hohen „Inzidenzen“ beitrugen. Die Zahl der positiv Getesteten auf den Intensivstationen war deutlich geringer als im Winter 2021/21. Die Zahl der mit SARS-CoV2 Gestorbenen lag mit 33 bei 1,2 Prozent der durchschnittlich 2700 täglichen Todesfälle in Deutschland.

Am 26.11.2021 sah die Situation auf den Intensivstationen so aus. Man hatte immer noch nicht den Eindruck einer eklatanten Überlastung und staunte darüber, wieviele freie Betten es zusätzlich gäbe, hätte man nicht – auch in Bayern – seit eineinhalb Jahren systematischen Abbau betrieben. Es gibt andererseits auch noch Luft nach oben: „Bei uns werden durchschnittlich 50 Prozent mehr stationäre Fälle pro Einwohner behandelt als im Schnitt der Nachbarländer“, sagte der Gesundheitsökonom Reinhard Busse (Nordbayern 26.11.2021).

Der Informatiker Daniel Haake veröffentlichte am 12. November 2021 auf twitter einen Blick auf die „Gesamtsituation“ verglichen mit dem Vorjahr und fand Zeichen einer abnehmenden „Dynamik“; wir seien von „Höchstständen auf den Intensivstationen noch deutlich entfernt“. Auch bei den Neuaufnahmen auf den Intensivstationen gab es im November 2021 eine Verlangsamung der Zunahme, und ab Dezember einen Rückgang der Infektionszahlen und der Intensivbelegung (Haake  12.11.2021, Haake 25.11.2021, Wieland 3.12.2021, Jens 4.12.2021). Die europäische Sterbestatistik wies bis zur ersten Dezemberwoche 2021 keine Besonderheit in Vergleich mit früheren Jahren auf (euromomo).

Dessen ungeachtet stellte das „Bund-Länder-Treffen“ am 2. Dezember neue Regeln auf, die bis in die Privatwohnungen hinein gelten sollen. Sie waren unübertroffen in ihrer Hilflosigkeit, Evidenzlosigkeit und Brachialität, aber gedeckt durch das Bundesverfassungsgericht (WELT 2.12.2021):

„Private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum, an denen nicht geimpfte und nicht genesene Personen teilnehmen, sind dem Beschluss zufolge auf den eigenen Haushalt sowie höchstens zwei Personen eines weiteren Haushaltes zu beschränken“. Die Regelung gilt nicht für private Zusammenkünfte, an denen ausschließlich Geimpfte und Genesene teilnehmen.

Eine „einrichtungsbezogene“ und eine allgemeine Impfpflicht sollen „auf den Weg gebracht werden“.

Kulturlockdown für Ungeimpfte: „In Geschäften sowie bei Kultur- und Freizeitveranstaltungen bekommen Zugang künftig nur noch gegen das Coronavirus Geimpfte oder von einer Infektion Genesene. Ausnahme sind Geschäfte des täglichen Bedarfs“.

„In den Schulen soll generell eine Maskenpflicht für alle Klassenstufen gelten – auch dort, wo das bisher nicht der Fall ist“.

Diese und weitere Regeln kamen in jedem Fall zu spät, um noch als Ursache für die bereits nachlassenden Infektionszahlen herhalten zu können. Die „Vierte Welle“ „brach“ von ganz alleine, so wie auch jede „Welle“ zuvor, und wie die „Wellen“ in Ländern, die wesentlich weniger oder gar keine Zwangsmaßnahmen hatten.

Anfang Dezember 2022 stellte der Pharmakologe Markus Veit seinen Twitter-Account ein mit folgender Begründung:

Ich blicke fassungslos auf ein Land in dem

Politiker in einem erschreckenden Ausmaß korrupt sind, wissentlich die Unwahrheit sagen, vermeintlich Wählerstimmen aber nicht ihrem Gewissen verpflichtet sind, und das offensichtlich als Kavaliersdelikt gesehen wird;

Andersdenkende von Medien, Politik, und Gesellschaft systematisch diffamiert, diskreditiert und stigmatisiert werden, ihnen reflexartig eine rechte politische Gesinnung unterstellt wird, Verträge gekündigt und Konten gesperrt werden;

„Redakteure“ mit zweifelhaften Ausbildungs- und Bildungshintergrund glauben, uns die (naturwissenschaftliche) Welt erklären zu müssen, sich anmaßen zu entscheiden, was richtig und falsch ist und dafür dann noch mit Auszeichnungen überhäuft werden;

Teile der Medien nicht (mehr) einer neutralen, differenzierten und (zumindest in Teilen) dialektischen Berichterstattung folgen, sondern immer mehr zu einem Instrument der systematischen politisch gesteuerten Meinungsbeeinflussung werden;

die (Aus)Bildung der politisch und medial Agierenden (in meiner Wahrnehmung) zunehmend nicht mehr ausreichend ist, um komplexe Sachverhalte distanziert beurteilen zu können und evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen;

„Wissenschaftler“ die Deutungshoheit für sich beanspruchen und sich dabei gefallen, diesen Anspruch selbstverliebt, medial im Mittelpunkt stehend, gebetsmühlenartig wiederholend, anstatt sich Themen mit These und Antithese gleichermaßen zu nähern;

medizinische Interventionen nicht (mehr) sorgfältig basierend auf einer umfassenden Nutzen-Risikobewertung, sondern aus politischen Erwägungen eingesetzt werden;

Kinder, nicht ausreichend in pädiatrischen Populationen geprüfte Impfstoffe verabreicht bekommen, damit die Erwachsene (auch ihre Lehrer) wieder ein vermeintlich unbeschwertes Leben führen können – ohne dass die Kinder selbst davon einen wesentlichen Nutzen hätten;

Politiker und Medien (und leider auch Wissenschaftler) gezielt Menschen in Angst und Schrecken versetzen, anstatt ihrem Auftrag nachzukommen, sachgerecht Risiken und Chancen aufzuzeigen und Menschen zu beruhigen.“ (Veit 6.12.2021).

Omikron

Anfang Dezember 2021 kam dann „Omikron„, eine neue, noch ansteckendere Variante des Coronavirus SARS CoV2 (br 11.12.2021). Während die Inkubationszeit bei früheren SARC-CoV2-Varianten bei fünf bis sechs Tagen lag, verkürzte sie sich bei Omikron auf 3,5 Tage (Wu 22.8.2022). Durch Mutationen gerade im Spike-Protein („immune evasion“) unterläuft Omikron die Wirkung der bisher verwendeten Impfstoffe. Sogleich waren Modellierer zur Stelle, um Hunderttausende Erkrankungsfälle pro Tag und Zigtausende Todesfälle zu prophezeien: „Wir haben das Potenzial einer enormen neuen Welle an Infektionen, und wir haben jeden Grund anzunehmen, dass das auch zu einer großen Welle von schweren Verläufen führt“ (ZEIT 10.12.2021; tagesschau 11.12.2021). Markus Söder orakelte: Da kommt keine Welle, sondern eine Wand“ (BILD 21.12.2021).  Karl Lauterbach verbreitete sogar die Falschmeldung auf, es wären vor allem Kinder gefährdet, deshalb müssten unbedingt so schnell wie möglich so viele Menschen wie möglich geboostert werden (BZ 9.12.2021). Es lohnt sich, das diesbezügliche Interview mit Lauterbach im heute-journal vom 8. Dezember 2021 anzusehen, um die psychische Verfassung des Gesundheitsministers zu erahnen (heute-jorunal 8.12.2021).

Der Expertenrat der neuen Bundesregierung unter Olaf Scholz wurde vornehmlich aus altbekannten Hardlinern, Modellierern und Physikern zusammengesetzt, neben dem Feigenblatt Hendrik Streeck. Epidemiologen – die an sich wichtigste Gruppe – sind überhaupt nicht vertreten. Das ließ nichts Gutes ahnen (Corodok 14.12.2021). Schon nach wenigen Tagen „im Amt“ forderte der Expertenrat angesichts der zu erwartenden Omikron-Welle verschärfte Kontaktbeschränkungen. Andernfalls werde eine qualitativ angemessene Versorgung aller Erkrankten in „kurz- und mittelfristige Szenarien“ nicht mehr möglich sein (WELT 19.12.2021).

Die am selben Tag tagende Kanzlerin-Ministerpräsidenten-Konferenz folgte, wie stets auch unter Kanzlerin Merkel, dem Worstcase-Szenario der Panikapologeten. Diese wollten, wie die WELT schreibt, „offensichtlich, wieder einmal, ein Maximum an Angst erzeugen, weil sie anscheinend der Meinung sind, dass die Menschen da draußen nur unter Angst und mit Vorschriften das Angemessene tun werden“ (WELT 21.12.2021, Bezahlschranke). Kein Gedanke wurde verschwendet an die dadurch verursachte erneute Triggerung der unzähligen Angststörungen, und die Langzeitfolgen für die Betroffenen selbst und ihre Umgebung, vor allem ihre Kinder. Denn für sie prognostizierte der Expertenrat eine Zunahme schwerer Infektionen und forderte die Impfung aller Kinder ab fünf Jahren, was die WELT zu dem Zwischenruf veranlasste „Der eigene Irrtum ist in deren Weltbild nicht vorgesehen“ (WELT 2.2.2022, Bezahlschranke).

Das Institut für Statistik der LMU München stellte den Modellierungen ein verheerendes Zeugnis aus: „(1) Da uns weder aus Bayern noch aus Deutschland insgesamt verlässlichen Daten zu Omikron vorliegen, ist eine statistische, datenbasierte Analyse im Moment kaum möglich. (2) In die Zukunft weisende Modellrechnungen sind aus unserer Sicht sehr problematisch und sollten sorgfältig dokumentiert und begründet werden. Im aktuellen Pandemieplan vom RKIwird für die Verbreitung von Omikron eine Verdopplungszeit von drei Tagen angegeben. Dieser Wert ist aber weder begründet noch belegt. Hier gibt es erhebliche Unsicherheiten. Insbesondere ist unklar, wie lange in solch starker Trend in denFallzahlen überhaupt anhalten kann“ (CODAG 23.12.2021). Der tatsächliche Verlauf der „Inzidenz“kurve im Dezember 2021 wich deutlich von den Modellierungen ab (Zacki 25.12.2021). Die Modellierungen seien ein „Dokument des Scheiterns“, schrieb die WELT Anfang Februar (WELT 2.2.2022). Hier Grafiken mit Modellierungen und tatsächlichem Verlauf von „Inzidenzen“ und Intensivfälle im Januar/Februar 2022: ChriW 10.2.2022, SpaßSys 14.2.2022.

Die Panik-Experten der Bundesregierung schrieben weiter: „Sollte sich die Ausbreitung der Omikron-Variante in Deutschland so fortsetzen, wäre ein relevanter Teil der Bevölkerung zeitgleich erkrankt und/oder in Quarantäne“.  Schnell steigende „Inzidenzen“ hätten „hohe Risiken“ für die kritische Infrastruktur (Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Telekommunikation, Strom- und Wasserversorgung) zur Folge (Brg 19.12.2021).

Offenbar um Diskussionen und Nachberechnungen zu vermeiden, hielt der von Olaf Scholz ernannte Expertenrat, der den internen Meinungsbildungsprozess der Ampel-Koalition bis April 2023 (!) begleitete, unter Verschluss (StZ 20.12.2021). Die Stuttgarter Nachrichten kündigten juristische Mittel gegen das Bundeskanzleramt an (StN 23.3.2022).

Der Arzt Christian Haffner stellte am 31.7.2022 den Antrag auf Veröffentlichung der Protokolle des Expertenrats gemäß dem Gesetz auf Informationsfreiheit, der jedoch vom Bundeskanzleramt zweimal abgelehnt wurde. Im Januar 2023 landete der Fall vor dem Verwaltungsgericht, das der Klägerseite recht gab. Ende Juni 2023 wurden die Protokolle von 25 der 33 (Video-)Sitzungen des Expertenrats veröffentlicht, zu einem großen Teil geschwärzt und mit einem Begleitschreiben der Bundesregierung (hidrive 12.6.2023). Ein Dokument der Schande.

Die WELT schrieb: „Sie (= die Protokolle) bieten einen Eindruck, auf welchem Niveau und bei welchem wissenschaftlichen Kenntnisstand Entscheidungen getroffen worden. Vor allem aber spiegeln sie wider, wie es um den Anteil von Weitsicht, Logik und politischer Vernunft am Expertentisch bestellt war (…) Laut Protokoll war bei allen Sitzungen Gesundheitsminister Karl Lauterbach oder einer seiner Vertreter dabei. Das habe durchaus als Aufsicht verstanden werden können, ebenso die Präsenz von Wieler, der als RKI-Chef dem Gesundheitsminister untersteht“ (WELT 29.6.2023, Bezahlschranke). Ganz offensichtlich hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Expertenrat als politische Bühne für seine Coronapolitik benutzt.

Weiter hieß es in der WELT: „Während der 25 Sitzungen kam ein entscheidendes Thema kaum auf den Tisch – das Ende der Pandemie. Wie könnte, wie sollte eine sanfte Exit-Strategie aussehen? Darüber wurde nicht gesprochen. Bis zuletzt habe der Expertenrat die Gefahr durch Omikron überschätzt, forderte unangemessen harte und noch härtere Maßnahmen und war dann enttäuscht, wenn sie nicht kamen wie empfohlen. ‚Man war verärgert‘, so Kekulé, ‚dass ab März 2022 gelockert wurde. Als dann die Krankheitslast zurückging und es seit Frühjahr 2022 nicht einmal eine erhöhte Zahl von Atemwegserkrankungen gab, zeigte sich die Mehrheit im Expertenrat offenbar überrascht.“

Benjamin Stibi kommentierte wenige Tage später in der WELT: Das Kanzleramt macht seinen Corona-Expertenrat zur Geheimsache. …man kann nun mal nicht an der Quelle der Macht sitzen, weitreichende Grundrechtseingriffe vorschlagen und dann dafür nicht Rede und Antwort stehen wollen. (…) Und man fragt sich schon, ob dieser panikgetriebene Konsenszwang nicht zulasten der Qualität des Beratungsprozesses ging. Denn Kompromisse zu finden, ist die Aufgabe der Politik; von Beratern erwartet man doch, dass sie erst einmal nur die verschiedenen Optionen aufzeigen. Die Regierung ging offensichtlich davon aus, mit ihrer Argumentation durchzukommen. Denn wichtige Unterlagen scheinen inzwischen verschwunden zu sein“ (WELT 6.7.2023).

Die Journalistin Aya Velazquez kommentierte die einzelnen Sitzungsprotokoll in einem ausführlichen Beitrag. Im Vorwort heißt es: „Der Expertenrat hatte der Bundesregierung sowohl die allgemeine Impfpflicht, als auch die Weiterführung von Corona-Maßnahmen im Herbst 2022 nahegelegt – und das, obwohl dem Gremium eigentlich bewusst war, dass die Impfung nicht vor Übertragung schützt, die Bevölkerung längst Maßnahmen-müde und Omikron auf dem Vormarsch war. Die brisanten Dokumente geben einen erschütternden Einblick in das geschlossene Weltbild von “Experten”, die bereit sind, ihre wissenschaftliche Ideologie über das Wohlergehen der Bürger zu stellen. (…)“. #*Im Januar 2024 veröffentlichte Aya Velazquez einen Dokumentarfilm zu den Sitzungsprotokollen des Expertenrats und den von ihm empfohlenen Pandemiemaßnahmen (Velazquez 27.1.2024).

In ihrer Zusamenfassung schrieb sie: „Die freigeklagten Protokolle des Expertenrats sind ein Schlüsseldokument zum Verständnis des politischen und gesellschaftlichen Klimas im Winter 2021/ 2022 in Deutschland, als nie dagewesene Grundrechtseinschränkungen für 25 % der Bevölkerung in Form von 2G-Regeln galten, Kinder unter Masken gezwungen, Berufsverbote erteilt und zahllose Existenzen zerstört wurden. (…) Die Protokolle des Corona-Expertenrats zeigen auf: Die unverständlich, kopflos und rigide anmutenden Corona-Maßnahmen in Deutschland, über die im Ausland nicht selten der Kopf geschüttelt wurde, hatten eine ideologische Grundlage – und ein zentrales Element davon war der Corona-Expertenrat. Der Expertenrat empfahl der Bundesregierung eine allgemeine Impfpflicht, gegen den Willen der Bevölkerung. Die Empfehlung wurde auch dann nicht revidiert, als die saisonale Erkältungswelle schon am Abflauen war und die Omikron-Variante dominierte, die eine breite Herdenimmunität hervorrief. Im Beisein von Justizminister Marco Buschmann wurde zudem die medizinische Falschbehauptung kolportiert, die Corona-Impfung verringere das Risiko einer Übertragung. Der Expertenrat bestärkte Landesregierungen darin, Berufs- und Betretungsverbote für ungeimpftes Pflegepersonal noch rigoroser umzusetzen, und schlug vor, den Ermessensspielraum der Gesundheitsämter der Länder durch bundeseinheitliche Regelwerke zu ersetzen. Im Fokus des Expertenrates standen ganz klar nicht nur der vermeintliche Infektionsschutz, sondern auch Social Engineering-Ziele, eine dauerhafte Verhaltensänderung der Bevölkerung – und dies sogar noch im Sommer 2022, als dafür nicht die geringste medizinische Notwendigkeit mehr vorlag. Der Expertenrat warb rigoros für Kinderimpfungen ab fünf Jahren, obwohl ihm mögliche Langzeitschäden durch eine impfbedingte Myokarditis bei Kindern und Jugendlichen bekannt waren“ (Velazquez 28.6.2023).

In Aya Velazquez‘ Kritik an den einzelnen Sitzungen heißt es unter anderem: „Ein scheinbar harmlos wirkender Satz im Protokoll offenbart einen ethischen Abgrund: “Die Appelle vor Weihnachten haben gewirkt”. Der Begriff ‘Appell’ ist hier ganz klar als Verniedlichung und Verklärung der politischen Situation in Deutschland an Weihnachten 2021 zu verstehen: Ungeimpfte unterlagen strengsten Kontaktbeschränkungen. Öffentlich-rechtliche Medien und Faktenchecker-Flagschiffe gaben Tipps, wie an Weihnachten mit Ungeimpften in der Verwandtschaft umzugehen sei: Man solle einen Test von ihnen verlangen, oder, noch besser, sie gleich ganz ausladen. Personen des öffentlichen Lebens verstiegen sich zu Aussagen wie “Ungeimpfte lasse ich zu Weihnachten nicht rein”. Und: „obwohl zum Zeitpunkt der zehnten Sitzung tiefster Winter war – Höhepunkt der Erkältungssaison – war ‚aktuell (.) keine Überlastung des Gesundheitssystem erkennbar‘. Auf dieser Grundlage hätte niemals über eine allgemeine Impfpflicht abgestimmt werden dürfen – doch sie wurde in der gleichen Sitzung sogar als notwendig deklariert, denn “Anreize werden hier nicht reichen”. Ignoranter kann man sich über die körperliche Selbstbestimmung von Menschen kaum hinwegsetzen.“

Eine ausführliche Kritik des 50seitigen Begleitschreibens des Bundeskanzleramts bot auch „stefanie“ auf Twitter (stefanie 29.6.2023). Sie ist u.a. erstaunt über die Sorge des Bundeskanzelramts um den Schutz der Mitglieder des Expertenrats,  die während der Pandemie „nie davor zurückgeschreckt“ waren, „öffentlichkeitswirksam auf Pressekonferenzen, in Talkshows oder Podcasts in Erscheinung zu treten um sich für härteste und zumeist evidenzlose Maßnahmen gegenüber den Bürgern auszusprechen“.

Und: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Expertenrat der BuReg dem öffentlich verkündeten Anspruch auf „Transparenz“ keineswegs nachgekommen ist. Nach der Lektüre dieses aktuellen Schreibens ist klar: das genaue Gegenteil ist und war der Fall“. Andere europäische Länder hatten zu Beginn des Jahres 2022 ihre Infektionsschutzmaßnahmen (nahezu?) vollständig aufgehoben. „Der Expertenrat härtte genau dazu raten müssen und die Bürger verantwortungsvoll aus der Angst und Panik der letzten Jahre herausführen müssen. Dabei hat er jedoch kläglich versagt.“  Nur zwei Wochen vor der Abstimmung über die Impfpflicht hatte der Expertenrat festgestellt, dass 47% der COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen geboostert waren. „Die Debatte um die Impfpflicht hätte sofort abgesagt werden müssen!“ (stefanie 30.6.2023).

Schwärzungen in der Veröffentlichung betreffen u.a. die Namen der Mitglieder, von denen einzelne Beiträge stammen, die „zu schützenden Quellen bestimmter Informanten“, die Namen von bestimmten Pharmaunternehmen und Medikamenten, und „bestimmte Vorschläge, wenn sie Teilnehmenden zuzuordnen sind und zu befürchten ist, dass die Zuordnung eine Gefährdung der betroffenen Person zur Folge haben könnte“ – das Kanzleramt beruft sich hier auf mögliche Angriffe aus der Querdenker- und Reichsbürger-Szene. Geschwärzt wurden zudem Textpassagen „mit Bezug zu weiterhin emotional aufgeladenen Themen oder betreffend die Diskussion zu besonders einschneidenden und damit polarisierenden Corona-Maßnahmen, wie z.B. im Zusammenhang mit Impfungen“.  Die groteske Begründung des Kanzleramts angesichts der realitätsfernen Bestellmenge an Impfstoffen: „Um die wirtschaftlichen Interessen des Bundes nicht zu gefährden“. Auch die Diskussion über die Wirksamkeit der Impfstoffe ist geschwärzt. 

„Im Zweifel wird geschwärzt – das scheint die Maxime der Beamten gewesen zu sein.“ sagte der Jurist Volker Boehme-Neßler der WELT. Das beschädige das Vertrauen in den Staat weiter und nähre den
Verdacht, dass etwas vertuscht werden solle. „Es ist das exakte Gegenteil von offener
Aufarbeitung der Corona-Krise“, so Boehme-Neßler. Nur im Ausnahmefall dürften
Informationen aus dem staatlichen Bereich geheim gehalten werden, wenn es um den Schutz
anderer wichtiger Interessen gehe. Möglicherweise hätten sich tief greifende Grundrechtseingriffe auf Erkenntnisse gestützt, „die sich als völlig falsch erwiesen haben.“ (WELT 29.6.2023, Bezahlschranke).

Scharfe Kritk am Expertenrat kam auch von Klaus Stöhr: Es habe schwere „handwerkliche Fehler“ gegeben – etwa die Positionierung für 2G/3G – , und es sei unverständlich, warum das Gremium sich nicht getraut hat, klare Stellungnahmen etwa gegen eine Impfpflicht abzugeben (FZ 17.7.2023). Und nicht nur das: Der Expertenrat beschloss auch in seiner letzten Sitzung am 4. April 2023, dass es keine Aufarbeitung seiner Arbeit geben wird: „Eine abschließende Lessons-Learned-Stellungnahme wird von den meisten Mitgliedern und auch BM Lauterbach abgelehnt, da die umfassende wissenschaftliche Bewertung innerhalb kurzer Zeit und mit den Ressourcen des Gremiums nicht möglich erscheint.“ (WELT 28.8.2023, Bezahlschranke)

Die „kritische Infrastruktur“ war ein neues, im Grunde lachhaftes Argument in dem großen Strauß bisheriger Lockdownbegründungen. Sollten wirklich die Quarantänemaßnahmen dazu führen, dass bestimmte gesellschaftliche Bereiche nicht mehr funktionieren, waren eher die Quarantäneregeln zu überprüfen – wie es etwa die US-Behörden taten, die sie auf fünf Tage verkürzten (abc 29.12.2021). Bis Anfang Januar 2022 galt in Deutschland: Wer mit einem Omikron-Infizierten Kontakt hatte, musste zwei Wochen in Quarantäne, egal ob geimpft oder nicht, und ohne Möglichkeit des Freitestens. So wurde Quarantäne maßlos aufgebläht. An einer Schule in Versold, an der zwei Omikron-Infektionen nachgewiesen wurden, wurden 131 Schüler und Lehrer in Quarantäne geschickt (wdr 21.12.2021). Nach dem Besuch einer 2G-Disko wurden 820 Besucher in Quarantäne geschickt, weil ein einziger Coronafall entdeckt wurde; durch Infektionen in weiteren Clubs waren es schließlich Tausende (BILD 29.12.2021, WELT 30.12.2021). Winfried Kretschmann räsonierte über den „härtesten Lockdown der ganzen Pandemie“. Ein kleines mutierendes Virus könne die Freiheit „erst einmal runtermoderieren“ (taz 29.12.2021).

Bei der Bund-LänderKonferenz am 7. Januar 2022 wurde die Quarantänezeit auf 10 Tage (bei Kindern 5 Tage) verkürzt, mit Möglichkeit des Frei-Testens nach 7 Tagen (tagesspiegel 7.1.2022). Es war allerdings klar, dass die überempfindlich eingestellten PCR-Tests oft auch noch nach zwei oder drei Wochen positiv ausfielen. Geboosterte wurden von vielen Einschränkungen ausgenommen – keine Quarantäne, keine Testpflicht bei 2G plus -, und damit führte man einen Booster-Zwang durch die Hintertür ein. Ab 1. Mai 2022 waren nur noch  Beschäftigte im medizinischen Bereich zu Quarantäne verpflichtet. Die Umwandlung der Verpflichtung, sich im Fall einer Infektion in Isolation zu begeben, zu einer „dringenden Empfehlung“ wurde von Karl Lauterbach einen Tag später wieder zurückgenommnen (dlf 4.4.2022, bild 5.4.2022).

In Großbritannien wurde zum gleichen Zeitpunkt die Diskussion über die Schädlichkeit von Lockdowns eröffnet. Der führende Epidemiologe Mark Woolhouse schrieb im linksliberalen Guardian einen Artikel mit der Überschrift „Lockdowns brachten mehr Schaden als Nutzen“ (Guardian 2.1.2022). Lockdowns seien keine Gesundheitspolitik (public health policy), sondern ein Zeichen für das Versagens von Gesundheitspolitik. Kindern und jungenErwachsenen seien ihrer Ausbildung, Jobs und normalen Existenz geraubt und ihreZukunftsaussichten beschädigt worden, während ihnen ein rekordverdächtiger Schuldenberghinterlassen wurde. Stattdessen hätten, ähnlich wie in Schweden, freiwillige Maßnahmen empfohlen werden müssen. Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid sagte, es müsse alles getan werden, um strikte Maßnahmen zu vermeiden und stattdessen mit dem Virus zu leben (MailOnline 31.12.2022).

Die Omikron-Welle verlief in Großbritannien im Dezember/Januar 2022 ohne große Dramatik, trotz minimaler Maßnahmen: 3G in Clubs und Events, Empfehlung zu Home-Office, keine Maskenpflicht in Schulen oder Restaurants. Von den Regierenden wurde registriert, dass seit Aufkommen von Omikron eine zunehmende Zahl von Krankenhauspatienten zwar einen positiven Coronatest hatte, aber nicht wegen COVID-19- im Krankenhaus oder auf der Intensivstation lag. Die Zahl schwerer Erkrankungen machte nur noch die Hälfte gegenüber früheren „Wellen“ aus. Klaus Stöhr war sich sicher: „Diese Schere führt uns zurück in die Normalität“ (Merkur 6.1.2021). In Großstädten war festzustellen: Die Infektionszahl nahm innerhalb von drei Wochen stark zu und fiel dann wieder abrupt ab (n-tv 19.1.2022).

In Deutschland führten Grenzschließungen und die Aufrechterhaltung von Kontaktbeschränkungen dazu, dass die Delta-Variante erst später als in anderen Ländern von der harmloseren Omikron-Variante verdrängt wurde. Das hatte möglicherweise viele Todesfällen zur Folge (CoroRe 30.1.2022). Hingegen kann eine ungebremste Virusausbreitung – etwa durch „Lockerungen“ oder das Auftreten neuer Varianten – den Übergang in die endemische Phase mit einer abnehmenden Zahl schwerer Erkrankungsfälle beschleunigen (Hong 9.2.2022). Eine NoCovid-Politik ist daher nicht nur totalitär, sondern auch kontraproduktiv.

Immer mehr Regierungen hoben in den ersten Monaten des Jahres 2022 die Coronaeinschränkungen auf: Spanien (n-tv 12.1.2022), Dänemark (rnd 26.1.2022), Schottland (Indep 18.1.2022), England (GBnews 19.1.2022), Israel (WELT 18.1.2022, Bezahlschranke), Finnland (Reuters 19.1.2022), Schweiz (tagesschau 19.1.2022), Türkei  (tkp 19.1.2022), Irland (reuters 22.1.2022), Niederlande (rnd 11.2.2022), Österreich (WELT 16.2.2022), Island (Iceland 16.2.2022), Frankreich (reuters 3.3.2022), Belgien (reuters 4.3.2022), Ungarn (BZ 4.3.2022), Norwegen (ps 5.3.2022), ….

In Großbritannien war drei Wochen nach dem „Freedom Day“ klar, dass das Aufheben der Pandemiemaßnahmen zu keinem Wiederanstieg der Fallzahlen geführt hatte (Zack 13.2.2022). In Dänemark war drei Wochen nach dem Ende aller Pandemiemaßnahmen am 1. Februar 2022 der Scheitelpunkt der Krankenhausaufnahmen erreicht und sank ab da Tag für Tag, Woche für Woche (Kepp 26.3.2022). In den dänischen Informationen zur Coronasituation hieß es: Seit dem 1. Februar 2022 sind alle Corona-Beschränkungen aufgehoben. Restriktionen wie Maskenpflicht, Kontakt-Beschränkungen, Corona-Pass und Sperrstunden entfallen somit. Covid-19 wird nicht mehr als gesellschaftskritische Krankheit eingestuft (zitiert nach Schrappe 27.3.2022).

Am 21. Januar 2022 verkündete die WELT: „Bald ist es vorbei. Wir trauen uns nur nicht, es zu merken“ (WELT 21.1.2022, Bezahlschranke). Die Bundesregierung betrieb derweil immer noch die galoppierende Selbstisolation: Am 16. Januar 2022 waren vom Gesundheitsministerium 155 Länder als Hochrisikogebiete eingestuft – drei Viertel aller Länder der Welt – inclusive Reisewarnung und Quarantänepflicht bei der Rückkehr (tagesschau 16.1.2022).

Die Neue Züricher Zeitung schrieb: Deutschland hingegen befindet sich weiterhin im Blindflug.Weder die Hospitalisierungsrate noch die Zahlen zu denCovid-19-Intensivpatienten unterscheiden zwischenAufnahme- beziehungsweise Behandlungsgrund. Beide Statistiken werden vom Robert-Koch-Institut (RKI) erstelltund verantwortet, beim Intensivregister steht ihm zusätzlich die Vereinigung der Intensivmediziner (Divi) beratend zur Seite. Brisant ist das insofern, als die Zahlen den Bundesländern als Argumentationsgrundlage dienen für verschärfte Corona-Massnahmen“(NZZ 6.1.2022, Bezahlschranke). Dabei wäre, wie Jens Berger schreibt, Omikron die „goldene Gelegenheit zum Exit (… ), geradezu eine Steilvorlage, um den Ausnahmezustand und die allgegenwärtige Massenpsychose zu beenden“ (Berger 18.1.2022). Doch nichts dergleichen geschah.

Ab 3. März 2022 galten mit Inkrafttreten der „Dritten Änderungsverordnung der Coronavirus-Einreiseverordnung“ keine Staaten oder Regionen mehr als Hochrisikogebiete. Trotzdem mussten alle Einreisende über „einen Nachweis des Nichtvorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Impf-, Test-, Genesenennachweis) zu verfügen“ (entspricht 3G). Ausgenommen waren Kinder unter 12 Jahren.

Es ist eine Illusion, ein ansteckendes Erkältungsvirus aufhalten zu können – sei es mit Grenzschließungen, Lockdowns oder Quarantänemaßnahmen. Eher richtet man immer noch weitere Schäden an.  

Im März 2022 gab es ein zunehmendes bundesweites Problem durch Personalausfälle wegen Quarantäneanordnungen für die Beschäftigten selbst oder für ihre Kinder (Dtsch Ärzteb 22.3.2022).

Milde Verläufe

Ausgangspunkt von Omikron war das südliche Afrika. Die Panikmeldung ging um die Welt und Südafrika wurde isoliert, mit schlimmen wirtschaftlichen Folgen vor allem für die Tourismusbranche (Putsch 28.11.2021). Südafrikanische Ärzte wiesen schon sehr früh auf die sehr milden Fälle“ bei den Infizierten hin: „Wir sehen keine schwere Erkrankungen, keine Toten“ (Guardian 26.11.2021, jens 21.12.2021, cityam 6.12.2021). Mitte Dezember meldeten sie: „Es sind keine Einschränkungen erforderlich, um Krankenhäuser in irgendeiner Weise in irgendeinem Land zu schützen. Omikron ist extrem mild. Der Rest der Welt hat nichts zu befürchten.“ (Pieterstreicher 11.12.2021). In einem Interview mit der WELT sagte die südafrikanische Gesundheitsexpertin Angelique Coetzee: „Mir wurde gesagt, ich solle öffentlich nicht erklären, dass es eine milde Erkrankung sei. Ich wurde gebeten, von derartigen Äußerungen Abstand zu nehmen und zu agen, es sei eine ernste Erkrankung. Ich habe mich geweigert. Man wird mich nicht zum Schweigen bringen.“  Der Druck kam vor allem aus Europa, von Wissenschaftlern und Politikern. „Meine Berichte haben sie aus der Spur gebracht“ (WELT 9.2.2022, Bezahlschranke; BZ 10.2.2022, Dailymail 9.2.2022).

Omikron verursacht zwar mehr Ansteckungen vor allem bei bereits Geimpften, aber deutlich weniger schwere Erkrankungen und weniger Krankenhausaufnahmen (80% geringere Wahrscheinlichkeit) als Delta, und auch deutlich weniger Todesfälle (Wolter 21.12.2021, Jens 21.12.2021, br 22.12.2021, Ulloa 24.12.2021, subjstud 27.1.2022, Vieler 17.3.2022). Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) berichteten im August 2022, dass weniger als die Hälfte der „Omikron-Toten“ tatsächlich an Corona gestorben sind (BZ 28.8.2022).

Das Omikron-Virus weist Gensequenzen früherer Corona-„Erkältungsviren“ auf, was die Mutation zu einem endemischen, sehr ansteckenden, aber relativ harmlosen Virus erklären könnte (Campbell 8.12.2021). Forscher der Universität Hongkong stellten fest, dass Omikron sich im menschlichen Bronchus 70mal schneller als Delta vermehrt, im menschlichen Lungengewebe jedoch 10mal langsamer. Der erste Befund könnte die schnelle Ausbreitung von Omikron erklären, schreiben die Autoren, während der zweite Befund „ein Indikator für eine geringere Krankheitsschwere sein könnte“ (HKU 15.12.2021). Omikron verdrängt die Delta-Variante, was die Infektion zu einer Art Lebendimpfung gegen COVID19 macht (holmenkollin 13.12.2021). Der Vergleich mit dem Pockenimpfstoff, der aus harmlosen Kuhpockenviren bestand, ist naheliegend.

Die Symptome einer Omikron-Infekton sind Müdigkeit für ein bis zwei Tage, leichte Halsschmerzen, Muskel- und Kopfschmerzen, aber im Gegensatz zu früheren SARS-VoV2-Erkrankungen seltener Schnupfen oder Husten. Mehr als die Hälfte der Erwachsenen, die sich mit der Omikron-Variante infizieren, nehmen dies nicht als Krankheit wahr (Young 17.8.2022). Auch Kinder haben ein sehr niedriges Risiko für eine schwere Erkrankung durch die Omikron-Variante – mehrfach niedriger als durch die Vorläufervariante „Delta“ (NYTimes 28.12.2021, Bezahlschranke, Wang 13.1.2022, Focus 11.1.2022, Munro 18.1.2022). 2022 lag in Deutschland das Risiko für schwere Verläufe bei Kindern bei ca. 1:200.000 (stefanie 7.10.2022).

US-amerikanische Wissenschaftler und die CDC analysierten fast 53’000 Omikron-Fälle. Einer von 200 Infizierten wurde stationär versorgt, die mittlere Krankenhaus-Aufenthaltsdauer betrug 1,6 Tage. Kein Patient musste beatmet werden; ein Patient starb. Die Forscher zogen folgende  Schlussfolgerungen: Während eines Zeitraums mit gemischter Zirkulation von Delta- und Omikron-Varianten waren SARS-CoV-2-Infektionen mit vermuteter Omikron-Variante mit einem wesentlich geringeren Risiko für schwere klinische Endpunkte und einer kürzeren Dauer des Krankenhausaufenthalts verbunden (Lewnard 11.1.2022).

In Großbritannien stieg trotz Rekordwerten der Infektionen weder die Zahl der Beatmungsfälle noch die der Todesfälle. Die Fallsterblichkeit lag etwa halb so hoch wie bei einer schwereren Grippeepidemie. Schon nach wenigen Wochen gingen die Fallzahlen wieder rapide zurück. Die Regierung hatte die Nerven behalten und keine verschäften Maßnahmen verfügt (NZZ 7.1.2022, Mailonline 11.1.2022, Plickert 16.1.2022).

Im Sommer 2022 lagen die Sterbefälle in Großbritannien bis zu 18 Prozent über dem Durchschnitt vergangener Jahre. Tom Jefferson und Carl Henneghan schrieben bestürzt: „Doch deuten die Signale in den Daten darauf hin, dass etwas nicht stimmt. Ein anhaltender Anstieg der Todesfälle, wie er 2017/18 zu beobachten war, sollte eine Untersuchung auslösen, die den Zugriff auf die Rohdaten der Totenscheine, eine Stichprobe von Krankenakten oder die Analyse von Autopsien umfassen kann“ (Trusttheevidence 9.8.2022).

Im Juni und Juli 2022 wurden in GB fast 10.000 Todesfälle mehr als im Fünfjahresdurchschnitt verzeichnet, von denen keiner mit dem Virus in Verbindung stand. Die Folgen desLockdowns haben vermutlich mehr Todesfälle verursacht als COVID-19 (DailyMail 20.8.2022).

In Frankreich sank die Zahl der Intensivpatienten mit COVID-19 zwischen November 2021 und Mitte Januar 2022 um 90 Prozent (Rozier 18.1.2022).Hierdie entsprechende Grafik aus den Niederlanden.

Anfang 2022 starben in Israel trotz täglich fast 20’000 positiv Getesteten durchschnittlich nur zwei Menschen pro Tag mit COVID-19. Das größte israelische Krankenhaus Ichilov meldete am 15.1.2022: Omikron birgt minimales Risiko – keine Covid-Patienten an Beatmungsgeräten – die meisten „Covid-Krankenhausaufenthalte“ sind nicht auf Covid zurückzuführen – Massentests und Quarantänen sind unsinnig“. Hochrangige Beamte des Gesundheitsministeriums schlugen den Wechsel zu einem „Masseninfektionsmodell“ vor, ähnlich wie Schweden in den ersten Pandemiemonaten. Das zögerliche Tempo bei der Impfung von Kindern und der fehlende Wille, erneut einen Lockdown oder andere starke Einschränkungen zu verhängen, würde kein anderes Modell zulassen (ToI 29.12.2021). Eyal Shahar, einer der führenden israelischen Wissenschaftler schrieb:

Wenn die Welt vor zwei Jahren von der aktuellen Hospitalisierungs- und Sterblichkeitsrate von Omikron gehört hätte, wäre das uninteressant gewesen und Omikron wäre als ein weiterer schwacher Grippestamm eingestuft worden(Shahar 9.1.2022).

Nach Abwasser-Untersuchungen in Florida war die Omikron-Variante ab Mitte Dezember 2021 der dominante Stamm, es kam aber kaum zu Fällen von klinischer Infektion (abcnews 16.12.2021). In Schottland gab es unter 24’000 Omikron-Fällen nur 15 Krankenhauseinweisungen (Sheikh 22.12.2021). In Dänemark wurden bis 19.12.2021 von 18’366 Omikron-Patienten 30 (= 0,16%)  stationär aufgenommen, es gab keinen Todesfall; 79% waren zweimal geimpft und 10,8% dreimal (SSI 19.12.2021). Die dänische Regierung kündigte trotz hoher „Inzidenz“zahlen an, das kulturelle und gesellschaftliche Leben nicht weiter einzuschränken. Der „worst case“ sei ausgeblieben (ndr 12.1.2022).

Der französische Lockdown-Befürworter („flatten the curve“) Tomas Pueyo twitterte am 17.1.2022: GAME OVER. Dies ist das Ende der Pandemie: Impfstoffe reduzieren Todesfälle um 90%, Omikron tötet 90% weniger, medikamentöse Behandlungen retten 90% der Menschen. Diese 3 reduzieren die COVID-Todesrate um 99,9%. Und nach Omikron werden die meisten Menschen eine Art von Immunität haben. Es ist an der Zeit, unser Verhalten zu ändern“ (Pueyo 17.1.2022).

In Deutschland kam es im Januar und Februar 2022 in Deutschland trotz steigender Fallzahlen zu einem Rückgang der Intensivfälle und der Todesfälle durch COVID-19 (Zack 16.1.2022, Gersemann 6.2.2022, Zack 17.2.2022). Die Krankenhäuser liefen wieder einmal leer. Der Hospitalisierungsindex fiel innerhalb eines Monats um zwei Drittel, und die Zahl der Intensivpatienten halbierte sich nahezu, trotz ansteigender „Inzidenzen“ (Berger 18.1.2022, Zacki 20.1.2022). Ende Februar 2022 lagen nur sieben von 10’000 an COVID-19 Erkrankten auf eine Intensivstation (Zack 25.2.2022). Mindestens die Hälfte der stationär aufgenommenen „Corona-Patienten“ wurde gar nicht wegen einer Covid-19-Erkrankung behandelt, sondern aus einem anderen Grund. Leitende Klinikärzte stellen die offiziellen Daten zur Belastung der Krankenhäuser infrage (Machowecz 16.2.2022, ZEIT 16.2.2022 Bezahlschranke). Die große Mehrzahl der festgestellten Infektionen verlief ohne Symptome, die Wahrscheinlichkeit lebensbedrohlicher Erkrankungen liegt bei den symptomatisch Erkrankten unter einem Promille (Stöhr 22.1.2022, Röhn 3.2.2022). Die Hälfte bis drei Viertel aller „Covid-Patienten“ kamen wegen anderer Probleme in den Kliniken, wurden aber als Coronapatienten erfasst und gemeldet (Ärztebl 27.1.2022). Selbst dem Bayerische Rundfunk fielen die „verzerrten Zahlen“ auf (br 28.1.2022).

Auch die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5, die im Frühjahr 2022 zunächst vor allem in Südafrika, später in Portugal herumgereicht wurden, führten zu keiner relevanten Zunahme von schweren Erkrankungen oder Todesfällen und waren innerhalb weniger Wochen „durch“ (Burn-Murdoch 30.5.2022, Rosenbusch 8.6.2022, Beige 8.6.2022). Personen, die an früheren Omikronvarianten erkrankt waren, sind gut vor neueren Varianten wie BA.5 geschützt (Malato 8.9.2022). Eine Infektion mit Omikron vermittelt durch die Produktion von biologisch aktiven Interferonen wahrscheinlich sogar einen Schutz vor einer Infektion mit Influenzaviren (Bojkova 6.9.2022).

Jochen Werner, Chef der Essener Uniklinik mahnte: „Wir müssen diesen Angst- und Panikmodus zugunsten eines kontrollierten Pragmatismus im Krankenhaus-Management verlassen. Es muss Schluss sein mit dem Covid-19-Alarmismus. (…) Wir beobachten, dass immer mehr Patientinnen und Patienten wegen ganz anderer Erkrankungen bei uns sind und dann – wie auch in der übrigen Bevölkerung – zufällig positiv getestet sind. Also keine Anzeichen für das Vorliegen einer Corona-Erkrankung haben“ (Nordkurier 21.1.2022). Doch die Verantwortlichen in Berlin und den Landesregierungen blieben stur, und vom Bundeskanzler war tagelang kein Wort zu vernehmen.

Markus Unnewehr, Chefarzt der Pneumologie und Infektiologie an der St.-Barbara-Klinik in Hamm meinte im Juli 2022: „Corona hat sich seit Anfang des Jahres komplett verändert“. Auch die RKI-Zahlen zeigten, dass die Sterblichkeit 2022 unter die einer Influenza gesunken sei. Die wenigen Todesfälle beträfen fast nur noch schwer Immunsupprimierte wie Leukämiepatienten. Nicht mehr betroffen seien die bisherigen so genannten Vulnerablen, also Menschen über 60 Jahre und solche mit einzelnen Vorerkrankungen wie Diabetes oder Adipositas (wa.de 22.7.2022).

Schlechter bzw. fehlender Impfschutz bei Omikron

Gegenüber einer Ansteckung mit der Omikron-Variante versagt der Impfschutz wenige Wochen nach der zweiten Dosis mit Comirnaty und Spikevax weitgehend und nach Vaxzevria, JCovden, Sputik V und  VeroCell komplett (Ärztebl 15.12.2021, reuters 17.12.2021, Hansen 21.12.2021, WELT 29.12.2021, Buchan 28.1.2021, Rabe 2.3.2022). Auch Heranwachsende (12- bis 17-Jährige) entwickeln durch die Impfung nur einen unsicheren und vorübergehenden Schutz vor einer Omikron-Erkrankung. Bei über 18-Jährigen liegt die Schutzwirkung vor einer symptomatischen Erkrankung zwei Monate nach der zweiten Impfung nur noch bei 20 Prozent, und bald danach sinkt sie auf null (Powell 21.3.2022, Prasad 20.5.2022). Teilweise fällt sie sogar ins Negative – Geimpfte haben dann also eine höhere Erkrankungswahrscheinlichkeit als Ungeimpfte (Hansen 23.12.2022, Don Wolt 6.1.2022, Rabe 9.1.2022, Zacki 20.1.2022, Röhn 10.2.2022). Korrigiert man die Daten, die vom RKI aus welchem Grund auch immer „gefiltert“ werden, dann ist derselbe Effekt auch in Deutschland zu erkennen (Garber 17.2.2022).

Dies könnte mit der so genannten „Antigen-Erbsünde“ zusammenhängen: Die Impfung überschreibt das angeborene Immunsystem mit dem Befehl, nur gegen das Spikeprotein Antikörper zu bilden; gerade dieses aber ist bei Omikron mutiert. Vermutlich deshalb breitete sich die Omikron-Variante am schnellsten in Ländern mit hohen Impfquoten wie Großbritannien, Dänemark, Irland oder Island aus (Corona Realism 3.1.2021, Gersemann 1.1.2022). Bei Haushaltskontakten mit Omikron-Patienten infizieren sich zweimal Geimpfte 2,6x häufiger, dreimal Geimpfte 3,7x häufiger als bei Kontakt mit Delta-Patienten (Lyngse 27.12.2021).

Eine dritte Impfdosis führt vorübergehend zu einem moderaten Schutz vor schweren Krankheitsverläufen, Komplikationen oder Tod (khub 31.12.2021, Buchan 28.1.2021, Tseng 21.1.2022). Dies dürfte aber durch die – gegenüber Ungeimpften – deutlich höhere Infektionsrate wieder wettgemacht werden (Röhn 10.2.2022). Gerade bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem oder bei älteren Menschen mit nachlassender Funktion des Immunsystems fällt der Schutz durch die Boosterung schwächer aus. Nach einer Studie der amerikanischen CDC liegt der Impfschutz nach der zweiten bzw. dritten Impfung nach drei Monaten bei 69% bzw. 66%, nach fünf Monaten bei 37% bzw. 31% (CDC 11.2.2022). Das Nutzen-Risiko-Verhältnis, verschlechtert sich noch weiter, wenn man schwere Impfnebenwirkungen und die Immunschwäche in den ersten zwei Wochen nach der Impfung einbezieht. Joan-Ramon Laporte Roselló, spanischer Experte für Pharmakovigilanz, sagte: „Es gibt keine Daten, aus denen hervorgeht, dass die Impfung bei Omikron Leben rettet“ (Gefaell 8.2.2022). Nach dem RKI-Lagebericht vom 14. April 2022 verhindert die dritte Impfung verglichen mit den zwei ersten Impfungen keine symptomatischen Erkrankungen und reduziert das Risiko einer Intensivbehandlung bei über 60-Jährigen um lediglich 35 Prozent (Terasa 16.4.2022).

Die Ansteckungsfähigkeit ist spätestens drei Monaten nach der zweiten oder dritten Impfung wieder ebenso groß wie bei Ungeimpften (Zacki 25.1.2022). Aus den Zahlen aus Dänemark, Großbritannien und den USA lässt sich kein signifikanter Fremdschutz erkennen, eher sogar eine negative Wirkung bezüglich Infektionen (SubjStud 13.2.2022, holmenkollin 19.2.2022, Madewell 28.4.2022).

Bei über 30-jährigen Geboosterten zeigten sich sogar wesentlich höhere Infektionsraten als bei Ungeimpften (Röhn 10.2.2022, SubjSt 10..2.2022, Reiser 20.2.2022).  Schwedische Forscher berichteten über eine hohe Inzidenz von Omikron-Infektionen trotz kürzlicher Auffrischungsimpfung. „Impfstoff-induzierte Antikörpertiter scheinen eine begrenzte Rolle beim Risiko einer Omikron-Infektion zu spielen. Eine hohe Viruslast und die Sekretion von Lebendviren über einen Zeitraum von bis zu neun Tagen können die Übertragung in einer dreifach geimpften Bevölkerung steigern“ (Marking 3.4.2022). Das gleiche berichten japanische Forscher: „Omikron-infizierte Patienten, die eine dritte Impfdosis erhalten hatten, wiesen eine ähnliche Viruslast auf wie Patienten mit zwei Dosen oder ungeimpfte Patienten.“ (Hirotsu 19.4.2022).

Pfizer versuche Zweifel an der dritten Impfung mit einer Studie mit 5000 Probanden zu kontern, die zur Hälfte ca 10 Monate nach der zweiten Impfung geboostert wurden. Die Impfwirksamkeit lag angeblich bei 95 Prozent Impfwirksamkeit (Moreira 19.5.2022). Diese Studie erregte sogar das Missfallen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Dass sich das NEJM für eine solche Marketingkampagne hergibt, markiert einen Tiefpunkt in der klinischen Forschung. (…) Wären die Impfstoffhersteller tatsächlich an der Sicherheit ihres Vakzins interessiert gewesen, hätten sie dieses nicht nur bei rund 5000 Probanden getestet, sondern bei Zigtausenden mehr. Bei einer so kleinen Versuchsgruppe verschwinden seltene Komplikationen im Grundrauschen. Dass börsennotierte Unternehmen ihre Produkte schönreden, ist das eine, dass sich die Allgemeinheit dies bieten lässt, das andere. Es ist daher allerhöchste Zeit, derartigen Praktiken ein Ende zu bereiten und Studien, die das menschliche Wohl betreffen, auf unabhängige – sprich öffentlich finanzierte – Beine zu stellen“ (FAZ 30.5.2022).

Im Gesundheits- und Pflegebereich könnten demnach Ungeimpfte die geringste Gefahr darstellen. Auf Sylt kam es zu einem Omikron-Ausbruch bei einer 2G plus-Weihnachtsfeier, der schließlich die ganze Insel (knapp 500 Infizierte) und sogar das benachbarte Festland lahmlegte. Erfreulich sei jedoch nach einem Bericht in der WELT, „dass bisher alle Infizierten auf der Insel über sehr milde Krankheitsverläufe berichten; ins Krankenhaus habe seines Wissens bisher niemand eingeliefert werden müssen“ (WELT 10.1.2022).

Den besten Schutz haben Genesene auf Grund ihrer breiteren und anhaltenderen Immunität, die sich schon in der Moderna-Zulassungsstudie abzeichnete: Geimpfte entwickelten bei einer Durchbruchsinfektion wesentlich seltener Antikörper gegen den Viruskern als ungeimpft Infizierte (EurekAlter 10.2.2022, impfinfo 29.4.2022).  Genesene mussten während der Delta-Welle in den USA seltener im Krankenhaus behandelt werden, egal ob zusätzlich geimpft oder nicht (Dtsch Ärztebl 31.1.2022). Eine im Februar 2022 veröffentlichte Studie aus den USA zeigte, dass unter den untersuchten 816 COVID-19-Patienten 99,8 Prozent Antikörper entwickelten, die über bis zu 20 Monate stabil blieben (Alejo 3.2.2022). Ein anderes US-amerikanisches Forscherteam schrieb: „Eine SARS-CoV-2-Infektion ist in hohem Maße schützend gegen eine Reinfektion mit Delta. Die Immunität nach einer früheren Infektion hält mindestens 13 Monate an. Länder, die mit einem Impfstoffmangel konfrontiert sind, sollten in Erwägung ziehen, die Impfung für bereits infizierte Patienten aufzuschieben, um den Zugang zu erleichtern“ (Kim 3.12.2021).

Forscher der LMU München wiesen nach, dass auch Genesene, die ihre Antikörper „verloren“ haben, funktionierende Gedächtniszellen aufweisen, die jederzeit wieder Antikörper bilden können – eine Art „stille Reserve“. Die Untersuchung von Gedächtnis-B-Zellen könne daher für den Nachweis einer früheren Infektion empfindlicher sein als die Messung von Serumantikörpern. „Unsere Erkenntnisse sind wesentlich für die Frage der Langzeit-Immunität, da sich B-Gedächtniszellen bei erneuter Infektion – oder bei Infektion nach einer Impfung – sehr schnell zu Antikörper-produzierenden Zellen differenzieren und auch weiterentwickeln können, um Virus-Varianten besser zu binden (Winklmeier 21.1.2022, idw 4.2.2022).

Nach einer Studie aus Katar sind Genesene zu 60 bis 90% vor erneuten Infektionen mit verschiedenen SARS-Varianten und zuverlässig vor einer Krankenhauseinweisung oder dem Tod durch COVID-19 geschützt (Altarawneh 10.2.2022). Nach einer schwedischen und einer spanischen Studie verfügen Genesene mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen mindestens 20 Monate anhaltenden Schutz vor einer erneuten Infektion, und im seltenen Fall einer Infektion vor einem schweren Krankheitsverlauf (Nordström 1.6.2022, Dobaño 13.10.2022). Studien aus Dänemark und Portugal bestätigen den guten Schutz vor einer Infektion mit der BA.5-Variante, wenn man einmal an der Omikronvariante BA.1 oder BA.2 erkrankt war (Hansen 18.7.2022, Malato 8.9.2022). Auch bei Kindern verlaufen Zweitinfektionen deutlich milder als Erstinfektionen (Medic 10.10.2022).

Alasdair Munro folgerte:

„In erster Linie können wir jetzt sicher sein, dass eine frühere Infektion mit Omicron einen robusten Schutz gegen eine erneute Infektion mit verschiedenen Omicron-Subvarianten bietet – zumindest kurzfristig“ (Munro 2.8.2022)

Italienische Wissenschaftler schrieben im September 2022 in einer großen Übersichtsarbeit: „Es hat sich gezeigt, dass die durch den Impfstoff induzierte Immunität schneller abklingt als die natürliche Immunität. Im Allgemeinen ist der Schweregrad der Symptome bei einer Reinfektion deutlich geringer als bei der Erstinfektion, die Zahl der Krankenhausaufenthalte ist geringer (0,06 %) und die Sterblichkeitsrate extrem niedrig. Schlussfolgerungen: Diese Übersichtsarbeit, die sich auf eine große Anzahl von Artikeln stützt, hat den wertvollen Schutz durch die natürliche Immunität nach COVID-19 hervorgehoben, der mit dem durch die Anti-SARS-CoV-2-Impfung induzierten Schutz vergleichbar oder sogar überlegen zu sein scheint“ (Diani 25.9.2022).

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Die Washington Post hatte schon im September 2021 mehr als 15 Studien zur Zuverlässigkeit der Immunität durch eine frühere Infektion mit dem Virus registriert. So habe etwa eine in Israel durchgeführte Studie mit 700‘000 Personen ergeben, dass bei Personen, die bereits eine Infektion durchgemacht hatten, die Wahrscheinlichkeit einer zweiten symptomatischen Covid-Infektion 27-mal geringer war als bei geimpften Personen (WP 15.9.2021). In einer retrospektiven Kohortenstudie mit 325 000 Patienten hielt die Immunität nach einer früheren COVID-19-Infektion mindestens 13 Monate an (Kim 3.12.2021). In einer Laborstudie des Paul-Ehrlich-Instituts konnten nach einer COVID-19-Erkrankung Gesamtantikörper gegen SARS-CoV2 über mehr als 430 Tage nach der Infektion nachgewiesen werden, „ohne dass ein Endpunkt absehbar war“, bei praktisch 100 Prozent der Proben (PEI 21.1.2022, Zacki 23.1.2022).

Trotzdem wurden im Januar 2022 Genesene noch schlechter gestellt: Galten sie bis 2021 noch sechs Monate nach einer positiven Testung als „genesen“, so verkürzte das RKI im Januar 2022 mit einem Mausklick den Genesenenstatus auf drei Monate, genauer gesagt, auf 62 Tage, nämlich vom Tag 28 bis zum Tag 90 nach einem positiven PCR-Test – angeblich notwendig wegen der ansteckenderen Omikron-Variante. Zudem galt eine einzige Dosis Janssen von heute auf morgen nicht mehr als Grundimmunisierung  (rki 14.1.2022, tagesschau 17.1.2022). Mit Beschluss des Bundesrates vom 14. Januar 2022 war das RKI ermächtigt worden, festlegen, wie lange nach einer Corona-Infektion Menschen als genesen gelten – eine Verordnung, deren Verfassungsmäßigkeit vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages bezweifelt wurde (BILD 31.1.2022).

Die plötzliche Änderung der Genesenen-Verordnung war skandalös, denn nicht die natürliche Immunität, sondern der Impfschutz versagt nach kurzer Zeit. Es ging bei einer derartigen Definitionsänderung letztlich darum, „ob Millionen Menschen ihre Grundrechte noch ausüben dürfen oder nicht“ (Häring 17.1.2022). Die Rechtsanwältin Jessica Hamed sprach von „Grundrechte-Lotterie„; es könne nicht sein, dass eine Behörde im Alleingang darüber entscheidet, wem Grundrechte gewährt werden und wem nicht. „Das ist Aufgabe des Parlaments oder aber wenigstens einer gewählten Regierung“  (Hamed 17.1.2022, Hamed 19.1.2022).

Jessica Hamed legte gegen die willkürliche Entscheidungen Klage ein. In einem Interview im Cicero kommentierte sie dies: „Eigentlich müsste die Regierung ihren Grundrechtseingriff rechtfertigen, stattdessen ist es so, dass wir darlegen müssen, warum der Grundrechtseingriff rechtswidrig ist… Gerichtliche Verfahren sind wichtig, weil es unerträglich ist, verfassungswidrige Gesetze unbeanstandet stehen zu lassen, und weil es den Betroffenen hilft, dem übergriffigen Staat nicht völlig tatenlos zuzusehen. Das treibt übrigens die meisten meiner Mandantinnen und Mandanten an. Sie wollen das Erodieren des Rechtsstaats für sich oder oftmals auch für ihre Kinder nicht schweigend hinnehmen. Auch wenn sie wissen, dass den Verfahren meist nur ein symbolischer Wert aufgrund der geschilderten Umstände zukommt“ (Cicero 3.2.2022, Bezahlschranke).

Im Rest der Welt galt man weiterhin 6 bis 12 Monate lang als genesen. Die EU-Staaten einigten sich Ende Januar 2022 darauf, dass das digitale Covid-Impfzertifikat neun Monate gültig sein sollte und Genesene sechs Monate lang keine Reisebeschränkungen fürchten müssten (bi 27.1.2022).

Die Anerkennung des Genesenenstatus wurde zusätzlich erschwert durch den Beschluss der Gesundheitsminister, PCR-Tests zu beschränken (dlf 22.1.2022). Kein PCR Test, kein Genesenenstatus . Die Behörden arbeiteten offensichtlich daran, den Genesenenstatus nach und nach auszumerzen (Hamed 26.1.2022). Die seit Omikron stark zunehmende Anzahl von Genesenen war ein Störfaktor für das Vorhaben einer Impfpflicht. Es sollte wohl einfach möglichst viel Impfstoff „in die Oberarme“ gebracht werden – es war ja inzwischen reichlich Impfstoff bestellt (Stöhr 23.1.2022). Zahlreiche Klagen gegen die Verkürzung des Genesenenstatus wurden eingereicht, und ihnen wurde teilweise auch stattgegeben (BZ 30.1.2022). Den größten Erfolg meldete die Kanzlei Bögelein: Das VG Stuttgart kritisierte die fehlende fachwissenschaftliche Begründung des RKI und kritisierte als erstes Gericht die Ungleichbehandlung von Geimpften und Genesen (Boegelein 15.3.2022).

Die Juristenorganisation KRiSta sah in der Umdefinition einen verordnungsrechtlichen „Verweisungstrick“ auf das Robert Koch-Institut. Es sei zu prüfen, ob dies noch mit dem Verfassungsrecht vereinbar ist. Es sei nicht auszuschließen, dass sich auf derartige Normen keinerlei Bescheide, Bußgeldbescheide oder Urteile mehr stützen lassen (KRiSta 18.1.2022).

Der Kommentar von Klaus Stöhr: „In der Schweiz wurde der Genesenenstatus jüngst aus guten Gründen auf zwölf Monate verlängert. Dass eben jener Status in Deutschland auf drei Monate verkürzt wird, ist aus meiner wissenschaftlichen Erkenntnis nicht erklärbar“ (report 18.1.2022). Viele weitere Ärzte kritisieren die Umdefinition, etwa der Immunologe Carsten Watzl: „Wenn man den Genesenenstatus verkürzt, muss man das eigentlich auch für die Impfzertifikate tun“ (rnd 27.1.2022). Auf den Intensivstationen lägen so gut wie keine Genesenen (Focus 27.1.2022). Selbst das ZDF brachte eine kritische Sendung: „Der Präsident des RKI aber erklärt öffentlich nichts… Vom Bundesgesundheitsminister, der eigentlich gerne und viel kommuniziert, dazu tagelang keinerlei Äußerung“ (ZDF 24.1.2022).

Die Gruppe CoronaAussöhnung forderte, den Genesenenstatus zu verlängern statt ihn zu verkürzen. Die Neudefinition habe keinerlei wissenschaftliche Grundlage (Coronaaussöhnung 24.1.2022). Nach einem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts in Osnabrück ist die Verkürzung des Genesenenstatus verfassungswidrig. Das RKI sei rechtlich nicht dazu befugt, diese Entscheidung zu treffen (juris 4.2.2022, WELT 4.2.2022). Zu gleichlautenden Urteilen kamen die Verwaltungsgerichte Frankfurt und München (hs 22.2.2022, 3.3.2022).  Tim Röhns Kommentar in der WELT: „Dieser post-faktischen Politik haben die Osnabrücker Richter nun einen schweren Schlag versetzt. Über die Freiheiten von Bürgern könne nicht via Homepages entschieden werden, und die Verkürzung des Genesenenstatus sei eben nicht wissenschaftlich basiert, so das Gericht. Weitere Beschlüsse anderer Gerichte stehen in der kommenden Woche an, und nun bleibt Lauterbach und dem RKI vermutlich wirklich keine andere Wahl, mehr als den Unsinn rückgängig zu machen. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn Politiker, die zwecks Durchsetzung ihrer Agenda nicht einmal mehr davor zurückschrecken, die Bevölkerung mit fiesen Tricks zu übertölpeln, in der Bekämpfung der Pandemie künftig keine Rolle mehr spielen würden“ (WELT 6.2.2022, Bezahlschranke).

Omikron verbreitete sich nicht deshalb schneller, weil es ansteckendere Eigenschaften hat, sondern eben deshalb, weil die Impfung versagte und sich nun die Geimpften reihenweise infizierten. Das Erreichen einer Herdenimmunität durch Impfung war noch nie weiter entfernt und sowieso eine Illusion (Antes 8.1.2022, Sokrates 25.1.2022). Da nützten auch hohe Antikörper im Blut nichts (Röder 6.3.2022).

Die COVID-19-Impfung ist spätestens seit Omikron epidemiologisch wertlos. Ungeimpfte, Geimpfte und Geboosterte infizieren sich gleichermaßen. 2G- oder 3G-Regeln waren reine Diskriminierung. 

Sogar Bill Gates gab sich zerknirscht. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte er: Leider ist das Virus selbst – insbesondere Omikron – eine Art Impfstoff, erzeugt sowohl B-Zellen- als auch T-Zellen-Immunität und hat es besser geschafft, die Weltbevölkerung zu erreichen, als wir es mit Impfstoffen getan haben.“ (Ziesmann 18.2.2022).

Andreas Radbruch bestätigte: „Im vergangenen Jahr gab es eine Studie in Nature, die gezeigt hat, dass die meisten Genesenen eine sehr stabile Immunität aufbauen. Es klingt jetzt brutal, aber aus immunologischer Sicht ist das Virus der beste Impfstoff, besser geht es nicht. Es hat alles, damit das Immunsystem sich perfekt vorbereiten kann auf weitere Infektionen: Es induziert nach dem Kontakt Antikörper, T-Zellen und Killerzellen. Dass dadurch eine lang anhaltende Immunität erzeugt werden kann, hat eine Untersuchung aus dem Jahr 2020 gezeigt. Menschen, die sich 2003 mit dem ersten Sars-Virus infiziert hatten, besaßen 2020 Antikörper in mindestens der gleichen Konzentration wie ein Jahr nach der Infektion2 (Cicero 30.3.2022).

Geimpfte und Geboosterte waren seit Omikron nicht einmal mehr vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt. Die Schutzrate stieg nach Auffrischimpfungen nur vorübergehend an – in Kanada war schon eine Woche nach der Booster-Dosis die Impfeffektivität auf klägliche 37 Prozent abgesunken (Lyngse 27.12.2021, Levine-Tiefenbrun 29.12.2021, Buchan 30.12.2021). Bei unter 60-Jährigen hatte die dritte Impfung überhaupt keine Wirkung bezüglich schwerer Erkrankungen (Zacki 8.1.2022). Ende März 2022 war die „Inzidenz“ unter den Geimpften und Geboosterten höher als bei den Ungeimpften (Zack 31.3.2022).

In Schottland gab es ab Anfang Januar 2022 bei zwei- oder dreimal Geimpften mehr Infektionen, mehr Krankenhausaufnahmen und mehr Todesfälle als bei Ungeimpften (Free Pod 12.1.2022). In ganz Großbritannien hatten zweimal Geimpfte das höchste Risiko, an Omikron zu sterben; Ungeimpfte und Geboosterte lagen auf gleicher Höhe (Ward 25.2.2022, Vespertin 3.3.2022). Anfang März 2022 befanden sich in Deutschland fast genauso viele Geboosterte wie Ungeimpfte auf einer Intensivstation. Der mdr konstatierte: „Der Anstieg pro Woche ist immens“ (mdr 8.3.2022). Auch in Dänemark war zur selben Zeit die Wahrscheinlichkeit, mit oder wegen Covid-19 in einem Krankenhaus zu landen, für Ungeimpfte und zweimal oder dreimal Geimpfte etwa gleich hoch (Rosenbusch 9.3.2022). Eine Pfizer-finanzierte Studie aus den USA zeigt, dass Geboosterte nur für etwa drei Monate einen akzeptablen Schutz vor einer schweren Erkrankung haben (Tartof 22.4.2022). 

Ugur Sahin von der Firma BioNTech erklärte: „Drei Impfdosen sind nicht genug, um die neue COVID-Variante zu stoppen. (…) Uns muss klar sein, dass auch dreifach Geimpfte wahrscheinlich die Krankheit übertragen“ (euronews 20.12.2021). Andrew Pollard, Leiter des britischen Ausschusses für Impfungen und Immunisierung, sagte in einem Interview: „Wir können nicht alle vier oder sechs Monate den ganzen Planeten impfen. Das ist weder nachhaltig noch bezahlbar“ (WSJ 10.1.2022). Auch der Immunologe Andreas Radbruch warnte vor Dauer-Boosterungen: Das Boostern hat eben doch seine Grenzen und die ‚Experten‘, die meinen, man könnte das einfach immer weiter treiben, haben das adaptive Immunsystem und sein Gedächtnis nicht verstanden. Ich sage voraus, beim 5. Mal gibts nur noch Nebenwirkungen“ (Radbruch 21.3.2022). In einem Interview ergänzt er: „Wenn man nun dauerboostert, bis das Immunsystem wirklich übersättigt ist, und dann eine Variante käme, die sehr ähnlich, aber gefährlicher wäre, könnte man mit diesem Impfstoff nichts mehr erreichen, selbst wenn man einen angepassten nehmen würde. Das Immunsystem würde nicht mehr reagieren. So würde einem die Flexibilität verlorengehen, adäquat auf neue Varianten zu reagieren“ (Cicero 30.3.2022).

Der US-Verfassungsrechtler Jed Rubenfeld und der Nobelpreisträger Luc Montagner schrieben Anfang Januar 2022 im Wallstreet Journal: „Bisher gibt es keine Beweise dafür, dass Impfstoffe die Infektionen mit der sich schnell ausbreitenden Variante verringern. (…) Es wäre unvernünftig, rechtlich nicht zu rechtfertigen und würde dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen, wenn die Regierung Impfstoffe vorschreiben würde, ohne dass es Beweise dafür gibt, dass sie die Ausbreitung des Krankheitserregers, gegen den sie gerichtet sind, wirksam stoppen. Doch genau das geschieht gerade“ (WSJ 10.1.2022).

Virologen zerbrachen sich den Kopf, wie das Impfschema geändert werden muss, anstatt sich einzugestehen, dass die Impfstoffe einfach mangelhaft wirken (SPIEGEL 30.12.2021). Eric Gujer kommentierte in der Neuen Züricher Zeitung: Das Virus zeigt den Herren des Universums ihre Grenzen auf. (…) Es wäre nicht falsch, wenn wir wenigstens eine Schwundform des alten Gottvertrauens behielten: Demut und Bescheidenheit in dem Wissen, dass der Mensch eben doch nicht der Meister des Universums ist; und Skepsis gegenüber einem Machbarkeitswahn, der für alle Übel eine schnelle Lösung verspricht“ (NZZ 7.1.2022).

Januar – März 2022: Zweiter Anlauf zum Freedom Day

Der kalifornische Hämatologe Vinay Prasad schrieb am 9. Januar: „Die Wirksamkeit des Impfstoffs (gegen Infektionen, nicht gegen schwere Krankheiten) geht den Bach ‚runter“. Er zitierte drei Studien die nur die Schlussfolgerung zulassen: „Zwei Dosen des Impfstoffs bewirken nichts oder fast nichts, um symptomatisches Sars-Cov-2 zu verhindern. Drei Dosen bewirken kaum etwas, und die Wirkung wird sich wahrscheinlich mit der Zeit abschwächen. Man kann die virale Ausbreitung von Omikron nicht durch Boostern eindämmen“ (Prasad 9.1.2022).

Zwei Tage später beschrieb Vinay Prasad, welche Konsequenzen aus dem Impfstoff-Versagen zu ziehen sind: „Omikron hat 3 Merkmale, die sich von früheren Varianten unterscheiden. Erstens breitet es sich sehr schnell aus. Zweitens ist es weniger tödlich, und drittens können Impfstoffe symptomatische Infektionen weniger gut verhindern. Diese drei Merkmale bedeuten, dass das Virus in dieser oder in einer Reihe von nachfolgenden Wellen schließlich alle Menschen erreichen wird. Man kann es nicht für immer vermeiden. Aus all dem ergeben sich 5 wichtige politische Lehren:

Erstens: Eine Maskenpflicht macht keinen Sinn. (..) Wir haben keine Belege dafür, dass solche bevölkerungsweiten Vorschriften helfen…

Zweitens: Schulen sollten nicht geschlossen werden. Die Schließung von Schulen war schon immer ein törichtes Unterfangen…

Drittens können wir die Gesellschaft nicht weiter bremsen. Die Menschen stimmen mit den Füßen ab…

Viertens müssen wir uns auf die am meisten gefährdeten Menschen in der Gesellschaft konzentrieren, wie wir es schon immer tun sollten…

Fünftens: Die Krankenhäuser sollten ihre Kapazitäten verbessern… (Prasad 11.1.2022)

Ein flammendes Plädoyer für die Rückkehr zur Normalität hielt Ehud Qimron, Leiter der Abteilung für Mikrobiologie und Immunologie an der Universität Tel Aviv. In einem offenen Brief an das israelische Gesundheitsministerium kritisierte er gnadenlos das Pandemiemanagement der Regierung: „Mit zwei Jahren Verspätung erkennen Sie endlich, dass ein Atemwegsvirus nicht besiegt werden kann, und dass jeder solche Versuch zum Scheitern verurteilt ist. Sie geben es nicht zu, weil Sie in den letzten zwei Jahren fast keinen Fehler eingeräumt haben, aber im Nachhinein ist klar, dass Sie in fast allen Ihren Handlungen kläglich versagt haben, und selbst die Medien tun sich jetzt schon schwer, über Ihre Scham zu berichten…“ (akanthos 13.1.2022; Audio: Radio München Jan 2022).

Nach John Ioannidis endete die Pandemie spätestens Anfang 2022, wenn man vom Risiko für den Großteil der Menschen, von der Zahl der Todesfälle und der Belastung des Gesundheitswesens ausgeht. Bis Ende Februar 2022 waren 63 % der Weltbevölkerung zumindest einmal geimpft (55 % waren „vollständig“ geimpft), fast ebenso viele Menschen hatten sich mindestens einmal infiziert. In der Summe waren annähernd 90 % der Weltbevölkerung geimpft oder mindestens einmal infiziert. Die Sterblichkeit an COVID-19 ist in etwa vergleichbar mit den Grippeepidemien der Jahre 1957-9 und 1968-70. Die Folgen der Pandemie könnten jedoch vor allem wegen der Fehler im Management noch Jahrzehnte zu spüren sein.

„Der dramatische Anstieg der Zahl der Menschen, die Hunger leiden, ist nur ein Aspekt der Schäden, die durch die Pandemie und die ergriffenen Maßnahmen entstanden sind. Es besteht nach wie vor große Unsicherheit über die relativen Auswirkungen von Wirtschaftsabschwung und Inflation auf die Gesundheit. Die durch die Pandemie und die ergriffenen Maßnahmen verursachte größere Ungleichheit verschlimmert die Situation… Das fortgesetzte Grübeln über COVID-19-Fälle und andere überflüssige SARS-CoV-2-Indikatoren wird nicht helfen. Die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Zivilisation, die Demokratie und das Wertesystem werden heftig diskutiert, und ihre ausführliche Erörterung würde den Rahmen dieses Papiers sprengen. Aber das Vermächtnis der Pandemie könnte uns noch jahrzehntelang verfolgen, wenn sie der Menschheit in diesen Bereichen irreversible Schäden zufügt.“ (Ioannidis 28.3.2022, Ioannidis 26.4.2022).

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. fasste in einer Stellungname zusammen, wie es weitergehen könnte (DGKH 24.1.2022):

  • Die massenhafte Zunahme der Omikron-Infektionen verlangt – wie im Pandemieplan vorgesehen – den Strategiewechsel vom Containment mit dem Ziel der Vermeidung jeder Infektion hin zur Protection, d.h. dem Schutz vor schweren Erkrankungen und Tod statt Schutz vor jeder Infektion.
  • Für den Öffentlichen Gesundheitsdienst muss gelten: Priorisierung auf den effektiven Schutz der Vulnerablen und auf gezieltes Ausbruchsmanagement statt ungezielter Kontaktnachverfolgung und umfangreicher Quarantänisierung.
  • Die Funktionsfähigkeit der Kritischen Infrastruktur und des Gesundheitswesens muss sichergestellt werden durch Wegfall inflationärer Quarantäneanordnungen und zu spätem Freitesten.
  • Generell sollten strikte behördliche Quarantäneanordnungen für Kontaktpersonen ersetzt werden durch eigenverantwortliche Symptomkontrolle und gezieltes Testen mit qualifizierten Antigen-Schnelltests bei Fortsetzung der Tätigkeit.
  • Priorisierung und Ressourcenschonung auch bei der Teststrategie: PCR-Tests zielgerichtet im Bereich der medizinischen Versorgungsstrukturen und zur Diagnostik von Erkrankungen einsetzen.
  • Die Schulen, Kindergärten und Kitas müssen offen bleiben. Kinder und Schüler gehören nicht zu den vulnerablen Personengruppen.
  • Anlassloses Massentesten bei Kindern und Jugendlichen muss beendet werden. Es führt nicht nur zu einem unnötigen Bedarf an PCR-Bestätigungstesten, die in den medizinischen Versorgungsstrukturen dringlich benötigt werden, sondern auch zu wirkungslosen und inflationären Quarantäneanordnungen, die die Kritische Infrastruktur durch die häusliche Präsenz der Eltern zusätzlich gefährden.
  • Intensivierung der Impfkampagne im Bündel mit den etablierten Hygieneschutz- und zielgerichteten Kontaktreduktions-Maßnahmen. Impfen schützt vor Erkrankung, nicht vor Infektion.
  • Impfpflicht für besondere Gruppen nur nach konsentierten wissenschaftlichen Standards zur Schutzdauer, Schutzeffektivität und zur Wahl der Impfstoffe.
  • Kommunikation, die praxisnahe und konkrete Empfehlungen und nicht nur Warnung in den Vordergrund stellt, sondern die Kompetenz des Einzelnen und das Vertrauen der Gesellschaft in die Präventionsstrategien stärkt.

Die Omikron-Welle führte dazu, dass Kontaktnachverfolgungen nicht mehr leistbar und wegen der meist wenig schweren Erkrankungen auch überflüssig wurden. Die Gesundheitsämter kamen nicht mehr hinterher (Hamed 29.1.2022).

Verschiedene Politiker äußerten sich im Februar 2022 weiter ablehnend gegenüber einer Aufhebung von Coronamaßnahmen. Winfried Kretschmann erklärte, vor Ostern sehe er dazu keinen Anlass, das wäre „das völlig falsche Signal“ (swr 1.2.2022). Karl Lauterbach meinte in voller Überzeugung von der Wirkung der Pandemiemaßnahmen: „Wenn wir aber jetzt zu früh lockern, stellen wir unseren eigenen Erfolg unnötig infrage und riskieren neue, gefährliche Infektionen und eine Verlängerung der Welle. Das, was wir in Wochen aufgebaut haben, können wir so in Tagen verspielen“ (BILD 6.2.2022). Der sogenannte „Expertenrat“ spielte auf Zeit und Verzögerung: Ein zu frühes Öffnen birgt die Gefahr eines erneuten Anstieges der Krankheitslast.  (…) Trotz einiger Unsicherheiten kann nach Ansicht des Expertenrats unter den oben genannten Rahmenbedingungen eine besonnene Rücknahme einzelner Infektionsschutzmaßnahmen in den kommenden Wochen möglich sein.“ (breg 12.2.2022).

Markus Söder verstand den Begriff Öffnung zunächst mal falsch und forderte eine FFP2-Maskenpflicht für ganz Deutschland: „Mit einer FFP2-Maske können wir auf die 2G-Regel im Handel verzichten“ (BILD 2.2.2022). „Für Kultur und Wirtschaft ist das Gift“, schrieb die WELT, denn „wer im Februar nicht weiß, ob ein Festival im Mai stattfinden kann, sagt es im Zweifelsfall ab. Und wer nach vielen Monaten immer noch nicht weiß, wie er aus der Kurzarbeit rauskommt, schaut sich nach einem neuen Job um. Auch für Kunden und Verbraucher habe die Entwicklung einen unschönen Nebeneffekt: Die Preise würden stiegen, denn die Unternehmer und Veranstalter, die die Krise überlebt haben, müssten das Geld wieder hereinholen (WELT 2.2.2022).

Am 8. Februar veröffentlichte Markus Söder einen „CoronaFahrplan Bayern“ (Söder 8.2.2022). Darin waren zwar ein paar Zuckerl für Gastronomie und Veranstalter, aber kein Wort zu den Kindern, die die Hauptlast der Maßnahmen tragen. Da sprangen die Kinderärzte in die Bresche und forderten in einem Strategiepapier einen Strategiewechsel zumindest mit Verzicht auf Massentestungen und Quarantäne (BVKJ 16.2.2022).

Thomas Voshaar, Chefarzt der Lungenklinik Bethanien in Moers sagte dem Tagesspiegel: „Wir müssen darauf hoffen, dass sich 100 Prozent der deutschen Bevölkerung mit Omikron infizieren. (…) Wir müssen lernen, damit zu leben.“ Einen anderen Ausweg sehe er nicht, das Gesundheitssystem werde nicht an seine Grenzen kommen (tagesspiegel 30.1.2022). Wolfgang Kubicki äußerte in einem Interview mit dem RND: „Wenn es keinen sachlichen Grund gibt, müssen die Maßnahmen enden, und zwar nicht zu einem bestimmten Datum, sondern sofort. Wir sind wohl näher an diesem Punkt, als viele meinen… Das von Jens Spahn und dem RKI verursachte blamable Datenchaos kann und darf aber nicht zulasten der Grundrechte gehen. Das wäre die Kapitulation des freiheitlichen Rechtsstaats vor behördlichem Versagen“ (rnd 3.2.2022). Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung  Andreas Gassen, verlangte einen Öffnungsplan für Deutschland. „Diesen Freedom Plan zu formulieren, ist nun wichtigste Aufgabe der Politik“ (BZ 4.2.2022). Klaus Stöhr meinte, die Corona-Politik in Deutschland sei mehr von Angst als von Vernunft geleitet. Die Sorge vor einer Überlastung der Krankenhäuser sei völlig unbegründet. Statt auf „Provinz-Intensivmediziner“ zu hören, müssten Beschränkungen zeitnah fallen, das anlasslose Testen genauso wie die Maskenpflicht (ntv 16.2.2022).

Politiker, die ein Ende der Pandemiemaßnahmen fordern, hatten einen mächtigen Gegner: Menschen, die sich genau davor fürchten und das „Projekt Durchseuchung“ an die Wand malen. Ein Autor der WELT konstatierte, „dass auch auf Seiten der Restriktionsbefürworter eine Bewegung heranwächst, die vielfach nicht mehr mit sachlichen Argumenten erreichbar ist, die dem an offenen Schulen festhaltenden Staat und seinen Akteuren ernsthaft planmäßige massenhafte Körperverletzung unterstellt und in ihren Wortmeldungen einen Widerstandsgeist erkennen lässt, der dem der „Querdenker“ ernsthaft Konkurrenz macht und bei näherer Betrachtung ganz ähnliche Feindbilder beschwört“ und fragt sich: „Wie kann man diese destruktiven, angstgetriebenen Energien je wieder in konstruktiv-sachbasierte Wahrnehmungs- und Handlungsmuster umbiegen und politisch-gesellschaftlich reintegrieren, nach zwei Jahren pandemischer Emotionspolitik mit all ihren desaströsen Auswirkungen auf die Kollektivpsyche und das Vertrauen in staatliche Institutionen?“ (WELT 14.2.2022, Bezahlschranke).

Totalitär war auch die Aktion Wirwerdenlaut vom Februar 2022, initiiert von einigen Exponenten der NoCovid-Bewegung. Die Pandemie soll an den Schulen mit PCR-Tests, FFP2-Masken und Schulschließungen gestoppt werden. „Wir fordern, die Durchseuchung an den Schulen zu stoppen! Die Corona-Politik an den Schulen kann nicht mehr so weiter gehen!“ (WSWS 12.2.2022, Kommentar: Briest 12.2.2022). Es entstand eine gut organisierte „Anti-Durchseuchungs“-Bewegung, die mit Hassmails, Twitter-Shitstorms und Bots gegen jeden vorgeht, der einer Öffnungsperspektive das Wort redet.

Der FOCUS registrierte eine „neue Spaltung der Gesellschaft„: „Die alleinerziehende Mutter oder die prekär Beschäftigte mit Migrationsgeschichte sind im Kreis der No-Covid-Befürworter, die gerne wieder alle nach Hause schicken würden, nur selten anzutreffen. Dafür findet man dort überdurchschnittlich viele Menschen mit Hochschulabschluss und Mittelschichtshintergrund. (…)  Die Virusangst verhält sich umgekehrt proportional zum Ansteckungsrisiko. Am meisten fürchten sich diejenigen, die objektiv am besten geschützt sind, weil sie alle Impfungen haben und sich bei Bedarf ins Homeoffice zurückziehen können“ (Focus 11.2.2022).

Die Runde von Kanzler und Ministerpräsidenten beschloss am 16. Februar 2021 sogenannte „Lockerungen„, die sich über fünf Wochen hinziehen sollen und Ungeimpfte weiter diskriminieren. Ab 20. März sollen dann bis weiteres „niedrigschwellige Basisschutzmaßnahmen“ gelten. Deutschland müsse „achtsam bleiben“, hatte Hendrik Wüst gemeldet (fr 17.2.2022). Stefan Aust dagegen sprach von Hysterie, einem „komödiantischen Obrigkeitsstaat“ und einem „Ein-Mann-Panik-Orchester“ (WELT 16.2.2022), Andreas Rosenfelder nannte es „Verhöhnung der Bürger“ (WELT 18.2.2022, Bezahlschranke).

Die Teilnehmer der Ministerpräsidentenrunde betonten „die Notwendigkeit, weiterhin sämtliche Anstrengungen zu unternehmen, Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche abzumildern.“ Aha – aber von den Anstrengungen ist noch nichts zu sehen, denn für Kinder und Jugendliche bleibt erstmal alles beim Alten, nämlich bei „AHA“. Bayern fügte dem Beschluss sogar eine Protokollerklärung hinzu, in dem es heißt: „Eine ‚Durchseuchung‘ der jungen Generation ist nicht hinnehmbar.“ Der Bund stehe in der Verantwortung, weiter „die rechtlichen Möglichkeiten für konsequente Konzepte inklusive Masken- und Testpflichten zum Schutz der Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten“ (br 17.2.2022). Aus den Masken von Millionen Kindern tropft also weiterhin jeden Tag der Speichel.

Die Stuttgarter Kultusministerin Theresa Schopper hatte ihre eigene Assoziation, wenn es um Aufhebung der Maskenpflicht an Schulen ging: „Aber wir sind vom Infektionsgeschehen noch nicht so, dass man sagen könnte, da kann man das Partyfass gleich anstechen.“ (ZEIT 23.2.2022).

Am 9. März 2022 wurden die vorgesehenen „Basisschutzmaßnahmen“  in einem „Referentenentwurf“ genauer definiert. Demnach sollten die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und bestimmten Einrichtungen bestehen bleiben, ebenso die widerlichen Massentests an Schulen, mit denen die „Inzidenzen“ letztlich nach oben getrieben werden – man braucht ja Argumente für eine Impfpflicht. Unter bestimmten Bedingungen dürfen in „Hotspots“, an denen die Krankenhäuser überlastet werden könnten, ein starker Anstieg der Fallzahlen zu beobachten ist oder die „Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage“ besteht, wieder dieselben alten Maßnahmen verhängt werden, die uns schon zwei Jahre ohne irgendeinen Nutzenbeleg begleiten: Test- und Impfnachweise, 2G/3G, Maskenzwang, Abstandsregeln und Hygienekonzepte (BZ 9.3.2022). Karl Lauterbach verlängerte außerdem mit einer Verordnung die „Regeln“, die bis zum 20.3.2022 auslaufen sollen, bis zum 2. April.

Die Vorlage wurde am 18. März 2022 verabschiedet. Wenn irgendein Krankenhaus aus den Nähten platzt – und das passiert jedes Winterhalbjahr, und wird wegen des Betten- und Personalabbaus (Impfpflicht!) häufiger werden -, oder stellt irgendein Modellierer oder Virologe einen „exponentiellen Inzidenzanstieg“ fest,  dann darf in der Region weiterhin oder erneut eine Art Lockdown verhängt werden, inclusive Diskriminierung Ungeimpfter und Misshandlung der Kinder. Die Kriterien für erneute Maßnahmen sind schwammig, die Auswirkungen gravierend (crposlo 10.3.2022). Das Team um Matthias Schrappe schrieb, dass eine Angabe wie ‚Anstieg von 15.000 im Vergleich zum Wert vor 7 Tagen‘, so wie es immer in den Verlautbarungen heißt, nicht nur keine Meldung wert ist, sondern wegen ihrer Haltlosigkeit einzig die Fragenach dem Rücktritt der Verantwortlichen auslösen sollte“ (Schrappe 27.3.2022).

Jessica Hamed stellte fest: „Deutschland hat bis jetzt weltweit die striktesten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus erlassen. Ein Ende ist vorerst auch nicht in Sicht, vielmehr unterstützen über 200 Bundestagsabgeordnete, auch Mitglieder der FDP, einen Gesetzesentwurf für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen Covid-19 ab 18 Jahre – ein weltweit fast einzigartiges Vorhaben….  Faktisch ist die Deklarierung eines ganzen Bundeslands als Hotspot möglich“ (Hamed 12.3.2022). Die striktesten Maßnahmen und eine der höchsten Infektionsraten – da müsste doch auch ein geistig noch so bescheidener Experte die Maßnahmen in Frage stellen.

Und dann kam es, wie es kommen musste: Karl Lauterbach kündigte bei einer Pressekonferenz am 11. März 2022 an, die für 20. März vorgesehenen Corona-Lockerungen würden gar nicht erst in Kraft treten, denn sie würden direkt durch die neue „Hotspot-Regel“ ausgebremst werden (BT 11.3.2022). Am 15. März legte er im Morgenmagazin nach: Es wird keinen Freedom Day geben. Die Länder haben bis zum 2. April Zeit, sich neue Regeln zu geben. Wenn die Hotspot-Regelung von allen genutzt wird, können wir damit viel machen.“ (BMG 15.3.2022). Auch das Ende der Maskenpflicht an Schulen, das die Kultusminister für Anfang April vorgesehen hatten, war plötzlich nicht mehr in trockenen Tüchern (rp 11.5.2022, SWR 11.3.2022). Für Sarah Wagenknecht wäre damit die Coronapolitik der Bundesregierung „um einen Wortbruch reicher“ (Wagenknecht 20.3.2022).

Die Regierenden hatten es sich in ihrer epidemischen Lage bequem eingerichtet – Panik verbreiten, die Bevölkerung spalten und quasi unkontrolliert durchregieren. Sie fürchteten, dass bei Beendigung aller Maßnahmen nichts Gravierendes passieren würde (wie z.B. in Skandinavien; rosenbusch 15.3.2022, freedom 15.3.2022) und den Menschen klar werden könnte, wie sie betrogen worden waren. Unter diesen Bedingungen hätten sich die Menschen ihre Grundrechte selber zurückholen müssen. Durch die  „postfaktische Politik“ hingen wir „fest in einer abenteuerlichen Diskussion aus angeblich notwendigen Basisschutzmaßnahmen und komplizierten Hotspot-Regeln“, so Tim Röhn in der WELT (WELT 17.3.2022, Bezahlschranke).

Klaus Stöhr sprach in einem Interview von einem „Paralleluniversum„, in dem sich Deutschland befindet. Es mache gar keinen Sinn mehr, durch irgendwelche Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Massentests Infektionen „nach hinten zu schieben“. „Da kann man Geld auch gleich verbrennen“. Lockerungen seien in Deutschland allerdings schwer umzusetzen, wegen der permanenten Angstmache (phoenix 20.3.2022). Die Zahlen bis Mitte März zeigten jedenfalls: Es war vorbei (Gustave 24.3.2022). Manfred Lucha, GRÜNER Sozialminister von Baden-Württemberg, verlangte von Karl Lauterbach die Ausrufung des Pandemieendes. Die Gesundheitsämter hätten wegen der rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante sowieso keinen Einfluss mehr auf das Ausbruchsgeschehen (StZ 24.3.2022). 31 Gesundheitsämter in Baden-Württemberg forderten in einem Positionspapier, künftig mit Covid umzugehen wie mit einer „normalen“ Infektionskrankheit: Diagnostik nur bei einer durch einen Arzt festgestellten medizinischen Notwendigkeit, und häusliche Isolation nur bei einer tatsächlichen Krankheit (StadtKarlsruhe 26.3.2022).

Am 18. März beschloss der Bundestag die Änderung des IfSG mit dem Wegfall der meisten Corona-Schutzregeln, unter anderem der Maskenpflicht (außer im ÖPNV und Zugverkehr und in Einrichtungen mit „vulnerablen Menschen“). Die Bundesländer wollten die bis maximal 2. April eingeräumte Übergangsfrist nutzen und jeweils aktuell geltende Schutzregeln zumindest teilweise aufrechterhalten, vor allem die unsägliche Maskenpflicht an Schulen (tagesschau 18.3.2022).

Experten des Justizministeriums widersprachen Lauterbachs Maßnahmen-Fortsetzungsplänen ab 2. April. Sie betonten den „Ausnahmecharakter“ der „Hotspot“-Regelung; die Anwendung sei nur „unter hohen Hürden“ möglich. Zudem müsste zuerst die Anwendung milderer Mittel geprüft werden. Lauterbach selbst  hatte in einem Brief an Krankenhausvertreter zugegeben: „Unter Berücksichtigung der stabilen Situation auf den Intensivstationen ist aktuell eine Überlastung des Gesundheitssystems nicht mehr zu erwarten.“ (WELT 13.3.2022, Bezahlschranke). Einige Bundesländer – Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern – kündigten an, die Lauterbachsche „Hotspot-Regel“ umgehend anzuwenden (Zack 14.3.2022). Das hätte zwei Drittel der bundesdeutschen Bevölkerung betroffen, für die dann der Freedom Day ins Wasser gefallen wäre.

Bayern nahm die Ankündigung nach wenigen Tagen wieder zurück, und das bayerische Kabinett beschloss am 29. März eine weitgehende Rückkehr zur Normalität zum 2. April 2022, incl. Aufhebung der Maskenpflicht an Schulen (AA 18.3.2022, Hagen 29.3.2022). Mit der Empfehlung, trotzdem weiter Masken zu tragen, wurde erneut Druck auf die Schüler ausgeübt und Unfrieden gestiftet, auch im Schuljahr 2022/23 etwa in Bayern (br 2.4.2022, kmBayern 12.9.2022).

Beim Treffen der Ländergesundheitsminister am 28. März zeigte sich Die bundesweiten Maßnahmen mussten wie beschlossen spätestens zum 2. April auslaufen. Karl Lauterbach forderte die Länder dennoch erneut auf, von der Hotspot-Regelung Gebrauch zu machen, mit der die Bundesregierung regional begrenzte Corona-Auflagen weiterhin ermöglicht. FDP-Fraktionschef Christian Dürr versuchte klarzustellen: „Die Hotspot-Lösung ist an strenge Voraussetzungen geknüpft und darf eindeutig nicht pauschal angewandt werden“ (WELT 28.3.2022).

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnte davor, von den geplanten Lockerungen Abstand zu nehmen. „Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf die Zusagen der Politik verlassen können“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen (rnd 15.3.2022). Er forderte angesichts vieler Infektionen mit eher milden Verläufen eine Änderung der Corona-Quarantäneregeln: Positiv Getestete ohne Symptome sollten nicht mehr automatisch in Quarantäne geschickt werden (BZ 25.3.2022).

Der Datenanalyst Tom Lausen, der als Sachverständiger im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages zur Frage der Überlastung des Gesundheitssystems und der Untererfassung von Impfnebenwirkungen aussagte, berichtete in einem Interview von der unglaublich unprofessionellen Aufstellung dieses Ausschusses (multipolar 17.3.2022).

Jessica Hamed sprach der „ehemaligen Freiheitspartei“ FDP eine tragische Rolle zu: „Die angekündigten ‚wenig eingriffsintensiven‘ Maßnahmen entpuppten sich jedoch letztlich als die bislang gravierendsten verfassungswidrigen Grundrechtseingriffe. Sie stellten aufgrund der evidenzlosen 2G-Regelungen und der damit verbundenen willkürlichen Ungleichbehandlung von Menschen, die weder als „geimpft“ noch als „genesen“ galten sogar den fast sieben Monate andauernden Lockdown im Winter/Frühling 2020/2021 in den Schatten.“ Deutschland isoliere sich zunehmend und führe weiterhin unangefochten den „Stringency Index“ an. Es habe bis jetzt weltweit die striktesten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus erlassen. „Ein Ende ist vorerst auch nicht in Sicht, vielmehr unterstützen über 200 Bundestagsabgeordnete, auch Mitglieder der FDP, einen Gesetzesentwurf für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen Covid-19 ab 18 Jahre – ein weltweit fast einzigartiges Vorhaben. Der handwerklich schlecht gemachte Entwurf eines kaum durchsetzbaren Gesetzes bildet mit Sicherheit den erschütternden Höhepunkt einer weitgehend von der Realität abgekoppelten Politik und wird zu Recht u.a. von dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Papier für verfassungswidrig gehalten.“ (Cicero 12.3.2022).

Wie die auf Dauer fortgeschriebene Einschränkung von Grundrechten zu rechtfertigen war, blieb angesichts der entspannten Situation an den Krankenhäusern ein Rätsel, bei dessen Lösung das Bundesverfassungsgericht keine Hilfe war. Gerade die Abstandsregel „kommt so harmlos daher, ist aber zutiefst unmenschlich: sie verhindert Kultur, volle Hörsäle, Normalität und Geselligkeit“ (Zack 16.2.2022).

Eine Expertengruppe von Kinderärzten, Infektiologen und Public Health-Medizinern forderte am 9. März 2022 das dauerhafte Ende von „sinnfreien Maßnahmen“ wie Masken und Testpflicht an Kitas, Kindergärten und Schulen und sah die erneute Änderung des Infektionsschutzgesetzes kritisch: „Wer Kinder und Jugendliche systematisch so behandelt, als sei es deren Aufgabe, jene Erwachsenen zu schützen, die sich selbst nicht schützen möchten, verstößt gegen die UN-Kinderrechtskonvention und missachtet deren Grundrechte. Niemals zuvor stand die Angst vor einer Atemwegsinfektion in einem so eklatanten Widerspruch zur damit verbundenen Krankheitslast. Es ist inzwischen hinlänglich bekannt, dass die Kollateralschäden (u.a. Fehlernährung, Bewegungsmangel, Anstieg der Suizidrate, Suchterkrankungen sowie Gewalttaten gegen Kinder) durch die während der Pandemie verhängten Maßnahmen die Risiken einer Corona-Infektion bei Kindern und Jugendlichen um ein Mehrfaches übersteigen.“ Notwendig sei jetzt eine „evidenzbasierte Kommunikation zu SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern, die Ängsten entgegentritt“ (initiativefamilien 9.3.2022). Wenig später forderte auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) das Ende der Testpflicht an Schulen, „da mit der Omikron-Variante ein Aufhalten der Infektion durch die Testungen nicht mehr funktioniert“ (rnd 28.3.2022).

Dazu Gerd Antes im Interview mit dem Focus: Mit höchster Priorität brauchen wir eine Exit-Strategie. Nach zwei Jahren Fahren-auf-Sicht (oft auch Blindflug genannt) scheinen Bundes- und Landesregierungen Gefallen daran gefunden zu haben, politisch im wissenschaftsfreien Raum entscheiden zu können. Dieser Plan ist die größte Herausforderung an die neue Regierung, und bisher eine einzige Enttäuschung. Eine zentrale Aussage darin muss die klare Absage an NoCovid sein und ein unmissverständliches Bekenntnis zu „Mit dem Virus leben“ mit strategischen Eckpfeilern, wie das praktisch aussehen wird. Die Stimmung der öffentlichen Diskussion dreht sich seit einigen Wochen, Forderungen nach Strategie- und Paradigmenwechsel sind unüberhörbar, vor allem auch aus dem Gesundheitssystem, und müssen unverzüglich aufgegriffen werden“ (Focus 17.2.2022).

Frühjahr 2022: Ende der Pandemie, aber nicht der Angst

Mit der schrittweisen Abschaffung der Pandemiemaßnahmen zeigte sich – wie Matthias Schrappe in einem Interview bemerkte – dass man den Geist der von Medien und Regierungen geschürten Angst nicht wieder so leicht in die Flasche zurückbekommt. Er sagte: „Da wir zu Beginn der Pandemie viele Maßnahmen nicht genügend begründet haben, können wir jetzt auch nicht die Beendigung der Maßnahmen mit dem Wegfall dieser Gründe erklären. Ungenauigkeiten am Anfang rächen sich bei Risikosituationen stets am Ende“ (Cicero 8.4.2022, Bezahlschranke).

Trotz der angekündigten „Lockerungen galten Maskenpflicht und 3G-Regel an vielen Orten weiter. Wie von Karl Lauterbach angeregt wurde vielerorts das Hausrecht wiederentdeckt. Private Veranstalter oder Betreiber setzten die strengeren Corona-Regeln fort und auch öffentliche Einrichtungen wie Rathäuser, Ämter und kommunale Einrichtungen wie Büchereien, Volkshochschulen oder Hallenbäder. Auch die deutschen Hochschulen verlangen flächendeckend FFP2-Masken. Laut Martin Hagen (FDP) können sich jedoch öffentliche Einrichtungen nicht auf die Privatautonomie berufen. „Deswegen sind Maskenpflicht und 3G-Regel in Rathäusern oder Universitäten inakzeptabel und meiner Meinung nach auch klar rechtswidrig“ (rnd 25.3.022, br 12.4.2022). Ähnlich sah es Wolfgang Kubicki: „Es ist nicht akzeptabel, wenn sich öffentlich-rechtliche Körperschaften wie Universitäten einen eigenen Rechtsraum schaffen und eine Maskenpflicht anordnen.“ Schließlich habe der Bundesgesetzgeber auch bei Schulen diese Option mit Ausnahme der Hotspots ausdrücklich aus dem Infektionsschutzgesetz herausgenommen. „Vor diesem Hintergrund wäre eine Maskenpflicht beispielsweise in Hörsälen aus meiner Sicht rechtswidrig.“ (WELT 22.4.2022).

Karl Lauterbach hatte die Impfpflicht weiter auf seiner Agenda, auch wenn Kanzler Olaf Scholz das Thema für abgehakt erklärt hatte (SPIEGEL 7.4.2022). Für den Gesundheitsminister gab es keine anderen Themen. Laut Focus berichteten Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums von chaotischen Zuständen. „Lauterbach befasse sich so gut wie ausschließlich mit Corona. Der SPD-Politiker ziehe zudem Auftritte in den Medien der Sacharbeit vor. Wer einen Termin im BMG bekommt, kriegt provisorisch gleich dazugesagt: Es könne sein, dass spontan abgesagt werde. Es kann dann gut sein, dass Lauterbach am Abend bei Markus Lanz zu sehen ist“ (Focus 13.4.2022).

Ab Mitte April 2022 sagte Karl Lauterbach für Herbst 2022 immer wieder einen „Killervirus“ voraus und wurde für diese haltlose Panikmache heftig kritisiert (t-online 17.4.2022, Focus 19.4.2022). Am 20. April 2022 titelte der Focus: „Nichts als Corona im Kopf: Herr Lauterbach, machen Sie endlich Ihren Job“, und wies auf die vielen unbearbeiteten Baustellen im deutschen Gesundheitswesen hin (Focus 20.4.2022).

Mecklenburg-Vorpommern hatte sich inzwischen zu einem einzigen großen „Hotspot“ erklärt. Es gebe „erheblichen Personalausfall aufgrund infizierter oder in Quarantäne befindlicher Mitarbeitender“, und viele Menschen würden sich bei Beibehaltung der Maskenpflicht sicherer fühlen (WELT 25.3.2022, Bezahlschranke). Dabei zeigten die Zahlen der Krankenhausauslastung etwa der HELIOS-Kliniken, dass zwei Drittel der ausgewiesenen COVID-19-Patienten gar nicht wegen COVID-19 behandelt wurden, sondern dass es nur eine „Nebendiagnose“ war (Helios 26.3.2022). In manchen Krankenhäuser machten die Zufallsdiagnosen bis zu 90 Prozent aus, auch auf den Intensivstationen (hessenschau 25.3.2022). Erst am 12. April fiel in Mecklenburg-Vorpommern die 3G-Regel in fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens weg, nur in Diskotheken blieb es bei der 2Gplus-Regel. Nicht-geimpfte oder genesene Touristinnen und Touristen brauchten bei der Anreise weiterhin einen negativen Test (ndr 12.4.2022). Am 22. April, eine Woche vor Auslaufen, wurde die Hotspotregel vom Oberverwaltungsgericht in Greifswald mit sofortiger Wirkung und unanfechtbar gekippt. Die rechtlichen Voraussetzungen haben laut Gericht nicht vorgelegen. Nicht aufgehoben wurden die Maskenpflicht bei Veranstaltungen, kulturellen Angeboten, Messen oder Beherbergung, die 3G-Erfordernis bei der Anreise Ungeimpfter im Hotel und die 2G-plus-Verpflichtung in Clubs und Diskotheken (ndr 22.4.2022).

Die Regierungsfraktionen des Senats in Hamburg hielten die Belegung auf den Normalstationen als zu hoch und leiteten daraus den Beschluss ab, die Maskenpflicht in Innenräumen um vier Wochen zu verlängern. Die nächsten Wochen seien entscheidend für die Pandemieentwicklung – welch lachhaftes Argument (WELT 24.3.2022). Widerspruch kam von Stefan Kluge, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE): „Wir sind weit entfernt von einer Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen“ (WELT 12.4.2022).

Dann ging es in Hamburg Schlag auf Schlag: Am 13. April 2022 lehnte das Verwaltungsgericht Hamburg einen Eilantrag gegen die sog. Hotspotregelung mit fadenscheinigen Begründungen ab: Die Bürgerschaft habe zu Recht eine konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage angenommen, auf Grund derer eine Überlastung der Krankenhauskapazitäten drohen könnte; es gebe da einen „Einschätzungsspielraum“, und es genüge, wenn das  Infektionsgeschehen die Krankenhauskapazitäten „mitbeansprucht“ (JuH 13.4.2022, Kommentare: zack 14.4.2022, jeha 14.4.2022).

Hamburg und MV ermöglichten mit ihrer Hotspotregelung einen interessanten Einblick in die (Un)Wirksamkeit einer Maskenpflicht: In den Infektionskurven ließ sich verglichen mit anderen Bundesländern kein Nutzen ablesen (Rothe 4.8.2022).

Am 26. April 2022 erklärte der Hamburger Senat, dass ab 30. April Maskenpflicht in Innenräumen und die 2Gplus-Zugangskontrollen bei Tanzveranstaltungen entfallen. Im ÖPNV musste weiter eine FFP2-Maske getragen werden (SH 26.4.2022). Am 27. April gab das Verwaltungsgericht Hamburg einem Eilantrag statt, mit dem sich die Antragsteller, eine geimpfte Schülerin eines Gymnasiums und ein geimpfter Schüler einer Grundschule, gegen die Masken- und Testpflichten an Hamburger Schulen gewandt hatten (JuH 27.4.2022). Andreas Rosenfelder kommentierte in der WELT süffisant: „Die Propheten der Panik stehen bis auf die Knochen blamiert da: Selbst jene nördlichen Bundesländer, die sich auf dem Höhepunkt des Alarmismus zu „Hotspots“ erklärten, ohne dass es dort eine faktische Notlage gegeben hätte, sind in den letzten Tagen still und heimlich zur Normalität zurückgekehrt.“ (WELT 27.4.2022, Bezahlschranke). Das traf allerdings nicht für alle Bundesländer zu: Ab 4. April 2022 galt für Hamburgs Schülerinnen und Schüler wieder die 3G-Regelung: Nur die, die geimpft, genesen oder getestet sind, dürfen am Unterricht teilnehmen. Dies wurde Anfang Mai wieder abgeschafft (WELT 10.5.2022). In Berlin mussten sich die Schüler bis Juni 2022 zweimal wöchentlich in der Schule testen lassen (Berlin.de 4.5.2022). Es wurde also weiter Jagd auf Viren bei Kindern und Jugendlichen gemacht.

Die WELT meldete Ende April 2022, dass Karl Lauterbach offenbar gemeinsam mit Christian Drosten versucht hatte, eine Evaluierung der Corona-Maßnahmen zu verhindern. Der vom Bundestag 2021 eingesetzte Sachverständigenausschuss bekam am 22. April vom Bundesgesundheitsminister die Nachricht, für die Aufgabe der Maßnahmenevaluation werde es „eine Verlängerung oder sogar eine neue Ausschreibung geben“. Eine ausreichende Datenlage sei frühestens im Sommer 2023 zu erwarten (Merkur 26.4.2022, Röhn 25.4.2022, jeha 25.4.2022). Auf Nachfrage von Wolfgang Kubicki, inwieweit die „Sachverständigen für die Evaluation nach § 5 Abs. 9 IfSG über die im Gesetz genannte Anforderung hinsichtlich Unabhängigkeit“ verfügen und inwieweit die Evaluation extern sei, „wenn diese Sachverständigen beim Erlass von den zu evaluierenden Maßnahmen beteiligt waren“, zog sich Christian Drosten zurück (BILD 28.4.2022). Laut FAZ war Lauterbach ganz nebenbei auch dabei, das hauseigene Robert-Koch-Institut finanziell auszutrocknen (faz 24.4.2022).

Während die meisten Pandemiemaßnahmen keine wissenschaftlich gesicherte Grundlage hatten (Hume 22.4.2022), sollte nun nicht einmal im Nachhinein die (Un-)Wirksamkeit untersucht werden. Volker Bohme-Neßler bezeichnete Lauterbachs Vorgehen als „Skandal“: „Das gewählte Parlament erteilt dem Gesundheitsminister einen verbindlichen Auftrag zur Evaluation, und der Minister versucht ernsthaft, sich diesem Auftrag zu entziehen.“ Er verwies darauf, dass das Bundesverfassungsgericht im November vergangenen Jahres die „Bundesnotbremse“ mit Schulschließungen auch deshalb für „noch verfassungsgemäß“ hielt, weil der Gesetzgeber sie mit einer verpflichtenden Evaluation verbunden hatte. „Vertuschung statt Evaluation – das beschädigt deshalb auch das Bundesverfassungsgericht, das sich im Nachhinein getäuscht fühlen wird“, so Boehme-Neßler (WELT 30.4.2022, Bezahlschranke).

Im Grunde war eine Evaluierung gar nicht nötig, denn ihre Absurdität erwies sich, als trotz Abschaffung fast aller Maßnahmen (außer der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln) ein kontinuierlicher Rückgang von Infektionen, schweren Erkrankungen oder Todesfällen zu verzeichnen war. „Die Panikpropheten stehen blamiert da“, titelte die WELT (WELT 27.4.2022, Bezahlschranke). Eine Evaluierung der Coronamaßnahmen erübrigt sich auch deshalb, weil der so genannte „Sachverständigenausschuss“ – auch ohne Christian Drosten, der sich zurückgezogen hatte – nahezu ausschließlich aus Maßnahmenbefürwortern und Corona-Hardlinern besteht (Firpo 9.5.2022).

Der für die Bundesregierung(en) vernichtende Evaluierungsbericht des Sachverständigenrats vom 1.7.2022 war eine Genugtuung für alle, die der Pandemiepolitik in den letzten 27 Monaten kritisch gegenüberstanden und dafür diffamiert und ausgegrenzt wurden (BGM 1.7.2022, BZ 1.7.2022, Freitag 8.8.2022). Volker Boehme-Neßler bezeichnete den Evaluationsbericht allerdings als misslungen: Die Autoren hätten zu oft geäußert, eine endgültige Bewertung sei sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, weil es zu wenig Daten gebe. Sie hätten sich bei ihren Urteilen jedoch nicht immer auf alle greifbaren Studien und Erkenntnisse gestützt. Im gesamten Bericht habe es von „Angstklauseln“ gewimmelt. Die Autoren hätten ihre Ergebnisse ständig relativiert und dadurch ihren eigenen Report abgewertet. Trotzdem enthalte der Bericht politischen Sprengstoff: Er übe vernichtende Kritik an den Lockdowns und an der intransparenten Risikokommunikation der Regierung, und beurteile viele Maßnahmen als unwirksam. Boehme Neßler schrieb wörtlich: „Freiheitseinschränkungen, die nicht wirksam die Pandemie bekämpfen, können nicht verfassungsgemäß sein. Vor diesem Hintergrund sind die Urteile des Karlsruher Gerichts zur Bundesnotbremse klare Fehlentscheidungen. Die selbst ernannten ‚Hüter der Verfassung‘ müssen sich fragen lassen, ob sie ihre Aufgabe während der Corona-Pandemie erfüllt haben.“ (Boehme-Neßler 12.7.2022, Bezahlschranke). 

Eine Cochrane-Übersichtsarbeit zum Corona-Infektionsschutz am Arbeitsplatz (Pizarro 2022) fand praktisch keine belastbaren Belege für eine ganze Reihe von weit verbreiteten nicht-pharmakologischen Maßnahmen, etwa Quarantäne-Regeln für Verdachtsfälle, mechanische Barrieren (z. B. Plexiglasscheiben), Gesichtsmasken oder Luftfilter (nach einer Untersuchung der Uni Bonn erkrankten Kinder in Kindergärten sogar häufiger, wenn Luftfilter installiert waren; Falkenberg 30.7.2023). Jörg Meerpohl, Direktor von Cochrane Deutschland kommentierte: „Die Ergebnisse des Reviews zeigen erneut, dass es in zwei Jahren Pandemie nicht gelungen ist, die in vielen Ländern eingesetzten Maßnahmen der Pandemiebekämpfung auf Ebene der öffentlichen Gesundheit durch methodisch gut gemachte Studien auf eine sichere Evidenzbasis zu stellen. Dies ist sehr ernüchternd und stellt ein Versagen der internationalen Forschungsgemeinschaft auf diesem wichtigen Gebiet dar. Wir müssen die Gründe hierfür sorgfältig analysieren, um für künftige Gesundheitsnotlagen besser aufgestellt zu sein.“ (Cochrane 25.5.2022).

Als sich im April 2022 nach den Zahlen des RKI hauptsächlich nur noch die Geboosterten infizierten, stellte das RKI die entsprechende Berichterstattung ein, wohl um die Impfwirksamkeit nicht von Amts wegen in Frage zu stellen (ZDF 22.5.2022 Min.18). Am 21. April 2022 meldete das Robert-Koch-Institut nur noch 265 (!) COVID-19-Patienten auf deutschen Intensivstationen und 227 COVID-19-Verstorbene bei  283.000 symptomatischen Covid-Fällen (RKI 21.4.2022). Dieser Trend setzte sich im Mai 2022 fort. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sprach sich für ein Ende der Maskenpflicht und eine Schließung der Impfzentren aus. Für die meisten Bürger sei die Pandemie „vorbei“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen (n-tv 15.5.2022).

Länder wie Dänemark oder Großbritannien, die schon im Winter ihren Freedom Day gefeiert hatten, und vor allem Schweden hatten eine geringere Übersterblichkeit als Deutschland (ProfFr 26.4.2022). Ende Mai 2022 lagen in ganz Schweden nur noch 5 coronapositive Patienten auf Intensivstationen, bei einer Impfquote von knapp 74 % (Zacki 23.5.2022).

Bereits im Mai 2022 machten die Lockdown- und Maßnahmen-Prediger wieder auf sich aufmerksam und forderten Vorbereitungen auf den Herbst.  Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach machte Planungen für eine neuerliche Maskenpflicht öffentlich. Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Maike Finnern, forderte mit Blick auf die Schulen Vorbereitungen auf den Herbst: „Eine gute Teststrategie und das Tragen von Masken in den Gebäuden können dabei auch zukünftig eine entscheidende Rolle spielen.“ (tagesschau 26.5.2022). Die Gesundheitsminister  der Länder forderten die x-te Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes – inzwischen ein Ungetüm, das kaum noch jemand überschaut. Verlängert werden solle etwa die Möglichkeit einer Maskenpflicht in Innenräumen. Zudem solle es um Verpflichtungen zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen mit entsprechenden Zugangsbeschränkungen für risikogefährdete Bereiche und Einrichtungen gehen – also um Regelungen wie 2G oder 3G (ZEIT 16.5.2022).

Gesundheitsexperten wie Klaus Stöhr oder der Leiter derInfektionsepidemiologie am RKI, Osamah Hamouda sahen keine Notwendigkeit mehr für flächendeckende Maßnahmen, sondern mahnten einen Strategiewechsel an. Nach epidemiologischer Definition sei eine pandemische Situation vorbei, wenn die Auswirkungen eines neuartigen Erregers mit denen anderer Atemwegsinfektionen vergleichbar seien, so Stöhr: „Diesen Punkt erreichen wir gerade“ (Cicero 27.5.2022).

Wolfgang Kubicki kommentierte auf Facebook: Es ist völlig richtig, das Infektionsschutzgesetz muss dringend angepasst werden. Aber nicht in dem Sinne, wie es die Gesundheitsminister fordern“ (Kubicki 17.5.2022). Eine erneute Änderung des Infektionsschutzgesetzes, um strengere Maßnahmen wieder möglich zu machen, werde es mit der FDP nur geben, wenn diese Änderung ausreichend wissenschaftlich begründet werden könne und nicht mehr auf bloßen Behauptungen fuße, wie das in der Vergangenheit fast durchgängig der Fall gewesen sei (tagesschau 26.5.2022).

Die Gruppe um MAtrthias Schrappe forderte schon zu Beginn der Coronakrise kreative Konzepte zu gezielten Präventionsmaßnahmen bei besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen, unter Wahrung von Autonomie und Würde der Menschen und ohne den Beigeschmack von Isolation, Zwang oder Strafe (Schrappe 3.5.2020). 

Es gab die Forderung nach politischen Beiräten und Kontrollgremien, bestehend aus gesellschaftlich relevanten und betroffenen Gruppen: Psychologen, Pädagogen, Soziologen, Allgemeinmedizinern, Elternverbänden, Gewerkschaftlern, Unternehmern, kulturellen Organisationen, Ethikern, Religionsgruppen etc. Zahlreiche Angehöriger dieser Berufsgruppen hatten 2021 die „Öffentliche Erklärung zur CoronaPolitik: DauerDesaster und enorme Schäden – Notwendige Konsequenzen“ unterzeichnet. *Weitere Unterzeichner sind willkommen. Die Künstlerinitiative allesaufdentisch führte eine Petition für einen Runden Tisch durch („Mitzeichnen“ anklicken).

*Das Netzwerk PsychologInnen für Menschlichkeit und Selbstbestimmung sprach Kolleginnen und Kollegen an, die ebenfalls einen kritischen Blick auf die Geschehnisse seit dem Frühjahr 2020 haben, und zum Vernetzen ermutigen. Es versuchte relevante psychologische Inhalte vermitteln, die in der aktuellen Situation wirksam waren und hierdurch möglicherweise Brücken zu bauen zwischen den teilweise tief gespaltenen ‚Lagern‘ aus Menschen verschiedener Sichtweisen auf die Situation.

Rund 20 Initiativen aus den Bereichen Gesundheit, Wissenschaft und bürgerschaftlichem Engagement veröffentlichten im Oktober 2021 ein Plädoyer „Für ein neues Miteinander und Gesundheitsverständnis“. Sie fordeten „die rasche Aufhebung aller verpflichtenden staatlichen Corona-Maßnahmen“ und die Wahl einer angemesseneren und differenzierteren Vorgangsweise (coronaaussoehnung 15.10.2021).

Kleiner Nebenaspekt: Vinay Prasad fordert in einem Beitrag, Plexiglas abzureißen: „Es ist mehr als deutlich, dass Plexiglas während der COVID-19-Pandemie keinen Zweck erfüllte. In den meisten Fällen war es einfach nutzlos. In einigen Fällen führte es zu stagnierenden Lufteinschlüssen und könnte die Übertragung beschleunigt haben. Es ist ein unübersehbares Zeichen dafür, wie irrational wir waren. Nicht, dass wir Dinge ausprobiert haben. Sondern dass wir keine konzertierten Anstrengungen unternommen haben, um herauszufinden, was funktioniert. Und wir haben die Dinge nicht zu Fall gebracht, als sie sich als Fehlschläge erwiesen haben. Ich sehe immer noch Plexiglas. Im Fitnessstudio. In manchen Restaurants. In Bars. Es ist an der Zeit, all dieses Plexiglas abzureißen. Es ist eine bleibende Erinnerung daran, wie dumm wir waren und immer noch sind. Plexiglas ist nicht das einzige, was wir loswerden müssen.…..“ (Prasad 17.7.2022).

Was tun? Hier ein paar Tipps, die bei jedem Atemwegsinfekte sinnvoll sind:

  • Gehen Sie nicht wegen jedem Schnupfen oder Fieber zum Arzt. Bleiben Sie zuhause und rufen Sie erst mal an. Das schützt andere vor Ansteckung, egal mit welchem Virus. In keiner Arztpraxis gibt es genug Räume, um alle Erkrankten zu isolieren.
  • Machen Sie möglichst, wenn Sie frisch „erkältet“ sind, keine Besuche – vor allem wenn dort auch alte Menschen sind.
  • Waschen Sie sich nach Kontakt mit einem möglicherweise infektiösen Kranken die Hände mit Seife, vor allem bevor Sie sich ins Gesicht (Auge, Mund, Nase) fassen.
  • Niesen oder husten Sie nicht in die offene Hand, sondern in ein Taschentuch oder zur Not in die Ellenbeuge.
  • Verzichten Sie bei Fieber auf fiebersenkende Mittel – das schwächt die Abwehr.
  • Sorgen Sie täglich für Bewegung an frischer Luft und gesunde, vitaminreiche Ernährung. Vermeiden Sie Übergewicht.

Speziell ein paar Tipps, falls es wieder mal zur Ausrufung einer Pandemie oder einer „epidemischen Lage“ kommt:

  • Meiden Sie größere Veranstaltungen zu meiden, bei denen sich die Menschen freude- oder alkoholtrunken in den Armen liegen.:
  • Wenn Großeltern ihre Kinder oder Enkelkinder sehen wollen, dann sollten Sie ihnen das ermöglichen. Es ist ihre Entscheidung, und es ist verständlich. Wie viel Zeit bleibt ihnen denn noch? Es ist unwahrscheinlich, sich von Gesunden anzustecken. Um das Ansteckungsrisiko auf null zu bringen, können Sie sich mit den Großeltern im Freien treffen, oder sich vorher testen. Keine Regierung, keine Maßnahme darf Familien auseinanderreißen.
  • Falls wieder Panik geschürt wird: Singen Sie, tanzen Sie, besiegen Sie die Angst-Pandemie – auch zusammen mit anderen, so wie hier: Flashmob Gar du Nord 9.4.2021
  • Schützen Sie Ihre Kinder vor Traumatisierung. Beruhigen Sie sie und sagen Sie ihnen beispielsweise, dass es die anderen Leute sind, die Angst haben, sich anzustecken.
  • Treten Sie ein für den Erhalt von Bürgerrechten und Demokratie, wo immer Sie sich analog oder virtuell aufhalten. Schreiben Sie ihre Meinung auch an Ihre Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Beteiligen Sie sich an Demonstrationen für Demokratie und Bürgerrechte  – auch wenn die Gefahr besteht, dass dort auch Menschen mit rechtslastiger Gesinnung mitlaufen, oder dass sie von der Presse als Versammlung von Verschwörungstheoretikern, Pandemie-Leugnern, Irren und Impfgegnern dargestellt werden.
  • *Engagieren Sie sich in Initiativen wie Kinderrechte Jetzt oder Initiative Familien. Im Impfbereich aktiv und sehr professionell arbeitend ist die Initiative Freie Impfentscheidung.
  • Seien Sie kritisch bei allen Maßnahmen der elektronischen Überwachung.
  • Essen Sie weniger Fleisch: Massentierhaltung ist eine der Ursachen für das Auftreten von Pandemien (Republik 23.12.2020).
  • Ein Tipp an alle Raucher: Wieder mal eine gute Gelegenheit, aufzuhören.

Sommer 2022: Vorbereitung auf den Herbst

Während andere Länder die Pandemiemaßnahmen nach und nach abschüttelten, verging in Deutschlands keine Woche, keine Talkshow ohne eine Lauterbachsche Warnung vor gefährlichen COVID-19-Varianten im Herbst und vor großen Erkrankungswellen, auf die „wir“ uns vorbereiten müssen. Das Infektionsschutzgesetz müsse der Gefahr angepasst werden (tageschau 26.5.2022).

Klaus Stöhr kommentierte die Panikmache so: Wer zu oft „Feuer-Feuer“ ruft, auf den wird im Herbst keiner mehr hören, Herr @Karl_Lauterbach. Die Meldeinzidenzen bewegen sich wellenförmig durch das Jahr: auch im Sommer, allerdings auf viel niedrigerem Niveau. Deshalb darf man sich über moderate Zunahme der Meldeinzidenz jetzt nicht wundern: besonders in D mit niedriger natürlicher Immunisierung wegen der konservativen Bekämpfung auch nach Omikron und als genügend Impfstoff bereitstand. Im Vergleich: die Anzahl der gemeldeten Fälle beträgt jetzt ca. ¼ der während der Omicron-Welle im März und die der Krankenhausweinweisungen ca. 1/5. Und selbst im März hat es keine Überlastung des Gesundheitswesens gegeben: wieso jetzt bereits Panik schlagen und nach Masken und Booster rufen?“ (Stöhr 15.6.2022).

Fatal auch, dass durch geplante Maßnahmen zur Reduzierung der Infektionszahlen erneut die Krankheits“wellen“ auseinandergezogen werden. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, sich in kürzeren Abständen mit natürlichen Virusvarianten zu boostern, und so verschlechtert sich die Immunität in der Bevölkerung (n-tv 17.6.2022). Ständiges Boostern ist keine Alternative, weil wegen der „Antigen-Erbsünde“ immer nur Antikörper gegen Spikeprotein gebildet werden, das von den aktuellen Virusvarianten längst nicht mehr gebildet wird. Bei dreifach geimpften Beschäftigten im Gesundheitswesen fand sich zwar eine verstärkte Immunität gegen frühere bedenkliche Varianten, aber eine geringere Immunität gegen Spikeprotein der Omikronvariante (Reynolds 14.6.2022).

Tatsächlich deutet alles auf erneute evidenzfreie Einschränkungen der Grundrechte hin:

Karl Lauterbach hat Unmengen an Impfstoffen für alle möglichen Virusvarianten bestellt (PZ 18.5.2022). Er empfahl wegen der „drohenden Herbstwelle“ eine vierte Impfung für alle (Lauterbach 14.6.2022, SPIEGEL 14.7.2022). Von prominenten Medizinern incl. dem STIKO-Chef kam heftiger Gegenwind. „Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto ‚Viel hilft viel‘ auszusprechen“, so Thomas Mertens (WELT 15.7.2022, Röhn 15.7.2022).

Bayern, Hessen und Baden-Württemberg haben einen neuen Anlauf für eine Corona-Impfpflicht ab 60 Jahren gestartet (WELT 16.6.2022). Gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen fordern sie, schnell die gesetzlichen Voraussetzungen für schärfere Schutzmaßnahmen zu schaffen. „Dazu zählen insbesondere Maskenpflicht in Innenräumen, 3G/2G-Zugangsregeln, Testpflichten, Personenobergrenzen und Kontaktbeschränkungen“ (RN 21.6.2022).

Karl Lauterbach empfahl wegen der zu erwartenden „Sommerwelle“ Maskentragen. Kein Wunder – zur Pandemiemanagerin hatt er die NoCovid-Anhängerin Ute Teichert ernannt (Ma 14.9.2022). Die Bundesregierung plante, im Infektionsschutzgesetz eine Maskenpflicht in allen Innenräumen von Oktober bis Ostern festzuschreiben (WELT 17.6.2022). Justizminister Marco Buschmann kündigte im Juli 2022 „eine Form der Maskenpflicht“ in Innenräumen an und begründete sie im Zirkelschluss mit der bereits vorhandenen Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln (SZ 16.7.2022).

FDP-Fraktionschef Christian Dürr hielt sogar eine Maskenpflicht im Winter auch wegen der zu erwartenden Influenzawelle für angezeigt. Diese Welle stellte sich allerdings im australischen Winter eher als „Test“-Welle dar (WELT 18.7.2022, Freedom 19.7.2022).

Weiter empfahl Lauterbach für Schulen, Kindergärten und KiTas „einheitliche Hygiene- und Kontaktreduktionskonzepte“ (WELT 17.6.2022) und eine Fortsetzung der Isolationspflicht bei einem positiven SARS-CoV2-Test (eine wissenschaftliche Bewertung der Isolationspflicht lehnt das BGM ab, AA 4.8.2022). Dem widersprach Kassenärztechef Andreas Gassen und forderte die Aufhebung aller Isolations- und Quarantänevorgaben: „Dadurch würde die Personalnot vielerorts gelindert. (…) Wir müssen zurück zur Normalität. Wer krank ist, bleibt zu Hause. Wer sich gesund fühlt, geht zur Arbeit.“ So halte man es mit anderen Infektionskrankheiten wie der Grippe auch (SPIEGEL 23.7.2022). Erst im November 2022 begann die Front zu bröckeln, und erste Bundesländer kündigten die baldige Aufhebung der Isolationspflicht an (BILD 11.11.2022). Karl Lauterbach hielt das selbstverständlich für einen Fehler, denn es drohe ja die Winterwelle (Stöhr 11.11.2022).

Das Gesundheitsministerium in NRW hat für das Schuljahr 2022/23 „Durchgriffsrechte für Erzieher und Lehrkräfte bei ungetesteten Kindern mit typischen Symptomen“ definiert: die verantwortliche Lehr- oder Betreuungsperson mache «die weitere Teilnahmevon Schülerinnen und Schülern, die offenkundig typische Symptome einer Atemwegsinfektion aufweisen, vom negativen Ergebnis eines unter Aufsicht durchgeführten Coronaschnelltests abhängig». Ähnlich lauten die Neuregelungen für den Bereich der Kitas und Kindertagesbetreuung (ZEIT 4.8.2022).

Diskutiert wurde in der Bundesregierung die 1G-Regel für Großveranstaltungen in der Corona-Saison – Testpflicht für alle Besucher, geimpfte wie ungeimpfte (BILD 18.7.2022, Bezahlschranke). Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil forderte dies erneut im August 2022 (WELT 22.8.2022, Bezahlschranke). Belege für die Bedeutung von Großveranstaltungen für die Verbreitung von COVID-19 fehlen. Verfassungsrechtler forderten ein „Mäßigungsgebot“: „Dass es das Virus noch gibt, ist dafür keine hinreichende Begründung“, so Josef Franz Lindner.

Das Oberlandesgericht Köln entschied mit Beschluss vom 10.06.2022, dass Sportvereine weiterhin die 2G+-Regel anwenden dürfen (OLG 15.6.2022).

Das Land Brandenburg ordnete erneut ein „Testkonzeptmit verpflichtenden Tests für Schüler in der ersten Woche nach den Sommerferien an (mbjs 17.6.2022). Britta Ernst, die Bildungsministerin des Bundeslandes ist die Ehefrau von Bundeskanzler Olaf Scholz.

Für die Bundeswehr wurde ein „territoriales Führungskommando“ für Einsätze im Innern – Landesverteidigung, Katastrophen, Pandemien – beschlossen. „Mit dem neuen Kommando können wir über die rein militärischen Aufgaben hinaus sehr schnell die nötigen Kräfte für einen nationalen Krisenstab bereitstellen“, so Verteidigungsministerin Christina Lambrecht (n-tv 13.6.2022).

Anfang Juni 2022 sekundierte der Expertenrat der Bundesregierung mit einer Stellungnahme, die schaudern lässt (Bundesreg 8.6.2022). Da wurde eine „relevante Impflücke“ ab 5 Jahren festgestellt, zudem ein drohender Wiederanstieg der saisonalen Atemwegserreger“ bei Kindern mit möglicher Überlastung der Kinderkliniken, und die „Zunahme der Virulenz im Vergleich zur Omikron-Variante“. Es müssten daher „alle präventiven, therapeutischen und anderen Maßnahmen auf den Beginn einer erneuten Infektionswelle im Herbst gerichtet sein“. Dazu gehöre eine erneute Maskenpflicht („möglichst FFP2-Masken“), die Nutzung der Corona-WarnApp auch in der Prävention weiterer Erkrankungen wie Influenza, zudem ein „Verhaltensmanagement“ und ein „vorausschauendes Management der Erwartungen der Bevölkerung“, was auch immer für eine Art von Manipulation darunter zu verstehen ist. Des Weiteren fordert der Expertenrat Kommunikationsstrategien incl. einer Aufklärungskampagne zur Impfung „für alle Personen ab 5 Jahren“. Nicht zuletzt sollten „nachhaltige Konzepte unter Einschluss der Widerlegung von Falschinformationen etabliert und im Laufe der kommenden Monate und Jahre aufgebaut werden“ (s. Röhn 9.6.2022)

Interessant, dass praktisch zeitgleich ein Whistleblower in den USA ein Dokument veröffentlichte mit ähnlicher Stoßrichtung, nämlich vermeintliche Fehlinformationen in sozialen Medien zu verhindern (Grassley 7.6.2022). Es hieß darin, das US-Innenministerium würdeInformationen über die Herkunft und die Wirkung von COVID-19-Impfstoffen oder die Wirksamkeit von Masken“ regeln. Und anderem wurde „die Operationalisierung von öffentlich-privaten Partnerschaften zwischen dem Innenministerium und Twitter“ diskutiert. In einer Anfrage an das Innenministerium schrieb US-Senator Charles E. Grassley: „die von uns geprüften Dokumente geben insgesamt Anlass zur Sorge, dass das DHS (Innenministerium) eine aktive Rolle bei der Koordinierung der Zensur von Standpunkten spielen könnte, die es die es nach einem unbekannten Standard als ‚Fehlinformation‘ einstuft, indem es die Hilfe von Social Media Medienunternehmen und Big Tech in Anspruch nimmt.“

Nicht alle Zeichen standen auf Sturm. Das bayerische Kultusministerium veröffentlichte am 26.7.2022 „Hygieneempfehlungen für die bayerischen Schulen (Schuljahr 2022/2023)“, bei denen verpflichtende Maßnahmen wie Masken oder Tests bis auf Weiteres nicht vorgesehen sind. „Grundsätzlich gilt: Wer krank ist, bleibt zuhause – unabhängig davon, ob COVID-19-Verdacht besteht oder nicht“. (km 26.7.2022). Allerdings: Wie es aussehen kann, wenn das Tragen von Tests und Masken „freiwillig“ bleibt, zeigte der Schulbeginn in NRW (ZDF 10.8.2022).

Die Gruppe SOKRATES um Gerd Antes und Matthias Schrappe veröffentlichte am 28.7.2022  Empfehlungen für den Herbst und Winter 2022:

„Der Staat hat somit keinen Regulierungsbedarf mehr, der über die klassischen Formen der Gesundheitsvorsorge hinausginge: Er muss die Bürger klar und offen auf Grundlage einer evidenz-basierten Wissenschaft und nicht auf Basis von Hochrechnungen epidemiologischer Beobachtungsstudien informieren. Dabei sind voreilige Schlussfolgerungen zu vermeiden, etwa ohne empirische Grundlage von der ‚Nebenwirkungslosigkeit‘ von Impfstoffen oder einem „katastrophalen Herbst“ zu reden. (…)

Im Herbst 2022 werden wir keine Maßnahmen wie Lockdowns, Schulschließungen, ständiges Testen oder Maskenpflichten benötigen. Eine Krankschreibung sollte nur bei den wirklich Erkrankten erfolgen. Eine Quarantäne ist jetzt sinnlos und deswegen nicht mehr erforderlich.  

Wir sollten wieder den Leitgedanken des mündigen Bürgers in den Mittelpunkt stellen. Der Irrweg des ideologischen Glaubenskriegers in Wissenschaft und Medizin funktioniert nicht und schadet deren Ansehen enorm. 

Die wissenschaftliche Aufarbeitung der vergangenen Jahre ist unerlässlich. (…)“ (Sokrates 29.7.2022). (Hinzuzufügen ist: Auch eine politische Aufarbeitung ist dringend notwendig. Es geht nicht nur darum, die Opfer der Pandemiepolitik materiell oder ideell zu entschädigen, sondern auch darum, zu vermeiden, dass es in möglichen künftigen Pandemien zu ähnlichen Auswüchsen kommt wie in den vergangenen Jahren).

Wir müssen mit einer Aufarbeitung der Pandemie beginnen, nicht zuletzt um für zukünftige Pandemien besser gewappnet zu sein. Für die richtigen Schlussfolgerungen ist eine ehrliche und gewissenhafte Aufarbeitung von Fehlern und Versäumnissen notwendig, auch auf politischer Seite. (Hendrik Streeck, 30.10.2022)

Der Pneumonologe Thomas Voshaar sagt in einem Interview mit der WELT: “ Für einen schweren Herbst mag es viele Gründe geben. Aber Corona wird sicher nicht dazu gehören. Covid-19 als Krankheit gibt es nicht mehr (…) Meist sind es Patienten mit Omikron, die aus anderen Gründen auf den Intensivstationen liegen. Positiv Getestete werden von den Kliniken gerne genommen, da es bis vor kurzem 7000 Euro pro Patient gab und die Krankenhäuser insgesamt etwa 13 Prozent schlechter belegt sind als vor der Pandemie. Wenn Intensivmediziner sich nun melden und sagen, wir haben soundsoviele Covid-Patienten auf Intensivstation, dann sprechen sie von Patienten, die dort mit der Infektion liegen und nicht wegen ihr. Es gibt also keine Belastung der Intensivstationen durch Covid-19-Patienten. (…) Wir können sehr zuversichtlich in den Herbst gehen. Quarantäne und ständiges Testen sind sinnlos und erübrigen sich“ (WELT 30.7.2022, Bezahlschranke).

Klaus Stöhr sprach von „inkompatiblen Bekämpfungsmaßnahmen“ und veröffentlichte den anonymen (!) Brief eines Chefarztes der Inneren Medizin, in dem dieser bestätigte, dass es „schon seit Monaten“ praktisch keine COVID-Patienten mehr gibt, auch nicht unter den vielbeschworerenen „vulnerablen Gruppen“ (Stöhr 14.9.2022).

Der britische Epidemiologe Tim Colbourn sprach sich gegen ein erneutes Masken- und Testregime auch bei wieder steigenden Fallzahlen aus. Derartige Maßnahmen würden zahlenmäßig keinen Unterschied machen, sondern nur die Immunisierung zeitlich etwas in die Länge ziehen. „Wenn man sich andere Länder ansieht, stellt man fest, dass keines von ihnen Omikron mit diesen Maßnahmen kontrolliert. (…)

Anstatt Milliarden von Pfund für kostenlose Covid-Tests auszugeben, die die Wellen im Januar und März offenbar nicht eindämmen konnten, könnten wir das Geld für Krankenschwestern, die Grundversorgung und andere Dienste des nationalen Gesundheitssystems ausgeben, die stark belastet sind. Wir könnten globaler denken und bedenken, dass Lungenentzündungen im Kindesalter mehr als 100-mal (!!) so viele Kinder töten wie Covid (viele davon aus Mangel an billigen Antibiotika) und unsere begrenzte Zeit und Aufmerksamkeit stattdessen darauf oder auf viele andere viel größere Probleme richten“ (Colbourn 3.8.2022).

Sogar das französische Parlament beschloss Ende Juli 2022 das Ende aller Corona-Regeln zum 1. August (Röhn 26.7.2022).

Am 3. August 2022 holten Karl Lauterbach und Marco Buschmann zum großen (Rück)Schlag aus: Sie veröffentlichten einen Fahrplan der Coronamaßnahmen für Herbst/Winter 2022/23. Die massiven Grundrechtseingriffe – ausnahmslos ohne wissenschaftliche Evidenz – wurden verniedlicht als „O bis O“ (Oktober bis Ostern) und „Winterreifen“ bis „Schneeketten“ (Lauterbach 3.8.2022):

  • FFP2-Masken in Arzt- und Psychotherapiepraxen, Krankenhäusern (auch für Patienten), Pflegeeinrichtungen (auch für Bewohner), Zug- und Busfernverkehr.
  • Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen für alle, die in den letzten drei Monaten weder geimpft wurden noch mit SARS CoV2 infiziert waren.
  • Die Isolationspflicht bei positivem Testergebnis und die einrichtungsbezogene Impfpflicht blieben bestehen. In Baden-Württemberg wurde die Entschädigung bei coronabedingter Isolation nur noch an Geimpfte ausbezahlt (30.9.2022).
  • Das Arztgeheimnis wurde aufgeweicht: Ärzte mussten künftig dem Gesundheitsamt gegenüber Rechenschaft über Atteste z.B. zum Masernschutzgesetz oder der Maskenpflicht ablegen (Rabe 7.9.2022)

Wahlweise von den Ländern festzulegen:

  • FFP2-Maske im öffentlichen Nahverkehr und Innenräumen – von den Gesundheitsministern bereits beschlossen, obwohl sie nicht „erforderlich“ im Sinne des IfsG ist (tagesschau 12.9.2022, p3likaan 27.9.2022),
  • FFP2-Maske oder Testpflicht in Restaurants, Bars, Kultur- und Freizeitbereich – Ausnahme: alle, die in den letzten drei Monaten weder geimpft wurden noch mit SARS CoV2 infiziert waren,
  • Medizinische Masken in Schulen ab 5. Klasse zur „Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems“ bzw. zur „Aufrechterhaltung des Präsenz-Unterrichtsbetriebs“ (der Lehrerverband VBE forderte sie auch wieder für Grundschüler; BZ 26.9.2022),
  • Bei „Verschärfung der Lage“ auch: Maskenpflicht im Freien, Abstandsgebot, Personenobergrenzen.
  • Mit der Neufassung drohte eine Rückkehr zur – nicht von der Verfassung vorgesehenen – Ministerpräsidentenkonferenz (Stefanie 6.9.2022).

Der §28a IfSG, der auf Beschluss des Bundestages noch weitergehende Maßnahmen (Ausgangssperren, Reisebeschränkungen, Veranstaltungsverbote, Betriebsschließungen, Schulschließungen etc.) möglich macht, blieb bestehen (Pace 5.8.2022). Der Abs. 7 setzte Kinder auf eine Stufe mit vulnerablen Personen und erlaubte es den Landesregierungen weiterhin, Schülerinnen und Schüler anlasslos zu testen. Nach §28b können die Bundesländer zusätzliche Maßnahmen wie Test- und Maskenpflichten oder Veranstaltungsobergrenzen verhängen „zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastrukturen“ (was soll mit dieser Gummiformulierung gemeint sein??) (BGM 24.8.2022, Schröder 25.8.2022).

Ausnahmen von der kommenden Testnachweispflicht waren vorgesehen für „frisch“ (= in den letzten drei Monaten) geimpfte und genesene Personen. Justiz- und Gesundheitsminister agierten somit wieder einmal völlig evidenzfrei und pöbelten gegen STIKO und Sachverständigenrat. Mit den dreimonatigen Impfabständen wollte Karl Lauterbach offensichtlich die Überstände seines Impfstofflagers abräumen. 3G feierte Urständ in neuem Gewand – Ungeimpfte sollten nun Masken tragen – und erneut sollte ein Teil der Bevölkerung des Impfstatus des anderen Teils kontrollieren. „Hygienemaßnahmen“ zur Abwehr von Gegendemonstrationen wurden ebenfalls gleich mit berücksicht.

Tim Röhn kommentierte in der WELT: „Das volle Programm, das ganze Theater, noch mal von vorne – Die Bundesregierung hat die letzte Ausfahrt zurück zur Vernunft verpasst“. (WELT 3.8.2022, Bezahlschranke).

Philipp Fess schrieb in Cicero: „Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz ist endgültig der letzte Zug abgefahren, auf den die Bundesregierung hätte aufspringen müssen, um sich nicht international der Lächerlichkeit preiszugeben. Dass der Justizminister zuletzt auch eine Maskenpflicht für eine drohende Grippe-Welle erwogen hat, zeigt, wie weit sich die pandemische Logik selbst in liberale Köpfe gefressen hat. Es ist eine Art Stockholm-Syndrom. Die „German Angst“ hat auch im neuen Infektionsschutzgesetz obsiegt – und leider deutet nichts darauf hin, dass das bei den vielen Krisen, die uns noch bevorstehen, anders sein wird.“ (Cicero 4.8.2022, Bezahlschranke).

Jessica Hamed drückte in ihrer Kritik die Hoffnung aus, dass die Bevölkerung den Ausnahmezustand zu einem deutlichen und spürbaren Teil nicht weiter akzeptieren wird (Cicero 5.8.2022). Im Zusammenhang mit der Maskenverweigerung in einem Fernzug durch Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die vehement eine Maskenpflicht gefordert hatte, schrieb Jessica Hamed: „Liebe @DB_Bahn, es liegt nahe, diese Bilder zum Anlass zu nehmen, mit Minister @Wissing, ins Gespräch zu kommen. Die Bundesregierung kann nämlich problemlos per Verordnung die Maskenpflicht (im Fernverkehr) aussetzen (§ 28b Abs. 8 Nr. 1 IfSG)“ (Hamed 7.10.2022). Dies geschah erst 2023 auf massiven öffentlichen Druck (WELT 13.1.2023).

Die Philosophin Elena Luisa Lange schrieb: „Jahrzehntelang haben Wissenschaftler versucht, den historischen Sonderweg Deutschlands zu erklären, d. h., warum es Deutschland nicht gelungen ist, anderen großen europäischen Staaten im 19. Jahrhundert auf dem Weg zur Demokratie zu folgen. Heute ist Deutschlands Reaktion auf Covid zu einem Symbol für den besonderen Starrsinn der Nation geworden – für ihre Entschlossenheit, den ‚Sonderweg‘ in die Hölle zu gehen. Sie zeigt, dass das Grundprinzip des Grundgesetzes von 1949 – ‚Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus‘ – nicht mehr das Papier wert ist, auf dem es gedruckt wurde“(Lange 15.9.2022).

Jonas Schmidt-Chanasit empfahl, im Herbst Normalität einkehren zu lassen. Eine FFP2-Maskenpflicht habe keinerlei wissenschafliche Grundlage (BZ 25.8.2022, Schmidt-Chanasit 25.8.2022). Für Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), steckte Karl Lauterbach „im Coronatunnel“ (BILD 4.9.2022). Die erst 2023 veröffentlichen Protokolle des „Expertenrats“ bestätigten dies: Am 29. August 2022 bei der 27. Sitzung dieses Rats machte Karl Lauterbach klar, wie er Jugendliche und junge Erwachsene zu zusätzlichen Impfungen bewegen will: Er plante, sie mit einem „Furchtappell“ in Schrecken zu versetzen, der „jüngere Personen für die Folgen einer Long Covid Infektion sensibilisiert“ (WELT 26.8.2023, Bezahlschranke).

Frederik Wenz, Sprecher des Kompetenzverbunds Universitätsmedizin Baden-Württemberg und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Freiburg, schrieb: „Diese Verschärfung der Maßnahmen in der aktuellen Phase der Pandemie macht aus medizinischer Sicht keinen Sinn. Zudem sind die geforderten Testungen von den Kliniken nur mit erheblichem Aufwand durchführbar und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter demotivierend. Bisher konnten sich die Beschäftigten regelmäßig selbst testen“ (Patientenkompetenz 16.9.2022). Auch Jürgen Graf, ärztlicher Direktor der Frankfurter Uniklinik kritisierte die neuen Anforderungen an das Klinikpersonal. Zur Testpflicht meinte er: „Ich sehe nicht, dass das der Lage angemessen ist oder die Patienten- oder Mitarbeitersicherheit erhöht“. Grundsätzlich mit FFP2-Maske zu arbeiten, sei für die Mitarbeiter „eine zusätzliche Beschwernis“. Beide Maßnahmen könnten zu Personausfällen führen und damit auch die Kapazitäten einschränken (Ärztezeitung 22.9.2022).

Der Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands forderte das BMG auf, den Anspruch auf Testungen gesunder Personen aus dem Infektionschutzgesetz zu streichen. Die Ausgaben von täglich 44 Millionen Euro stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen und seien eine Verschwendung von Geldern (SpiFa 23.8.2022).

Die gesetzlich mandatierte Kommission zur Krankenhaushygiene KRINKO war vor der Verabschiedung des neuen IfSG nicht befragt worden und äußerte sich erst Wochen später zur Masken- und Testpflicht in Krankenhäusern (rki 20.10.2022). Es bestehe keine ausreichende infektionsepidemiologische Evidenz, dass das dauerhafte routinemäßige Tragen von FFP2-Masken im Hinblick auf Prävention nosokomialer Übertragungen dem Tragen eines medizinischen MundNasenSchutzes (MNS) überlegen ist. Auch liege in der aktuellen Phase der Pandemie keine ausreichende Evidenz dafür vor, dass eine generelle mindestens dreimal wöchentliche Testung der Beschäftigten (außerhalb von Ausbruchssituationen) erforderlich sei. Die für diese Testungen erforderlichen Ressourcen (Zeit, Logistik, Geld, Personal) würden an vielen anderen Stellen des Gesundheitswesens fehlen. #Eine australische Studie zur Belastung des Personals durch Hygienemaßnahmen wie Masken stellte fest: „Wir fanden Hinweise auf Belastungen wie dermatologische Komplikationen, Kopfschmerzen, sensorische Einschränkungen und vermehrten Zeitdruck. Instrumente zur Messung der Einhaltung der Maßnahmen zur Infektionskontrolle haben ihre Grenzen und bewerten nur selten die mit der Einhaltung verbundenen Belastungen“ (Ungar 20.12.2023).

Forscher der US-amerikanischen Universität von Yale fanden in den ersten beiden Pandemiejahren einen geringen Nutzen bei der Testpflicht an Krankenhäusern. Bei weniger als 0,1 % der fast 1 Million untersuchten Besucher oder Angestellten fiel der Test positiv aus (Roberts 28.11.2022).

Die Betreiber von Alten- und Pflegeeinrichtungen protestierten dagegen, dass die Bewohner in Gemeinschafträumen künftig Masken tragen müssen. Walter Berle, Sprecher des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Hessen sagte: „Die Altenpflegeeinrichtungen sind das Zuhause der Menschen, die uns anvertraut worden sind. Es sollte die freie Entscheidung der Bewohner sein, ob sie in den Gemeinschaftsbereichen eine Maske tragen wollen oder nicht. Die Tagesräume dort sind wie Wohnzimmer, wo das Leben stattfindet. Dort eine Maske zu tragen, entspricht nicht der Lebensrealität und ist den Bewohnern nicht zu vermitteln.“ Eine Sprecherin der Diakonie fügte hinzu, eine Maskenpflicht in Gemeinschaftsräumen sei eine Härte, die von keiner anderen Personengruppe in diesem Winter erwartet werde und die erneut massiv in die Persönlichkeitsrechte dieser Menschen eingreife (hessenschau 16.9.2022).

In einer gemeinsamen Mitteilung schrieben der „Paritätische“, der Sozialverband VdK sowie verschiedene Einrichtungen: „Die Maskenpflicht ist ein massiver Verstoß gegen das Recht auf Selbstbestimmung und soziale Teilhabe der betroffenen Menschen“. Menschen in besonderen Wohnformen, etwa Menschen mit Behinderungen in der Eingliederungshilfe, müssten bis zu 16 Stunden pro Tag eine FFP2-Maske tragen (swr 29.9.2022).

Statusbericht aus dem Seniorenheim: Selbstverständlich trägt hier keiner der Senioren Maske! Die Zeit ist gekommen Regeln nicht mehr zu befolgen! (Mija 2.10.2022)

Anfang Oktober 2022 legten die Lebenshilfen in Mittelbaden Verfassungsbeschwerde gegen die Maskenpflicht ein (SWR 6.10.2022). In den meisten Pflegeheimen wurde die gesetzliche Vorgabe nicht umgesetzt.

Kinder- und Jugendärzte kritisierten negative Folgen für Kinder und Jugendliche durch das neue Infektionsschutzgesetz. Es dürfe nicht mehr darum gehen, Infektionen um jeden Preis zu verhindern. Es brauche einen „harten Grund“, um Kinder zu einschränkenden Masken und damit zum Fremdschutz zu verpflichten. Gesichtsmasken seien keine Komfortartikel. Mit der milden Omikron-Variante hätten sich die Risiken für Erkrankungen wie PIMS und Long Covid bei Heranwachsenden noch weiter verringert (WELT 25.8.2022).

Der Autor Jörg Phil Friedrich warnte vor einem „Prozess der Kulturverödung“: „Hierzulande scheinen viele zu meinen, dass die Abwesenheit des Virus weit wichtiger wäre als die Gegenwart von Empathie und Offenheit. Aber das scheint auch nur so, und das macht die Sache noch schlimmer. Zwar scheint die Maskenpflicht von der Mehrheit der Menschen akzeptiert zu werden, zugleich meiden sie aber, wie der letzte Winter zeigte, die Situationen, in denen Masken getragen werden müssten. Die Besucherzahlen in Stadien, Kinos und Theatern blieben niedrig, als man sich nur mit Masken in die Besucherreihen setzen konnte. Es ist zu befürchten, dass sich dieser Trend fortsetzt, wenn im Herbst wieder Maskenpflicht herrscht: Man begrüßt zwar die Vorschrift, entscheidet sich aber im Zweifel, dann lieber auch auf das Erlebnis zu verzichten. (…) Gemeinsame Emotionen im Zuschauerraum sind ein unverzichtbarer Teil des Erlebnisses. Wenn das wegfällt, kann ich auch gleich ganz zu Hause bleiben – ganz zu schweigen davon, dass die beengende Maske den Genuss, besonders bei längeren Veranstaltungen, ohnehin gefährdet.(…) Auch für die Veranstalter, die Kinos und Theater, die Konzert- und Sportveranstalter kann bald ein Kipppunkt erreicht werden, zumal, wenn das Publikum sich langfristig an Alternativen gewöhnt. Bevor es allmählich zurückkehrt, könnten viele Orte des gemeinsamen Erlebens schon geschlossen sein. Die Wiedereinführung der Maskenpflicht kann einen Prozess der Kulturverödung unumkehrbar machen, dessen Konsequenzen unabsehbar sind“. (WELT 7.8.2022, Bezahlschranke).

Die Eventbranche zeigte sich entsetzt von den Plänen der Bundesregierung. Es hagele Stornierungen, und es drohten Umsatzeinbrüche bis 65 Prozent (BZ 6.8.2022). Die steigenden Energiekosten tun ihr Übriges, um der Branche ebenso wie der Gastronomie zuzusetzen (BILD 7.8.2022, Bezahlschranke).

Eine Gruppe von Wissenschaftlern bezog in der Berliner Zeitung Stellung gegen die fortgeschriebene Maskenpflicht im öffentlichen Raum: „Die Maske ist zum Symbol des entleerten Gesichts geworden: nicht mehr Individuen treten auf, sondern es wird eine Masse erzeugt. Die Gesichtsbedeckung steht für den Versuch, das Unkontrollierbare zu kontrollieren und symbolisiert nicht selten eine zunehmende Nähe zum magischen Denken: Auf nicht unmittelbar überprüfbaren Überzeugungen basierendes Verhalten mit Unheil abwehrender Absicht wird in der vergleichenden Religionswissenschaft der Magie zugeordnet“ (BZ 5.9.2022).

Peter Walger von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene meinte zur FFP2-Maskenpflicht: „Das ist eine populistische Maßnahme und aktuell auch ein Alleinstellungsmerkmal von Deutschland im europäischen Vergleich. (…) Es geht hier um staatliche Pflichtauflagen, die begründbar sein müssen. Für eine FFP2-Pflicht fehlen die Belege, die negativen Aspekte werden gar nicht berücksichtigt“ (BZ 11.9.2022).

In manchen deutschen Krankenhäusern gab es auch im Herbst 2022 noch eine „2G+“-Regel: „Meine Schwester ist mit Babybauch im Krankenhaus und ich darf sie nicht besuchen. Warum nicht? 2G+. Ihr Mann durfte sie nicht einmal auf ihr Zimmer begleiten. Er ist zwar geimpft, darf meine Schwester aber erst besuchen, wenn ihr PCR-Testergebnis da ist“ (Ephelides 30.10.2022). Bis ins Jahr 2023 hinein schränkten die meisten Krankenhäuser die Besuche massiv ein: Sie erlaubten pro Tag nur einen Besucher für eine Stunde in ausgewählten Zeitfenstern. Kinder unter zwölf Jahren mussten in der Regel draußen bleiben (WELT 3.2.2023).

Nach Vinay Prasad sind Masken Krankenhäusern und Arztpraxen Zeichen einer „Krise der Depersonalisierung“ in der westlichen Medizin (Prasad 24.10.2022).

Politische Befürworter der Maskenpflicht hatten wohl auch noch etwas anderes im Sinn: In China dienten Masken unter anderem dazu, abweichendes Verhalten zu reduzieren (Lu 4.10.2022). Masken erzeugen Konformität, und wer konform ist, trägt Masken. 

Herbst 2022: Pandemie vorbei, nur nicht in Deutschland

US-Präsident Jo Biden erklärte am 19. September 2022 die Pandemie für beendet, und sorgte damit für einen Absturz der Aktien der Impfstoffhersteller (n-tv 21.9.2022). In den meisten Ländern waren die Pandemiemaßnahmen bereits in den Monaten zuvor abgeschafft worden.

Lediglich Deutschland blieb ein einsamer Reiter an der nicht mehr auszumachenden Coronafront, mit einem Gesundheitsminister, der auftrat wie ein Pharmavertreter, und einer STIKO, die bereitwillig alle Impfstoffe empfahl, derer sie habhaft werden konnte.

Während die Inzidenzen jahreszeitlich bedingt anstiegen und u.a. das maskenfreie Münchner Oktoberfest mitverantwortlich gemacht wurde (dass das Unsinn war, zeigte Prof.Freedom 13.10.2022), bewegte sich bei den Behandlungen wegen akuter Atemwegsinfektionen und bei den Krankenhausaufnahmen wegen schwerer Infekte wenig (Stöhr 29.9.2022, Chipotle 30.9.2022). Im Jahr 2022 belegten Corona-Patienten selbst in Spitzenzeiten nur 5% der Krankenhauskapazität (Muh 10.10.2022).

Karl Lauterbach stellte in einem Video erneut Kinder als Treiber der Pandemie dar. Außerdem seien sie gefährdet durch mögliche Langzeitfolgen – „niemand kann sagen, was mit einer Generation von Kindern passiert, wenn sie sich häufig infizieren. (…) Das wissen wir noch nicht genau, dazu werden noch Studien gemacht“. Schüler sollten seiner Meinung nach wieder Masken tragen. Lauterbach schreckte nicht davor zurück, die kinderfeindliche Parole aus dem Panikpapier des Bundesinnenministeriums zu wiederholen: Kinder könnten andere gefährden, „auch Menschen, die ihnen besonders nahe stehen“  (Schink 7.10.2022).

Längst war klar, dass praktisch alle Kinder schon mit irgendeiner der SARS-CoV-2-Varianten immunisiert sind, und dass weitere Begegnungen mit dem Virus die Immunität für das spätere Leben konsolidieren. Klaus Stöhr kommentierte die Äußerungen von Karl Lauterbach so: „Diese evidenzbefreiten Spekulationen von @Karl_Lauterbach sind unglaublich und diffamieren die deutschen Mikrobiologen and Infektiologen international immer weiter. Wann melden sich die entsprechenden Fachgesellschaften in Deutschland hier zu Wort?“ (Stöhr 7.10.2022). Kinderärzte warnten inzwischen, dass sich Kinder und Jugendliche sich auch im dritten Jahre der Pandemie von den psychischen Belastungen noch nicht erholt hätten (Ärztezeitung 7.10.2022).

Mitte Oktober brach Karl Lauterbach eine Impfoffensive vom Zaun – Kosten: 50 Millionen Euro (AA 23.10.2022) – mit dem Slogan „Ich schütze mich“. Bei der eröffnenden Bundespressekonferenz präsentierte er eine SPIEGEL-Journalistin, ZeroCovid-Aktivistin und angebliche Long Covid-Patientin, die nach eigenen Aussagen im Anschluss an eine Boosterimpfung an COVID-19 und anschließend an Long Covid erkrankt ist (corona express 14.10.2022).  Einen Kommentar („skurril bis haarsträubend“) zu verschiedenen Behauptungen Karl Lauterbachs während der Bundespressekonferenz veröffentlichte der Neurologe Christian Schöps in seinem Blog (BrainPainBlog 15.10.2022).

Die sogenannte „Herbstwelle“ 2022 ebbte wieder ab, ohne dass irgendwelche Maßnahmen ergriffen wurden (NZZ 29.10.2022). Die ständig wiederholte Behauptung, man hätte alle „Wellen“ durch Eindämmungsmaßnahmen in den Griff bekommen, war Lug und Trug. Zahlreiche Experten, die zum Sozialausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags geladen waren, sprachen sich dafür aus, Corona-Schutzmaßnahmen weiter zurückzufahren (ndr 3.11.2022).

Ab Mitte November 2022 kam es zu einem starken Anstieg anderer Viruserkrankungen: RSV, Influenza, Rhinoviren – offensichtlich bedingt durch den Infektionsstau, der durch die Abstandsregeln und Schließungen verursacht worden war (Spektrum 30.11.2022). Maskenfanatiker wie Karl Lauterbach und Lothar Wieler sahen darin einen (rechtswidrigen) Grund für das Aufrechterhalten von Maskenpflichten (Lauterbach 8.12.2022).

Inzwischen hatten manche Firmen wie AUDI über ihr Hausrecht wieder das Tragen von Masken angeordnet (swr 28.10.2022). Ein Verbot derartiger Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht wäre überfällig.

Am 2. November 2022 verkündete Karl Lauterbach: „Kitas waren keine Infektionsherde“, sie seien keine Treiber der Pandemie gewesen. „In Kitas konnte man sich wesentlich weniger schnell infizieren als in den Familien.“ Schwere Verläufe und langwierige Schäden seien bei den Kleinen ebenfalls die Ausnahme gewesen. Kitaschließungen seien unnötig gewesen. Zu den Schulschließungen gebe es keine vergleichbaren Daten – er wolle daher nicht darüber spekulieren, ob auch Distanzunterricht und Homeschooling unnötig gewesen seien (mdr 2.11.2022, Röhn 2.11.2022). Mehrfach fügte Lauterbach ein, „nach heutigem Wissen“ und bezog sich dabei auf die eben erschienene Corona-KiTa-Studie des RKI und des Deutschen Jugendinstituts (DJI 2.11.2022).

Dieses Wissen war jedoch schon 2020 verfügbar, spätestens durch die Erfahrungen in Schweden.In Deutschland hatten sich verschiedene medizinische Fachgesellschaften spätestens seit 2021 gegen die Schließungen von KiTas und Kindergärten ausgesprochen (Stöhr 4.11.2022).

Nachdem Karl Lauterbach einer der Antreiber der Maßnahmen gegen Kinder war, wäre ein Eingeständnis von Schuld fällig gewesen. Hierauf wartete man jedoch vergeblich. Die NZZ schrieb: „All die Schäden, all die Traumata, die bei kleinen Kindern entstanden sind, weil die vielzitierte «Vorsicht» in den vergangenen drei Jahren immer nur dem Virus galt und allen anderen Gefahren des Lebens nicht – sie waren umsonst. Kindergärtnerinnen berichten von verzögerter Sprachentwicklung. Von Kindern, die nach Monaten zu Hause das Laufen wieder verlernt hatten. Von Kindern mit diffusen Ängsten, von total überlasteten Eltern. All das war ein – wie wir jetzt wissen (aber auch damals durchaus schon ahnen konnten) – überflüssiger Preis für eine dogmatische Politik.(…) Kein Wort des Bedauerns. Kein Wort des Mitgefühls. Kein Versprechen, in Zukunft etwas vorsichtiger zu sein, wenn man «den guten Künsten und der Wissenschaft» folgt, die man gerade für richtig hält. Karl Lauterbach hätte die Chance gehabt, eine vernünftige Diskussion darüber zu beginnen, wie tiefgreifend die Corona-Politik die deutsche Gesellschaft verändert hat. Welche Irrtümer es gab, welche Fehler gemacht wurden, wo man sich verrannt hatte. Er hat diese Chance nicht ergriffen. Es ging ihm, auch angesichts eines haarsträubenden Befundes, nur um sich selbst: nichts zu korrigieren. Diesem Minister darf man gar nichts verzeihen“ (NZZ 3.11.2022).

Mit Recht forderte Tim Röhn in der WELT den Rücktritt des Gesundheitsministers: „Ausgerechnet Karl Lauterbach, der sich stets auf die Wissenschaft berief, hat diese in Wirklichkeit für seine persönlichen Interessen missbraucht. Er hat ihr großen Schaden zugefügt – und sollte mit seinem Rücktritt als Bundesgesundheitsminister Konsequenzen ziehen.“ (WELT 4.11.2022, Bezahlschranke). Es gab allerdings eine ganze Riege von Lockdown-Apologeten und NoCOVID-Regierungsberatern, die mit ihm das Feld räumen müssten.

In Bayern lief die Pflicht zum Tragen der Maske im öffentlichen Nahverkehr am 10.12.2022 aus (Merkur 10.12.2022). Nach und nach folgten weitere Bundesländer.

Ende Dezember 2022 erklärte Christian Drosten im TAGESSPIEGEL die Pandemie für beendet (Tagesspiegel 26.12.2022) – Monate nachdem viele andere dies schon vor ihm, allerdings ohne entsprechendes Presse-Echo erledigt hatten, und der Rest der Welt (außer China) die Pandemie schon längst hinter sich gelassen hatte.

Am 8. Januar 2023 war es endlich auch in China soweit. Nach zunehmenden Massenprotesten gegen die Lockdown-Politik erklärte die chinesische Regierung die Pandemie für beendet. Dies sorgte in zahlreichen Ländern für erneuten sinnlosen Aktionismus, etwa eine Testpflicht für chinesische Touristen (dlf 4.1.2023).

Karl Lauterbach plädierte selbstverständlich für eine Fortschreibung der Maßnahmen: „Ich frage mich, ob es jetzt wirklich auf ein paar Wochen ankommt, wo wir in einer so kritischen Situation sind.“ (BILD 29.12.2022). Auch die NoCovid-Fraktion in Gestalt von Viola Priesemann („Das ‚kleine bisschen Rücksicht‘ sei angemessen“, FAZ 1.1.2023). Einige Journalisten riefen nach der Verstetigung der Maßnahmen, etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung („es wäre schlecht, das absehbare Ende jetzt überstürzt vorwegzunehmen“FAZ 27.12.2022) oder in der Süddeutschen Zeitung („es wäre fatal, ausgerechnet jetzt alle Schutzmaßnahmen abzuschaffen (…) Man kann über neue Namen für die Maßnahmen nachdenken, Corona taugt dazu momentan nur noch bedingt. Aber sie gegenwärtig zu beenden, wäre ein Fehler. Einer, der Menschenleben kostet“SZ 27.12.2022).

Erst jetzt kam etwas Bewegung in einige FDP-Granden und Verfassungsrechtler:

  • Justizminister Marco Buschmann forderte die sofortige Aufhebung aller Coronamaßnahmen, was die Neue Züricher Zeitung zu dem Komentar veranlasste: „Dass der Justizminister allen Ernstes ein Drosten-Interview braucht, um seine Forderung nach der Rückkehr zur Normalität zu formulieren, zeigt, wie autoritätsgläubig nicht nur er, sondern die ganze Bundesrepublik mit dieser Pandemie umgegangen ist und bis heute umgeht.“ (NZZ 27.12.2022).
  • Wolfgang Kubicki forderte das Parlament zu Handeln auf. Die Maßnahmen seien aufzuheben. „Dass dieser endemische Zustand erreicht ist, daran gibt es in der Wissenschaft mittlerweile keinen ernsthaften Zweifel. (…) Da der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dies offenbar nicht begreift und eine Aufhebung der Beschränkungen durch Verordnung über Paragraph 28b Abs. 8 IfSG blockiert, ist das Parlament jetzt am Zug. Dies sollte schnell geschehen, bevor die Gerichte uns den Weg weisen.“ (Kubicki 29.12.2922).
  • Der Jurist Josef Franz Lindner sagte: Lauterbachs ‚paar-Wochen-These‘ ist aus verfassungsrechtlicher Sicht unvertretbar. Eine Maßnahme, die sich nicht mehr rechtfertigen lässt, muss sofort aufgehoben werden, nicht erst in ein paar Wochen oder Monaten.“ (BILD 29.12.2022)
  • Volker Boehme-Neßler nannte Lauterbachs Äußerung eine „Unverschämtheit“. Er sage damit: Wir hatten so lange Grundrechtseingriffe, dann kommt es auf ein paar Wochen mehr auch nicht mehr an – das ist aber völlig falsch, ein verfassungsrechtlicher Hammer.“ (BILD 29.12.2022). Damit zeige Lauterbach, „dass ihm die Verfassung völlig fremd und letztlich egal ist. Er denkt tatsächlich, dass er seine Corona-Politik nicht am Grundgesetz ausrichten muss. Für einen ranghohen Vertreter des Staates ist das ein Skandal.“ (Cicero 30.12.2022).

Wenn das Virus an Gefährlichkeit verliert, sind die Schutzmaßnahmen – die Einschränkungen der Freiheit – nicht mehr nötig. Dann sind Sie unverhältnismäßig und deshalb verfassungswidrig. Corona-Schutzmaßnahmen, die nicht mehr unbedingt erforderlich sind, muss der Staat sofort aufheben. Jede Verzögerung verletzt das Grundgesetz. (Boehme-Neßler, Cicero 30.12.2022).

Ab 2023: Jahre der Aufarbeitung?

„In den letzten drei Jahren ist etwas passiert, was eine … extreme gesellschaftliche Schuld ist, die jetzt wie ein Damoklesschwert über der Gesellschaft schwebt und die Gesellschaft weiter spaltet. Weil eine gar nicht so kleine Minderheit extrem diskriminiert und schlecht behandelt wurde, und eine Mehrheit mitgemacht hat, und einige wenige extrem davon profitiert haben… Das erste und das wichtigste ist, dass es offen gelegt wird“ (Raphael Bonelli 7.12.2022).

Man kann nicht einfach so eine Nummer abziehen und dann so tun, als wäre alles ganz normal. Das Urteil der Geschichte ist gnadenlos. Es kommt langsam, aber gewaltig“ (Dietrich Brüggemann 5.7.2023).

Der Philosoph Christoph Lütge forderte im Februar 2023 in einer dreiteiligen Einlassung auf Cicero, man müsse jetzt „über das Monströse reden„. Kindern seien Schuldgefühle eingeredet wortden, Alte haben allein sterben  müssen, Intellektuelle hätten „mehr Diktatur“ gefordert. „Das alles darf, bei allem vorwärtsgewandten Denken, nicht unter den Teppich gekehrt werden.“ (Lütge 25.2.2023). In der Pandemie habe – auf Kosten der demokratischen Kultur unseres Landes – obrigkeitsstaatliches und konformistisches Denken bei den meisten Entscheidungsträgern aus Politik, Justiz und Medien dominiert. „Die erschreckende Brutalität und Schnelligkeit,mit welcher ideologische Mechanismen erneut salonfähig geworden sind,wie man sie seit dem Ende des Totalitarismus in Westeuropa nicht mehr kannte,lässt Übles ahnen,wenn es um die Krisen der Zukunft geht. (Lütge, 27.2.2023, Bezahlschranke). Esfeld fordert eine Neu-Justierung der demokratischen Institutionen, die sich gegenseitig kontrollieren sollten, denn die Gewaltenteilung habe in Deutschland  fundamental versagt. Vor allem das Rechtssystem habe in keiner Weise seine Unabhängigkeit von der Exekutive gezeigt. Statt einem „Kollektivwahn“ brauche es „Ermutigungen dazu, andere Meinungen zu äußern, gegen den Mainstream zu schwimmen, die Ratio nicht auszuschalten – und Regeln nicht blindlings zu befolgen.“ (Esfeld 28.2.2023).

Der britische Philosoph David Thunder schrieb im März 2023: Wir sollten auf jeden Fall die „Schuldfrage“ in Bezug auf die Ereignisse von 2020-22 stellen. (…) Wir brauchen eine öffentliche COVID-Untersuchung, um Einzelpersonen für das zur Verantwortung zu ziehen, was gerade mit unserer Gesellschaft passiert ist. Viele Menschen werden noch viele, viele Jahre lang den Preis für diese Eingriffe zahlen, und wir werden nicht in der Lage sein, das Unrecht der letzten Jahre ungeschehen zu machen. Aber der Gerechtigkeit muss Genüge getan werden. Und das ist nur möglich, wenn diese Personen für das, was sie getan haben, bezahlen. Wenn wir es versäumen, Einzelne für das, was gerade passiert ist, zur Rechenschaft zu ziehen, dann senden wir im Grunde die Botschaft aus, dass es keine große Sache ist, wenn man rücksichtslos die Gesundheit und das Wohlergehen der gesamten Bevölkerung gefährdet. Keine große Sache. Sie können einfach mit Ihrem Leben und Ihrer Karriere weitermachen, und wir vergessen einfach, dass es jemals passiert ist. (…) Diese Art von rücksichtslosem Verhalten muss einen Preis haben. Denn wenn Menschen mit einem solchen Maß an krimineller Fahrlässigkeit ungeschoren davonkommen, dann gibt es keine Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Den Verursachern dieser Katastrophe einen Freifahrtschein zu geben, hieße, die gesamte moralische Ordnung unserer Gesellschaft ins Lächerliche zu ziehen. Wenn man schon jemanden wegen eines Bagatelldelikts verfolgt, wie kann man dann ein Auge zudrücken, wenn jemand unser Gesundheitswesen massiv stört, die Bürger in ihren Wohnungen einsperrt, sie im Grunde gegen ihren Willen zwingt, ein experimentelles Medikament zu nehmen, und die Gesellschaft nach dem Impfstatus der Menschen segregiert? Wollen wir ernsthaft behaupten, dass die Menschen, die der Gesellschaft dieses toxische Experiment zugefügt haben, ungeschoren davonkommen und einfach mit ihrem Leben und ihrer Karriere weitermachen können, ohne irgendeinen Preis zu zahlen? Das glaube ich nicht. Es wird ein Preis zu zahlen sein. Das ist es, was die Gerechtigkeit verlangt.“ (Thunder 10.3.2023)

Der amerikanische Autor Michael P Senger befürchtete, es werde viele Jahre dauern, bis das Trauma, das wir während des COVID erlebt haben, vollständig verarbeitet sein wird. Individuelle menschliche Geschichten könnten jedoch dabei helfen, zumindest einen Teil dieses Weges zu gehen. Daher fragte er auf Twitter, wie sich die Pandemiepolitik auf jeden einzelnen ausgewirkt hat. „Welcher Aspekt der Reaktion auf COVID hat Sie persönlich am meisten berührt?“ Wer englisch versteht, für den breitet sich ein Kaleidoskop von Antworten auf diese Frage aus (Senger 4.2.2023).

Eine unabhängige Untersuchung der politischen Fehler und politische Konsequenzen sind unabdingbar zur Aussöhnung und zur Überwindung der  gesellschaftlichen Spaltung (BILD 5.11.2022). Kaum ein Politiker oder Politikberater hatte jedoch bis zum Frühjahr 2023 sein Bedauern für die Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen während der Pandemie ausgedrückt. Lediglich Jens Spahn bekannte in seinem Buch „Wir werden einander viel verzeihen müssen“ einige Versäumnisse in der Corona-Politik gegenüber Kindern und Familien und schrieb: „Dafür kann ich nur um Verzeihung bitten.“

In Bayern verlangte die Generalsekretärin der Freien Wähler, Susann Enders, im Plenum des  Landtags von allen politisch Verantwortlichen, sich zu entschuldigen. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Landtag Bernhard Seidenath (CSU) entgegnete: „Ich sehe keinen Grund dafür, dass wir uns entschuldigen“ (br 2.12.2022).

Im November 2022 mahnten einige Medien wie die Berliner Zeitung oder der Mitteldeutsche Rundfunk eine Aufarbeitung an. Es folgte das ZDF am 11.12.2022 mit dem Kurzbeitrag „Die fatale Bilanz der Pandemiepolitik“ (zdf 11.12.2022). Marcus Klöckner und Jens Wernicke landeten zeitgleich mit ihrem Buch „Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen“ (Buchkomplizen) weit oben auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. In der Beschreibung des Verlags heißt es: „Sie haben mitgemacht. Sind zu Tätern geworden. Haben unbescholtene Bürger mit Hass und Gewalt überzogen, sie ihrer Freiheit beraubt. Haben kontrolliert, bedroht, gezwungen und bestraft. Gehetzt, gespalten, entmenschlicht und traumatisiert. Kritiker zu Staatsfeinden erklärt. Politiker, Journalisten, Wissenschaftler und Bosse waren sich nicht zu schade, sich als Totengräber der Demokratie zu betätigen und mittels quasireligiöser Dogmen und vermeintlich letzter Wahrheiten das Ende der liberalen Ordnung einzuläuten. Marcus Klöckner und Jens Wernicke stellen klar: Der neue Totalitarismus zielte niemals nur auf Ungeimpfte, sondern betreibt die planmäßige Entrechtung und Unterwerfung aller Menschen weltweit. Versöhnung ist möglich, setzt jedoch voraus, dass die Opfer ihre Ohnmacht überwinden und die Täter Verantwortung für die schier unglaublichen Schäden, die sie anderen an Leib, Leben und Freiheit zugefügt haben, übernehmen und Wiedergutmachung leisten“ .

Matthias Schrappe veröffentlichte Ende 2022 seine Zehn Thesen zur Aufarbeitung der Corona-Krise“. Er konstatierte schwere Fehler im Pandemiemanagement. Das deutsche Gesundheitssystem sei um Jahrzehnte zurückgeworfen worden, mühevoll etablierte Entwicklungen im Gesundheitswesen seien schwer beschädigt worden, etwa die Individualität und Selbstbestimmung der Patienten, die evidenzbasierte Medizin, die Vertrauensbildung im öffentlichen Gesundheitswesen. Nach nunmehr knapp drei Jahren Pandemie-Management müsse nun versucht werden, die Verluste einzugrenzen und die Entwicklung wieder aufzunehmen.

Er schrieb: „Man könnte allerdings zu der Überzeugung kommen, dass nicht abebbende Demonstrationen und eine 20-prozentige Quote von Skeptikern, die mit dem Corona-Management nicht einverstanden sind, auch einen Anlass zur Selbstbefragung bieten. In diesem Fall wäre es sinnvoll, eine Gelegenheit zu suchen und wahrzunehmen, um zu signalisieren, dass auch von verantwortlicher politischer Seite nicht alles optimal gelaufen ist, dass also Fehler gemacht wurden, und die Hand zur Versöhnung auszustrecken. Solche Anlässe sind ja vorhanden, die Vorstellung der Studie zur verfehlten Schließung von Kindertagesstätten nur als Beispiel. Ein schmallippiges „Wir haben uns punktuell bei diesem Thema geirrt“ reicht allerdings nicht aus. Stattdessen wäre es denkbar, ein etwas umfassenderes Herangehen zu wählen. Vertrauen aufbauen, dies ist und bleibt ein aktiver Prozess.“ (Schrappe 30.11.2022, Schrappe 1.12.2022, Schrappe 2.12.2022).

#Die Gruppe um Gerd Antes und Matthias Schrappe verfasste im März 2023 und im Januar 2024 zwei offene Briefe mit der Forderung nach Aufarbeitung. „Nur mit einer systematischen Aufarbeitung gelingt – im Sinne einer learning culture – eine Verbesserung der Krisenfestigkeit der Gesellschaft, deren Nutzen in künftigen Krisen erheblich sein wird. Andernfalls erschöpft sich die Verarbeitung der Pandemie in Schuldzuweisungen oder dem Beharren auf Deutungshoheit. (…)  Während der Pandemie haben sich nicht nur Prioritäten und Prozesse in der Gesundheitsversorgung verschoben, sondern es wurden grundlegende Entwicklungen abgebrochen und Fortschritte rückgängig gemacht, die sich in den vorangehenden Jahrzehnten zur Grundlage unseres Gesundheitswesens entwickelt hatten. Besonders gilt dies für die Themenbereiche Evidenz, Patientenautonomie und moderne Governance-Strukturen“ (Pandemieaufarbeitung.net).

Die Neue Züricher Zeitung wartete mit einem Artikel von Eric Gujer auf, der die deutsche Coronapolitik und den Beitrag der Medien vernichtend kritisierte: „Die Medien verbreiteten unkritisch als objektive Wissenschaft verbrämte Mutmassungen: darunter die Behauptung, Geimpfte seien nicht ansteckend. Dies alles geschah unter der Parole «Follow the science». Selten war Wissenschaftsgläubigkeit naiver und zugleich militanter. Mit angeblicher Wissenschaft wurde schamlos Politik gemacht. Dies müsste eine Warnung für den Umgang mit dem Klimawandel sein, doch auch diese Lehre werden die Medien vermutlich ignorieren. (…) Der Extremismus der Mitte ist gefährlicher als der Extremismus der Ränder, weil nur die Mitte die Macht hat, ihre Stimmungen in Gesetze zu giessen. Das sollten die Deutschen nicht vergessen. Auch ohne Impfpflicht gehörten die deutschen Corona-Regeln zu den strengsten in Europa. Gleichzeitig waren die deutschen Covid-Hilfen die grosszügigsten. Der Staat kann den Deutschen offensichtlich die Freiheit nehmen, solange er sie grosszügig alimentiert. (…) Auf Dauer wird die Demokratie so pervertiert. Sie verkommt zum Basar, auf dem Bürger und Staat Gefolgschaft gegen Geld tauschen“ (NZZ 23.12.2022)

Jessica Hamed schrieb am 4.12.2022 in der Berliner Zeitung: „Eine wohlige Versöhnung ohne die notwendige und dabei schonungslose, vielleicht sogar qualvolle Tiefe kann es nicht geben. (…)  Wir müssen analysieren, wie es dazu kommen konnte, dass führende Politiker und Politikerinnen sich hemmungslos autoritärer Vokabeln wie Zügelanziehen bedienten (Markus Söder), dass der für den Rechtsstaat fundamentale Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Disposition gestellt wurde (Winfried Kretschmann), dass selbst das Bundesverfassungsgericht bisherige verfassungsrechtliche Maßstäbe ignorierte und faktisch der Regierung in Krisenzeiten einen Persilschein für hemmungs- und grenzenlose Krisenpolitik ausstellte. Wir müssen darüber sprechen, wie es möglich war, wesentliche Teile der Gesellschaft glauben zu machen, es sei solidarisch geboten oder gar ethisch tragbar, eine ganze Bevölkerungsgruppe verächtlich zu machen und aus der Gesellschaft zu drängen. Diese Diskriminierung war staatliches Unrecht. (…)Die Aufarbeitung muss jetzt beginnen. Mit einem institutionellen Schritt. Der FDP-Politiker Andrew Ullmann hat jüngst vorgeschlagen, eine Enquete-Kommission einzurichten. Die Mitglieder der Kommission sollten dabei mit Bedacht gewählt werden, um eine wahrhafte und ernst gemeinte Aufarbeitung sicherzustellen. (…)  Was diese Aufarbeitung leisten muss, ist die Erkenntnis, dass auch in der Krise nicht alles erlaubt sein kann. Auch dann nicht, wenn sich über 90 Prozent der Bevölkerung – aus auch ganz bewusst erzeugter Angst – dafür ausspricht, alle rechtsstaatlichen Tabus in den Wind zu schreiben. Es gibt sie nämlich, die roten Linien. Andernfalls wäre der Rechtsstaat lediglich eine Illusion.“ (BZ 4.12.2022).

Dieselbe Autorin Jessica Hamed mahnte am 1. Dezember 2023 erneut eine vor allem juristische Aufarbeitung der Coronapolitik an: „In meinen Augen ist ein gesamtgesellschaftliches Versagen zu konstatieren. Weder die Zivilgesellschaft noch die staatlichen Gewalten und auch nicht die vierte Gewalt haben sich als krisenfest erwiesen. Der liberale Rechtsstaat hat beim Thema Corona in Gänze versagt. Es gab keine roten Linien, die es aber – natürlich! – immer in einem Rechtsstaat geben muss. Die Justiz hätte zumindest die Exekutive dazu auffordern müssen, die Geeignetheit der Maßnahmen darzulegen, sprich die Maßnahmen zu evaluieren. Das ist bis zum Ende allenfalls in Ansätzen passiert, und so ging die staatlicherseits selbstverschuldete Unwissenheit immer zulasten der Kläger. (…) Der Blick in die Vergangenheit soll deutlich machen, warum es einer umfassenden, wahrhaften und allen voran einer juristischen Aufarbeitung bedarf. Wir können nicht den Mantel des Schweigens darüberlegen, dass es verboten war, auf de“m Weihnachtsmarkt Glühwein an Menschen ohne Covid-19-Impfung zu verkaufen. In Deutschland haben sich fast ein Viertel der Menschen nicht impfen lassen – trotz des massiven Impfdrucks. Und wie viele Menschen sich durch 2G-Regelungen, einseitige Versprechungen über die Wirksamkeit der Impfung und die sektorale Impfpflicht oder die Duldungspflicht zu einer Impfung haben drängen lassen, werden wir nie erfahren. Wir sind richtig schlecht durch die Pandemie gekommen (BZ 1.12.2023, Bezahlschranke).

Jürgen Müller forderte in einem ergreifenden Plädoyer trotz aller erlebten Unrechts zu einer Aufarbeitung ohne Hass auf: „Ihr müsste miteinander reden – weil ich sprachlos bin“ (Müller 13.11.2022). Er schrieb: „Die Aufarbeitung ist jetzt wichtig und natürlich müssen sich sehr viele Menschen mit Verantwortung selbiger stellen – auch in Gerichtsverfahren. In der Bevölkerung gibt es jedoch nicht nur Täter. Gleichzeitig sind sie Opfer einer gigantischen Propagandamaschinerie.“

René Schlott konstatierte im Deutschandfunk: „Warum entdeckt die Politik gerade jetzt klammheimlich und etwas verdruckst die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Eigenverantwortung und der Verhältnismäßigkeit wieder? Solchen Fragen weichen die Verantwortlichen aber aus. Vom selbstkritischen Hinterfragen der bisherigen Corona-Politik, gar einer Entschuldigung bei Kritikern und Geschädigten, und dem Willen zur ehrlichen Aufarbeitung der letzten zweieinhalb Jahre keine Spur.“ (dlf 22.11.2022). Ein Beispiel ist die unbelehrbare SPD-Vorsitzende Saskia Esken, die bei Anne Will am 12.2.2023 zum Besten gab: „Wir haben mit 2G, 3G neue Ideen angewandt, die vorher so nicht möglich gewesen wären. Ich finde, wir können ganz zufrieden sein mit dem, was wir erreicht haben.“ (Real Tom 12.2.2023).

Markus Grill veröffentlichte im Deutschlandfunk einen Kommentar zur gigantischen Geldverschwendung durch Maskenkäufe und PCR-Tests durch die Bundesregierung. Es gebe da eine gewisse „Schwammdrüber“-Mentalität, aber man dürfe die Politik da nicht einfach davonkommen lassen. Deutschland habe zudem so lange wie kaum ein anderes europäisches Land die Schulen geschlossen, auch noch im Jahr 2021, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits sehr viel mehr Wissen über die schädlichen Auswirkungen der Schulschließungen bekannt war (dlf 19.1.2023).

Bernd Müller schrieb in Telepolis zum Versagen des Ethikrates vor allem hinsichtlich von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie: „Das Wegschauen des Ethikrats befreit ihn nicht von der Schuld. Die Fakten lagen auf dem Tisch – aber man wollte sie nicht sehen. Was hätte es mehr gebraucht als den Willen, seine Stimme zu erheben? Aber der Ethikrat schwieg viel zu lange.“ (Telepolis 30.11.2022).

Das Versagen des Robert-Koch-Instituts war angesichts der miserablen wissenschaftlichen Begleitung der Pandemie sowie der zahlreichen und folgenschweren Fehlleistungen offensichtlich, der Rücktritt von Lothar Wieler im Januar 2023 überfällig (Lionello 12.1.2023). Es böte sich nun eine Gelegenheit zur Umstrukturierung des RKI und der Abkoppelung vom Gesundheitsministerium, um Unabhängigkeit zu gewährleisten (WELT 12.1.2023, stefanie 11.1.2023). Friedrich Pürner kommentierte den Wieler-Rücktritt und das Versagen des weisungsgebundenen Robert-Koch-Instituts so: „Bis heute ist es dem RKI nicht gelungen, saubere Daten bezüglich der Pandemie zu sammeln und wissenschaftlich auszuwerten. Nach fast drei Jahren gibt es weiterhin keine Differenzierung, ob jemand mit oder an Covid verstorben ist.“ (Pürner 20.1.2023).

Lothar Wieler äußerte sich kurz nach der Ankündigung seines Rücktritts kritisch zu den Schulschließungen während der Corona-Pandemie – die er allerdings selber unterstützt hatte. Der vorhandene Spielraum sei während der gesamten Pandemie nicht ausreichend sorgfältig, ruhig und sachlich betrachtet worden. Wieler forderte eine gründliche Aufarbeitung der Pandemie und meinte, er wolle wissen, welche Maßnahmen adäquat waren und welche Kosten-Nutzen-Effekte es gab.  (ZEIT 25.1.2023, Bezahlschranke). Nur muss er damit rechnen, dass er bei einer Aufarbeitung auch selber im Fadenkreuz steht. Sein neues Betätigungsfeld beim Digital Health Cluster am Hasso-Plattner-Institut (HPI) hat er möglicherweise den von ihm mitinitiierten Schulschließungen und dem Auftrag des Bildungsministeriums für eine Homeschooling Software („HPI Schulcloud“) zu verdanken (Aya 1.2.2023).

Auch Armin Laschet gestand Fehler ein (ZEIT 25.1.2023): „Die Methode, die wir da angewandt haben, halte ich für hochgefährlich: Wenn man auf dem Verordnungswege…fundamentale Grundrechte außer Kraft setzt, und zwar ohne große öffentliche Beteiligung, geht man keinen guten Weg. Ich habe Sorge, dass künftig auch zu anderen Zwecken und zu jedem beliebigen Thema so agiert wird. Von Klimaaktivisten ist die Forderung ja schon zu hören. Ich würde das heute nicht noch einmal so mitmachen. Das sollte sich nicht etablieren.“ (ZEIT 25.1.2023, Bezahlschranke). Im März 2023 forderte Laschet in Berlin Direkt eine Enquetekommission zur Aufarbeitung der Fehler, die gemacht wurden (zdf 19.3.2023).

In der Reihe der Verantwortlichen für die Pandemiepolitik herrscht jedoch wenig Bereitschaft für eine Aufarbeitung oder gar Reue. Das Narrativ ist, Deutschland sei vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen – ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die vom wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Fallout betroffen sind, den Panikmache, Abstands- und Hygieneregeln, Impfzwang, Diskriminierung und  katastrophale Lockdowns hinterlassen haben (Senger 18.1.2023).

Karl Lauterbach war auch im Januar 2023 noch nicht fertig mit unverantwortlicher Panikmache (dlf 23.1.2023). Er  warnte vor einer unheilbaren Immunschwäche nach wiederholten Corona-Infektionen und führt angebliche Daten an, die bisher nicht in wissenschaftlichen Fachjournalen veröffentlicht waren (Stöhr 25.1.2023). Ralf Hanselle schrieb dazu im Cicero bissig: „Studien ohne Publikation: da bleibt nur der Schluss, dass es die angeführten Studien eigentlich gar nicht gibt.“ (Cicero 24.1.2023). #Im März 2024 machte Lauterbach einige belanglose Bemerkungen zu „Fehlern“, die „wir“ gemacht hätten. Seine eigene Verantwortung ´für die desaströse Politik kam ihm nicht in den Sinn. Auch andere Drahtzieher wie Helge Braun oder Horst Seehofer waren sich keiner Schuld bewusst (n-tv 8.3.2024).

Vinay Prasad schrieb dem U.S. Department of Health & Human Services, die dieselbe Behauptung in die Welt gesetzt hatten: Habt ihr euren verdammten Verstand verloren? Es ist jedes Mal, wenn man es bekommt, weniger schlimm“(Prasad 9.2.2023). Sogar Christina Berndt kommentierte in der Süddeutschen Zeitung: „Vorläufige wissenschaftliche Daten gehören nicht hinausposaunt“. In seiner hohen Position sei von Lauterbach zu erwarten, dass er in jedem Einzelfall sorgfältig abwägt, welche Forschungsergebnisse er zu welchem Zeitpunkt mit welcher Interpretation öffntlich macht. Das sei in seiner Amtszeit leider schon zu häufg schiefgegangen (SZ 22.1.2023, Bezahlschranke). In einer großen dänischen Studie wurde klargestellt: COVID-19 erhöht nicht die Anfälligkeit für andere Infektionskrankheiten, schwächt also nicht das Immunsystem. COVID-AIDS ist ein Märchen (Anderson 22.9.2023).

Der britische Infektiologe Alasdair Munro stellte klar: „Covid-19 kann während und kurz nach einer akuten Infektion vorübergehende Veränderungen des Immunsystems hervorrufen, was auch bei anderen Atemwegsviren der Fall ist. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Covid-19 eine langfristige Immunschwäche verursacht. Es gibt keine Belege dafür, dass Covid-19-Infektionen einen bedeutenden Einfluss auf die saisonalen oder ungewöhnlichen Anstiege anderer Infektionen hatten, die weitgehend als Ergebnis der unterdrückten Übertragung während der Pandemie vorhergesagt wurden“. (Munro 23.1.2023)

Am 30. Januar 2023 machte Karl Lauterbach in einem Interview die wissenschaftlichen Politikberater für Fehler verantwortlich. Es sei falsch gewesen, die Schulen und Kindertagesstätten so lange geschlossen zu halten (WELT 30.1.2023, BILD 30.1.2023). Tatsächlich war es aber der Politiker Karl Lauterbach, der sich ständig als Epidemiologe und Wissenschaftler präsentiert hatte und mit Drosten gemeinsam langdauernde Schulschließungen gefordert hatte (z.B. Lauterbach 4.5.2020, ndr 1.2.2023). Die Wissenschaft für politische Fehlentscheidungen verantwortlich zu machen entbehrte da nicht einer gewissen Komik. In den folgenden Tagen gestand Lauterbach noch weitere Fehler ein, etwa Ausgehverbote, Maskentragen an der freien Luft der Schließung von Kinderspielplätzen (BZ 2.2.2023). Im Mai 2023 sagt er sogar der BILD-Zeitung, er wisse nicht, ob die Maskenpflicht generell etwas gebracht habe: „Insgesamt lässt sich die Effektivität von einzelnen Maßnahmen (z. B. Maskengebote) nicht isoliert überprüfen, sondern nur im Zusammenwirken mit den zum Zeitpunkt der jeweiligen Untersuchung getroffenen anderen Maßnahmen.“ (BILD 3.5.2023).

Die WELT schrieb unter dem Titel: „Fast alle Opfer, die Lauterbach von den Bürgern verlangte, waren falsch„: „Doch so reumütig er sich heute gibt, so knallhart setzte er sein Programm in der Pandemie durch. Und das, obwohl es schon damals Mahner gab.(…) Eines aber bleibt die größte, die historische Fehlleistung dieses Ministers in der Corona-Zeit: dass er mit derart leichter Hand Zwangsmaßnahmen gegen alle und jeden erließ. Die Pflicht zur Maske, die Pflicht, zu Hause zu bleiben, die Pflicht zur Isolation, die Pflicht zum Testen für Schulkinder, die Pflicht zur Impfung, die er für die ganze Bevölkerung durchzusetzen versuchte. Nun stellt sich heraus, dass Lauterbachs Machtdemonstrationen unnötig waren. Fast alle Opfer, die Lauterbach von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, von der ganzen Bevölkerung verlangte und durchsetzte, waren falsch, manche sogar lächerlich. (…) Es wird Zeit, dass wir den deutschen Kurs schonungslos aufarbeiten. Und insbesondere die Rolle, die Karl Lauterbach dabei spielte“. (WELT 31.1.2023, Bezahlschranke).

Karl Lauterbach setzte indes weiterhin Fake News in die Welt, etwa die bizarre Behauptung, durch Coronamaßnahmen wären allein in Deutschland eine Million Todesfälle verhindert worden (BILD 22.2.2.23). Sogar die Frankfurter Rundschau warf dem Gesundheitsminister Geschichtsverdrehung und ein „merkwürdiges Verständnis von Aufarbeitung“ vor. Er habe die Realitäten interpretiert, bis sie in seine Erzählung passten. „Es ist an der Zeit, Fehler und Verantwortliche zu benennen und Lehren zu ziehen, damit es künftig weniger Brandstiftungen in der Gesundheitspolitik gibt. Noch ist Zeit dazu“ (FR 24.2.2023). Karl Lauterbach ließ nicht locker und behauptete wenig später unbelehrbar: „Also es ist insgesamt im Großen und Ganzen gut gelaufen“. Nur die langen Schulschließungen werde man „wahrscheinlich beim nächsten Mal anders machen“ (WELT 2.3.2023).

Am 6. Februar 2023 schrieb die WELT unter der Überschrift „Rufen Sie den Freedom Day aus, Herr Bundeskanzler!„: „In Deutschland wird weiterhin beobachtet und vor allem abgewartet: Das Infektionsschutzgesetz ist noch bis 7. April in Kraft, es gibt immer noch sehr strenge und teils unwürdige Besuchsregeln in Krankenhäusern und Altersheimen. Der Ausnahmezustand ist zum Dauerzustand geworden. Warnungen und Mahnungen haben ihre Wirkung verloren. Und das hat Auswirkungen auf die Gesellschaft. (…) Die deutsche Politik hat die Menschen durch vergleichsweise lange und auch strikte Pandemie-Maßnahmen in einen Zustand versetzt, den man in der Psychologie ‚erlernte Hilflosigkeit‘ nennt. Das Konzept der US-Psychologen Martin Seligman und Steven Maier besagt, dass Kontrollverlust und Machtlosigkeit in bestimmten Situationen dazu führen können, dass Betroffene ihr Verhalten und Denken nachhaltig einschränken, was wiederum zu kognitiven und emotionalen Defiziten bis hin zu Depressionen führt. (…) Der Ausnahmezustand muss unbedingt, wie der Name schon sagt, eine Ausnahme bleiben. Denn nur auf das Ende des Ausnahmezustands kann und muss zwingend Aufarbeitung folgen: Wo gingen Maßnahmen zu weit? Wo haben sie ihr Ziel verfehlt? Wo hat die Politik übertrieben? Nur dieser kritische Umgang garantiert, dass der Ausnahmezustand nicht ein willfähriges Instrument im politischen Werkzeugkasten wird, das man je nach Bedarf herausholt. Das ist die autoritäre Versuchung, der man in Zeiten der „Letzten Generation” widerstehen muss, die im Angesicht der Klimakrise schon den nächsten Ausnahmezustand herbeizitiert. Zeit, den Zustand der Hilflosigkeit zu verlassen.(WELT 6.2.2023, Bezahlschranke). Erwartungsgemäß gab es keine Reaktion von dem gesichtlosen Bundeskanzler.

Die interministerielle Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kind und Jugendliche durch Corona“ stellte in ihrem Abschlussbericht vom 8. Februar 2023 fest, dass Kinder und Jugendliche  während der Schulschließungen zu 75 Prozent häufiger Depressionssymptome aufwiesen als vor der Pandemie. Auch nach dem Ende der Maßnahmen lägen die Werte weiterhin teilweise deutlich über denjenigen von vor der Pandemie. „Das Wegbrechen sozialer Kontakte und haltgebender Strukturen durch die Schulschließungen hat bei vielen jungen Menschen Gefühle von Einsamkeit, Isolation und Angst ausgelöst und psychischen Stress verursacht, der teilweise bis heute anhält.“ (bmfsj 8.2.2023). Politiker, die die monatelangen Schulschießungen mit Fanatismus betrieben haben, müssen für dieses Verbrechen geradestehen.

Immer häufiger hörte man von den Verantwortlichen der Pandemiepolitik die Behauptung, Deutschland sei vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen. Damit werden völlig die unzähligen Opfer der Lockdownmaßnahmen übergangen: Kinder, Jugendliche, alte Menschen, Künstler, Einzelhändler, Impfgeschädigte, einsam sterbende Menschen etc etc. Stefanie veröffentlichte dazu  auf Twitter eine lesenswerte Replik (stefanie 14.2.2023).

Eine Gruppe von Wissenschaftlern um Gerd Antes und Matthias Schrappe forderte im April 2023 die Einsetzung einer Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie: „Eine offene, kritische und konstruktive ‚Nachbesprechung‘ ist unverzichtbarer Teil eines jeden professionellen Krisenmanagements. Dabei ist neben dem objektiven Lernprozess auch die integrative Wirkung einer offenen Debatte auf die Zivilgesellschaft wesentlich. Hierzu gehört ein sachlicher Austausch unterschiedlicher Standpunkte als zentrales Merkmal einer demokratischen Diskussions- und Lösungskultur. (…) Die Kommission sollte erstens die unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie und Kollateralschäden umfassend untersuchen und Strategien für ihre Bewältigung und zukünftige Vermeidung erarbeiten.. (…) zweitens das Pandemiemanagement kritisch überprüfen.“ *Unterzeichnung ist möglich (Pandemiaeaufarbeitung 18.4.2023).

Der Medienjournalist Timo Rieg veröffentlichte im März 2023 einen wissenschaftlichen Beitrag über Probleme in der Corona-Berichterstattung in den Medien – eine 127 Seiten umfassende Fallsammlung mit ausführlichen Quellenverweisen. Die Berichterstattung in einem Großteil der Medien sei diskriminierend, einseitig und verzerrt gewesen. Seiner Einschätzung nach ist das Interesse der Medien an Aufarbeitung  gering: „Weder im Journalismus noch in der Journalistik sehe ich ein größeres Interesse, sich mit dem zu beschäftigen, was schiefgelaufen ist“, sagte er (BZ 6.4.2023).

Einen erneuten Anlauf zu einer Aufarbeitung unternahm die WELT im September 2023 mit dem Artikel  „Verdrängen, vergessen, vertagen – Deutschlands Umgang mit der Pandemie“ – leider hinter Bezahlschranke (WELT 22.9.2023). Im Gegensatz zu den europäischen Nachbarn sei in Deutschland  vom Willen zur Aufarbeitung nichts zu spüren. Sie sei hier eher wie eine heiße Kartoffel, an der man sich nur die Finger verbrennen könne – und das, obwohl es in Deutschland eine vielfach höhere Sterblichkeit als etwa in Japan, Taiwan oder Südkorea gegeben habe. Deutschland stehe sogar schlechter da als Schweden, obwohl es dort keine Schulschließungen, keine Lockdowns und auch kaum sonstige harte Coronamaßnahmen gegeben habe. Im April habe der Bundestag mit 577 von 736 Stimmen eine
Durchleuchtung des Pandemiegeschehens abgelehnt. Die meisten Parteien im Parlament stünden auch einer Enquete-Kommission skeptisch gegenüber, die zunächst von FDP und CDU angedacht war. Im Kanzleramt dagegen betrachte man das Thema als abgeschlossen. Auch das Bundesgesundheitsministerium habe mitgeteilt, die Bundesregierung habe bereits die Lehren aus der Pandemie gezogen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe schon gar nicht auf eine Frage der WELT-Redaktion geantwortet.

In einem von Kristina Schröder organisierten Veranstaltung „Deutschland zwischen Covid und Klima –
Grundrechte unter Vorbehalt?“ diskutierten am 18. September hochkarätige Juristen wie Hans-Jürgen Papier, Heribert Prandl, Juli Zeh oder Jessica Hamed und andere über die Eingriffe in die Grundrechte und die Bedeutung der bürgerlichen Freiheiten auch in der Krise (Panel III 18.9.2023, Denkfabrik R21):

In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden (Art. 19 Abs. 2 GG)

In Österreich war man indes schon weiter: Im März 2023 kündigte die Landesregierung in Niederösterreich einen mit 30 Millionen Euro ausgestatteten Fonds an, um einen Teil der erhobenen Corona-Strafen an die Betroffenen zurückzuzahlen. Zu dem Corona-Paket zähle auch das „Ende der Diskriminierung für Ungeimpfte“. (WELT 17.3.2023).

Auch die USA begannen im Jahr 2023, die Covid-Politik aufzuarbeiten: „Zweifel werden laut, dass sie erfolgreich und angemessen war und jene wissenschaftliche Legitimierung erfahren hatte, die die Regierung so heftig propagiert hatte mit dem Slogan „Follow the science“ (Folgt der Wissenschaft).“ Ein Berufungsgericht bestätigte die Feststellung von Zensur durch die Regierung in den sozialen Medien, es gibt massive Kritik an Lockdowns, Schulschließungen und der unterlassenen Kommunikation, was die möglichen sozialen Kollateralschäden und wirtschaftlichen Folgekosten betrifft (FAZ 6.10.2023).

#Der Evidenzmediziner Vinay Prasad stellte im Januar mehr als 20 seiner Studien zur verfehlten Pandemiepolitik ins Netz – von der Einschränkung von Krankenbesuchen über Maskenpflicht und staatliche Desinformation bis hin zur Impfung von Kindern und Jugendlichen und ihren Nebenwirkungen (Prasad 9.1.2024).

International gibt es Bestrebungen, Gelder für das (Miss-)Management künftiger Pandemien locker zu machen. Das Center for Global Development fordert jährlich 5 – 10 Milliarden Euro für Forschung und Impfstoffentwicklung (cgdev 28.2.2023).  Jay Bhattacharya kommentiert dieses Ansinnen: „Leute, die Milliarden ausgegeben haben, um diese Pandemie schlecht zu managen – Ihr kleines Unternehmen ruiniert, Ihre Kinder von der Schule ferngehalten, Sie daran gehindert haben, sich von sterbenden Lieben zu verabschieden – wollen mehr Geld und mehr Macht, um auch die nächste Pandemie schlecht zu managen.“ (Bhattacharya 2.3.2023).

Im September 2023 wagten sich die Zeugen Coronas wieder aus ihren Redaktionen und Laboren – ein betrübliches Symptom fehlender Aufarbeitung der verfehlten Pandemiepolitik. Veronika Hackenbroch schrieb einen Leitartikel im SPIEGEL mit der Überschrift „Holt die Masken wieder raus!“ (SPIEGEL 6.9.2023). Janosch Dahmen von den GRÜNEN, den man eigentlich schon für endgültig abgetaucht hielt, tat sich mit der Aufforderung hervor, in Pflegeeinrichtungen oder Kliniken wieder eine Schutzmaske zu tragen (tagesschau 1.9.2023). Der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie riet im SPD-nahen RND, dass sich Personen mit Erkältungssymptomen wieder auf Corona testen sollten (rnd 23.8.2023). Erfrischend in diesem Zusammenhang das Video von Vinay Prasad, in dem er riet: Wenn Sie noch Tests zu Hause haben, werfen Sie sie weg, und, falls doch mal beim Arzt getestet wird: Geben Sie das Ergebnis weder der Schule noch demArbeitgeber bekannt (Prasad 9.9.2023).

*Seit 2022 gibt es das Zentrum zur Aufarbeitung, Aufklärung, juristischen Verfolgung und Verhinderung von Verbrechen gegen die Menschheit* aufgrund der Corona-Maßnahmen (ZAAVV): „Die teilweise willkürlichen Corona-Maßnahmen und die schnell aufgebaute Akzeptanz in der Bevölkerung haben gezeigt, wie einfach eine Gesellschaft manipuliert werden kann und wie schnell Menschenrechtsverletzungen salonfähig werden. Um eine Wiederholung in der Zukunft zu verhindern, sind Aufarbeitung, Aufklärung und juristische Verfolgung der Geschehnisse bedeutend. Die Aufarbeitung bringt den Umfang des erfolgten Unrechts zu Tage und legt den Grundstein für Veränderungen.Die Aufklärung dient der Bewusstseinsschärfung und der Übernahme von Eigenverantwortung.“ (ZAAVV)

COVID-19: Risiken überschätzt

Das Coronavirus wird hauptsächlich über Aerosole übertragen – winzige Partikel, die ausgeatmet werden, in der Luft schweben und sich überall hin verteilen. Im Freien werden Aerosole sehr schnell verdünnt. Die Übertragung der SARS-CoV-2-Viren findet daher fast ausnahmslos in Innenräumen statt (Sokrates 25.4.2023). Selbst bei engem Kontakt stecken sich jedoch nur drei bis fünf Prozent der Menschen an (Dtsch Ärztebl. 14.7.2020).

Von denen, die sich nachweislich infizieren, entwickeln 80 bis 90 Prozent keinerlei Beschwerden (Science 16.3.2020; BMJ 2.4.2020, SN 26.10.2020). Sie sind geschützt durch frühere Kontakte mit Coronaviren im Sinne einer Kreuzimmunität, durch ein robustes Abwehrsystem auf den Schleimhäuten oder eine gute angeborene unspezifische Immunität (Walach 8.9.2020, Doshi 17.9.2020, ScienceORF 28.4.2021, Wyler 20.7.2022, Dtsch Ärztebl.16.5.2023). Immunologen sprechen von „dunkler Materie“, also einer Immunität, die sich durch die übliche Untersuchung von SARS-CoV2-Antikörpern nicht nachweisen lässt (n-tv 24.4.2020, Tagesanzeiger 1.6.2020, Guardian 7.6.2020). Viele Personen, die nie mit SARS-CoV-2 infiziert waren, weisen dagegen eine spezifische zelluläre Abwehrreaktion gegen SARS-CoV-2 auf (Dtsch Ärztebl.16.5.2023).

Viele Menschen haben Antikörper oder Abwehrzellen gegen Coronavirus-Kapseln und -Kerne durch frühere Infektionen mit Coronaviren (Dugas 24.4.2021, ScienceORF 28.4.2021, Charité 31.8.2021, Kundu 10.1.2022). Der britische Telegraph kommentierte die Studie von Kundu: „Einer bahnbrechenden neuen Studie zufolge waren viele Briten bereits vor dem Ausbruch der Pandemie vor dem Coronavirus geschützt, weil sie bereits früher mit Erkältungskrankheiten zu tun hatten. (…) Die Studie trägt dazu bei, zu erklären, warum sich manche Menschen nie anstecken, und gibt Aufschluss darüber, warum ältere Menschen – die seltener erkältet sind – anfälliger sind, während Kinder – die jedes Jahr viele Erkältungen haben – besser geschützt sind“ (Telegraph 10.1.2022). Corona-Antikörper lassen sich bei jedem zweiten 6-12jährigen in eingelagerten Blutproben (aus der Zeit vor der Pandemie) nachweisen, und bei einem von 20 Erwachsenen (FR 11.11.2020). Sie können auch SARS-CoV2 neutralisieren und schwere Verläufe von Covid-19 verhindern.

Erwachsene mit regelmäßigem Kontakt zu Vorschulkindern hatten nach einer Studie aus Los Angeles ein signifikant geringeres Risiko für schwere Covid-Verläufe, Hospitalisierungen oder Behandlung auf einer Intensivstation wegen Covid verglichen mit Erwachsenen ohne einen solchen Kontakt (Rabe 28.7.2022).

Immer mehr Menschen verfügen auch über Gedächtniszellen („T-Zellen“) aus einer überstandenen COVID-19-Erkrankung. Bei ihnen ist mit einer lange anhaltenden Immunität zu rechnen, die die Wirkung und Wirkdauer von Impfungen auch gegen die Deltavariante um das Vielfache übersteigt (tkp 10.5.2021, Nature 26.5.2021, Radbruch 8.4.2022). Israelische Forscher schreiben: „Unsere Analyse zeigt, dass SARS-CoV-2-naive Geimpfte ein mehr als 13-fach erhöhtes Risiko für eine Durchbruchsinfektion mit der Delta-Varianteim Vergleich zu bereits Infizierten hatten, wenn das Ereignis (Infektion oder Impfung) im Januar oder Februar 2021 stattfand. Auch für eine symptomatische Erkrankung war das Risiko signifikant erhöht“ (Gazit 24.8.2021). Dies erklärt sich unter anderem dadurch, dass die Abwehrvorgänge während einer Infektion zu einer stärkeren Hochregulierung der zellulären Abwehr führen (Ivanova 3.5.2021). Genesene sind somit auch besser als Geimpfte vor künftigen Virusmutationen geschützt (n-tv 20.1.2022).

Stephan Luckhaus, ehemaliges Leopoldina-Mitglied, schätzte die „Durchseuchung“ bis Mitte Februar 2021 auf etwa zwei Drittel der Bevölkerung und hielt daher die Impfaktion für unter 60-Jährige für „Realsatire“ (Luckhaus 10.6.2021). Virologen wie Hendrik Streeck hatten schon im Sommer 2020 mehr Mut für den weiteren „Aufbau einer Teilimmunität“ gefordert, denn die Gesellschaft müsse sich darauf einstellen, mit dem Virus zu leben (gmx.net 7.6.2020). Sehr bemerkenswert in einer Zeit, in der es nur die eine, immer wieder verkündete offizielle Linie zu geben schien, nämlich: Abstand halten, Masken tragen und auf Grundrechte zu verzichten bis alle geimpft sind und das Virus besiegt ist (Tagesschau 17.6.2020, dw 18.7.2020).

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte das noch vollmundiger formuliert: „Wir werden diese Pandemie erst dann beenden, wenn sie überall beendet ist. Und das bedeutet, dass jeder Mensch auf der Welt Zugang zu Tests, Behandlungen und Impfstoffen hat“ (Dtsch Ärztebl. 29.6.2020). Und Chef Lothar Wieler sekundierte mit der geradezu alttestamentarisch anmutenden Warnung: „Das alles geschieht nur, weil wir Menschen uns nicht an die Regeln halten… Diese dürfen nie in Frage gestellt werden“ (SZ 28.7.2020). Mit einer solchen Aufforderung zu blindem Gehorsam verließ er den Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung, denn er machte die Bürger zu Untertanen und nahm ihnen damit die Würde (Forberger 21.8.2020).

Das Krankheitsbild von COVID-19 (= Corona Virus Disease 2019), die das Virus SARS CoV2 verursacht, ist – auch wenn dieser Vergleich von manchen als Coronaleugnung diffamiert wird – vergleichbar mit einer Influenza, nur sind die Verläufe bei Kindern und unter 65-jährigen Erwachsenen harmloser, bei alten Menschen mit gravierenden Grunderkrankungen dagegen eher schwerer (Ioannidis 19.5.2020, Medscape 15.7.2020).

Der Rechtsmediziner Klaus Püschel zog nach der Obduktion von etwa einhundert Gestorbenen mit klinischer Coronaerkrankung die Bilanz: „Covid-19 ist eine ernste, aber keine besonders gefährliche Erkrankung“ (Focus 24.4.2020). Sie stellt nach Ansicht prominenter Gesundheitsexperten „keinen Anlass dafür dar, in quasi metaphysischer Überhöhung alle Regeln, alles Gemeinsame, alles Soziale in Frage zu stellen oder sogar außer Kraft zu setzen“ (Schrappe 3.5.2020).

Die Übertragung von SARS-CoV2 geht überwiegend von Menschen mit symptomatischen Infektionen aus (Raffle 28.4.2021, Buitrago-Garcia 26.5.2022). In Wuhan wurden nach Abflauen der Epidemie unter 10 Millionen getesteten Einwohnern 300 Testpositive gefunden; keine einzige engere Kontaktperson wurde von ihnen angesteckt (Cao 20.11.2020). Auch eine große Übersichtsarbeit aus den USA fand keine substanzielle Virusübertragung durch gesunde testpositive Personen im gleichen Haushalt (Madewell 14.12.2020). Die angeblich asymptomatische Chinesin („Patientin 0“), die bei Webasto ein Superspreading-Event verursacht hat, war krank und hatte Paracetamol zur Symptomlinderung genommen (tkp 17.1.2021). Christian Schubert äußert in einem Interview die Vermutung, dass etliche Superspreader sich mit Medikamenten fit gemacht haben, anstatt sich ins Bett zu legen im Sinne des „sickness behaviour“, um sich zu schonen und andere zu verschonen (Schubert 30.6.2021 ab Min. 15:30).

Die Gefahr, dass Infizierte andere Menschen anstecken können, bevor sie die Erkrankung an sich bemerken, ist gering. Erst in den zwei Tagen vor Ausbruch einer COVID-19-Erkrankung steigt die Infektiosität allmählich an – die Ansteckungsrate wird für diesen Zeitraum mit 3 von 1000 Kontaktpersonen angegeben, oder mit sieben Prozent aller Übertragungen (Medscape 14.8.2020, Wei 10.4.2020). Selbst am Tag des Symptombeginns sind erst 25 Prozent infektiös, obwohl 63 Prozent einen positiven PCR-Test haben. Die höchste Ansteckungsgefahr besteht etwa 3 Tage nach Einsetzen der Symptome (Ärztebl 22.8.2022). Die britische HART-Group schreibt: „Eine Überprüfung aller veröffentlichten Meta-Analysen zur asymptomatischen Übertragung zeigt, dass dieselben wenigen Studien von seriösen Institutionen immer wieder recycelt wurden. Bei genauerer Betrachtung der veröffentlichten Studien stellen wir fest, dass die Beweise von sehr schlechter Qualität sind. Belastbare Beweise für eine asymptomatische Ausbreitung fehlen und würden auch im Widerspruch zu allen bisherigen Erkenntnissen über die Übertragung von Erkältungsviren stehen“ (HART 27.3.2021).

Die Forschergruppe um Tom Jefferson fand in einem umfangreichen Review nur „wahrscheinliche Belege“ (probable evidence) für Virusübertragungen von asymptomatischen oder präsymptomatischen Individuen auf andere, wobei „mehr Daten und eine internationale Standardisierung der Methoden erforderlich wären, um die Unsicherheit weiter zu verringern“ (Jefferson 31.7.2021).

Asymptomatische Infektionen und Ansteckung durch scheinbar Gesunde sind ein Charakteristikum wahrscheinlich vieler respiratorischen Infekte. So steckt sich etwa jeder fünfte Mensch während einer Grippesaison mit Influenza-Viren an, aber bei drei Viertel von ihnen verläuft die Infektion ohne Symptome  – das Immunsystem neutralisierte die Viren, ohne dass die Patienten etwas davon merken. Selbst bei positivem PCR-Test verlaufen die meisten Influenzainfektionen harmlos (Ärztebl 17.3.2014, Hayward 1.6.2014).

Eine Übertragung des Virus über Gegenstände (zum Beispiel Türklinken oder Einkaufswagen) ist wissenschaftlich nicht belegt, daher erübrigen sich Desinfektionsfeldzüge. Von entscheidender Wirkung auf das Pandemiegeschehen ist es hingegen, wenn Erkrankte zu Hause bleiben. Nach Krankheitsbeginn dauert die Ausscheidung von aktiven Viren maximal neun Tage (Cevik 19.11.2020).

Im Freien ist das Ansteckungsrisiko nahe null (RTL 20.2.2021, FAZ 12.4.2021, Köhler 2.12.2021). Selbst nach Massenveranstaltungen wie den Protestdemos in Stuttgart, Leipzig und Berlin oder den Anti-Rassismus-Demonstrationen in Hamburg und München kam es zu keiner Zunahme der Erkrankungszahlen (DLR 18.7.2020, Wiesendanger 22.8.2020, Kraft 24.6.2021). In Irland wurden alle Aktivitäten im Freien wieder erlaubt, nachdem von den 232,164 Covid-19-Erkrankten nur 262 (= 0,1 %) im Freien angesteckt wurden (IT 5.4.2021). Die Hygieneauflagen für Outdoor-Aktivitäten, Außengastronomie und Demonstrationen sind sinnfrei und im Fall von Protestdemos reine Schikane.

Ein besonders niedriges Risiko für Ansteckung oder schwere COVID19-Erkrankungen haben Kinder und Jugendliche, und auch Erwachsene mit engem Kontakt zu Kindern: Eltern, Lehrerinnen und vermutlich auch ErzieherInnen, Kinderkrankenpfleger/schwestern und KinderärztInnen (Wood 22.9.2020, Stevens-Fulbrook, McKeigue 3.3.2021). Bei Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich COVID-19 in der Regel nicht von anderen Atemwegsinfektionen (Dtsch Ärztebl. 20.7.2020, Medscape 19.12.2020, DGPI 21.4.2021, Höhl 15.9.2021). Während einer israelischen Impfstudie gab es unter 250 000 Kindern nur 288 Krankenhausaufnahmen wegen COVID-19, davon 4 auf der Intensivstation (teilweise geimpft), und keinen Sterbefall (Tan 20.7.2022).

Unter 1700 britischen Kindern und Jugendlichen mit positivem PCR-Test und Krankheitssymptomen entwickelten die meisten nur Kopfschmerzen und Müdigkeit. Bei 1,8 Prozent waren noch nach zwei Monaten Symptome vorhanden, allerdings auch bei 0,9 % einer PCR-negativen Vergleichsgruppe (Molteni 13.5.2021).  Kinder und Jugendliche haben weniger „Wirtsfaktoren“, die für die Virusvermehrung wichtig sind, und verfügen über ein besseres und schnelleres unspezifisches Immunsystem auf den Schleimhäuten (Ärzteblatt 18.8.2021, nature 18.8.2021, nature 22.12.2021). Sie erkranken nach Ansteckung fünfmal seltener als Erwachsene, und haben trotzdem eine höhere und anhaltendere Antikörperproduktion (Obaro 19.4.2021, Renk 22.7.2021). Das Immunsystem ist so reaktionsfreudig, dass es sogar Antikörper entwickeln kann, ohne dass jemals im PCR-Test Viren nachgewiesen werden (Tosif 11.11.2020). Die Antikörper nach einer Infektion sind bei Kindern besonders ausgeprägt und langlebig (Dunay 11.2.2022). Komplikationen sind extrem selten (Scoop 13.5.2021) und es gibt praktisch keine tödlichen Verläufe. Kinder mit Diabetes, Asthma, Epilepsie, Trisomie 21, Mukoviszidose und Immundefekt haben kein erhöhtes Risiko (Miranda 6.4.2021Mathew 20.5.2021, Nature 11.11.2021, JInf Jan 2022). Neugeborene von COVID19-erkrankten Schwangeren entwickeln sich völlig normal (NTK 22.9.2020). Ein ausführliches wissenschaftliches Literaturverzeichnis zu COVID-19 bei Kindern und Jugendlichen – ein „Best of“ – bieten Boast et al.

Ein erhöhtes Risiko für Ansteckung und Erkrankung hatten unterprivilegierte Menschen unter Lagerbedingungen: Flüchtlinge, Strafgefangene, Obdachlose oder Billiglohnarbeiter in Sammelunterkünften etwa von Schlachthöfen oder Gärtnereibetrieben. In überfüllten, schlecht gelüfteten Räumen entsteht eine besonders hohe Viruskonzentration. (Ioannidis 19.5.2020; SZ 21.5.2020). Armut, Arbeitslosigkeit, Niedriglohnbeschäftigung und schlechte beengte Wohnverhältnisse waren weitere Faktoren, die das Risiko einer Infektion steigen ließen (tagesschau 4.3.2021, ZDF 13.11.2021). Ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf hatten auch Raucher (JAMA 25.1.2021).

Der amerikanische Philosoph Jeffrey A. Tucker beschrieb Lockdowns als Wiedergänger des feudalen Kastensystems: „Die herrschende Klasse definierte die Arbeiterklasse und die Armen als die Gruppen, die außer Haus gehen müssen, um in den Fabriken, Lagerhäusern, in der Landwirtschaft und den Verpackungsbetrieben zu arbeiten, und uns Lebensmittel und Waren an die Haustür zu liefern. Wir haben diese Menschen als „unverzichtbar“ bezeichnet, aber wir meinten in Wirklichkeit: Sie bauen für uns Immunität auf, während wir in unseren Wohnungen warten und uns vor der Krankheit verstecken, bis die Infektionsrate sinkt und es für uns sicher ist, aus dem Haus zu gehen. Dass menschliche Immunsystem muss sich zwangsläufig an neue Krankheitserreger anpassen (es gab und wird immer neue Krankheitserreger geben). Manche Menschen oder die meisten Menschen müssen das Risiko einer Erkrankung auf sich nehmen und Immunität erlangen, um den epidemischen oder pandemischen Status eines Virus zu einem endemischen zu machen; eine Rechnung die aufgeht. Bis der Erreger die herrschende Klasse erreicht, ist er weniger lebensbedrohlich geworden.

Die unteren Klassen in diesem System haben eine Funktion wie die Mandeln oder Nieren im menschlichen Körper: Sie nehmen es mit der Krankheit auf, um den Rest des Körpers zu schützen, und sie schließlich zu überwinden… Die Armen und die Arbeiterklasse sind die neuen Unreinen, während die Profi-Klasse den Luxus genießt, die Pandemie abzuwarten und nur über krankheitsfreie Laptops zu interagieren. Der Zoom-Call des 21. Jahrhunderts ist das Äquivalent des Herrenhauses auf dem Hügel. Diese Einstellungen und Verhaltensweisen sind elitär und letztendlich egoistisch, wenn nicht bösartig“ (Tucker 4.8.2021).

Bei 5 bis 20 Prozent der Infizierten kam es zu einem „grippalen Infekt“ mit Krankheitsgefühl, Fieber und Husten. Häufig ist dies begleitet von einem Geruchs- und Geschmacksverlust, oft auch von Kopfschmerzen. Die meisten Menschen, auch die Mehrzahl der alten Menschen, überwanden die Infektion schnell und komplikationslos, wie Reihenuntersuchungen im Skiort Ischgl und eine bevölkerungsweite Studie aus Island belegen (Tagesschau 25.6.2020, Eythorsson 11.8.2021). Manche Patienten klagten noch mehrere Wochen über Restsymptome wie Kurzatmigkeit oder Müdigkeit. Auch nach einer milden Erkrankung bleiben in der Regel lebenslang immunkompetente Abwehrzellen („Plasmazellen“) im Knochenmark, die bei erneutem Kontakt mit SARS CoV2 sofort wieder Antikörper produzieren (Kurier 25.5.2021).

Nur ein sehr kleiner Teil – etwa ein Prozent der Infizierten – erkrankte schwer. Die häufigste Komplikation war jedoch die bakterielle Lungenentzündung, zum Großteil durch Intubation und aggressive mechanische Beatmung verursacht. Dies erforderte meist intensivmedizinische Behandlung mit Sauerstoffgaben, Infusionen, Blutverdünnung.

In vielen Ländern wurde viel zu oft und zu früh beatmet, was die Intensivstationen blockierte und die Sterblichkeit signifikant erhöhte. Die Gruppe Sokrates schrieb: „Während der Corona-Pandemie wurde sehr früh deutlich, dass unter einer Strategie der frühen Intubation bei auch nur leichter Hypoxämie ca. 60-90% der Patienten unter diesem Vorgehen bereits nach wenigen Tagen, ein kleiner Teil sogar nach wenigen Stunden, starben. Daher gab es schon im April 2020 aus vielen Ländern kritische Fragen zu einem solchen Vorgehen und eine zunehmende Nutzung nicht-invasiver Verfahren. In Deutschland wurde allerdings besonders lange an der primären invasiven Beatmung über einen Tubus festgehalten (Sokrates 25.4.2023).

Das Narrativ dabei war auch, dass ein beatmeter Patient niemanden ansteckt, denn er atmet in das mit Filtern ausgestattete Beatmungsgerät (gatomalo 8.3.2023). Die Sterberate auf Intensivstationen, die früh beatmeten, lag mehr als dreimal so hoch wie auf Intensivstationen bei zurückhaltenderem Behandlungsregime (Focus 23.12.2020). In New York lag die Sterberate beatmeter Patienten sogar bei 78% (gatomalo 24.4.2020).

Die Ergebnisse einer Lungenersatzterapie mit ECMO waren noch katastrophaler. Mediziner forderten einen „Diskurs über mögliche Fehlanreize durch die Verführung des technisch Machbaren sowie durch eine hohe Vergütung“ (Dtsch Ärztebl 28.1.2022). Die ECMO brachte den Kliniken hohe Erlöse ein. „Es ist ein gutes Beispiel für eine Form der Überversorgung, die nachher tatsächlich dazu führt, dass nicht das Überleben besser wird, sondern ganz im Gegenteil schlechter“, kritisierte der Intensivmediziner Uwe Janssens (ndr 2.6.2022).

„Frühe künstliche Beatmung ist der größte Fehler im Kampf gegen Corona“, so der Pneumonologe Thomas Voshaar. Dieser Zusammenhang hatte sich immer noch nicht überall herumgesprochen (Focus 23.12.2020, Focus 10.12.2021). Dass Coronapatienten in Deutschland besonders häufig auf Intensivstationen verlegt wurden, hatte wahrscheinlich auch abrechnungstechnische Gründe (WELT 27.6.2021, Bezahlschranke).

Nach einer US-amerikanischen Studie waren bakterielle Sekundärinfektionen der Lunge (Lungenentzündungen) bei Patienten mit COVID-19 extrem häufig und betrafen fast die Hälfte der Patienten, die mechanisch beatmet wurden. Einer der Autoren erläuterte: „Unsere Daten deuten darauf hin, dass die Sterblichkeit im Zusammenhang mit dem Virus selbst relativ gering ist, aber dass andere Ereignisse während des Aufenthalts auf der Intensivstation, etwa eine sekundäre bakterielle Lungenentzündung, dies aufwiegen. (…) Unsere Studie zeigt, wie wichtig es ist, einer sekundären bakteriellen Lungenentzündung vorzubeugen, nach ihr zu suchen und sie aggressiv zu behandeln“ (Gao 27.4.2023, MP 4.5.2023).

Das zunehmende medizinische Knowhow zu Verlauf und Behandlung von COVID-19 führte dazu, dass zwischen Frühjahr und Herbst 2020 der Prozentsatz der Krankenhausaufnahmen deutlich zurückging, trotz steigenden Alters der Erkrankten. Ebenso deutlich sanken die Beatmungs- und Sterberaten bei den COVID-19-Intensivpatienten (Schrappe 22.11.2020).

Über Folgezustände nach einer COVID-19-Erkrankung – „Long COVID“ – wurde und wird häufig berichtet, wohl auch mit der Absicht, die jüngere Bevölkerung zu ängstigen und zur Teilnahme an der Impfkampagne zu motivieren. Die geschilderten Beschwerden sind jedoch meist unspezifisch und vorübergehend: Erschöpfung (Fatigue), Schwäche, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Leistungsminderung, Belastungsluftnot und Husten. Derartige Beschwerden können nach verschiedensten Infektionskrankheiten auftreten, in gleicher Häufigkeit etwa nach Influenza (Brown 17.4.2023) oder Pfeifferschem Düsenfieber. In einer amerikanischen Studie fanden sich drei Monate nach einer Erkältungskrankeit noch Restsymptome bei 40% der Patienten mit positivem Coronatest und bei 53% der Patienten mit negativem Test (Wisk 1.12.2022). Patienten, die beatmet wurden, leiden unabhängig von der ursächlichen Erkrankung immer an langwierigen Erschöpfungszuständen. Teilweise könnten die Beschwerden auch durch vorausgegangenen COVID-19-Impfungen (mit)bedingt sein (Arjun 8.1.2022, zdf 27.5.2022).

#Long COVID ist eine evidenzbasierte Katastrophe. Es gibt ein starkes Narrativ, das durch die Beweise nicht gut unterstützt wird. Bis heute gibt es, abgesehen von Anosmie, keine Beweise dafür, dass COVID länger andauert als andere Atemwegsviren – Punkt (…) Die Evidenzbasis für Long Covid ist sehr dürftig (Prasad 9.1.2024)

Umgekehrt kann die Impfung Long Covid-Symptome nicht verhindern (Al-Aly 25.5.2022, Reme 20.9.2023). In einer vor-Omikron-Studie fand sich kein Unterschied zwischen Grippe-Geimpften und Covid-Geimpften in der Häufigkeit von Long Covid nach COVID-19-(Durchbruchs)Infektionen. Aber: die 66% ungeimpften Kinder machten nur 25 % der pädiatrischen Long Covid-Fälle aus, die Impfung könnte also zumindest für einen Teil der Symptome verantwortlich sein (Taquet Juli 2022).

Eine große prospektive Blindstudie aus den Niederlanden, die im Frühjahr 2020 in 35 Arztpraxen durchgeführt wurde, fand keinen Unterschied in gesundheitlichen Beeinträchtigungen („health‐related quality of life“) in den zwölf Monaten nach einem Infekt der unteren Luftwege, egal ob durch SARS-CoV2 oder andere Viren (Platteel 8.6.2022). Dies wurde in einer norwegischen Studie mit über 400 12- bis 25jährigen Teilnehmern bestätigt: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass anhaltende Symptome in dieser Altersgruppe mit anderen Faktoren als einer SARS-CoV-2-Infektion zusammenhängen, und stellen daher die Nützlichkeit der WHO-Falldefinition von PCC (Post COVID Condition) in Frage.“ (Selvakumar 30.3.2023).

Der US-Kardiologe John Mandrola schrieb: Es ist keine Provokation, wenn man bei dem Phänomen Long COVID von wissenschaftlicher Unsicherheit spricht… Es scheint doch recht wahrscheinlich zu sein, dass viele Menschen, die an Long-COVID-Symptomen leiden, nie mit dem Virus infiziert waren. Aus der Perspektive eines Krankenhaus-Betreibers bietet Long-COVID eine Gelegenheit, den Marktanteil zu erhöhen und Geld zu verdienen“ (Medscape 14.4.2021).

Müdigkeit, schnelle Erschöpfung oder das Chronic fatigue syndrome kommen auch nach Erkrankungen oder Lungenentzündungen durch andere Viren vor. Sie betreffen vor allem ältere Menschen, die eine schwere Lungenentzündung hatten, mit starken Medikamenten behandelt wurden, Sauerstofftherapie brauchten oder beatmet wurden (Huang 8.1.2021). #Im März 2024 zitierte The Guardian den obersten Gesundheitsbeamten von Queensland/Australien mit den Worten „Es ist an der Zeit, den Begriff Long Covid nicht mehr zu verwenden, da die Symptome nicht schlimmer sind als die nach einer Grippe“. Australische Forscher hatten die Symptome und Beeinträchtigungen von Covid- und Influenza-Patienten ein Jahr, nachdem sie positiv getestet wurden, verglichen und keinen signifikanten Unterschied gefunden (Guardian 15.3.2024).

Es gibt bei Long Covid-Patienten keine spezifischen organischen oder neurologischen Befunde (Fleischer 26.8.2022, Kataoka 7.1.2023). Die geschilderten Symptome lassen sich eher auf psychische Ursachen zurückführen, getriggert durch die mediale Berichterstattung. Betroffen sind nach einer Studie der Uniklinik Essen vor allem Menschen mit Vorerkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen. Dies bestätigen Studien der Universität Harvard (Wang 7.9.2022), der Universität von Tokio (Kataoka 7.1.2023) und der Universität von Oslo (Reme 20.9.2023).

Der Chef der Neurologie der Uniklinik Essen, Christoph Kleinschnitz sagte der WELT: „Erschöpfungszustände, das chronic fatigue syndrom, wurde auch vor Corona schon mit Infektionen in Verbindung gebracht, z.B. als Folge einer Epstein-Barr-Virus Infektion oder einer chronischen Neuroborreliose. Aber auch diese Zusammenhänge wurden nie stichhaltig bewiesen. Schon immer kamen zu uns Menschen, die plötzlich im Rollstuhl saßen, sich nicht mehr bewegen, nicht mehr sprechen, nicht mehr hören konnten oder völlig erschöpft waren. Bei diesen Patienten fiel auf, dass es in der Regel keine organischen Ursachen gab, stattdessen aber psychosomatische Vorerkrankungen, wie etwa Angststörungen, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen. Betroffen sind überwiegend jüngere Frauen. Es ist ein ähnliches Muster wie jetzt bei Corona. Daraus ergibt sich der gegenwärtig sinnvollste Therapieansatz“ – und meint damit Psychotherapie (WELT 22.11.2023, Bezahlschranke).

Eine Gruppe um den Nürnberger Neurologen Frank Erbguth schrieb im Ärzteblatt: „Statistisch haben sich in den vergangenen 34 Monaten jede Woche in Deutschland durchschnittlich 250 000 Menschen mit SARS-CoV-2 infiziert. Angesichts einer jährlichen Inzidenz der Depression von 1,5 Prozent treten bei den in einer Woche Infizierten in den folgenden zwölf Wochen rein zufällig 900 Fälle von Depressionen auf. (…) Man staunt, mit welcher Vehemenz allein das In-Betracht-Ziehen potenzieller psychischer Einflussfaktoren bei unspezifischen Long-COVID-Symptomen sowohl von vielen Betroffenen als auch von einigen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen empört zurückgewiesen und als diskreditierend gebrandmarkt wird. Man wolle sich nicht in die „Psycho-Ecke“ stellen lassen beziehungsweise die Betroffenen nicht stigmatisieren. (…) Während sich also ungeprüfte und potenziell schädigende Therapien bei Long COVID einer großen Fangemeinde erfreuen, gelten auch hier psychotherapeutische Verfahren als üble Beleidigung. Das Nicht-Schadens-Prinzip scheint vergessen.“ (Erbguth 29.3.2023).

Eine US-amerikanische Studie untersuchte Charakteristika von fast 20’000 Long Covid-Patienten und fand bei ihnen eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie geschieden, weiblich und zuvor arbeitslos oder in finanzieller Notlage waren, oder an Angstzuständen oder depressiven Symptomen litten. Geimpfte hatten ein höheres Risiko als Ungeimpfte (Kim 6.1.2023).

Der Leiter des Zentralinstituts der Kassenärztlichen Versorgung Dominik von Stillfried sagte zu BILD: „96 Prozent der Long-Covid-Fälle waren im Jahr zuvor bereits in ärztlicher Behandlung. Die Daten zeigen: Long-Covid-Patienten weisen häufiger als die Allgemeinbevölkerung Vorerkrankungen wie Atemwegserkrankungen, Bluthochdruck, Übergewicht und psychische Erkrankungen auf. (…) Man muss dem Eindruck entgegentreten, dass jeder nach COVID mit Post-Covid und schweren Auswirkungen rechnen muss – das zeigen die Daten nicht.“ Long Covid trete so gut wie nie bei Personen auf, die vor ihrer Coronainfektion gesund waren (BILD 13.7.2022).

Ein Großteil der Long Covid-Patienten sind Menschen aus Verwaltungsberufen, Lehrberufen oder aus dem Beamtentum. Studienleiter Christoph Kleinschnitz meinte dazu: „Es hängt sicherlich damit zusammen, dass Menschen, die eher in sitzender Tätigkeit oder geistig arbeiten, vielleicht auch eher ihren Gesundheitsstatus reflektieren und sich generell mehr für Gesundheitsthemen interessieren. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass Leute, die körperlich arbeiten, sich Ausfälle oder langfristige Ausfälle nicht ganz so gut leisten können. Das betrifft übrigens auch Selbstständige. (…) Unsere Erfahrung an einem wirklich großen Covid-Zentrum ist die, dass man vielen Patientinnen und Patienten über den psychologisch-seelischen Weg helfen kann“ (WDR 24.3.2022). Statt Panik zu schüren, solle man den Betroffenen Angebote wie Psychotherapie oder Ergotherapie machen: „Es scheint, als laufe bei den Betroffenen etwas mit der Krankheitsverarbeitung schief. Das geschieht auch nach anderen schweren Krankheiten: Manchmal werden einzelne Symptome so überbewertet, dass es zu einem Angstkreislauf kommt“  (BILD 2.6.2021, Bezahlschranke, WAZ 4.2.2022).

Die Gruppe SOKRATES um Thomas Voshaar und Matthias Schrappe schrieb:Zusammenfassend können aufgrund der weltweiten und gerade in Deutschland noch schlechteren Datenlage zu dem Long Covid Syndrom nahezu keine verlässlichen Aussagen gemacht und deswegen auch keine politischen Konsequenzen gezogen werden“ (SRF 3.5.2022).

Die ständig wiederholte Behauptung, auch leichte COVID19-Erkrankungen könnten langanhaltende Beeinträchtigungen zur Folge haben und das Leben gewissermaßen ruinieren, hatte eindeutig den politischen Zweck, Zustimmung zu Einschränkungen und zur Impfkampagne zu generieren. Es gibt keine medizinische Belege dafür (Prasad 26.1.2023).

Karl Lauterbach geht hausieren mit der Behauptung, dass „fünf bis zehn Prozent der Covid-Infizierten mit Spätfolgen zu kämpfen haben“ (SPIEGEL 12.9.2023), und fordert 100 Millionen Euro zur weiteren Erforschung. Eine Studie der Universität Oslo gibt das Risiko von Long Covid bei Erwachsenen nach einer nicht stationär behandelten OmikronInfektion mit etwa 1: 1000 an (Reme 23.9.2023).

Das Problem Long Covid wird überschätzt wegen methodisch mangelhafter Studien, die oft keine geeignete Kontrollgruppe haben und oft sehr unterschiedliche Krankheitsbilder einbeziehen, die nicht unbedingt durch Covid-19 bedingt sind. Diese Fehleinschätzung führt zu ungerechtfertigten Ängsten in der Bevölkerung und einer nicht angemessene Verteilung von Forschungsgeldern (Høeg 25.9.2023, Wissenschaft.de 26.9.2023).

Bei einer Umfrage in Sachsen fand sich bei Jugendlichen mit Long-COVID-Symptomen kein Unterschied zwischen 1560 seropositiven und seronegativen Personen. Nach Ansicht der Autoren „lässt das vermuten, dass Long-COVID19 möglicherweise weniger häufig vorkommt als bisher angenommen, und unterstreicht die Auswirkungen von pandemieassoziierten Symptomen auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von jungen Heranwachsenden“ (Blankenburg 11.5.2021). Eine große französische Studie mit 40’000 Teilnehmern ergab, „dass körperliche Symptome, die über 10 bis 12 Monate nach der ersten Welle der COVID-19-Pandemie andauerten, eher mit der Überzeugung zusammenhängen, eine COVID-19-Infektion durchgemacht zu haben, als mit einer tatsächlichen Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus… Einzig Geruchsstörungen ließen sich mit im Labor bestätigten COVID-19-Infektionen in Verbindung bringen“ (Matta 8.11.2021).

In Großbritannien wurde ab April 2002 ein Rückgang neu berichteter Long Covid-Erkrankungen beobachtet (Brist 9.10.2022).

Der Hamburger Neurologe Christian Schöps schrieb in seinem „Zwischenruf: Warum ich keine Angst vor Long Covid habe“„Es ist wahrscheinlicher, dass ich an einem Schlaganfall, einem Diabetes mellitus oder einer neurodegenerative Erkrankung im Alter erkranke als an Long Covid. Anders herum ist eine MS-Diagnose, eine Epilepsie und ein hirneigener bösartiger Tumor unwahrscheinlicher als Long Covid. Mein ganz persönliches Fazit ist, dass ich keine Sorge und keine Angst vor Long Covid habe, aber auch nicht aus allen Wolken fallen werde, wenn ich daran erkranke. Da ich aber mit den anderen hier zitierten Erkrankungsrisiken auch vor der COVID-19-Ära schon umgegangen bin, werde ich mich wegen des Long Covid-Risikos in meinem Privat- und Sozialleben nicht einschränken. Ganz im Gegenteil“ (Schöps 13.3.2022)

Paniktreiber wie Karl Lauterbach zitierten wiederholt eine Studie, nach der COVID19 zu Intelligenzabbau führen kann (Hampshire 22.7.23021, -express 26.7.2021). Die betreffende Studie ist jedoch „Junk Science“: Eine „Beobachtungsstudie“, bei der von den Befragten, die angeblich COVID19 hatten, viele unter schweren Vorerkrankungen litten, und zu 97% gar nicht auf SARS CoV2 getestet waren (Rushworth 26.7.2021). Eine maßnahmenkritische Studie mit derartigen Fehlern wäre längst zurückgezogen worden.

Eine weitere Junk-Studie, über die die tagesschau groß und unkritisch berichtete (tagesschau 20.12.2021 ab Min. 5), war die Mainzer „Gutenberg-Studie“,  nach der 29,8% der Untersuchten, die wussten, dass sie COVID-19 gehabt haben, auch noch nach Monaten über Beeinträchtigungen klagten. Allerdings taten das auch 22% derjenigen, die das nicht wussten oder die gar nicht erkrankt waren. So heißt es in der Zusammenfassung: „Auch Personen ohne SARS CoV2-Infektion berichten anhaltende Long Covid-artige Symptome – verdeutlicht die niedrige Spezifität der Beschwerden“ . Das hatten die Macher der Tagesschau nicht gelesen, sondern sie interviewten stattdessen Jördis Frommhold, Chefärztin einer Reha-Klinik für Long-Covid-Patienten (UniM 20.12.2021). Ähnlich irreführend ist die von Lauterbach hochgejazzte Studie von Hastie et al. (Lauterbach 12.10.2022, Hastie 12.10.2022), deren Zahlen noch aus dem zweiten Jahr der Pandemie stammen und ausschließlich auf Selbstauskünften beruhen (Pace 13.102022).

Die Diagnose „Long COVID“ ist eine Gelddruckmaschine. Tausende von Patienten werden einer sündteuren experimentellen Apherese-Behandlung unterzogen – Kosten pro Behandlung 15 000 Euro. Mit dabei auch die durch die Medien tingelnde Ärztin Beate Jaeger in ihrer Klinik in Mülheim. Eine Untersuchung von British Medical Journal und ITV News deckte auf, dass die Behandlung und die damit verbundenen Reisekosten so teuer sind, dass die Patienten auf Websites wie GoFundMe Spendenseiten einrichten, um das Geld aufzubringen. Die Ärztekammer Nordrhein kündigte eine Prüfung an, ob Ärzte durch solche Leistungen gegen ihre Berufsordnung verstoßen. In einer Fallserie von 10 Long Covid-Patienten fand sich nach einer Plasmapherese-Behandlung keine „klinisch relevante Veränderung der psychischen und physischen Gesundheit im Vergleich zu den Initialbefunden“ (Ruhe 29.3.2023). Ein Cochrane-Review der verfügbaren medizinischen Literatur fanden keinen Hinweis auf einen Nutzen der Plasmapherese-Behandlung. Fibrin(ogen)partikel, die dadurch entfernt werden sollen, kämen auch bei gesunden Menschen und bei Menschen mit anderen Krankheiten vor. Patienten sollten keine Plasmapherese außerhalb einer ordnungsgemäß durchgeführten placebokontrollierten randomisierten klinischen Studie erhalten (Cochrane 26.7.2023).

Robert Ariens, Professor für Gefäßbiologie an der Universität in Leeds sagte: „Wenn wir die Mechanismen nicht kennen, durch die sich die Mikroklumpen bilden, und wenn wir nicht wissen, ob sie krankheitsverursachend sind oder nicht, erscheint es verfrüht, eine Behandlung zur Beseitigung der Mikroklumpen zu entwickeln, da sowohl die Apherese als auch die Dreifach-Antikoagulation nicht ohne Risiken sind.“ Hinzu komme die fehlende Nachsorge nach der Gabe von Antikoagulanzien.“  (Medscape 15.7.2022).

Das Wallstreet Journal titelte im Dezember 2022: „Die Übertreibung von Long Covid“. Marty Makary,  Professor an der Johns Hopkins University, äußerte dort: „Nach einer Atemwegsinfektion sind anhaltende Symptome häufig. Die meisten Fälle sind zu mild, um sich Sorgen zu machen. Doch Beamte des öffentlichen Gesundheitswesens haben Long Covid massiv übertrieben, um Amerikanern mit geringem Erkrankungsrisiko Angst einzujagen, während unsere Regierung mehr als 1 Milliarde Dollar an den medizinisch-industriellen Komplex von Long Covid gibt. (…)  Ich habe mit dem Personal einiger dieser Kliniken gesprochen, und es ist unklar, was sie den Menschen außer einer Unzahl von Tests tatsächlich anbieten. Die Angstmacherei … vor Long Covid wurde auch als Argument für die Beibehaltung der Covid-Beschränkungen benutzt. Im November veröffentlichte die Biden-Administration einen Bericht über Long Covid, in dem es hieß, dass Maskenpflicht und Impfung „Menschen vor einer Infektion oder Reinfektion und möglichem long COVID schützen“, obwohl es keine wissenschaftlichen Beweise für diese Behauptung gibt.“ (WSJ 13.12.2022).

Kompletter Wissenschafts-Junk war eine Veröffentlichung der US-amerikanischen CDC, nach der Long Covid tödlich sein kann. Vinay Prasad kommentierte: Sie haben im Grunde nichts getan, was ein seriöser Wissenschaftler tun würde, bevor er eine solch kühne, öffentliche Behauptung aufstellt. Es fällt mir schwer, höflich über ihre Analyse zu sein“ (Prasad 15.12.2022).

Im Januar 2023 kündigte Karl Lauterbach an, 100 Millionen Euro in die Long Covid-Forschung zu stecken. Die Geldverschwendung findet unter seiner Ägide kein Ende (WELT 21.1.2023). Im September 2023 dann der Hammer: Karl Lauterbach gibt zum Besten, dass zwischen sechs und 15 Prozent der Menschen nach einer Corona-Infektion langwierige gesundheitliche Probleme bekommen. Es sollen 100 Millionen Euro im Budeshaushalt locker gemacht werden, um das Syndrom zu untersuchen. Außerdem soll eine Kommission im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gegründet werden, die die sogenannte „Off-Label-Verwendung“ von Medikamenten ermöglichen soll. Die Kosten sollen von den Krankenkassen übernommen werden. Christoph Kleinschnitz, Neurologe am Universitätsklinikum Essen zu dieser Ankündigung: „Die Idee, Medikamente Off Label in die Leute reinzuhauen, von denen man überhaupt nicht weiß ob sie wirken und welche Nebenwirkungen sie haben, ist meines Erachtens der Gipfel der Hirnrissigkeit.  Sollten alle Patienten, die bei sich Long Covid vermuten, solche Behandlungen und Medikamente bezahlt bekommen, kämen auf die Krankenkassen – und damit auf die Beitragszahler – immense Kosten zu (NIUS 13.9.2023).

Auch bei Kindern sind Langzeitfolgen („Long Covid“) fraglich. Nach einer großen britischen Studie mit Zehntausenden Teilnehmern wurden länger anhaltende Beschwerden unwesentlich häufiger, manche sogar seltener bei Kindern gefunden, die an COVID19 erkrankt waren, als bei der Kontrollgruppe nicht Infizierter Kinder (ONS 16.9.2021, Munro 16.9.2021). Dasselbe Ergebnis hatten eine dänische Studie mit über 100’000 Kindern und eine große, prospektiv Haushaltsstudie aus Baden-Württemberg (Borch 9.1.2022, Rabe 28.9.2022). Eine amerikanisch-kanadische prospektive Kohortenstudie fand bei pädiatrischen COVID-19-Patienten nur eine „gering erhöhte“ Rate an Beschwerden, die über drei Monate anhielten, im Vergleich mit einer Kontrollgruppe (Funk 22.7.2022).

Ein großes Review eines internationalen Forscherteams kam zu dem Ergebnis, alle aufgefundenen Studien hätten eine stark eingeschränkte Aussagekraft aufgrund eines kritischen und ernsthaften Risikos der Verzerrung in mehreren Bereichen. Keine der Studien lieferte mit hinreichender Sicherheit Belege dafür, dass eine SARS-CoV-2-Infektion Auswirkungen auf den postakuten Gesundheitszustand hat, geschweige denn in welchem Ausmaß (Hirt 20.3.2022).

Autoren der WELT stellten nach Sichtung der medizinischen Literatur fest: „Bedenkt man nun, dass die Zahl der infizierten Kinder insgesamt weit geringer ist als die der nichtinfizierten, dann kommt man zu dem erschreckenden Ergebnis, dass wohl weit mehr Kinder derzeit unter Long Lockdown leiden, als von Long Covid betroffen sind. Die Maßnahmen, die dazu gedacht sind, Infektionen zu vermeiden – mit der Begründung, dass diese zu Long Covid führen könnten –, führen stattdessen zu Long-Lockdown-Schäden“ (WELT 14.1.2022, Bezahlschranke).

In einem Editorial des Lancet hieß es am 22.6.2022: „Bei den meisten Kindern mit unspezifischen Symptomen nach COVID-19 ist es wahrscheinlicher, dass die Symptome durch etwas anderes als COVID-19 verursacht werden, und wenn sie mit COVID-19 zusammenhängen, werden sie wahrscheinlich mit der Zeit vergehen“ (Rytter 22.6.2022).

Ein wichtiger Risikofaktor für Long Covid-Beschwerden bei Jugendlichen – unabhängig davon, ob sie eine Coronainfektion hatten oder nicht – scheinen ähnliche Beschwerden bei ihren Eltern zu sein (Ladhani 19.8.2022). Shamez Ladhani postuliert, dass es neben anderen potenziellen Faktoren „die Komponente gibt, dass viele Eltern [wegen Long Covid] verängstigt sind und diese Angst auf ihre Kinder übertragen“ (UnHerd 24.8.2022).

Wahrscheinlich handelt es sich zum großen Teil um psychosomatische Lockdown-Folgen. Schon im Mai 2021 hatte eine britische Studie mit 1700 Kindern und Jugendlichen darauf hingewiesen (Molteni 13.5.2021). Eine große australische Übersichtsarbeit vom September 2021 fand kein relevantes Risiko für Long Covid bei Kindern; sie seien eher durch Lockdowns und Schulschließungen gefährdet (MCRI 13.9.2021). Schweizer Kinder, die Antikörper gegen Sars-CoV-2 aufwiesen, klagten nicht viel häufiger über langanhaltende Symptome als Kinder, die sich nicht infiziert hatten (Radtke 2021, NZZ 12.7.2021). Auf das gleiche Ergebnis kam eine große britische Übersichtsarbeit vom November 2021. Einer der Autoren schrieb auf twitter: „Lassen Sie uns mit der Panikmache aufhören und die Öffentlichkeit richtig informieren“ (Behnoud 19.11.2021, Lahnoud 19.12.2021).

“Der größte Schaden, den wir angerichtet haben, besteht darin, dass wir eine Büchse der Pandora geöffnet haben und jedes Symptom mit Long Covid in Verbindung bringen“ (Shamez Ladhani, UnHerd 24.8.2022).

Vinay Prasad von der University of California schrieb im November 2022 eine eindringliche Abrechnung mit der Gesundheitspolitik in der Pandemie:

„Irgendwann werden die Politiker der CDC (entspricht dem deutschen RKI) und anderen Gesundheitsbehörden die Macht entziehen, und ich werde ihnen nicht widersprechen können. Warum nicht? Die öffentlichen Gesundheitsbehörden haben ihre Befugnisse missbraucht durch:

  • Schließung von Stränden
  • Aufschütten von Sand in Skateboard-Parks im Freien
  • Verbot von Aktivitäten im Freien
  • Lügen über Wirksamkeitsbelege für Stoffmasken in Gemeinschaftseinrichtungen (bis zum heutigen Tag)
  • Lügen über Wirksamkeitsbelege für Maskentragen im Freien
  • Keine Durchführung von randomisierten Kontrollstudien zur Wirkung von Masken in Ländern mit hohem Einkommen
  • (…)
  • Anwendung von polizeistaatlichen Methoden zur Durchsetzung von Lockdowns
  • Menschen durften nicht die Hand ihres Vaters halten, wenn dieser starb
  • Menschen durften ihre Mutter nicht besuchen, wenn sie im Krankenhaus lag
  • Einschränkung des Besuchsrechts von Eltern und Geschwistern bei kranken, hospitalisierten oder sterbenden Kindern
  • Schließung von Schulen (…)
  • Bereicherung von Testfirmen durch die Empfehlung von fragwürdigen Testungen
  • Erfindung einer 6-Fuß-Abstandsregel
  • Erzwingen von blödsinnigen Abstandsregeln, um das Betreiben von Schulbussen zu erschweren
  • Senkung der Zulassungskriterien für Impfstoffe
  • Abstreiten der Myokarditis, nachdem das Sicherheitssignal in Israel gefunden wurde
  • Arzneimittelhersteller nicht dazu gezwungen zu haben, niedrigere Impfdosen bei jungen Männern zu testen
  • absolut nichts zu tun, um das Impfrisiko zu verringern
  • Abstreiten einer natürliche Immunität
  • Wiederholte Lügen, um Menschen, die bereits mit Covid geimpft waren, Auffrischungsimpfungen aufzudrängen, obwohl es dazu keine Belege gibt und es biologisch nicht sinnvoll ist
  • (…)
  • Beibehaltung der Notstandsbefugnisse, als der Notstand vorbei war
  • Impfpässe
  • Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Impfstatus
  • Verhinderung des Starts von Novak Djokovic bei den US Open
  • Verhindern, dass Kyrie Irving spielt, aber er durfte sich das Spiel ansehen
  • Kinder mussten Masken tragen, wenn sie im November 2022 in Kalifornien in den Zoo gingen, um die Tiere zu schützen, die sich ohnehin nicht in der Nähe der Kinder aufhalten durften, und die ohnehin alle draußen sind
  • Entlassung von Mitarbeitern des Gesundheitswesens, die sich bei der Pflege kranker Patienten mit COVID-19 angesteckt hatten, weil sie sich nicht gegen das Virus impfen lassen wollten, das sie bereits gehabt und überwunden hatten
  • Entlassung von Mitarbeitern des Gesundheitswesens, so dass niemand mehr im Gesundheitswesen arbeiten will und es schwer ist, Personal zu finden
  • Menschen davon abzuhalten, Routineuntersuchungen durchführen zu lassen
  • Veröffentlichung von Propaganda im MMWR, um ihre widerlegte Agenda zu rechtfertigen
  • (…)
  • Ausgabe von 10 Milliarden für Paxlovid ohne randomisierte Daten bei geimpften Menschen
  • Milliarden für Remdesivir ausgeben, obwohl es gar nichts bewirkt
  • So viel Geld für nutzlose Tests ausgeben, dass Fakultätsmitglieder die Universitäten verlassen, um Testunternehmen zu leiten und diese nutzlosen Tests zu verkaufen
  • Verwendung nutzloser Tests, um Kinder von der Schule fernzuhalten
  • Erfindung unbewiesener Quarantänemaßnahmen, um Kinder von der Schule fernzuhalten

(…)

Wenn man sich die Millionen Dinge ansieht, die das öffentliche Gesundheitswesen zur Bekämpfung der Pandemie unternommen hat, könnte das Verhältnis von falschen zu richtigen Dingen 100.000 zu eins sein. Und das alles ohne eine einzige randomisierte Cluster-Studie, um etwas herauszufinden. Einfach so aus einer Laune heraus ohne Daten.

Als jemand, der immer an den Wert staatlicher Regulierung geglaubt und sich für eine Aufstockung der Mittel für die öffentliche Gesundheit eingesetzt hat, müsste ich, wenn mich ein Politiker fragt, ob wir die CDC zerstören sollten, sagen: „Ja, bitte, und lassen Sie mich Ihnen dabei helfen“.

Wir müssen sie völlig zerstören und versuchen, eine neue Institution aufzubauen, die tatsächlich die Wissenschaft als Richtschnur für die Politik nutzt und erkennt, dass man der Wissenschaft niemals folgen kann. Die Wissenschaft kann nur Kompromisse formulieren, aber alle Kompromisse müssen von den Bürgern beschlossen werden. Die Wissenschaftler beraten, die Bürger entscheiden.“ (Prasad 3.11.2022).

 

 

Die Sterblichkeit an COVID-19: Altersabhängig und vergleichbar mit einer Grippewelle; bei Omikron noch deutlich geringer.

Die ersten Schätzungen der Infektionssterblichkeit vor allem bei älteren Menschen in China, Italien und New York waren sehr hoch und trugen maßgeblich zur Verbreitung  von Angst und Hektik im Umgang mit der Pandemie bei. Schon im März 2020 – noch vor den Lockdowns – erschienen die ersten wissenschaftlichen Berechnungen der Sterblichkeit, die ein wesentlich günstigeres Bild zeichneten (Ioannidis 17.3.2020).

Nach einer großen, von der WHO im Oktober 2020 veröffentlichten Übersichtsarbeit des weltweit führenden Epidemiologen, John Ioannidis, lag weltweit das Risiko, an einer SARS-CoV2-Infektion zu sterben bei durchschnittlich 0,27 Prozent (Ioannidis 14.10.2020). In Ländern wie Deutschland mit guter medizinischer Versorgung betrug es 0,09 Prozent, bei unter 70-Jährigen sogar nur 0,03 – 0,04 Prozent und lag damit im Bereich einer leichten Grippe und unter dem Risiko, nach einer Operation an Krankenhauskeimen zu versterben. Werden wirksame Maßnahmen zum Schutz von Risikogruppen ergriffen, ist sogar mit einer noch niedrigeren Gesamtsterblichkeit zu rechnen. Die Omikron-Variante, die sich seit Dezember 2021 ausbreitet, verursacht nochmal deutlich weniger Sterbefälle, etwa ein Fünftel der Todesfälle wie bei einem Influenzaausbruch (Fischer 24.2.2022).

Wissenschaftler um John Ioannidis legten im Oktober 2022 eine Neuberechnung vor (Pezzullo 13.10.2022) und gaben bei Personen, die weder infiziert noch geimpft waren, folgende Sterblichkeitsraten in der Pandemie vor Einführung der COVID-19-Impfung an:

  • 0.0003% bei 0-19-Jährigen,
  • 0.003% bei 20-29-Jährigen,
  • 0.011% bei 30-39-Jährigen
  • 0.035% bei 40-49-Jährigen
  • 0.129% bei 50-59-Jährigen
  • 0.501% bei 60-69-Jährigen.

Die Überlebensraten lagen bei unter 70-Jährigen also praktisch bei 100 Prozent. Mit einer Sterblichkeit von durchschnittlich 0,07 % war COVID-19 bei 0 – 70-Jährigen weniger gefährlich als Influenza (Sterblichkeit durchschnittlich 0,5 Prozent). Die Ergebnisse wurden Anfang 2023 in einer weiteren Metastudie bestätigt (Pezzullo 1.1.2023, deutschsprachiger Kommentar: tt 15.2.2023)

COVID-19 war nur für Menschen in hohem Alter und insbesondere mit entsprechenden Vorerkrankungen gefährlich. Für alle anderen Personengruppen lag die Gefährlichkeit im Bereich der sonstigen alltäglichen Risiken (n-tv 15.10.2020, Ioannidis 14.10.2020). In Großbritannien machten die unter 60-Jährigen ohne schwere Grunderkrankungen nur ein Prozent der COVID-19-Todesfälle aus (Engler 27.9.2022).

Die Schätzung der WHO, dass es bis Oktober 2020 eine Million Todesfälle bei ca. 780 Millionen Infizierten gegeben hat (AP 5.10.2020), bestätigte die auf globaler Ebene relativ niedrige Sterblichkeit von SARS-CoV2-Infektionen. Sie lag im Bereich des Sterberisikos durch eine saisonale Influenza.

Tödliche Verläufe betrafen zum großen Teil pflegebedürftige sehr alte Menschen, meist solche die stark übergewichtig waren und unter schweren chronischen Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck und/oder chronischer Raucherbronchitis litten – zum Teil vermeidbare Zivilisationskrankheiten auf Grund von Fehlernährung, Bewegungsmangel und Luftverschmutzung (Dtsch Ärztebl. 16.10.2020, Science.orf 25.2.2021, bmc 27.8.2021). Nach einer Studie aus Kalifornien stieg das Sterberisiko an COVID-19 bei starkem  Übergewicht (BMI >40) auf das Dreifache. die Gründe sind schlechtere Sauerstoffversorgung, ein geschwächtes Immunsystem und Duchblutungsstörungen (Tartoff 17.11.2020, rp 10.11.2021). Weiterere bedeutende Risikofaktoren waren  Demenz und Angststörungen, vermutlich auf Grund der herabgesetzten Funktion des Immunsystems (Kompaniyets 1.7.2021).

In Deutschland lag das Durchschnittsalter der COVID-19-Verstorbenen bei 84 Jahren. Die Untersuchungen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf von 618 Covid-19-Todesfällen ergaben, dass nur ein Prozent der Verstorbenen keine Vorerkrankungen hatte. Die meisten wiesen mehrere Vorerkrankungen auf, vor allem Bluthochdruck, chronische Niereninsuffizienz, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), bösartige Tumorerkrankungen oder Diabetes. 20 Prozent der Verstorbenen hatten ein krankhaftes Übergewicht. 75 Prozent waren älter als 76 Jahre (n-tv 18.2.2021).

Das Alter selbst ist keine Krankheit. Ältere Menschen leiden aber eher an Krankheiten, und das Ausmaß dieser Vorerkrankungen ist relevant“, sagte einer der Pathologen, Klaus Püschel, dem SPIEGEL (SPIEGEL 25.4.2020). Im Deutschen Ärzteblatt schrieb er nach 167 Obduktionen: „Die sorgfältige Untersuchung der Toten belegt, dass schwerwiegende und tödliche Verläufe der Krankheit in einem nicht überlasteten System von öffentlichem Gesundheitswesen und Krankenhäusern selten sind (Dtsch Ärztebl. 2020). Die Berechnung des RKI, dass jeder Coronatote durch die Krankheit 9,6 Lebensjahre verloren hat, ist rein spekulativ und angesichts des hohen Durchschnittsalters der Verstorbenen wenig plausibel (Kuhbandner 21.2.2021). Der Mathematiker Günther Eder errechnete, dass 85 Prozent der Verstorbenen nur noch durchschnittlich zehn Wochen Lebenszeit vor sich gehabt hätte (Eder 6.7.2021). Für jemanden, der hochbetagt und in schlechter gesundheitlicher Verfassung ist, kann jeder x-beliebige Virus oder auch jede Impfung das Ende bedeuten.

Bei unter 30-Jährigen lag die Sterblichkeit praktisch bei null. In Deutschland war von März bis bis November 2020 nur ein Kind unter 10 Jahren mit COVID-19-Diagnose gestorben – eine schwerkranke Dreijährige unter immunsuppressiver Behandlung (WDR 22.7.2020). Bis April 2021 kam es zu weiteren drei Todesfällen bei Kindern (DGPI 21.4.2021). Die Autoren einer Studie aus Deutschland konnten das Sterberisiko von 5- bis 11-Jährigen gar nicht berechnen, weil es keine Fälle gab (Sorg 30.11.2021). Das Corona-Netzwerk berechnete im Juni 2022 die Fallsterblichkeit bei den 5- bis 11-Jährigen auf 0,0004%. Dem Robert Koch-Institut waren bis dahin 9 Todesfälle im Alter von 5 bis 11 Jahren übermittelt worden, davon litten alle unter schweren Vorerkrankungen (Corona-Netzwerk 23.6.2022).

In den USA erreiche die Rate der Krankenhausaufenthalte wegen COVID-19 bei 12- bis 17-Jährigen im Januar 2021 einen Höchststand von 2,1 pro 100.000, sank Mitte März 2021 auf 0,6 und stieg im April 2021 auf 1,3. Von den hospitalisierten Jugendlichen musste fast ein Drittel auf die Intensivstation aufgenommen werden, und 5 % benötigten eine invasive mechanische Beatmung. Vom 1.3.2020 bis 24.4.2021 gab es keine damit verbundenen Todesfälle (CDC 11.6.2021).

Eine Serie von Studien aus Großbritannien fand zwischen März 2020 und Februar 2021 25 COVID19-Todesfälle bei unter 18-Jährigen, mindestens die Hälfte davon bei schwer kranken pflegebedürftigen Patienten. Risikofaktoren waren auch Übergewicht oder schwere neurologische und kardiologische Vorerkrankungen. Keines der verstorbenen Kinder hatte Asthma oder Diabetes (Nature 15.7.2021). Eine erneute Berechnung aus Großbritannien nach zwei Jahren Pandemie erfasste 81 COVID-19 Todesfälle bei Kindern (= 1: 150 000), 61 davon bei schwer vorerkrankten Kindern mit neurologischen Behinderungen oder Immundefekten. Das Risiko bei nicht vorerkrankten Kindern betrug pro Jahr 1: 1,2 Millionen (Bertran 9.5.2022).

Nach einer Erhebung kinderärztlicher Fachgesellschaften wurden bis Februar 2022 insgesamt 156 Kinder wegen COVID-19 auf einer Intensivstation behandelt. Bei unter 17-Jährigen wurden 21 Todesfälle erfasst, davon waren 10 tatsächlich durch COVID-19 bedingt75 Prozent der Verstorbenen litten an schweren neurologischen oder pulmonalen Grunderkrankungen (DGPI 17.2.2022).

Alle Sterblichkeitsberechnungen haben ein erhebliches Risiko für Verzerrungen und neigen zu irreführenden Überschätzungen (Schrappe 5.4.2020, Kuhbandner 30.11.2020). In Deutschland und vielen anderen Ländern werden alle Verstorbenen in die Corona-Todesfallstatistik aufgenommen, die irgendwann in der Vergangenheit ein positives Testergebnis hatten – selbst wenn sie inzwischen genesen waren und später aus einem anderen Grund ums Leben kamen (Guardian 17.7.2020). So wurde am 6. Juli in Krefeld die Zahl der COVID-19-Todesfälle heraufgesetzt, „um die Statistik an die des Robert-Koch-Institutes anzupassen“ (Krefeld.de 17.7.2020). Während das RKI für 2020 41’476 „Covid-19-Todesfälle“ auswies(RKI 9.7.2021), war laut der im Juli 2021 veröffentlichten Todesursachenstatistik „COVID-19“ auf 36’291 Todesbescheinigungen als Erkrankung und in 30’136 Fällen COVID-19 als tatsächliche Todesursache angegeben (tagesschau 8.7.2021). Wie es zu der Diskrepanz von mehr als 11’000 Fällen kam, bleibt ein Geheimnis.

Der Gesundheitsforscher Bertram Häussler ermittelte, dass im Sommer 2021 bis zu 80 Prozent der „Corona-Toten“ gar nicht an COVID-19 gestorben waren, weil „die zugrundeliegende Infektion schon länger als fünf Wochen zurückliegt und man daher eher davon ausgehen muss, dass Corona nicht die wirkliche Todesursache war“. Sie gingen aber als „Corona-Sterbefall“ in die Statistik des RKI ein (WELT 31.8.2021,Bezahlschranke). Selbst 2022 gaben die Krankenhäuser noch an, dass zwanzig Prozent der gemeldeten „Coronatoten“ nicht an COVID-19 gestorben waren (BILD 18.1.2022).

In Hamburg fiel die Zahl der registrierten COVID-19-Todesfälle auf fast die Hälfte, nachdem nur noch gezählt wurde, wer sicher durch eine SARS-CoV2-Lungenentzündung ums Leben gekommen war (t-online 2.4.2020). Bei Obduktionen an der Universität Rostock konnte nur bei 10 von 17 „Corona“-Toten die Coronaerkrankung als ursächlich gesichert werden. Nach Aussage des Direktors der Rechtsmedizin Andreas Büttner wird durch die RKI-Statistik „eine viel höhere Sterberate assoziiert, als sie wirklich ist“ (Nordkurier 15.4.2021). Das RKI hatte zu Beginn der Coronaepidemie unter „Missachtung der Wissenschaft“ (Schrappe 7.10.2020) empfohlen, auf Obduktionen zu verzichten, was zu einer erheblichen Überschätzung der Sterblichkeit führte. In Belgien wurden über lange Zeit mangels Testkapazität sogar alle Verdachtsfälle als Coronatote registriert, dadurch wurde Belgien führend in der Statistik.

Der renommierte Jurist Dietrich Murswieck beurteilte die Zahlen des RKI kritisch: „Da der Staat die Freiheitseinschränkungen rechtfertigen muss und nicht die Bürger eine Rechtfertigungs-, Begründungs- und Beweislast für ihre Freiheitsausübung haben, dürften die Mängel der RKI-Statistik nicht zulasten der Freiheit ausschlagen. Es ist Sache der freiheitsbeschränkenden Staatsorgane, den Nachweis zu führen, wie viele Menschen wirklich an und nicht nur im Zusammenhang mit Corona sterben... Indem die RKI-Statistik die Gesamtzahl der „Fälle“ der Gesamtzahl der „Genesenen“ gegenüberstellt, erweckt sie den falschen Eindruck, dass alle „Fälle“ zuvor erkrankt waren. Das trifft aber für die meisten dieser Fälle, die symptomlos bleiben, nicht zu. Wird also durch die RKI-Zahlen die Größe des Krankheitsrisikos völlig falsch dargestellt, dann dürfen die Gerichte sich bei der Gewichtung des Gesundheitsrisikos, das durch die Corona-Maßnahmen vermindert werden soll, nicht – oder jedenfalls nicht ohne die gebotene Relativierung – auf diese Zahlen stützen“ (Murswiek 1.3.2021).

Die Todesfälle durch COVID-19 müssen in Relation zur Gesamtsterblichkeit der Bevölkerung gesehen werden. Diese ist im Winterhalbjahr regelmäßig deutlich höher als im Sommerhalbjahr (EuroMOMO April 2020). In Deutschland werden jedes Jahr 300’000 Menschen mit einer Lungenentzündung stationär behandelt, 40’000 bis 60’000 davon sterben. Ein Großteil der Menschen, die in ein Pflegeheim aufgenommen werden, stirbt dort innerhalb von zwölf Monaten (Prisma 31.3.2020). Stationär aufgenommene Patienten mit COVID-19-Lungenentzündung sterben nicht häufiger als Patienten mit einer Lungenentzündung durch andere Erreger (Schrappe Dez 2020). Rhinoviren etwa, vermeintlich harmlose Schnupfenviren, führen verglichen mit Grippeviren zu einer deutlich höheren Sterblichkeit und einem längeren Krankenhausaufenthalt, vor allem bei Bewohnern von Pflegeheimen. Von stationär aufgenommenen Patienten mit Rhinovirusbefund starben 9,6 Prozent innerhalb von 30 Tagen nach Aufnahme, 14,2 Prozent innerhalb von 90 Tagen. Die Todesursache war bei 80 Prozent eine Lungenentzündung und bei sieben Prozent Herzversagen, das Durchschnittsalter der Verstorbenen betrug 71 Jahre (Hung 26.1.2017). Die Gruppe der nicht-COVID19-Coronaviren führt jährlich weltweit zu Millionen von Atemwegsinfektionen und endet bei bis zu acht Prozent der pflegebedürftigen älteren Menschen tödlich; bei Krankenhauspatienten liegt die Sterblichkeit sogar bei bis zu 25 Prozent (Ioannidis 17.3.2020, Choi 24.2.2021).

Die Todesfälle müssen auch in Relation zu Todesfällen gesehen werden, die dadurch eintraten, dass die Menschen während der Pandemie bei gesundheitlichen Problemen nicht mehr in die Notaufnahmen kamen, oder dadurch, dass Diagnostik und Therapien verschoben wurden. Sie müssen auch in Relation zur wachsenden Überalterung der Bevölkerung gesehen werden: Die Zahl der Menschen ab 80 Jahren ist von 2015 bis 2019 um 17 Prozent von 4,7 Millionen auf 5,7 Millionen gestiegen. Diese Verschiebung in der Altersstruktur führte zu steigenden Sterbefallzahlen in der ältesten Bevölkerungsgruppe und dürfte zu etwa der Hälfte der 2020 registrierten Übersterblichkeit bei den über 80-Jährigen beigetragen haben (Destatis 30.12.2020, ifo 7.1.2021).

Nachdem die Influenza im Februar 2020 sehr milde verlief und eine niedrige Sterblichkeit hatte, erkrankten im März viele pflegebedürftige Hochrisikopatienten lebensbedrohlich an COVID-19. Unter normalen Umständen wären sie friedlich im Pflegeheim gestorben, doch nun wurden sie zur Intensivbehandlung und Beatmung ins Krankenhaus gebracht – „eine Gruppe, die üblicherweise und bislang immer mehr Palliativmedizin bekommen hat als Intensivmedizin, und jetzt wird so eine neue Erkrankung diagnostiziert und da macht man aus diesen ganzen Patienten Intensivpatienten… das sind sehr falsche Prioritäten und es werden ja auch alle ethischen Prinzipien verletzt, die wir so kennen“ (Palliativmediziner Matthias Thöns im DF 13.4.2020). Als im November 2021 erneut über einen Mangel an Intensivbetten geklagt wurde, forderte der Gesundheitsökonom Reinhard Busse, man müsse endlich über ein vom Verband der Intensivmediziner angestoßenes Thema offen sprechen: „Wir reanimieren in Deutschland anders als in anderen europäischen Ländern 80-Jährige und legen sie ins künstliche Koma, ohne dass die geringste Aussicht auf ein Überleben besteht. Wir brauchen die ehrliche Debatte: Wollen wir das wirklich?“ (Nordbayern 26.11.2021).

Der Arzt Jochen Ziegler beschrieb eindrucksvoll das Sterben alter Menschen an einer Lungenentzündung, einmal vor und einmal während der Coronapandemie. „Bei den allermeisten Patienten nehmen wir derzeit eine sehr teure Vorbestattung auf der Intensivstation vor. Technik sinnvoll einzusetzen, erfordert eine pluralistische Werteethik und eine Medizin mit Vernunft, Ethos und Augenmaß. Das haben wir im Umgang mit COVID vollkommen aufgegeben“ (Ziegler 25.1.2020). Ein hervorragender Artikel zum fehlenden „Diskurs über den Tod“ stammt vom Neurologen Thilo Hashemi, leider hinter einer Bezahlschranke (Cicero 23.1.2022).

Berichte über schwere COVID-19-Verläufe bei jüngeren Menschen ließen aufhorchen und werden wohl auch gezielt lanciert. Sie waren aber nicht verwunderlich: Auch an Influenza sterben jedes Jahr Menschen unter 65 Jahren, nur ist das Risiko sehr gering (Rabe März 2020). Bei unter 65jährigen lag  die Sterblichkeit an COVID-19 schon in den ersten Pandemie-Monaten unter 0,01% und entsprach damit in etwa der Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls bei einer täglichen Fahrt zur Arbeit über 7,5 Kilometer (Ioannidis 19.5.2020; Ioannidis 8.4.2020).

Die Zahl der Sterbefälle 2020 lag nach einer Sonderauswertung des statistischen Bundesamts bis Anfang April unter dem Bereich der Jahre 2016 bis 2019, lediglich im Gesamtmonat April kam es zu einer relativen Übersterblichkeit (destatis 2.10.2020). Bis Juni 2020 lag die Gesamtsterblichkeit in Deutschland nach einer Berechnung der Redaktion von WELT AM SONNTAG mit 0,58% unter der der Jahre 2017 (0,59%) und 2018 (0,60%) (WaS 9.9.2020). In diesem Zeitraum gab es nicht einmal in der Gruppe der Hochrisikopatienten, etwa der Bewohner von Altenpflegeheimen, eine Übersterblichkeit (Heudorf Okt 2020).

Ab Mitte April 2020 sank die Sterberate in allen Altersgruppen deutlich, auch bei der Gruppe der alten Menschen. Trotz des jahreszeitlich bedingten Wiederanstiegs der COVID-19-Erkrankungen im Herbst 2020 befand das Institut für Statistik der LMU München im Dezember: „Insgesamt ist somit in der zweiten Welle der Pandemie bisher keine herausstechende Übersterblichkeit zu beobachten, bei der jungen Bevölkerung zeigt sich sogar eher eine Untersterblichkeit.“

Dies bestätigt auch eine Analyse des Biostatistikers Hagen Scherb: „Die Gesamtzahl der Todesfälle im Jahr 2020 liegt innerhalb der erwarteten Grenzen der zufälligen Variation, die sich aus dem signifikanten Aufwärtstrend der Sterblichkeit in Deutschland von 2004 bis 2019 ergibt.“ (Scherb 31.5.2021).

Eine Übersterblichkeit gab es 2020 lediglich bei den über 85jährigen. Die LMU-Autoren beanstandeten, dass die Maßnahmen des November-Lockdowns den notwendigen Schutz dieser ältesten Bevölkerungsgruppe verfehlten (CoDAG 11.12.2020). Von Anfang Januar bis Anfang Mai 2021 zeigen die Daten, dass die Sterblichkeit bei den alten Menschen dem Durchschnitt der vorherigen Jahre entspricht. Bei den 60- bis 79-Jährigen gab es eine leichte Übersterblichkeit, bei den 35- bis 59-Jährigen eine normale Sterblichkeit (CODAG 14.5.2021).

Ende 2022 wurde durch die Gesundheitsberichterstattung des Bundes bestätigt: Die Pandemiejahre 2020 und 2021 zeigen beim Vergleich aller Jahre im Zeitraum 1980-2021 mit die geringsten Sterblichkeiten auf (transparenztest 25.12.2022).

#Dies bestätigte auch eine Veröffentlichlichung von Mathematikern um Robert Rockenfeller von der Universtität Koblenz. Sie errechneten, dass es in den Jahren 2020 und 2021 in Deutschland sogar eine allerdings statistisch nicht signifikante minimale Untersterblichkeit von etwa 11.500 Menschen gab, also etwa 0.5% weniger Tote als zu erwarten waren. Einer der Autoren sagte: „Unser Ergebnis steht … im kompletten Gegensatz zu dem, was über Monate und Jahre kommuniziert wurde und noch wird. Das zieht einige politische Entscheidungen stark in Zweifel. Die Zahl der SARS-CoV-2-assoziierten Todesfälle und die damit einhergehende Übersterblichkeit waren entscheidende Schlüsselzahlen für die Rechtfertigung strenger politischer, sozialer und wirtschaftlichen Maßnahmen, die von Behörden auf der ganzen Welt gegen ihre Bevölkerung verhängt wurden. (…) Zu der Frage, wieso eine solche Berechnung noch nicht von der zuständigen Behörde, dem RKI, durchgeführt wurde, haben wir eigene Hypothesen, deren Überprüfung allerdings wohl noch .einiger weiterer Anstrengungen und Recherchen bedürfen. „ (Uni KIoblenz 7.8.2023)

Erst ab April 2021, kurz nach Beginn der Massenimpfung gegen COVID-19, kam es in Deutschland zu einer Übersterblichkeit, vor allem bedingt durch einen Anstieg der Todesfälle in den Altersgruppen zwischen 15 und 79 Jahren. Auch bei den Totgeburten gab es im zweiten Quartal des Jahres 2021 einen Anstieg um etwa 11 Prozent. Christof Kuhbandner und Matthias Reitzner, die diese Zahlen veröffentlichten, schrieben: „Irgendetwas muss im April 2021 geschehen sein, das zu einem plötzlichen und anhaltenden Anstieg der Sterblichkeit in den Altersgruppen unter 80 Jahren geführt haben, denn bis dahin waren keine Auswirkungen auf die Sterblichkeit durch die COVID-19-Pandemie beobachtet worden“ (Kuhbandner Aug 2022). Ähnlich auffallende Übersterblichkeiten zeigten sich in vielen anderen europäischen Ländern (OS 21.8.2022).

In ganz Europa wurde 2022 eine Übersterblichkeit festgestellt, durchschnittlich in einem Umfang von 10 Prozent (WELT 7.9.2022, Bezahlschranke, PeterSweden 2.11.2022), im Herbst 2022 in Deutschland sogar von 20 Prozent (Röhn 31.10.2022, DeStatis 15.11.2022). Ein direkter oder indirekter Zusammenhang mit den Coronamaßnahmen ist wahrscheinlich: Fehlende Krebsvorsorgen, unbehandelte Diabeteserkrankungen, Bluthochdrucke, Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Im Vergleich zu den Zahlen vor der Pandemie blieben allein in Großbritannien bis zu 141000 Herzerkrankungen, 60000 Diabetesfälle und 26000 Schlaganfälle unentdeckt. Gleichzeitig kam es zu einer signifikanten Zunahme von Alkoholismus und psychischen Erkrankungen (gov-uk 4.8.2022). Betroffen von der Übersterblichkeit sind nach Zahlen aus Großbritannien eher wohlhabendere als ärmere Bevölkerungsgruppen (Scottish Unity 7.10.2022). Der englische Historiker Lord Jonathan Sumption fasste die Lage so zusammen: „Nach und nach wird die Wahrheit über den Lockdown zugegeben. Es war eine Katastrophe“ (The Times 28.8.2022, Bezahlschranke).

Englische Wissenschaftler zeigten sich auch äußert besorgt wegen der Übersterblichkeit bei Kindern und Jugendlichen in Europa, diskutierten mögliche Ursachen und forderten Aufklärung: „In den letzten drei Jahrzehnten wurden weltweit erhebliche Fortschritte bei der Verringerung der Kindersterblichkeit erzielt. Möglicherweise gibt es noch andere komplexe Ursachen, oder eine dieser Ursachen überschneidet sich und hat eine überwältigende Wirkung. Wir haben keine Ahnung, ob diese oder andere Ursachen im Spiel sind. Wir wissen nur, dass es sich um ein ernstes Problem handelt, das unsere Politiker offenbar nicht allzu ernst genommen haben“ (Oke 1.9.2022).

Allerdings, so Ingrid Mühlhauser vom ebM-Netzwerk: Obwohl Sterbefälle die aussagekräftigsten Parameter zur Bewertung von Pandemiemaßnahmen sind, bleiben Auswertungen zur Übersterblichkeit unsicher. Selbst Analysen renommierter Wissenschaftler müssen revidiert werden. Die statistischen Modelle zur Prognose der Todesfälle ohne Pandemie sind störanfällig und manipulierbar“ (ebM 28.4.2022).

Viele Notfallpatienten vermieden Arztbesuche oder Krankenhausambulanzen, weil sie Angst hatten, sich dort zu infizieren – ein nicht zu unterschätzender Kollateraleffekt der Coronapanik (SZ 10.4.2020, Merkur 10.7.2020, BILD 21.3.2021). So gab es in den Notaufnahmen einen Rückgang von Patienten mit Herzbeschwerden um rund 30 Prozent, während Komplikationen und Todesfälle durch Herzinfarkte deutlich zunahmen (Dtsch Ärztebl. 31.8.2020, Focus 4.2.2021). In Großbritannien stieg im Frühjahr 2020 die Anzahl der Todesfälle durch Herzinfarkt und Schlaganfall um 40%; durch verspätete Diagnose und Behandlung wird in den nächsten Jahren ein Anstieg der Krebstodesfälle um 5 – 17% erwartet (Kampf 4.2.2021). „Im schlimmsten Fall würden also hochgerechnet bei uns mehr als 40.000 Menschen zusätzlich sterben“, meinte der Onkologe Alexander Herzog, Leiter einer Klinik in Hessen (BILD 21.3.2021)

Nach Berechnungen von Ärzten einer Klinik im Kreis Waldshut stand fast die Hälfte der Übersterblichkeit „im Zusammenhang mit der reduzierten Nutzung medizinischer Notfallstrukturen“ (oe24 11.11.2020). Eine andere Erklärung hatte ein Bestatter aus Sachsen, wo es im Dezember eine besonders hohe Sterblichkeit gab: „Wir hören von Angehörigen oft, dass viele ältere Menschen sich in der Situation mit Besuchsverboten aufgegeben hatten. Der Lebenswille war weg“ (t-online 16.1.2021).

In Österreich wurde eine starke Zunahme schwerer Sturzverletzungen bei alleingelassenen alten Menschen registriert (medmedia 20.8.2020). In den USA führte hat 2020 die Pandemie zu einer starken Zunahme von Drogentoten (DLF 18.12.2020). Auch in Deutschland verdoppelte sich 2021 die Zahl der Drogentoten unter jungen Erwachsenen, und die Zahl der Drogentoten aller Altersklassen stieg auf ein Langzeithoch (ndr 30.11.2022). In Japan stieg die Selbstmordrate zwischen Juli und Oktober 2020 insgesamt um 16 Prozent, bei Frauen um 37% und bei Kindern und Jugendlichen um 49%. Allein im Oktober kamen dadurch mehr Menschen ums Leben als im gesamten Jahr 2020 „an oder mit SARS-CoV2“. Als Gründe werden Angst, Jobverlust und soziale Isolation angegeben (CNN 30.11.2020, Tanaka 15.1.2021). In den USA gaben 19,9 % von 7700 befragten Schülern an, während der Pandemie ernsthaft einen Selbstmordversuch in Erwägung gezogen zu haben, und 9,0 % hatten einen Selbstmordversuch unternommen (Jones 1.4.2022).

Mitte Mai 2020 wies ein Oberregierungsrat im Bundesinnenministerium darauf hin, dass durch die Pandemie-Maßnahmen wesentlich mehr Menschen gestorben sein könnten als durch COVID-19. Mögliche Ursachen waren abgesenktes Pflegeniveau in den Pflegeheimen, Zunahme von Suiziden, zu spät erkannte Infarkte oder Krebserkrankungen und verschobene Therapien. Allein die mehr als eine Million verschobenen Operationen – darunter über 50’000 Krebsoperationen (SPIEGEL 13.7.2020) – könnten zu Tausenden bis Zehntausenden Todesfällen geführt haben oder führen (Bericht im Merkur 13.5.2020; SPIEGEL 10.5.2020; BILD 15.5.2020; das brisante Papier ist hier herunterzuladen). Die Kritik am mangelhaften Krisenmanagement in der Corona-Politik wurde von Innenminister Seehofer als nicht autorisiert abgelehnt, der Whistleblower vom Dienst suspendiert (ZEIT 11.5.2020). Er bekam jedoch Schützenhilfe von zahlreichen Experten (BgA 12.5.2020, BILD 13.5.2020).

Die Aufarbeitung der gesundheitlichen Kollateralschäden wird noch andauern – sie könnte allerdings „verheerend“ ausfallen (Focus 4.2.2021).

 

Die COVID-19-Sterblichkeit anderswo: Oft hausgemacht

Diskutiert man über die relativ wenigen Todesfälle durch COVID-19 in Deutschland, dann kommen immer dieselben Argumente: „Ja, aber schau doch mal nach Bergamo, und schau nach New York“. Die hohen Sterblichkeitsraten in diesen Ballungsräumen entstanden jedoch unter ganz spezifischen Bedingungen und waren zum Großteil hausgemacht durch ärztliche Fehlbehandlungen (woodhouse 10.3.2023). Bei der Aufklärung dieser Bedingungen hat sich besonders Clemens Arvay in seinem empfehlenswerten Buch „Wir können es besser“ hervorgetan.

Die Folgen der Pandemie waren dort besonders deutlich spürbar, wo eine neoliberale Politik und aufgezwungene Sparmaßnahmen – vor allem in Folge der Eurofinanzkrise 2008 – die soziale Absicherung heruntergefahren und Kürzungen und Privatisierungen im Gesundheitssystem erzwungen haben (Berger 4.8.2020, Solidarwerkstatt 30.3.2020). Länder mit hoher Corona-Sterblichkeit in der Anfangsphase der Pandemie wie Italien, Spanien, Großbritannien, Schweden oder die USA, zeichnen sich aus durch profitorientierte, schlecht ausgestattete und personell unterbesetzte Pflegeheime und Krankenhäuser, die auch schon bei den alljährlichen Grippeepidemien schon überlastet waren.

Auch in Deutschland war der Pflegekräftemangel seit Jahren Thema, ohne dass sich grundsätzlich etwas geändert hatte, auch nicht unter Jens Spahn, und auch nicht während der Pandemie (möglicherweise gab es 2020/21 gar keine Abnahme der Pflegekräfte; Schrappe 17.5.2021). Schon vor der Pandemie, etwa in den Wintermonaten 2017 und 2018, meldeten die Krankenhäuser überlastete Intensivstationen, wurden Operationen abgesagt und Patienten verlegt. Nur gab es deswegen keine Hetzkampagnen oder Grundrechtseinschränkungen (Corodok 23.11.2021).

Grotesk, dass nun dieser Mangel als Argument für die drohende Überlastung des Gesundheitssystems und die Anordnung des November-Lockdowns 2020 herhalten musste. Die Bertelsmann-Stiftung, bekannte Speerspitze des Neoliberalismus, hatte erst 2019 gefordert, die Zahl der deutschen Krankenhäuser auf weniger als die Hälfte zu verringern. Auch Jens Spahn hatte „mehr Mut“ bei Krankenhausschließungen gefordert. Auch 2020 wurden weitere Krankenhäuser dicht gemacht, und 2021 wird es so weiter gehen (ZEIT 28.11.2017, Westphalen 10.6.2020, ZEIT 7.4.2021, ard 17.2.2021). Sarah Wagenknecht erhob im November 2021 schwere Vorwürfe gegen rot-grüne Gesundheitspolitiker, die 2003 die Krankenhäuser zu Wirtschaftsunternehmen umfunktioniert hätten und gezwungen hätten, an Patienten möglichst viel Aufwand zu treiben, dagegen an Personal zu sparen. Karl Lauterbach sei der Architekt dieses Systems gewesen und habe damit „gut Geld verdient“, denn er sei zehn Jahre lang im Aufsichtsrat eines privaten Krankenhauskonzerns gesessen und habe in dieser Zeit über eine halbe Million Euro kassiert (Wagenknecht 25.11.2021). Ende der 1990er Jahre war Lauterbach für Bayer tätig und verantwortete dort eine Studie zum Blutfettsenker Lipobay. Nach nahezu 100 Todesfällen im Zusammenhang mit dem Medikament musste Bayer das Produkt wieder vom Markt nehmen. „»Die frühen Hinweise darauf, dass Lipobay möglicherweise gefährlich war, nahm Lauterbach damals ebenso wenig wahr, wie es seine Auftraggeber taten«, schrieb der SPIEGEL 2004“ (Jacobin 15.12.2021).

Zu Beginn der Pandemie wurden die Erkrankten auf vielen Intensivstationen zu früh und aggressiv beatmet, mit multiresistenten Keimen infiziert oder mit riskanten und hochdosierten Medikamenten wie Hydroxychloroquin oder Remdesivir behandelt (Engelbrecht 29.9.2020). Auch die weithin empfohlene Gabe von Narkotika (Midazolam, Haloperidol) und Psychopharmaka (Levomepromazin) dürfte die Sterblichkeit gesteigert haben (Fenton 14.2.2023). In Bergamo und New York wurden Narkotika und Opiate in großen Mengen zur Unterstützung der oft unnötigen Beatmung eingesetzt (woodhouse 10.3.2023).

Die höchste Überlebenschance hatten offenbar Patienten, die man weitgehend in Ruhe ließ (ÄB 22.4.2020).

Für April 2020 zeigte die europäische Sterblichkeitsstatistik in einigen Ländern eine Übersterblichkeit – vor allem in Italien, Spanien, Frankreich und England (EuroMOMO), außerdem in Schweden, wo sie jedoch auch ohne Lockdown in derselben Geschwindigkeit wie in anderen Ländern wieder zurückging, bedingt wohl durch den Frühjahrsbeginn (TheEuropean 6.8.2020, FOHM). Die zusätzlichen Todesfälle in Europa entsprachen weniger als einem Prozent der jährlich über 5 Millionen Todesfälle. Zu berücksichtigen ist: Die Sterblichkeitskurven in den genannten EU-Ländern waren im April 2020 zwar hoch, aber sehr schmal. In den Jahren zuvor, vor allem im Frühjahr 2018, waren die Kurven niedriger, aber breiter; die Sterbefälle verteilten sich also über einen größeren Zeitraum (EuroMOMO). Entscheidend ist aber letztlich die Fläche unter der Kurve. Diese war 2020 ähnlich wie in den Jahren zuvor – die Menschen sind einfach einige Wochen früher gestorben als sonst (Walach 6.5.2020, EuroMOMO).

Die alarmierenden Sterblichkeitsraten von mehreren Prozent in der norditalienischen Provinz Lombardei waren aus den Coronatests bei sterbenskranken Patienten berechnet (Corriere de la Sera 27.3.2020). Zudem wurden dort auch Patienten, die wegen medizinischer Unterversorgung an anderen Krankheiten wie Herzinfarkt oder Apoplex starben, als „Corona-Tote“ gezählt. Nur die Hälfte der im März 2020 zusätzlich gestorbenen 25’000 Menschen hatte tatsächlich eine Corona-bedingte Lungenerkrankung (ISTAT 4.5.2020). Der Krankheitspeak war am 20. Februar, als die ersten Fälle bekannt wurden, bereits überschritten (Beige 15.2.2022). In den ersten Märzwochen ging es dann in Italien drunter und drüber. Viele osteuropäische Pflegekräfte hatten aus Furcht vor Ausgangssperren die Flucht in ihre Heimat ergriffen, und Tausende ausgetrockneter pflegebedürftiger Menschen wurden in die personell völlig unterbesetzten Krankenhäuser gefahren, wo viele dann erst angesteckt wurden, und es zu eklatanten Fehlbehandlungen kam: toxische Sedierungen mit MIdazolam und Psychopharmaka, wahllose Beatmungen (woodhouse 10.3.2023). Weniger schwer erkrankte Patienten wurden in Pflege- und Altenheime zurückverlegt und wurden dort Ausgangspunkt von Ausbrüchen (heise 3.4.2020, Mayer 19.5.2020). Die italienische Regierung hatte seit 2006 ihren Pandemie-Plan nicht mehr aktualisiert, so dass die Krankenhäuser völlig unvorbereitet improvisieren mussten. Der Bericht darüber verschwand bereits einen Tag nach der Veröffentlichung von der Internetseite der WHO – anscheinend auf Betreiben des ehemaligen Generaldirektors für Gesundheitsvorsorge beim italienischen Gesundheitsministerium (n-tv 11.12.2020).

Matthias Schrappe schrieb: „Was haben wir nun genau in Bergamo gesehen? – das ist die Kernfrage. Entgegen der vielleicht weitverbreiteten Ansicht war es nicht (nur) eine Viruserkrankung, es war in erster Linie ein lokal zusammenbrechendes, unvorbereitetes Gesundheitssystem, das schlecht geführt, schlecht ausgestattet und schlecht organisiert war. Also mache man sich an die Arbeit, bessere Gesundheitssysteme, bessere lokale Steuerung und bessere Konzepte für eine effektive Infektionskontrolle sind das Ziel“ (Schrappe Dez 2020). Eine Analyse vom September 2022 bestätigte, dass für die Dramatik in Bergamo„die Schlussfolgerung nur lauten konnte, dass die Art und Weise der Gesundheitsversorgung für die Sterblichkeitsrate ausschlaggebend war und nicht die Verbreitung eines Virus (Engler 12.9.2022).

In England waren im Jahr 2020 vermutlich mehr als zwei Drittel der rund 30.000 „Coronatoten“ an medizinischer und pflegerischer Unterversorgung verstorben, oder dadurch, dass infektiöse Patienten aus den Krankenhäusern zurück in die Pflegeeinrichtungen geschickt wurden; viele starben auch an Herzinfarkt oder in Folge von Demenz oder Krebserkrankungen, weil sie aus Angst vor Ansteckung nicht ins Krankenhaus gebracht wurden (Pflege-Prisma 19.5.2020, Guardian 7.6.2020, BBC 19.10.2020).

Auch in New York und vielen anderen Bundesstaaten der USA wurden Infizierte zurück in die Pflegeheime gebracht und verbreiteten dort das Virus (Medscape 15.7.2020). Erstaunlicherweise ist die Gesamtsterblichkeit in den USA bis September 2020 im Vergleich mit den Vorjahren nicht angestiegen. Es sind zwar viele Menschen mit COVID-19-Diagnose gestorben, aber stattdessen deutlich weniger an Herzinfarkt und anderen Erkrankungen. Ein Artikel im News Letter der John Hopkins Universität vom 22.11.2020, in dem vermutet wird, dass Verstorbenen falsche Diagnosen zugewiesen wurden („may instead be recategorized as being due to COVID-19“), wurde von der Redaktion zurückgezogen, weil er die Pandemie verharmlose (Gu 22.11.2020, JHU-News Letter 27.11.2020).

Gegenden mit hoher COVID-19-Sterblichkeit sind auch Gegenden mit besonders hoher Luftverschmutzung, insbesondere Feinstaub und Stickoxiden: Wuhan in China, die Regionen um Mailand, Madrid, Paris, London und New York sowie andere Großstädte in den USA (Übersicht bei Rabe 14.7.2020). Luftschadstoffe führen zu chronischen Entzündungen der Atemwege und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und disponieren dadurch zu schweren Verläufen von Virusinfekten (hpd 12.3.2020). Nach der Studie eines internationalen Forscherteams, unter anderem Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz, sind 15 Prozent der weltweiten Covid-19-Todesfälle auf die Belastung durch Feinstaub zurückzuführen, in Deutschland sogar 26 Prozent (MPG 27.10.2020).

Ab Mai 2020 waren die Sterblichkeitsziffern durch COVID-19 in den meisten europäischen Ländern auf niedrigem Niveau, auch in Italien, Spanien, Großbritannien und Frankreich. In einigen europäischen Ländern lagen sie sogar noch niedriger als in Deutschland, z.B. in Schweden (0,48%), Spanien (0,56%), Großbritannien (0,55%) und sogar in den USA (0,48%) (WaS 9.9.2020). Nachdem die Omikron-Variante dominant wurde, ging die Fallsterblichkeit weiter nach unten. In Großbritannien betrug sie im Dezember 2021 0,19 Prozent (Samadi 30.12.2021).

In den ärmeren Ländern Asiens und Afrikas war die Sterblichkeit durch COVID-19 sehr niedrig, möglicherweise wegen der anderen Altersstruktur. In Afrika wurden nur 3,5 Prozent der weltweiten Todesfälle registriert. Die wirtschaftlichen Folgen der Lockdowns in Afrika waren demgegenüber ei Disaster (Green 22.9.2023).

John Ioannidis vermutete, dass bereits Mitte September 2020 500 Millionen Menschen Kontakt mit Coronavirus hatten, 15mal mehr als die Zahl positiver Testergebnisse (Ioannidis 14.10.2020). Eine landesweite Antikörperstudie in Indien zeigte, dass im Sommer 2021 zwei Drittel der getesteten Inder Antikörper gegenüber SARS CoV2 hatten. Die Sterblichkeit bei einer manifesten Infektion lag bei 0,058 % (Tt August 2021). Im Dezember 2021 hatten in einigen Regionen Afrikas bis zu 87 % der Bevölkerung SARS-CoV2-Antikörper (Bergeri 10.11.2022).

Die Pandemie-Politik zerstört Lebensgrundlagen

„Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere eigentliche innere Überlebensfähigkeit sichert.“ (Richard von Weizsäcker).

Der Lockdown bzw. die freiheitseinschränkenden Corona-Bekämpfungsmaßnahmen sind die umfassendste und weitreichendste Freiheitseinschränkung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Sie setzen die wirtschaftliche Existenz unzähliger Menschen aufs Spiel. Obwohl von den allermeisten Menschen kein Gesundheitsrisiko ausgeht, werden sie „wegen des Risikos in Anspruch genommen, dass von ihnen ein Risiko ausgehen könnte. Der Mensch wird vom Verordnungsgeber als potenzieller Virenverbreiter behandelt“. Die Schäden sind „mit Sicherheit gigantisch“ (Murswieck 1.3.2021).

Die Pandemie-Maßnahmen ruinieren immer noch weiter unser reiches kulturelles Leben und die Kulturlandschaft (FAZ 10.5.2020, Tagesspiegel 16.4.2020, FazeMag 27.10.2020). Die meisten Bildungseinrichtungen und Begegnungsstätten waren ab März 2020 monatelang geschlossen, Kulturveranstaltungen waren verboten oder eingeschränkt und damit unrentabel. Das bedrohte die Existenz von mehr als 100.000 Ensembles sowie von Kinos, Theatern, Regisseuren, Bühnenmitarbeitern, Technikern, Agenturen, Druckereien und Verlagen. Der zweite Lockdown ab November 2020 war ein Knockdown der Kulturbranche.

Die ab Herbst 2021 in manchen Bundesländern, etwa in Berlin und Bayern geltende „2G plus“-Regel setzte noch eins obendrauf: Wer nicht in den letzten 14 Tagen geboostert wurde, muss einen aktuellen Antigen-Schnelltest vorweisen. Drei Viertel der Sitze mussten leer bleiben, es herrscht FFP2-Maskenpflicht während der Vorstellung – als gelte es, die Kultur zu verhindern. (…) Natürlich kann man die Kultur kaputt machen und für verzichtbar erklären. Dann ist das Leben halt armselig und schal. Man kann sie aber auch, wie die neue Bundesregierung es vorhat, als Staatsziel im Grundgesetz verankern. Das wäre ihrem Stellenwert angemessen“ (SZ 4.1.2022).

Die Maßnahmen rissen Millionen Menschen, die im kulturellen Bereich tätig sind, in den finanziellen Abgrund, denn obwohl der Kultur- und Kreativbereich eine der größten Branchen in Deutschland ist, gab es nur eine begrenzte staatliche Unterstützung (Reimkultur 12.8.2020, Cohrs 22.8.2020, mdr 26.8.2020). Die in Bayern großartig angekündigten Künstlerhilfen waren monatelang nicht abrufbar (AZ 12.12.2020). Gabriele Gysi sprach von einem „Auskippen der Kultur“ (Rubikon 29.8.2020). Die Kritik an der „aktionistischen Politik“, die aus dem Kulturleben ein „Trümmerfeld“ gemacht hat, schaffte es bis in die Bayerische Staatszeitung. Dort hieß es auch: „Selbst Kunstschaffende äußern inzwischen kaum noch offen Kritik, weil sie nicht in die rechte, querdenkende Ecke gestellt werden wollen“ (Bayr SZ 29.1.2021).

Kulturschaffende organisierten sich in der Initiative AlarmstufeRot und protestierten in sozialen Netzwerken gegen die kulturfeindlichen Coronamaßnahmen (BZ 3.11.2020). Die Initiative „Aufstehen für die Kunst“ erhob am 18. März 2021 eine Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen die Schließungsanordnung von Theatern, Opern und Konzerthäuser, Bühnen, Kinos und ähnlichen Einrichtungen in § 23 Abs. 1 der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (AufstehenfürdieKunst). Gert Heidenreich schrieb einen „Wutausbruch“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ 27.2.2021). In Paris besetzten Kulturschaffende aus Protest gegen die Schließungen des Kulturbereichs mehrere Theater, unter anderem das bekannte Odéon (DLF 11. 3.2021).

Das Netzwerk „Musik in Freiheit“, bestehend aus professionellen Musikern, stellte im Oktober 2021 ein Manifest ins Internet, in dem die Pandemiemaßnahmen als existenzgefährdend beklagt und der Impfzwang abgelehnt wird: „Mit den aktuellen Maßnahmen und Regeln verbreitet sich darüber hinaus in unseren Augen ein Menschenbild, das jeden Mitmenschen als einen potenziellen Gefährder ansieht. Dieser Angriff auf die Würde des Menschen ist gesellschaftszersetzend – nicht nur räumlich, sondern auch rechtlich, persönlich und emotional… Wir Musiker fordern hiermit, der Musik und der Kunst im direkten Austausch mit allen Menschen ihren dringend notwendigen, gewohnten, diskriminierungsfreien und freiheitlichen Raum zurückzugeben. Wir erkennen, dass uns allen eine der wichtigsten Quellen für Lebenskraft genommen wird. Wir Musiker stehen ein für Musik in Freiheit!(Musik-in-Freiheit).

Im April 2021 starteten zahlreiche bekannte deutsche Schauspieler die Aktion „Allesdichtmachen“ (Allesdichtmachen). Die Aktion wurde umgehend mit Hass-Angriffen aus dem Netz bedacht: Die Schauspieler wurden als Rechtsradikale und Verschwörungstheoretiker beschimpft, und auch ein WDR-Redakteur versuchte in einem Fernsehinterview, die Teilnehmer ins rechte Eck zu drängen (BILD 23.4.2021, WDR 23.4.2021). Einige zogen daraufhin ihre Beiträge zurück, die Mehrzahl aber setzte sich zur Wehr (Brüggemann 23.4.2021). Youtube löschte „Allesdichtmachen“ aus seiner Suchfunktion, und wurde dafür von “Meinungsfreiheit im Netz” wegen Verstoßes gegen die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit abgemahnt (24.4.2021). Zahlreiche Ärzte veröffentlichten Unterstützungs-Statements für Allesdichtmachen; einige wurden von YouTube wegen „medizinischer Fehlinformation“ wieder gelöscht.

In der Folgeaktion allesaufdentisch interviewen Schauspieler Wissenschaftler und Experten verschiedener Disziplinen zu Aspekten der Coronakrise. Die Reihe wird wöchentlich fortgesetzt. Viele Pressorgane wussten schon Stunden nach der Veröffentlichung der Videos, gespeist durch eine dpa-Meldung, dass es sich um „vermeintliche“ Experten handelt, dass die Aktion „umstritten“ ist, „wirre Kritik“ übt und „Querdenkern“ in die Arme spielt (z.B. dlf 1.10.2021, Zeit 1.10.2021, HNA 30.9.2021). Die Süddeutsche Zeitung brachte ein Interview mit Gerd Antes, in dem Fragen gestellt werden, die weit unter der Gürtellinie sind und an ein Verhör erinnern, wie etwa: „Warum machen Sie bei einem solchen Projekt mit, bei dem es wenig um Fakten und viel um Meinung geht, das also quasi das Gegenteil von EbM ist?“, „Es wirkt schon seltsam, dass Sie sich als EbMler und als jemand, der Inkompetenz anprangert, mit Menschen umgeben, die es mit Fakten nicht so genau nehmen“ oder „Wir hätten erwartet, dass Sie als Vertreter der EbM nur Dinge unterschreiben, die absolut evident sind.“ (SZ 8.10.2021, Bezahlschranke). In einem Interview mit t-online sagte Gerd Antes: „…soll ich mir jetzt – wie auch hier in diesem Interview – vorschreiben lassen, wo ich mich äußern darf? Wenn von 100 Menschen drei oder auch fünf sich in einer Form äußern, die ich nicht unterschreiben würde, diskreditiert das für mich dennoch nicht die Aktion an sich. Die Vielfalt spiegelt die Meinungsvielfalt in der Gesellschaft wider. Wenn ich noch ein Grundverständnis von Demokratie habe, dann ist die heftige Reaktion auf solche Aktionen damit völlig unvereinbar“ (t-online 6.1.2022).

Zur Medienkampagne gegen die Aktion Allesaufdentisch nahm Norbert Häring hierStellung. Jan Josef Liefers, der auch ein Interview geführt hatte, zog seinen Beitrag ohne Begründung zurück. Kurze Zeit später erschien von ihm ein Artikel in BILD (BILD 9.10.2021), in dem er, unter dem Eindruck von Beobachtungen auf einer Spezial-Intensivstation für COVID-19-Patienten, für die COVID-19-Impfung warb. Youtube löschte zwei Beiträge wegen angeblicher medizinischer Fehlinformationen, musste sie jedoch auf eine einstweilige Verfügung hin wieder freigeben (BILD 11.10.2021). Wie es anders gehen kann zeigt die Berliner Zeitung: Gespräche mit Künstlern, die an der Aktion teilgenommen haben, unter dem Titel: „Niemand von uns ist hergekommen, um Untertan zu werden – Migrantinnen und Migranten beobachten, wie die Pandemie Deutschland verändert. Sie warnen vor dem Verlust von Freiheit und Offenheit“ (BZ 18.10.2021).

Auch  2022 war noch kein Ende des Kulturelends in Sicht. Kultur ist tendenziell widerspenstig und kritisch, und in Zeiten autoritärer Regierungsführung ein Finger in der Wunde. Die Sängerin Julia Neigel klagte in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen: „Wir werden als Branche existenziell ruiniert“. Mit falschen Versprechungen habe man den Lockdown im Kulturbereich auf fast zwei Jahre verlängert, ohne eine Perspektive oder einen angemessenen wirtschaftlichen Ausgleich. Es hätte sogar Vorschläge gegeben wie „die Instrumente zu verkaufen oder sich in Hartz IV einzugliedern“. „Die Kulturbranche wurde 2020, 2021 systematisch zerstört, und das scheint nicht abzureißen… Die Gleichgültigkeit, die uns dabei politisch entgegenschlug, war unerträglich und unmenschlich.“ Kultur stelle eine Daseinsvorsorge dar, die zum Grundrecht der Menschen gehört. Deshalb habe der Staat dafür zu sorgen, dass die materiellen und immateriellen Interessen von Künstlern durchgesetzt und gefördert werden. „Nun aber fordern Finanzämter von Kulturschaffenden diese Entschädigungen teilweise wieder zurück. Das geht so nicht“ (AA 6.2.2022).

Eugen Zentner schrieb in den NachDenkSeiten: „Um sich gegen erneute Berufsverbote und mögliche Terminausfälle zu wappnen, nehmen einige freischaffende Künstler nun die Dinge selber in die Hand. Sie ziehen eine Lehre aus den letzten zwei Jahren voller Willkür, Ungewissheit und moralischer Anfeindungen. Ihnen schweben parallele Strukturen vor, innerhalb derer Kulturschaffende aus den verschiedensten Bereichen zusammenarbeiten und sich gegenseitig Auftrittsmöglichkeiten verschaffen. Aus Enttäuschung wollen sie selber in die Rolle der Veranstalter schlüpfen und darauf achten, dass niemand aufgrund des Gesundheitsstatus diskriminiert wird. (…) Bis die neuen Strukturen stehen, wird es jedoch Jahre brauchen. Momentan liegt der Kulturbetrieb in Scherben. (…) Das Risiko, wieder unverhofft auf der Straße zu landen, drosselt die Motivation. Damit der Kulturbetrieb wieder so blüht wie vor Corona, muss den Künstlern diese Angst genommen werden. Unsicherheit und Ungewissheit als Dauerzustand sind für sie keine Option“ (Zentner 1.4.2022).

Der Ingeborg-Bachmann-Preis, einer der wichtigsten literarischen Auszeichnungen im deutschen Sprachraum, wird in Kärnten im Rahmen der Tage der deutschsprachigen Literatur vergeben. Die Einladung zur Veranstaltung im Juni 2022 enthielt den Satz: „Um den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung zu gewährleisten, können nur Vollimmunisierte mit aktuellem Test daran teilnehmen.“Jan David Zimmermann schrieb einen offenen Brief an die Organisatoren, in denen er seine Absage bekanntgab: „Ich bin jedoch 1. kein reibungsloser Autor und produziere 2. grundsätzlich KEINE vollimmunisierten Texte. Daher werden Sie dieses Jahr und wohl auch in Zukunft auf mich als lesender Teilnehmer verzichten müssen… Ich und viele andere Menschen, Betroffene, Beschimpfte, Diffamierte, Geängstigte, Gezwungene oder einfach nur Kritische werden diese Zeit … niemals vergessen und diesem unerträglichen Schweigen jetzt und in Zukunft mit ihren Stimmen entschieden und gut hörbar entgegentreten“ (Zimmermann 17.2.2022).

Nach einer Umfrage des ifo-Instituts waren Anfang 2021 etwa 15 Prozent aller deutschen Unternehmen in ihrem Bestand bedroht, darunter 76 Prozent aller Hotels und 62 Prozent aller Gaststätten (Focus 16.12.2020). Dieser Prozentsatz war nach einer Ifo-Umfrage auch noch im Dezember 2021 unverändert, besonders der Dienstleistungssektor und der Einzelhandel machten sich große Sorgen (SZ 11.1.2022). Die Zahl der Privatinsolvenzen stieg ab Jahresbeginn 2021 dramatisch an, könnte aber erst 2022 ihren Höhepunkt erreichen (Welt 1.6.2021, WELT 9.10.2021). Der Deutsche Städtetag befürchtet langfristig den Verlust von 85’000 Einzelhandelsgeschäften mit 450’000 Arbeitsplätzen; jeder fünfte Solo-Selbständige sei in seiner Existenz bedroht (tagesschau 31.3.2021, tagesschau 3.4.2021).

Im Gastgewerbe fiel der Umsatz 2020 um 75 Prozent, und 70’000 Betrieben droht die Insolvenz (Destatis 19.6.2020, Focus 10.7.2020). Im Januar 2022 wurden wegen der Omikron-Variante deutliche Verschärfungen beim Zutritt zu Restaurants, Kneipen und Cafés beschlossen. Bundesweit und inzidenzunabhängig soll der Zugang zur Gastronomie für Geimpfte und Genesene nur noch mit einem tagesaktuellen Test oder mit dem Nachweis einer Auffrischimpfung (Booster-Impfung) möglich sein. Gastronomen müssen also als Hebel für vermehrte Boosterimpfungen herhalten. Die Regelung ist nach Ansicht des Epidemiologen Klaus Stöhr „völlig evidenzfrei. (…) Beim RKI kommt Restaurant als Infektionsquelle überhaupt nicht vor“ (Stöhr 8.1.2022). Bayern und Sachsen-Anhalt stellten sich in Protokollerklärungen gegen die 2G-Plus-Verschärfung (tagesspiegel 7.1.2022).

Noch schlimmer sieht es in der Tourismus-Branche und Hotellerie aus. „Ausländische Ketten machen sich bereit, die Häuser zu übernehmen – zumindest die Sahnestücke“ (WELT 3.5.2021). Die Geschäftszeilen der Innenstädte weisen zunehmend Lücken auf durch die um sich greifende Pleitewelle im Einzelhandel (AZ 7.10.2020). Der neuerliche Lockdown im November 2020 sorgte für weiteren Kahlschlag – dabei ist eine funktionierende Wirtschaft, die für die Finanzierung eines funktionierenden Gesundheitssystems sorgt (FAZ 28.10.2020, Merkur 28.10.2020).

Die groß angekündigten Überbrückungshilfen wurden bis März 2021 nur stockend ausgezahlt. Zudem war das Verfahren handwerklich so schlecht gemacht, dass die Auszahlungen zeitweise wegen Millionenbetrugs gestoppt werden mussten (Merkur 12.3.2021). Es fehlte auch die gesetzliche Grundlage und damit die Einklagbarkeit, obwohl „schwerwiegende Beschränkungen des Eigentums nur dann verhältnismäßig und zumutbar sein können, wenn sie durch gesetzliche Ausgleichs- oder Entschädigungsregelungen abgefedert werden“ (Hans-Jürgen Papier in WELT 7.3.2021, Bezahlschranke). Der „größte anzunehmende Unfall der Corona-Wirtschaftspolitik“ (FAZ 9.1.2021) war wohl die Mitteilung, dass Überbrückungshilfen nur gezahlt werden, wenn Verluste vorliegen. Aus einem internen Papier geht hervor, dass das Wirtschaftsministerium schon im November 2020 wusste, dass die Überbrückungshilfe III erst ab März 2021 ausbezahlt wird (tagesschau 15.2.2021). Wegen EU-Regularien müssen möglicherweise auch v(STBK 10.1.2021, ln-online 13.1.2021).

In deutschen Städten gab es Flashmobs zu dem Lied „Danser Encore“ des französischen Künstlers HK. An vielen Orten veranstalteten Bürger „Spontan-Cafés“, um für ihre Freiheit zu demonstrieren und Unterstützung für die Selbständigen zu bekunden (Spontancafé Weimar 31.3.2021).

Bei Campact lief eine Petition zum Thema „Widerspruch gegen die Rückzahlungsforderung der Corona-Soforthilfe“.

Wie die Möhre vor dem Maul des Esels baumelt das Versprechen auf finanziellen Ausgleich in der Luft, ein Versprechen, das viele durchhalten lässt, die kaum noch Zukunft sehen – und das in so vielen Fällen bis heute nicht eingelöst wird (Cora Stephan, NDR 21.3.2021)

Viele der Maßnahmen, die die Grundrechte einschränken, waren nach Auffassung von Juristen rechtswidrig. Das betraf etwa Lockdown-Maßnahmen wie die Schließung von Restaurants und das Beherbergungsverbot (Gössner 28.10.2020) sowie die Maskenpflicht für Schüler im Unterricht. Der nachträgliche Rechtfertigungsversuch mit der sehr allgemein gehaltenen dritten Fassung des „Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ wurde vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet.

Das von der Bundesregierung beschlossene „Corona-Schutzschild“ umfasste 353,3 Mrd. Euro Zuschüsse und zusätzlich 819,7 Mrd. Euro Garantien, also insgesamt über 1 Billion Euro (Publicus 30.11.2021). Das ist eine ungeheure Summe, und macht das viele Hundertmillionenfache dessen aus, was Schweden für die Pandemieeindämmung ausgegeben hat, bei ähnlicher Sterberate. Es steht in keiner Relation zu dem, was bisher als akzeptabel galt für die Kosten lebensverlängernder Maßnahmen (Gøtzsche IMPFEN Für und Wider S.187). Die Folgen für die Haushalte von Bund und Ländern, für die Sozialversicherungen sowie für die Steuer- und Beitragszahler sind äußerst schwerwiegend und werden ganze Generationen belasten.

Der wirtschaftliche Abschwung riss ein tiefes Loch in die Finanzen von Staat und Kommunen (SZ 2.11.2020), führte zu einem massiven Einbruch der Wirtschaftsleistung, zu sinkenden Steuereinnahmen, steigender Arbeitslosigkeit, sinkenden Löhnen (tagesschau 24.3.2021), stagnierenden Renten (fr 18.3.2021) und zu einer absehbaren Unterfinanzierung des Gesundheitssystems.  Es wurden schon Haushalte für andere Aufgaben zurückgestutzt, etwa für das Familien- und das Umweltministerium, und es werden wohl demnächst auch staatliche Beteiligungen etwa an Einrichtungen der Daseinsfürsorge wie Post oder Telekommunikation verkauft (WELT 8.12.2020, tagesschau 31.1.2021). Kanzlerin Angela Merkel warnte bereits im November 2020 vor einer Überschuldung und stellte fest, „dass wir das nicht bis ultimo fortführen können, diese Art von Hilfen“ (SZ 26.11.2020).

Fast 30 Prozent aller Arbeitnehmer waren 2020 in Kurzarbeit oder arbeitslos. Gerade diejenigen, die weniger verdienen, hatten besonders starke Einbußen zu verkraften. Nach einer Arbeitnehmerbefragung vom November 2020 hatte mehr als jeder zweite Beschäftigte mit einem Monatseinkommen von bis zu 1.500 Euro Einschnitte erlebt, während es bei Beschäftigten mit mehr als 2.000 Euro nur ein Drittel war. Voraussichtlich läuft das „Corona“-Kurzarbeitergeld Ende Dezember 2021 aus (tagesschau 15.9.2021).

Unterstützungsmaßnahmen kamen vorrangig großen Unternehmen zu Gute. Wissenschaftler um den Publizisten Werner Rügemer schrieben: Staatliche Förderung aus dem mit 600 Milliarden Euro ausgestatteten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) erhalten in großem Maßstab Konzerne, sogar solche mit Steuerfluchtmodellen sowie umweltschädliche Unternehmen, wie die Lufthansa oder Hersteller von Autos mit Benzinmotoren. Größte Profiteure der Lockdowns waren US-Digitalkonzerne, wie Amazon, Microsoft, Apple, Zoom, die unmittelbar von der Schließung weiter Teile des Einzelhandels profitierten. Große Aktienunternehmen, die durch staatlich finanzierte Kurzarbeit ihre Verluste minimieren konnten, schütteten in der Krise zum Teil hohe Dividenden an ihre Aktionäre aus (z.B. Daimler). Die Corona-Maßnahmen führten zur Verschärfung von Konzentrationsprozessen in der deutschen Wirtschaft, insbesondere zugunsten digitaler Monopolisten“ (Corona Erklärung Juni 2021).

Die soziale Ungleichheit wurde durch die Corona-Politik verstärkt, denn besonders hart traf es die Ärmsten der Armen: die Flüchtlinge, Obdachlosen, Alleinerziehenden, Transferleistungsbezieher (RND 31.3.2020) und die Kinder und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien und bildungsfernen Schichten (SZ 7.10.2020). Nach einer repräsentativen Umfrage in München vom Januar 2021 befürchtete jeder vierte Münchner Haushalt, in den nächsten zwölf Monaten seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können. Besonders belastet waren vor allem einkommensschwache Personen und Haushalte, aber auch viele „Normalverdiener“. 20 Prozent der Befragten, die Einkommenseinbußen hinnehmen mussten, haben zwischen 30 und 50 Prozent ihres Einkommens verloren, zwölf Prozent sogar mehr als die Hälfte (SZ 18.2.2021).

Der Salzburger Psychologe Manuel Schabus sagte im Focus: „Ich gehe davon aus, dass die richtigen Probleme erst noch kommen, nämlich dann, wenn Kurzarbeiter-Regeln auslaufen und die Regierungen generell die Firmen nicht mehr stützen können. Wenn dann die Insolvenzen eben doch kommen, kommt zu dem Corona-Druck noch der Druck durch Arbeitslosigkeit, sozialen Abstieg etc. hinzu… Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass in solchen Situationen zum Beispiel mehr Menschen negative Haltungen gegenüber Zuwanderern empfinden, weil sie diese als mögliche Bedrohung für ihre Jobs empfinden“ (Focus 18.3.2021). Allein diese zunehmende soziale Spaltung, die sich hier auftut, wird uns noch lange beschäftigen.

Der Epidemiologe Gérard Kraus gab zu bedenken: „Wir wissen, dass zum Beispiel Arbeitslosigkeit Krankheit und sogar erhöhte Sterblichkeit erzeugt. Sie kann Menschen auch in den Suizid treiben. Solche Folgen kann man nicht so einfach direkt ausrechnen, aber sie finden trotzdem statt und sie können möglicherweise schwerwiegender sein als die Folgen der Infektionen selbst“ (ZDF 29.3.2020). Gerd Antes, ehemaliges STIKO-Mitglied und einer der Wegbereiter der evidenzbasierten Medizin in Deutschland, sagte: „Wenn man … den gesamten gesellschaftlichen Bereich im Blick hat, dann richten wir damit über den langen Zeitraum wahrscheinlich horrende Schäden an… Wir müssen so wenig wie möglich machen, um die Kollateralschäden so gering zu halten wie möglich“ (SWR 20.10.2020).

Das Zentrum für Kognitive Neurowissenschaften der Universität Salzburg führte bis Ende Februar 2020 in Deutschland eine Online-Befragung zur Befindlichkeit der Menschen in der Corona-Krise und im Lockdown durch (Focus 22.2.2021). Demnach überschätzten vor allem junge Menschen ihr Erkrankungsrisiko massiv. 80 Prozent der Menschen fühlten sich durch die Maßnahmen sehr eingeschränkt, viele Befragte übten Kritik an den Medien und glaubten, dass dort die Fakten zu Corona nicht oder nicht immer objektiv und neutral dargestellt werden. 57 Prozent der Befragten wollten sich auf keinen Fall impfen lassen. Die Ergebnisse für Österreich wurden im Focus vom 5.2.2021 vorgestellt.

Mehrere Kosten-Nutzen-Analysen berechneten die Folgen eines Lockdowns und des damit einhergehenden Abbremsens des Wachstum und des damit verbundenen medizinisch-technischen Fortschritts. Die Zahl der in der Zukunft verlorenen Lebensjahre übersteigt demnach die Zahl der gewonnenen Lebensjahre um ein Vielfaches (Esfeld Dez. 2020).

Ein Kommentator der WELT stellte die Fragen: „Wo ist die ‚Ampel‘, die auf Rot umspringt, wenn die Anzahl der drohenden Konkurse einen kritischen Wert überschreitet? Wo ist die Ampel für den bleibenden Schaden, den eine Generation von Kindern davonträgt, wenn man ihr ein weiteres verstümmeltes Schuljahr zumutet? Wo ist die Ampel für den gesamtgesellschaftlichen Stress, der angesichts der ständigen Drohung mit dem „zweiten Lockdown“, der doch angeblich „um jeden Preis vermieden“ werden muss, schnell in Verzweiflung umschlagen kann – mit fatalen Folgen für Gesundheit, Konjunktur und politische Tektonik? Warum gibt es keine Obergrenze für die weit überproportionale Belastung von Familien?“ (WELT 19.10.2020, mit Bezahlschranke).

Besonders schlimm von den Pandemiemaßnahmen betroffen waren und sind die Menschen in Langzeitpflege, Pflegeeinrichtungen und Altenheimen, Behinderte und Sterbende (BILD 30.6.2021, mdr 17.7.2023). Für sie müssen bei künftigen „epidemischen Lagen“ Lösungen gefunden werden, die ihre Situation erträglich machen und die Menschenwürde respektieren. Wie behutsam wir hier sein müssen, zeigt die Auseinandersetzung zwischen Gesundheitsminister Jens Spahn („Wir werden die Älteren über mehrere Monate bitten müssen, im Zweifel zuhause zu bleiben“) und dem Altersmediziner und Psychiater Johannes Pantel („Da bleibt mir die Spucke weg… das ist verfassungswidrig!“) (ARD 6.4.2020).

Mit den Pandemie-Maßnahmen wurden in den Alten- und Pflegeheimen Verhältnisse geschaffen, die denen in Gefängnissen ähneln. Manche Bewohner verzichteten lieber auf Besuche als hinter einer Trennscheibe Platz nehmen zu müssen. Patientenschützer beklagten die „Freiheitsberaubung“ von Pflegeheimbewohnern und forderten ein menschliches Konzept für alle stationären Einrichtungen (Presseportal 30.5.2020). Oft blieb den Angehörigen nur eine Beschwerde bei der Heimaufsicht, um eine Besuchsgenehmigung zu bekommen. Mancherorts verkehrten sich die Schutzmaßnahmen auch ins Gegenteil, etwa wenn ein Großteil des Personals in Quarantäne geschickt wurde und kaum noch jemand mehr für die Pflegearbeit übrig war (OP 17.12.2020). Über die gravierenden Folgen der Zutrittsverboten unter anderem auch für Ärzte und anderes Gesundheitspersonal berichtete im November 2022 eine Studie der Charité (Tagesspiegel 18.11.2022).

Auch 2022 machten die menschenverachtenden Maßnahmen in Pflegeheimen nicht Halt: Wer einen positiven PCR-Test hatte, wurde nach Maßgabe des Robert-Koch-Instituts 10 – 14 Tage isoliert, quasi in Einzelhaft gesteckt (Notarzt 13.10.2022).

Eine Übersichtsarbeit über die Folgen der Pandemie für Menschen mit Demenz zeigte, dass die Isolationsmaßnahmen überall in der Welt der kognitiven und psychischen Gesundheit dieser Gruppe Schaden zufügten. Sie führten zu beschleunigtem geistigen Abbau, Angstzuständen und Depressionen, was wiederum häufig zur Behandlung mit Medikamenten wie Antipsychotika und Benzodiazepinen führte (Suárez-González 31.7.2021).

Der Ethikrat forderte in einem dramatischen Appell am 18.12.2020, die Situation der Menschen in Alten- und Pflegeheimen zu verbessern. Mit dem Gebot physischer Distanz wachse gerade in Einrichtungen der Langzeitpflege die Gefahr von Isolation, deutlich verringerter sozialer Teilhabe und einer erheblichen Verschlechterung der Gesundheit. Das widerspreche zentralen Forderungen etwa der UN-Behindertenrechtskonvention, der Pflege-Charta und des SGB XI nach einem möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Leben in sozialer Teilhabe, das der Würde des Menschen entspricht. Es müsse immer die Möglichkeit zu physischem Kontakt gegeben sein, wenn dieser erwünscht ist, und Sterbende sollten kontinuierlich begleitet werden dürfen. Zur Unterstützung des Pflegepersonals brauche es kurzfristig wirksame Unterstützungsmaßnahmen (Ethikrat 18.12.2020).

Nach dem AOK-Pflegereport 2021 war zwischen März und Mai 2020 für 43 Prozent der befragten Angehörigen ein persönlicher Kontakt zu den Pflegebedürftigen nicht möglich. Rund zwei Drittel zeigten eine Verschlechterung der geistigen Fitness wie auch der psychischen Gesundheit aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen. „Die ergriffenen scharfen Isolationsmaßnahmen in den Pflegeheimen in der ersten Pandemiewelle haben dramatische Auswirkungen für die Pflegebedürftigen, und zwar physisch und psychisch“, so AOK-Forschungsleiterin Antje Schwinger, und weiter: „Wir sollten – die Situation der Betroffenen vor Augen – die Pandemie zum Anlass für einen breiten gesellschaftlichen Diskurs nehmen, was uns eine menschenwürdige Versorgung im Alter als Gesellschaft wert ist“ (AOK 29.6.2021).

Der Arzt und Gesundheitsökonom Matthias Schrappe stellt sich einen „wohlwollenden Schutz“ vor, der die Persönlichkeit und der Würde der Betroffenen respektiert: „Warum gibt es in Corona-Zeiten für ältere Menschen kein Taxi zum Preis eines ÖPNV-Tickets? Wo sind die Hilfsprogramme für ambulant zu pflegende Personen? Warum können denn Studenten, deren Kellnerjob weggebrochen ist, nicht für das gleiche Geld vor den Seniorenheimen stehen und Abstriche machen? Oder Einkaufsdienste für Senioren? Oder die ambulante Pflege entlasten? Man muss in dieser Zeit doch den Zusammenhalt wecken, die Fantasie anregen, wie man sich und die Mitmenschen schützt. Aber das ist eine Führungsaufgabe, dazu müsste die Bundesregierung bereit sein, mit Präventionsideen zu experimentieren, sie müsste es ausprobieren, und sie sollte vor allem auf diese permanenten Lockdown-Drohungen verzichten“ (WELT 19.11.2020).

Der Altersmediziner Johannes Pantel zog ein vernichtendes Fazit zum Umgang mit alten Menschen während der Coronapandemie:  Menschenrechte und Menschenwürde wurden verletzt. Denken Sie etwa an Sterbende, die keinen Besuch mehr empfangen durften. … Meiner Meinung nach müsste der Umgang mit Corona rigoros aufgearbeitet werden (…) Es gibt viele gefährliche Keime, vor denen wir uns eigenverantwortlich schützen. Die Wahrnehmung von Corona war historisch einzigartig, auch durch die permanenten Angstbotschaften, die zum Beispiel von unserem Gesundheitsminister ausgesandt wurden und immer noch werden.“ (FAZ 28.1.2023, Bezahlschranke).

Die globalen Folgen der Pandemiemaßnahmen

„Die nicht weinen, sehen es nicht“ (Victor Hugo)

Der weltweit führende Experte für Infektionskrankheiten John Ioannidis warnte seit März 2020 wiederholt vor den schrecklichen finanziellen und sozialen Folgen eines Lockdowns (Fee 2.7.2020). Er sprach sogar von möglichen Folgen wie Unruhen, Bürgerkrieg und dem Zusammenbruch des sozialen Gefüges. Vor allem in Ländern, in denen die Menschen von der Hand in den Mund leben, ist das ein realistisches Szenario. „Wenn wir uns entscheiden, von der Klippe zu springen, brauchen wir einige Daten, die uns über die Logik eines solchen Schrittes Auskunft geben und über die Chancen, irgendwo sicher zu landen“ (Ioannidis 17.3.2020).

Der britische Historiker Adam Tooze sagte in einem Interview: „Ein Großteil der Weltwirtschaft wurde stillgelegt, das globale Bruttoinlandsprodukt stürzte im April 2020 um 20 Prozent im Vergleich zum Jahresanfang ab. So einen freien Fall hatte es bisher nie gegeben, auch nicht während der Großen Depression der Dreißigerjahre. Es war eine Erschütterung nie geahnten Ausmaßes“ (t-online 14.9.2021).

Wegen des Einbruchs der Wirtschaft und der Verringerung des Wohlstands dürfte absehbar schon in reicheren Ländern die Lebenserwartung sinken. Für Großbritannien berechnete Philip Thomas, Professor für Risikomanagement in Bristol, dass jeder Bürger des Landes durch die Lockdowns im Durchschnitt etwas mehr als vier Monate Lebenserwartung verlor, was sich auf 560’000 verlorene Lebensjahre aufsummieren könnte (Thomas 8.11.2020). Von den Balearen wurde eine Zunahme von extremer Armut und Elendsprostitution berichtet, auf den kanarischen Inseln lag die Wirtschaft am Boden und die Menschen dachten ans Auswandern (br 18.2.2021, Brandenburg 12.7.2021). In Italien wuchs im Jahr 2020 die Zahl der Menschen in prekärer Lebenssituation um 1,2 Millionen (Agi 4.4.2021).

In den ärmeren Ländern der Welt waren die Folgen des globalen Lockdowns und des Wirtschaftsabschwungs, der durch die Pandemie-Maßnahmen verursacht wird, noch wesentlich katastrophaler.

Der Afrikahistoriker Toby Green schrieb: „Sobald die Lockdowns in ganz Afrika begannen, hörte ich von Freunden vor Ort, was dies für das tägliche Leben bedeutete: Ernteausfälle in Angola, Ghana und Gambia, weil die Menschen nicht auf die Felder gehen konnten; Menschen, die im Senegal auf die Straße gingen, um zu versuchen, etwas Geld für Essen zu bekommen, wurden geschlagen. Wie mir ein nigerianischer Kollege sagte, könnte man davon ausgehen, dass die Covid-Abriegelungsmaßnahmen in Nigeria nur etwa drei Tage lang funktionieren. Stattdessen wurden sie an vielen Orten des Kontinents über das Jahr 2020 hinaus verlängert und führten zu einer sozioökonomischen Katastrophe. Mitte 2021 schätzte die UNESCO, dass durch die Pandemie weitere 9 Millionen Kinder in die Kinderarbeit gedrängt wurden. Schulschließungen korrelierten mit der Zunahme von Frühverheiratungen: Allein in Uganda brachen 4,5 Millionen Kinder ihre Ausbildung ab, während Teenager-Schwangerschaften und Verarmung stark zunahmen. Die informelle Wirtschaft hat sich auch drei Jahre später noch nicht erholt, wie jüngste Daten aus dem Senegal zeigen.“ (Green 22.9.2023). Nationale und globale Absatzmärkte brachen ein, die Lebensmittelpreise stiegen unentwegt, etwa 100 Millionen Vollzeit-Arbeitsplätze fielen nach Angabe der Internationale Arbeitsorganisation (ILO) weg (tagesschau 4.2.2021, dw 2.6.2021). Millionen Tagelöhner und Slumbewohner standen vor dem Nichts. In Indien wurden Millionen Tagelöhner in ihre Dörfer zurückgeschickt.

In Ländern wie Indonesien, Thailand oder Südafrika waren durch den Einbruch des Tourismus Millionen ohne Einkommen und erhielten keinerlei staatliche Hilfe. Eine Studie aus Ecuador zeigte, dass Armut und Arbeitslosigkeit im Jahr 2020 rasant angestiegen sind, mit besonderem Schwerpunkt auf dem weiblichen Teil der Bevölkerung; sechs von zehn Kindern wurden nicht beschult (america21 8.3.2021).

Nach Angaben der UN vernichtete die Corona-Krise 400 Millionen Jobs und brachte mehr als 250 Millionen Menschen an den Rand des Hungertods. Die UNICEF befürchtet, dass zwischen 2020 und 2030 aufgrund der Pandemie in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen 40 Millionen Kinder verhungern und 22 Millionen Kinder Entwicklungsstörungen durch Unterernährung erleiden könnten (UNICEF Juli 2021, DLF 28.7.2020). Schon 2020 sind wahrscheinlich knapp eine Million Kinder hauptsächlich im subsaharischen Afrika wegen der Wirtschaftskrise ums Leben gekommen (Cardona 23.2.2022).  Auf den Philippinen konnten sich im Jahr 2020 sieben Millionen Familien nicht mehr ausreichend mit Lebensmitteln versorgen (SZ 11.12.2020). Eine aufwühlende Reportage brachte 3sat in NANO am 31.8.2021.

In Lateinamerika traten die zerstörerischen Folgen der Lockdowns für die Wirtschaft, für das Einkommen und die Versorgung der Menschen immer offener zutage. „In Argentinien gingen zuletzt Tausende Menschen auf die Straße, weil sie inmitten der verheerenden Wirtschaftskrise im Land endlich die Schaffung von Arbeitsplätzen einfordern. Aus Mexiko wird gar ein Anstieg der extremen Armut um 24 Prozent von 8,7 Millionen (2018) auf 10,8 Millionen (2020) gemeldet. In Brasilien hat die Pandemie rund 7,7 Millionen Arbeitsplätze zerstört und die Zahl der Menschen, die nun Hunger leiden, hat sich deutlich erhöht. Die Folge: Der tägliche Überlebenskampf wird in Mexiko und Argentinien immer härter und gewalttätiger, die Alltags- und Beschaffungskriminalität, vor allem in den urbanen Metropolregionen, nimmt deutlich zu“. Sogar aus Kuba wurden Sozialproteste gemeldet. „Egal welche Strategie die Länder angewandt haben, ob wochenlange strikte Lockdowns wie in Argentinien, Abschottung wie Kuba, eine Öffnungsstrategie wie Mexiko – die Todeszahlenpendeln sich derzeit überall fast auf dem gleichen Niveau ein“ (WELT 11.8.2021, Bezahlschranke).

Millionen starben außerdem durch die Verschlechterung der Gesundheitsversorgung: In vielen Ländern waren Schwangerenvorsorge, Geburtshilfe, Kindergesundheits- und nationale Impfprogramme nicht mehr funktionsfähig. Innerhalb eines Jahres starben vermutlich zusätzlich bis zu 1,16 Millionen Kinder unter fünf Jahren und 56 700 Frauen in Schwangerschaft, unter der Geburt und im Wochenbett. Auch die Zahl der Totgeburten stieg dramatisch (Dtsch. Ärztebl 3/21, Chmielewska 31.3.2021).

Viele Kinder vor allem aus ärmeren Bevölkerungsschichten wurden nicht mehr gegen Diphtherie, Tetanus oder Masern geimpft (Heneghan 30.6.2021). Es gab keine Programme zur Gesundheitsaufklärung mehr, und Patienten mit HIV, Tuberkulose und Malaria wurden nicht mehr ärztlich betreut oder bekamen wegen der Unterbrechung globaler Lieferketten keine Medikamente mehr. Dadurch sterben jährlich einige hunderttausend Menschen zusätzlich an diesen Krankheiten (Afrika.info 15.5.2020, Tagesschau 14.10.2020, dlf 23.8.2021). Im globalen Tuberkulose-Bericht der WHO vom Oktober 2021 hieß es: „Die COVID-19-Pandemie hat die jahrelangen weltweiten Fortschritte bei der Bekämpfung der Tuberkulose zunichte gemacht, und zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Zahl der Tuberkulose-Todesfälle gestiegen. Im Jahr 2020 starben mehr Menschen an Tuberkulose, während im Vergleich zu 2019 deutlich weniger Menschen diagnostiziert und behandelt wurden oder eine präventive Tuberkulosebehandlung erhielten.“ In vielen Ländern wurden personelle, finanzielle und andere Ressourcen von der Tuberkulosebekämpfung auf die COVID-19-Bekämpfung umgeschichtet (WHO 14.10.2021).

Die Berichte aus den Krisenregionen der Welt, leider fast ausschließlich in englischsprachigen Zeitungen, waren erschütternd: „Keiner kann sich erinnern, dass es jemals so schlimm war wie dieses Jahr“ (AP 28.7.2020). Die Bank of India schätzte, dass Lockdowns und Wirtschaftskrise bis zu zwanzigmal mehr Tote fordern als COVID-19 (Handelsblatt 21.8.2020). Ein Schweizer Magazin berechnete, dass die Maßnahmen gegen das Coronavirus weltweit mindestens 50mal mehr Lebensjahre gekostet haben, als wenn das Virus freien Lauf gehabt hätte (Ostschweiz 8.6.2021). Aus dem »Index der menschlichen Entwicklung« der UNO-Entwicklungsagentur UNDP geht hervor, dass sich 2020 und 2021 in neun von zehn Ländern weltweit die Lebensverhältnisse verschlechtert haben – auch in Ländern wie Deutschland oder USA (SPIEGEL 8.9.2022).

Weltweit sind wesentlich mehr Menschen durch die Pandemie-Abwehrmaßnahmen gestorben als durch das Coronavirus (Welt 9.4.2020).

Von Schulschließungen waren weltweit 1,5 Milliarden Kinder betroffen, 500 Millionen bekamen keinen Ersatzunterricht, für 350 Millionen fiel die Schulspeisung weg (Bundestag 9.9.2020). Ein bedeutender Teil dieser Kinder wird für immer von der Schulbildung ausgeschlossen bleiben (dw 13.7.2020). Ein „Notstandsbericht zur Schuldbildung“ aus Indien zog eine katastrophale Bilanz: In ländlichen Regionen lernten nur 8 % der Kinder der Stichprobe regelmäßig online, 37 % lernten überhaupt nicht, und etwa die Hälfte konnte nicht mehr als ein paar Wörter lesen (Lockedout 6.9.2021).  Letztlich waren die Schulen in Indien fast zwei Jahre lang geschlossen. Kinder in ländlichen Regionen hatten nicht die Technologie, die Handys und das Geld, um genügend Daten zu kaufen, die eine Online-Beschulung überhaupt plausibel gemacht hätten.

*Der 30minütige Dokufilm „Children of Nowhere“ lässt indische Eltern und Kinder von dem Drama erzählen (Children of Nowhere 5.4.2023).

Auch in Honduras und Uganda blieben die Schulen für 2 Jahre geschlossen. In Honduras wird geschätzt, dass die Bildung um mindestens 5 Jahre zurückgeworfen wurde. „In Uganda kehrten 20 % der Schüler nicht mehr in die Schule zurück, was bedeutet, dass schätzungsweise 4,5 Millionen Schüler keine Chance auf Bildung bekamen. Andererseits kam es zu einem starken Anstieg der Teenagerschwangerschaften – junge Frauen wurden also endgültig aus der Bildung und aus dem Bewusstsein für die verschiedenen Möglichkeiten ihres Lebens gerissen“ (collateral global 23.3.2023).

Die UN-Kulturorganisation Unesco warnte vor einer Generationenkatastrophe“ im Bildungsbereich. Im Jahr 2020 sei die Zahl der Grundschüler, die nicht über die ihrem Alter entsprechenden Lesekenntnisse verfügen, um 20 Prozent gestiegen. Die Zahl der Zweit- und Drittklässler mit Schwierigkeiten in diesem Bereich wuchs weltweit um 100 Millionen auf 584 Millionen an. Dies mache die Fortschritte der vergangenen zwei Jahrzehnte zunichte (tagesschau 26.3.2021). Nach einer Meldung des SPIEGEL stieg im Schuljahr 2021/22 die Zahl der Sitzenbleiber in Deutschlands Schulen um 63 Prozent. „Insgesamt mussten 155.800 Schülerinnen und Schüler ein Jahr wiederholen – entweder freiwillig, oder weil sie nicht versetzt wurden. Das geht aus aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor“ (SPIEGEL 30.1.2023). Nach den exzessiven Schulschließungen schnitten die deutschen Schüler im Jahr 2022 in der PISA-Studie so schlecht ab wie nie zuvor (Bericht aus Bonn 5.12.2023).

Die Hilfsorganisation Save the Children beklagte anhand der Umfrageergebnisse bei mehr als 13.000 Kindern in 46 Ländern eine die weltweite massive Zunahme von Depressionen, Angstzuständen, Einsamkeit und Selbstgefährdung. 83 Prozent der Kinder berichteten den Angaben zufolge über einen Anstieg von negativen Gefühlen aufgrund der Pandemie. Alle Regierungen seien aufgefordert, der psychischen Gesundheit und dem geregelten Lernen von Kin­dern während und nach der COVID-19-Pandemie Priorität einzuräumen  (Ärztebl 8.10.2021).

Die UNICEF veröffentlichte im Oktober 2021 einen Bericht zur Situation der Kinder in der Welt 2021 mit dem Titel „On My Mind: Die mentale Gesundheit von Kindern fördern, schützen und unterstützen“. Fast zwei Jahre seit Beginn der Pandemie seien die Belastungen für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen nach wie vor schwerwiegend. Laut UNICEF-Schätzungen war weltweit mindestens eines von sieben Kindern direkt von landesweiten Lockdowns betroffen; 1,6 Milliarden Kinder hatten Schulunterricht verpasst und Lernstoff versäumt. Bei einer Umfrage in 21 Ländern habe jeder fünfte befragte junge Mensch zwischen 15 und 24 Jahren angegeben, sich häufig deprimiert zu fühlen oder wenig Interesse an Dingen zu haben oder daran, etwas zu unternehmen. In Deutschland sagte dies einer von vier der befragten jungen Menschen (UNICEF 5.10.2021).

Erstmals seit Jahrzehnten nahmen auch wieder Kinderhandel und Kinderarbeit zu (Zeit online 7.7.2020, SZ 25.1.2021). Besonders stark traf die Krise Mädchen und Frauen. Die UN schätzte, dass „für je drei Monate Lockdown 15 Millionen zusätzliche Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt auftreten“, und dass allein im Jahr 2020 eine halbe Million oder mehr Mädchen einer Kinderheirat und frühen Schwangerschaft mit entsprechenden Risiken ausgesetzt waren (UN 4.12.2020).

„Jetzt stehen wir vor einer Katastrophe für eine ganze Generation, durch die unermessliches menschliches Potenzial verschwendet, jahrzehntelanger Fortschritt untergraben und tief verwurzelte Ungleichheiten verschärft werden könnten“ fürchtete UN-Generalsekretär António Guterres (tagesschau.de 04.08.2020).

Die Pandemiemaßnahmen mit den sich daraus ergebenden geopolitischen Verwerfungen, dem wirtschaftlichen Schock und der weltweiten Versorgungskrise führten zu Instabilität, Massenprotesten und Unruhen, vor allem in den ärmeren Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, aber auch in den USA (Guardian 17.7.2020). In zahlreichen Ländern kam es zu Aufständen wegen Lebensmittelknappheit oder Jobverlusten, in Bangladesch u.a. wegen einbehaltener Löhne in der kriselnden Textilindustrie. Nach Angaben des Instituts für Wirtschaft und Frieden stieg das Ausmaß der zivilen Unruhen im Jahr 2020 deutlich an, zum großen Teil bedingt durch Pandemiemaßnahmen der Regierungen. Zwischen Januar 2020 und April 2021 wurden über 5.000 pandemiebedingte Gewaltereignisse registriert (IEP Juni 2021). 2022 nahm die weltweite wirtschaftliche und soziale Krise weiter Fahrt auf. Sinkende Einkommen und steigende Energie- und Lebensmittelpreise, angeheizt durch den Ukrainekrieg, gefährdeten zunehmend die Existenz unzähliger Menschen, die schon vorher nur von der Hand in den Mund lebten (indiatoday 2.4.2022).

In vielen Ländern kam es zu Verletzungen der Menschenrechte: Zu Repressionen, Unterdrückung der Meinungsfreiheit und zu Zensur, zu Verfolgung und Mord aus rassistischen oder politischen Motiven und zu einer Welle sexueller Gewalttaten (Misereor 24.4.2020, Netzfrauen 26.6.20, AI 7.4.2021, ai 19.10.2021). Viele Länder nutzten die Coronakrise, um das Asylrecht faktisch abzuschaffen. Grenzen wurden geschlossen, Asylsuchende wurden ohne Anhörung in Länder zurückgeschickt, in denen ihr Leben bedroht ist, Flüchtlingslager wurden von der Versorgung mit Lebensmittel oder Wasser abgeschnitten (ai 13.5.2020, KU 29.6.2020).

In den USA übertraf die Übersterblichkeit im Frühjahr 2020 deutlich die gemeldeten COVID-19-Todesfälle. Viele Menschen starben durch andere Erkrankungen, etwa weil sie nicht die notwendige Behandlung erhielten oder nicht in die Notaufnahmen gingen. Arbeitslosigkeit und soziale Isolierung führten zu einer Zunahme von Selbsttötungen und Drogentoten (DÄ 3.7.2020). Aus Angaben der Schule für öffentliche Gesundheit in Yale/USA (Weinberger 1.7.2020) lässt sich errechnen, dass die Intensität der Pandemie-Maßnahmen im Vergleich zwischen verschiedenen Bundesstaaten der USA keinen signifikanten Einfluss auf die Todesfallzahlen hatte. Entscheidend war dagegen die Qualität der Gesundheitsversorgung (Walach 28.7.2020).

Eine englischsprachige Website, auf der die globalen Folgen der Pandemiepolitik dokumentiert werden, ist thepriceofpanic.

Der Verarmung großer Teile der Weltbevölkerung steht die immense Zunahme des Reichtums der Milliardäre gegenüber – seit April 2020 um fast 30 Prozent bzw. 10.000 Milliarden Dollar. Die zehn Reichsten der Welt besaßen Ende 2021 40 Prozent mehr (tagesschau 7.1.2021).

Manuel Schmitt, Referent für soziale Ungleichheit bei Oxfam Deutschland sagte: Für Milliardäre gleicht die Pandemie einem Goldrausch. Regierungen haben Milliarden in die Wirtschaft gepumpt, doch ein Großteil ist bei Menschen hängengeblieben, die von steigenden Aktienkursen besonders profitieren. Während ihr Vermögen so schnell wächst wie nie zuvor und einige von ihnen Ausflüge ins All unternehmen, hat die weltweite Armut drastisch zugenommen“ (tagesschau 17.1.2022). Im Mai 2022 gab es laut Oxfam weltweit 2668 Milliardäre, 570 mehr als noch 2020 (SZ 23.5.2022). Ein Teil der COVID-Milliardäre hat allerdings nach der Omikron-Variante und dem Auslaufen der Pandemie wieder Federn gelassen (Bloomberg 18,10.2023).

Es ist vor diesem Hintergrund schwer zu verstehen, warum gerade viele LINKE und GRÜNE kritiklos die Aussetzung der Bürgerrechte hingenommen und die sozialen Folgen der Pandemie-Maßnahmen nicht gesehen haben. Sie ignorierten die katastrophalen Auswirkungen der Pandemiepolitik in den ärmeren Ländern und das Phänomen, dass sich in den reichen Ländern die Oberschicht ins Homeoffice zurückgezogen hat und beliefern ließ, während die Unterschicht in den Fabriken, Schlachthöfen, Supermärkten, Bringdiensten, auf dem Bau und in der Landwirtschaft weiterschuftete und für zunehmende Immunität in der Bevölkerung sorgte (Tucker 4.8.2021). Von Beginn an riefen sie dazu auf, stillzuhalten und den Institutionen zu vertrauen. Sie stigmatisieren oppositionelle Bürgerrechtler als unverantwortlich, egoistisch und „rechtslastig“ und fordern massivere Polizeieinsätze bei Corona-Demonstrationen (GRÜNE 13.5.2020, LINKE 3.6.2020, Tagesspiegel 3.8.2020, LINKE 7.11.2020). Ein schlimmes Versagen der politischen Opposition, die damit das Feld der AfD überließ (Pauly 8.9.2020).

Der US-amerikanische Kulturphilosoph Charles Eisenstein schrieb zu diesem Phänomen: „Warum ist es plötzlich die Linke, die jeden drängt, „dem starken Mann“ zu vertrauen – den Erklärungen der Pharmaunternehmen und pharmagesponserten Organisationen wie der US Gesundheitsbehörde und der WHO? Warum wird eine Skepsis gegenüber diesen Institutionen plötzlich als „rechtslastig“ stigmatisiert? Es ist ja nicht so, dass nur die Privilegierten vom Lockdown „belästigt“ würden. Er zerstört doch die Leben von zehn oder hunderten Millionen des globalen Prekariats. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen warnt davor, dass bis zum Ende des Jahres 260 Millionen Menschen der Hungertod droht. Die meisten davon sind Schwarze oder Menschen mit dunkler Haut in Afrika und Südasien. Daher könnte man sagen, dass die Beschränkung der Debatte auf epidemiologische Fragen der Sterblichkeit das Leid der am meisten Marginalisierten einfach ausblendet und somit selbst Ausdruck eines privilegierten Standpunktes ist.“ (Eisenstein Juli 2020).

Jan Fleischhauer beschäftigt sich in einem Focus-Artikel damit, warum man die entschiedensten Lockdown-Befürworter links der Mitte antrifft: „Es scheint geradezu ein Gesetz zu sein: Je stärker jemand politisch nach links tendiert, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er ein Faible für harte Maßnahmen hat. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass man bei den Linken dem normalen Volk noch nie richtig über den Weg traute… Wer der Meinung ist, dass der Staat schon am besten weiß, was für die Menschen gut ist, gerät schnell in Versuchung, ein wenig nachzuhelfen, damit sie das auch so sehen (Focus 27.2.2021).

Erst nach Monaten von Grundrechtseinschränkungen wagten sich 2021 einige Linke aus der Deckung, etwa Sarah Wagenknecht (25.6.2021), Oskar Lafontaine (12.8.2021, 11.9.2021), Susan Bonath (14.8.2021) oder auch das anarchistische Projekt Ada Frankiewicz (Die Freiheit zur Krankheit).

Auch die Kirchen versagten während der Pandemie komplett, standen „stramm an der Seite von Staat und Medien“ und vergaßen „ihre uralte Pflicht: Einsamen und Kranken beizustehen“ (Publico 24.12.2022). Bischöfe riefen zur Impfung auf und warnten vor der Teilnahme an Demonstrationen und „Spaziergängen“. Kirchen wurden geschlossen, und später wurden Ungeimpfte von Gottesdiensten ausgeschlossen. Kein Amtsträger protestierte, als Tausende Patienten und alte Menschen in Krankenhäusern und Heimen wegen der Coronamaßnahmen härter Isoliert wurden als Strafgefangene. Michael Maier schrieb in der Berliner Zeitung: „So gehorchte die Kirche in der Corona-Krise völlig unkritisch den teilweise widersprüchlichen staatlichen Befehlen und nahm sogar die Aushebelung der Religionsfreiheit hin, indem sie die Kirchen willfährig dichtmachte. In einem Dekret hatte die Gottesdienstkongregation des Vatikan zu Ostern 2020 verfügt: In Ländern mit Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sollen Priester und Bischöfe die Gottesdienste der Kar- und Ostertage ‚ohne Teilnahme des Volkes‘ begehen. Insgesamt hatte die Kirche dem Todes-Kult der Angst-Propaganda nichts entgegenzusetzen, obwohl ihr Kernbotschaft ein universelles ‚Fürchtet Euch nicht!‘ gewesen wäre“ (BZ 31.12.2022).

 

Politik und Panik

Auf Grund dramatischer Presseberichte (Kritik daran z.B. bei Frank 22.3.2020) und aufgestört durch die „Bilder aus Bergamo“ (tagesschau 19.3.2020) und die wenig später als Fälschung entlarvten Videoclips aus China (revolver 4.2.2021), die von den Medien ungeprüft verbreitet wurden (eine tiefgründige Kritik von Frank Fehrenbach finden Sie hier) wurden viele Bürger von Panik vor einer möglicherweise für sie tödlichen Erkrankung erfasst. Ein erwünschter Effekt, wie dem Strategiepapier des Innenministeriums zur Coronakrise zu entnehmen ist: „Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden“ (BMI 28.4.2020).

Einige Monate später, im Dezember 2020, diskutierte in Großbritannien der damalige Gesundheitsminister Matt Hancock in einem (geleakten) WhatsApp-Chat („lockdown files“) den „Einsatz“ einer neuen Virusvariante, um „alle in Angst und Schrecken zu versetzen“. Kurz darauf wurde die Alpha-Variante von COVID-19 „entdeckt“, und wenige Tage später wurde Weihnachten „abgesagt“ (telegraph 4.3.2023, bbc 6.3.2023).

Die Evidenzmediziner Tom Jefferson und Carl Henneghan schrieben entsetzt: „Die Nachrichten – zwischen dem ehemaligen Gesundheitsminister Matt Hancock und anderen Ministern und Beamten – haben in erschütternden Details die chaotische und oft unmenschliche Reaktion einiger unserer gewählten Führungskräfte gezeigt. (…) Hancocks durchgesickerte Nachrichten offenbaren einen chronischen Mangel an Urteilsvermögen bei den Verantwortlichen, gepaart mit einer Verachtung für abweichende Aussagen und die breite Öffentlichkeit. (…) Es hätte ein anderer Weg eingeschlagen werden müssen, aber mit Hancock und seinen verblendeten Mitarbeitern am Ruder hat die Regierung diesen Weg nicht eingeschlagen. Infolgedessen waren es die Kinder, die litten, die gebrechlichen und älteren Menschen, die im Stich gelassen wurden, und die am meisten Benachteiligten, die Schaden nahmen“ (DailyMail 8.3.2023)

Wir waren einer strategisch geplanten und professionell gesteuerten Angstkampagne ausgesetzt; einer Politik der Angst.

Wie sich ein Jahr später nach einer rechtlichen Auseinandersetzung um die Veröffentlichung des Strategiepapiers herausstellte, hatte das Innenministerium Wissenschaftler von mehreren Universitäten und Instituten beauftragt, das Modell für ein Worst-Case-Szenario zu erarbeiten, auf dessen Basis „Angst und Folgebereitschaft in der Bevölkerung“ erzeugt und „Maßnahmen präventiver und repressiver Natur“ geplant werden können (WELT 7.2.2021). Ein Hauptautor des Papiers war nach einem Bericht der WELT Otto Kölbl, ein Germanist ohne wissenschaftliche Referenzen, der einmal Sprachlehrer in China war, überzeugt von Mao ist und Chinas Tibet-Politik verteidigt. Bereits in einer früheren Veröffentlichung hatte er einen „streng autoritären“ Ansatz bei der Pandemiebekämpfung propagiert. Der zweite Hauptautor, Maximilian Mayer, war Forschungsprofessor für internationale Beziehungen an der Tongji University in Shanghai, und engagiert sich inzwischen in der „NoCovid“-Initiative (WELT 21.2.2021, Bezahlschranke). Der Focus-Kolumnist Jan Fleischhauer schreibt zu diesem Skandal sarkastisch: „Ein Mao-Fan als Ghostwriter eines Leitfadens der Bundesregierung, in dem zu Erziehungszwecken möglichst drastische Corona-Szenarien beschrieben werden: Was andere als Skandal empfinden, zeigt professionelles Gespür, würde ich sagen. Wenn man sich schon für Propaganda entscheidet, dann sollte man sie doch von den Leuten erledigen lassen, die sich mit so etwas auskennen“ (Focus 27.2.2021).

Stefan Leupertz, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof in Köln, schrieb dazu: „Gefährlich wird die Lage, wenn der Staat beginnt, schon die Generierung der Informationen und ihre Interpretation durch dann eben nicht mehr unabhängige Experten zu organisieren. Genau das ist hier geschehen. Das BMI hat ersichtlich und am Ende mit großem Erfolg versucht, ein Informations- und Meinungskartell zu organisieren, das es den politischen Entscheidungsträgern in schwieriger Lage ermöglicht, durch eine Politik der Angst Entscheidungskompetenz auch ohne belastbare sachliche Rechtfertigung zu erlangen“ (Härting 9.2.2021).

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel übte sich in Angstrhetorik, als sie im April 2020 verkündete: „Wir dürfen uns keine Sekunde in Sicherheit wiegen“ (Tagesschau 20.4.2020). Was war das für eine Botschaft? Wer will in einer solchen Gesellschaft leben? Wollte man uns suggerieren, dass absolute Sicherheit möglich ist, und dass eine Regierung dafür sorgen kann, wenn man ihr blind vertraut? Wollte man uns Angst machen, um uns leichter zu regieren (Gigerenzer 7.3.2020)?

Vom Robert-Koch-Institut (RKI), einer Behörde des Gesundheitsministeriums, kamen und kommen irreführende und potentiell ängstigende Informationen. Das Institut verbreitete Grafiken, bei denen alle neuen Fälle auf die Zahl der alten Fälle aufsummiert werden, so dass eine stetige Ausbreitung der Krankheit suggeriert wurde. Es sprach von „Neuinfektionen“ oder „Neuerkrankungen“ anstelle von „positiv Getesteten“ und unterschied nicht zwischen leichten und schweren Erkrankungen. Es meldete alarmistisch steigende Ansteckungszahlen und relativierte dies nicht durch die steigenden Testzahlen. Die Anzahl der Gestorbenen wurde nicht, wie es korrekt gewesen wäre, auf die Zahl der mutmaßlich Infizierten bezogen, sondern auf die Zahl der positiv Getesteten, und damit weit übertrieben (Schrappe 3.5.2020, ZDF 11.5.2020, Lindinger 15.7.2020). Der ganze irreführende Zahlenschrott wurde von den Medien kritiklos weitergetragen (FR 16.5.2020, Merkur 3.8.2020).

So war die angeblich steigende Ansteckungszahl während des Coronaausbruchs in einer Fleischfabrik verursacht durch dieses rein lokale Ereignis und durch die verstärkten Testungen in der betroffenen Region – ohne Bedeutung für den Rest der Republik. Es bedurfte erst eines Gerichtsurteils, um das klarzustellen und den allgemeinen Lockdown im Kreis Gütersloh wieder zu beenden (Tagesschau 6.7.2020). RKI-Vizepräsident Lars Schaade raunte am 21. April, dass jeder schwer erkranken könne und keiner sich in Sicherheit wiegen könne. Am gleichen Tag betonte sein Chef Lothar Wieler: „Es ist kein Ende der Epidemie in Sicht, die Fallzahlen können wieder steigen“ und „selbst wenn es keine Fälle mehr gibt, müssen wir uns an Abstandsregeln halten“ (Wieler 21.4.2020).

In Großbritannien wurden am 19. Juli 2021 diese Regeln aufgehoben. Anna Schneider kommentierte in der WELT: „Nach Monaten staatlicher Einschränkungen kehrt an diesem ‚Freedom Day‘ die Eigenverantwortung für Bürger und Unternehmen zurück… es obliegt nicht dem Staat, jegliches Risiko auszumerzen: Das Leben ist kein ’safe space‘, kann es nie sein“ (WELT 19.7.2021). Neil Ferguson vom Imperial College London, bekannt für seine apokalyptischen Hochrechnungen, beschwor prompt 200’000 Coronafälle täglich herauf (MeinBezirk 22.6.2020, nd 6.7.2021). Das Gegenteil trat ein: Die Zahlen sanken rapide (tagesschau 30.7.2021, PHE 6.8.2021 Figure 1).

Wie stark die Pandemieregeln in Fleisch und Blut übergehen, zeigte eine Studie der JGU Mainz und der LMU München: Die Teilnehmer bevorzugten einen deutlich größeren Abstand zu anderen Menschen als früher (180 cm gegenüber vorpandemischen 120 cm), was nach Ansicht der Forscher auch Auswirkungen auf die Kommunikation hat, etwa „müsste man bei größerem Abstand lauter sprechen, um verstanden zu werden, und feine Nuancen der Mimik wären möglicherweise nicht mehr so gut zu erkennen“ (JGU 14.6.2021). Knapp die Hälfte der Deutschen will anscheinend auch nach der Pandemie eine Maske tragen (RND 2.6.2021).

Lothar Wieler erwähnte in einer Pressekonferenz am 28.7.2020 eine Studie der Universität Erfurt, mit der fortlaufend das Stimmungsbild in der Bevölkerung untersucht wurde, „um immer die entsprechenden Messages anzupassen“, also wohl das Angstniveau hoch zuhalten (Tagesschau 28.7.2020). Die ständig aufgewärmte Panik trieb wie ein Durchlauferhitzer die Politiker dazu an, sich in ihren Maßnahmen gegenseitig zu überbieten – eine Art „Schaulaufen“ (Schrappe 31.8.2020), befeuert durch den heraufziehenden Bundestags-Wahlkampf. Je drastischer die verordnete Kur, umso höher die Beliebtheit.

Der Soziologe Maurizio Bach sieht in der Angst ein Mittel zur Verhaltenssteuerung: „Wer Angst hat, unterwirft sich dem sozialen Druck und passt sich den geforderten sozialen Normen und Verhaltensstandards leichter an“. Angstpolitik sei jedoch ein zweischneidiges Schwert: Sie könne sich leicht eigendynamisch verstärken und verselbständigen und in einen sozio-politischen Systemwechsel münden, der die Demokratie beschädigen und die politische Moral untergraben könnte. Wird zum Beweis für politische Führungskraft die Angst vor dem Tod als Hintergrundmelodie angestimmt, dann trete an die Stelle von Meinungsaustausch, Interessenvermittlung und Kompromissfindung das „Postulat der fundamentalen Alternativlosigkeit“ und massiver Konformitätsdruck. Damit sei der Weg in einen autoritären Politikstil vorgezeichnet, und an die Stelle rationaler Diskurse trete die irrationale Angst als zentrales Steuerungsmedium der Politik (Bach 28.3.2021).

Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, hatte „wenig Verständnis für Politiker, die Panik verbreiten und jeden Anstieg der Infektionszahlen zum Anlass nehmen, sich in Szene zu setzen“ (Dtsch Ärztebl. 31.8.2020).  Walter Plassmann, Chef der KV Hamburg, meinte: „Wer die Gesellschaft mit immer neuen Hiobsbotschaften auf immer höhere Bäume treibt, der macht die Gesellschaft krank.“ Bei Corona sei „die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, sehr gering, die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, hoch gering und die Wahrscheinlichkeit, schwer zu erkranken oder gar zu sterben, äußerst gering (…). Es ist kein ,Killervirus‘, das uns zwingt, im aseptischen ,Panikraum‘ zu zittern, bis der Spuk vorbei ist“ (Focus 14.9.2020).

Mäßigende Stimmen fanden in dieser Aufwärtsspirale kein Gehör mehr. Schon frühzeitig mahnte der Psychologe und Philosoph Harald Walach dringend zum „Abstand zur Panik“ (Walach 22.3.2020). Klaus Püschel sagte: „Wenn wir diesem Virus, dieser Angst so viel Raum geben, dann hat das am Ende größere gesellschaftliche und medizinische Folgen, als die Krankheit selbst“ (Focus 24.4.2020). Tatsächlich sind nach einer Studie der amerikanischen Gesundheitsbehörden Angststörungen der zweitstärkste Risikofaktor für tödliche COVID-19-Verläufe (Kompaniyets 1.7.2021). Karin Meisner von der Hochschule Coburg schreibt über „Nocebo“-Effekte durch die Angststeuerung während der Pandemie: Sie könnten sich in der Verstärkung von Krankheitssymptomen oder Nebenwirkungen von Therapien äußern (Meisner 26.2.2021).

Eltern wurden in Panik versetzt durch Meldungen, Kinder könnten nach COVID-19 eine schwere Nacherkrankung erleiden: das Pädiatrische inflammatorische Multisystem Syndrome (PIMS), ein neues Krankheitsbild mit multipler Organentzündung. Das  PIMS trat 2020/21 durchschnittlich bei 25 Kindern pro Monat auf; es gab keine Todesfälle und nur einzelne Kinder mit bleibenden Schäden. Dasselbe günstige Ergebnis zeigte eine Studie aus Großbritannien (DGPI PIMS, Scoop 13.5.2021, Penner 24.5.2021). Nach britischen Zahlen war das PIMS im Sommer 2021 nahezu verschwunden. In Dänemark lag das Risiko für Kinder in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 bei 0,002% – insgesamt waren es 11 Fälle bei Ungeimpften und einer bei einem Geimpften (Brupbacher 9.9.2021, Holm 8.6.2022). In Deutschland ereignete sich ein PIMS bei 1: 40 000 – 80 000 COVID-Erkrankungen. Ab Mai 2022 waren es weniger als 3 Fälle pro Woche, ab Mitte November 2022 wurden keine Fälle mehr registriert. Bei fast allen PIMS-Fällen kam es zur kompletten Ausheilung (Ärztebl 7.10.2022, DGPI 29.1.2023).

Ende Mai 2020 wurde berichtet, dass Coronaviren in der Muttermilch gefunden wurde – bei einer(!) von zwei stillenden Müttern (SWR 27.5.2020). Im Juli kam die Nachricht über ein Neugeborenes auf die Titelseiten, das mit SARS CoV2 infiziert war (BILD 15.7.2020). Mitte Juli meldeten die Medien unisono, dass nach COVID-19 mit Langzeitfolgen zu rechnen ist (SPIEGEL 13.7.2020: „Viele Covid-19-Patienten haben noch Wochen später Beschwerden“. BR 20.7.2020: „Corona-Spätfolgen: Neurologische Schäden auch bei mildem Verlauf“). Erst im Kleingedruckten wurde dies relativiert, und man erfuhr, dass das auch bei anderen Viruserkrankungen vorkommen kann.

Im Januar 2022 wurde in den USA Panik geschürt, COVID-19 könnte bei Kindern zu Diabetes führen (NYtimes 7.1.2022). Die diesbezügliche Studie unterliegt zahlreichen Verzerrungen, vor allem: Übergewichtige Kinder mit hohem Diabetesrisiko – und davon gibt es in den USA wesentlich mehr als in Europa – erkranken eher symptomatisch an COVID 19; bei Kindern, die in einem Krankenhaus aufgenommen werden, wird eher ein verborgener Diabetes entdeckt.

Im November 2020 tat sich Markus Söder mit der Nachricht hervor „Die Todeszahlen sind aktuell so hoch, als würde jeden Tag ein Flugzeug abstürzen (RND 25.11.2020). Hendrik Streeck kommentierte diese Panikmeldung von Markus Söder folgendermaßen: „Wenn Herr Söder sagt, die Todeszahlen sind aktuell so hoch, als würde jeden Tag ein Flugzeug abstürzen, dann redet er an der Realität vorbei…. wenn man sich die Zahlen anschaut, dann ist es nicht die enorme Katastrophe, als die sie gerade dargestellt wird.“ (Coronoia 3.12.2020,rt.com 3.12.2020). Karl Lauterbach forderte am 6.12.2020, man müsse „deutschlandweit deutlich schärfere Beschränkungen beschließen, als wir sie momentan haben. Sonst haben wir Ende Januar noch einmal zusätzliche 25.000 Tote“ (Tagessspiegel 6.12.2020).

Ende Januar 2021 wurde dann Portugal und sein durch die Pandemie völlig überlastetes Gesundheitssystem zum abschreckenden Beispiel erkoren – auch mit Fake News à la Triage vor dem Krankenhaus“ (ZDF 1.2.2021). Nicht erwähnt wurden die ruinösen Sparmaßnahmen und Privatisierungen im portugiesischen Gesundheitswesen nach der Euro-Finanzkrise, auf Druck vor allem der deutschen Regierung (FR 3.2.2021). Hätte Deutschland so wenige Intensivbetten wie Portugal, dann wären die Intensivstationen seit November überfüllt: in Deutschland stehen für 100’000 Einwohner 38 Intensivbetten zur Verfügung, Portugal ist mit 4 Betten Schlusslicht in Europa (S. 4 bei WP 2020).

Die nächsten Panikmeldungen kamen aus Brasilien (t-online 1.4.2021) und Indien (fr 27.4.2021), Länder mit deutlich mehr Einwohnern als Deutschland und einem wesentlich schlechter funktionierenden Gesundheitssystem, und daher auch mit mehr Erkrankungen und Todesfällen. Die Meldungen sind wie immer illustriert mit Fotos und Videos, auf denen Särge und Leichenverbrennungen zu sehen sind. Den Medienmachern muss man einen gewissen Hang zur Nekrophilie unterstellen.

Im März 2022 lief die Meldung durch die Panikpresse, COVID-19 könnte zur Hirnschrumpfung führen, „auch bei mildem Verlauf“ (rtl 8.3.2022, SPIEGEL 8.3.2022, Douaud 7.3.2022). Dieselbe Meldung war schon einmal im Juni 2021 auf Grund derselben Studie (in Preprint-Veröffentlichung) in den Medien (rnd 21.6.2022, Douaud 15.6.2022). Schon damals wurde darauf hingewiesen, dass in der Kontrollgruppe der Studie eine frühere Corona-Erkrankung nicht durch Antikörpertests ausgeschlossen wurde, und dass es bei Menschen  mit Störungen des Riechvermögens (die ja bei COVID-19 häufig ist) zu solchen reversiblen „Anpassungen“ im Hirngewebe kommen kann. Das Gehirn ist „plastisch“ (Amy 18.6.2021).

Welchen anderen Zweck haben derartige Äußerungen und Meldungen als das Panikniveau hochzuhalten und Impfkampagnen und Einschränkungen der Grundrechte zu unterfüttern?

In Großbritannien veröffentlichten die Mitglieder der Scientific Pandemic Influenza Group on Behaviour (SPI-B) eine Entschuldigung. Sie erklärten es für „unethisch“ und „totalitär“, dass sie während der Covid-Pandemie Angst gefördert hatten, um das Verhalten der Menschen zu steuern. „Der Einsatz von Angst war definitiv ethisch fragwürdig. Es war wie ein unheimliches Experiment. Letztendlich ging es nach hinten los, weil die Leute zu viel Angst bekamen.“ Ein Mitglied der Gruppe warnte, „Leute könnten die Pandemie nutzen, um die Macht zu ergreifen … Wir müssen sehr vorsichtig sein mit dem Autoritarismus, der sich einschleicht“. Ein anderer sagte, sie seien fassungslos gewesen über die Aufrüstung der Verhaltenspsychologie während der Pandemie. „Die Psychologen schienen nicht zu merken, dass sie nicht mehr altruistisch waren, sondern manipulativ wurden. Sie haben zu viel Macht und das berauscht sie“.

Norbert Häring berichtete über eine „Projektgruppe Wissenschaftskommunikation“ am RKI, die von einer Psychologin geleitet wird und eine zweifelhafte Werbebroschüre für die 2G-Regelung veröffentlicht hatte. Die Gruppe arbeitete in einem interdisziplinären Team daran, Forschungsergebnisse und Informationen aus dem Robert Koch-Institut „zielgruppengerecht“ aufzubereiten: „Dabei kommen Methoden der empirischen Kognitions- und Verhaltenswissenschaften zum Einsatz.“  Projektpartner war unter anderem CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie), mit dem man an einem Projekt zusammenarbeitete, „das das allgemeine Wissen über Desinformation und Verschwörungserzählungen von Fachpersonal und Öffentlichkeit erhöhen soll“ (Härting 13.10.2021).

Der Propagandaforscher Jonas Tögel beschrieb in einem lesenswerten Artikel den gezielten Einsatz psychologischer Steuerung in der Coronapandemie. „Während Corona war dies zum Beispiel die Aussage, dass Lockdowns nun die ’neue Normalität‘ (new normal) seien. Ein anderer Themenbereich ist die Impfbereitschaft: um diese zu steigern wurden kleine Vergünstigungen wie ein kostenloser Snack als Belohnung gewährt. Solche kleinen ‚Schubser‘ sind meist nicht zufällig, sondern ihre Wirkung wird erforscht, bevor sie als psychologische Steuerungstechniken eingesetzt werden. (…) Die Stoßrichtung wurde vielmehr in enger Abstimmung mit den politischen Maßnahmen und den Vorgaben der WHO und der Regierungen festgelegt.“  Es gebe inzwischen weltweit an die 400 „Nudge-Units“, Expertenteams aus Psychologen und Kommunikationswissenschaftlern, die sich der Aufgabe widmeten, politische Entscheidungen so zu präsentieren, dass die Zustimmung der Bevölkerung besonders groß ist. Schon der Schriftsteller Aldous Huxley („Schöne neue Welt“) habe die Wirkung von Soft Power-Techniken treffend erkannt und in drastischen Worten vor den Diktaturen der Zukunft gewarnt.

Befürworter der psychologischen Steuerung betonteen, dass man Menschen unmerklich lenken müsse, wenn dies zu ihrem besten sei. Eine der Protagonistinnen der „gezielten psychologischen Beeinflussung“, so Jonas Tögel, sei die Psychologin Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation in Erfurt. Diese habe in einer im November 2022 veröffentlichten Studie festgestellt, dass durch das „Anschubsen“ („Nudging“) die gesellschaftliche Polarisierung verstärkt worden sei, bei der sich Geimpfte stark mit der eigenen Gruppe identifizierten und Ungeimpfte abwerteten. Als Konsequenz schlug Cornelia Betsch vor, die Impfung verpflichtend zu machen, da die Menschen sich dann „durch den Impfstatus nicht mehr von anderen unterscheiden können“ (Tögel 3.4.2023). Was für eine technokratische, menschenverachtende Schlussfolgerung!

Steve Baker, stellvertretender Vorsitzender der Covid Recovery Group der Tory-Abgeordneten sagte: „Wenn es wahr ist, dass der Staat die Entscheidung getroffen hat, die Öffentlichkeit in Angst und Schrecken zu versetzen, um die Einhaltung von Regeln zu erreichen, wirft das äußerst ernste Fragen auf über die Zukunft unserer Gesellschaft“ (Telegraph 14.5.2021).

Für jedermann greifbar waren die Auswirkungen des hohen Panikniveaus auf die Psyche der Menschen: Die Gereiztheit, wenn man jemandem aus Versehen zu nahe kam; die Zerwürfnisse zwischen ehemals guten Freunden; die Denunziationen, zu denen teilweise auch von Behörden oder Ärztekammern aufgefordert wurde (Bonelli 19.10.2020, WDR 20.10.2020, Dtsch Ärztebl. 16.11.2020), die aggressive Stimmung in den sozialen Medien, die Hexenjagd auf Andersdenkende (Bonelli 9.7.2020). Nach einer Erhebung in der Schweiz von Ende Oktober 2020 nahmen immer weniger Menschen in ihrem Umfeld Freundlichkeit und Solidarität wahr. Im Zunehmen begriffen seien dagegen Misstrauen, Egoismus und Aggressivität (Sotomo 6.11.2020).

Die Zahl der Hilfesuchenden und Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen stieg in der Pandemie massiv an (BILD 1.3.2022, DAK 2.3.2022). Die WHO stellte eine weltweite Zunahme von Angststörungen und Depressionen um 25 Prozent fest, vornehmlich bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (WHO 2.3.2022). Psychologen konstatierten eine Zunahme von Angststörungen, Depressionen, Zwangsstörungen, Suchterkrankungen, Misstrauen und Aggressivität (Sønderskov Apr 2020, FAZ 17.12.2020). Eine besonder starke Zunahme gab es bei beziehungsbezogenen Pathologien, gefolgt von Angststörungen, berufsbezogenen Störungen und weiteren intrapersonellen Krankheitsbildern. Es gab teils deutliche Zusammenhänge zwischen Anstiegen von Hilfesuchenden mit einzelnen Lockdown-Maßnahmen. Verhaltensökonomen beobachteten eine deutliche Auswirkung emotionaler, negativ getönter Medieninhalte in journalistischen und sozialen Medien auf die psychische Gesundheit. Auch die extrem intensive Berichterstattung in reichweitestarken journalistischen Medien zeigte starke Negativeffekte, insbesondere wenn die Beiträge stark emotional aufgeladen waren (Behnen 10.12.2021).

Auch im Frühjahr 2023 hatte die Coronapandemie noch immer einen starken Einfluss auf die psychische Gesundheit. Dies gilt laut der Studie „Psychische Gesundheit in der Krise“ der Betriebskrankenkasse Pronova BKK insbesondere für Familien und für 18- bis 30-Jährige. Lockdowns, Homeoffice und Homeschooling hätten die Nerven in Familien oft überreizt (Ärztebl 20.4.2023).

Der ehemalige Aichacher Amtsarzt Friedrich Pürner sagt in einem Interview: „Wir haben Panik-Stimmung. Ich arbeite an der Basis, wir erleben es, dass Bürger aus Angst betteln, in Quarantäne geschickt zu werden. Bei den Leuten entsteht – durch die ständige Überdramatisierung und den Alarmismus – ein Erschöpfungszustand. So verspielt man Vertrauen. Auch Kinder bleiben auf der Strecke“ (Merkur 21.10.2020).

Der Wiener Psychiater Raphael Bonelli stellte fest: „Dieses Sicherheitsdenken macht Leben unmöglich, macht Beziehung unmöglich (…) Angst macht Vermeidungsverhalten. Vermeidungsverhalten wird im Moment hoch gelobt, ist moralisch hochstehend. Normalität, kein Vermeidungsverhalten, normales Leben wird pathologisiert, schlechtgeredet, wird in die Ecke des Unvernünftigen oder gar Rücksichtslosen gerückt, so dass die Bevölkerung langsam in ihrem neurotischen Kern, den wir jetzt schon haben, immer weiter in Richtung neurotischem Verhalten getrieben wird“ (Bonelli 15.9.2020).

Als Beispiel für menschenverachtende, krankmachende Pandemie-Vorschriften hier zwei Meldungen von Anfang Dezember 2021:

  • „Seit heute müssen in dem Klinikum alle Mütter täglich PCR-Tests machen, um zu ihren Babys auf die Frühchenstation zu dürfen. Dafür müssen sie draußen stundenlang in der Kälte Schlange stehen! Egal ob frisch nach dem Kaiserschnitt, trotz Wochenfluss etc !! (Suhr, 1.12.2021).
  • „So könnte Weihnachten mit einem ungeimpften Familienmitglied aussehen: Beispiel: Drei erwachsene Geschwister, die alle verheiratet sind und Kinder haben, wollen sich an den Feiertagen mit ihren Eltern treffen, um gemeinsam Weihnachten zu feiern. Sind alle Familienmitglieder, die älter als 13 Jahre sind geimpft, ist das kein Problem. Ist aber nur eine Person über 13 Jahren nicht geimpft, muss die Familie sich entscheiden: Wollen alle gemeinsam ohne die ungeimpfte Person feiern? Oder treffen sich womöglich zwei Familienmitglieder aus einem Haushalt mit der Familie der oder des Ungeimpften, während der Rest der Familie gemeinsam feiert“ (WDR 3.12.2021).

Die Trauma-Therapeutin Michaela Huber sprach in einem Interview von „kollektiver Traumatisierung“ und sagte: „Wir müssen aufpassen, dass wir in unserer Gesellschaft nicht etwas re-inszenieren, was Faschismus heißt“ (FFCH Okt 2020). Der Soziologe Maurizio Bach schrieb: Ist die Angst als zentrales Medium der Politik aber erst einmal dominierend geworden, dann wird sie sich nicht mehr so leicht aus der Welt schaffen lassen. Dann ist ein fataler Teufelskreis von Anpassungszwängen, Radikalisierung, Depressionen und staatlichem Autoritarismus in Gang gekommen, der sich nur schwer wieder stoppen lässt… (und) zum idealen Sprungbrett für autoritäre Demokratien in Europa werden könnte“ (Bach 28.3.2021).

Der Leipziger Kinder- und Jugendpsychologe Julian Schmitz sagte im ZDF: „…man kann davon ausgehen, dass vielleicht fünf Prozent im Zuge von Corona eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung bekommen – alles neue Patienten in einem System, das schon vorher stark überlastet war“ (ZDF 14.4.2020). Sogar das Bundesinnenministerium selbst warnte in einem Strategiepapier vor den psychosozialen Effekten der Coronavirus-Krise: Aggressivität und Verrohung, Anstieg häuslicher Gewalt, Denunziantentum, posttraumatische Belastungsstörungen, steigender Alkoholkonsum sowie Zunahme von Selbstmorden (Tagesspiegel 10.4.2020).

Gunther Moll, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Erlangen, sprach in einem Interview über die Zunahme psychischer Erkrankungen und riet zu einem radikalen Systemwechsel, um Kinder und Jugendliche nachhaltig zu schützen. „Sehr viele unserer jungen Patienten sind seit Beginn der Pandemie in einer Angstspirale gefangen. Sie haben Angst, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Für sich privat, in der Schule und in der Familie. Viele haben Angst vor der Zukunft, weil sie nicht wissen, wie sie die Schule schaffen sollen. Die Kinder haben Angst davor, sich mit Corona anzustecken oder ihre Angehörigen, allen voran die Großeltern, zu gefährden. Sie leben in ständiger Sorge und Anspannung und spüren natürlich auch die Anspannung in ihrem direkten Umfeld, also von Seiten der Eltern, Betreuungs- oder Lehrkräfte. Auch macht es Angst, wenn die Eltern gereizt sind, sich Sorgen um ihre Arbeit machen oder ständig nur streiten. Am zweithäufigsten sind Verstimmungen und Depressionen, vor allem als Folge der fehlenden Aktivitäten und der Einsamkeit“ (Nordbayern 19.11.2021).

Im gesamten Jahr 2020 war die Zahl der Kindesmisshandlungen gegenüber dem Vorjahr um 10,8 % angestiegen (von 4100 auf 4542 Fälle), bei unter Sechsjährigen sogar um 11,5 % (1937 Fälle). Es wurden 985 (6,1%) mehr Kinder sexuell missbraucht und 40 (36%) mehr Kinder zu Hause getötet (BILD 27.5.2021 AZ 21.7.2021, tagesspiegel 29.8.2021). In Frankreich nahmen während des Lockdowns die Anrufe bei der nationalen Hotline für Kindesmissbrauch um 89 % zu, die Zahl der Hausbesuche von Strafverfolgungsbeamten um 48 % und die relative Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten wegen Kindesmissbrauchs um 50 % (Park 13.9.2022). Die Dunkelziffer ist unbekannt, wahrscheinlich sind viele Fälle etwa wegen der Schulschließungen unentdeckt geblieben. BILD-Redakteur Julian Reichelt entschuldigte sich stellvertretend bei den Kindern, die Gewalt, Vernachlässigung, Isolation, seelische Einsamkeit erlebten: „Wir bitten Euch um Verzeihung für anderthalb Jahre einer Politik, die Euch zu Opfern gemacht hat“  (BILD 27.5.2021).

Während des ersten Lockdowns kam es zu einem markanten Anstieg häuslicher Gewalt. Nach Angaben der Gewaltschutzambulanz der Charité stieg die Zahl der dort registrierten Kindesmisshandlungen um 23 Prozent (rbb 2.7.2020). In einer Londoner Ambulanz wurde eine 15fache Zunahme schwerer Kopftraumen bei Säuglingen registriert (BMJ 24.6.2020). In den USA stieg die Rate der Angststörungen und Depressionen um 30%, der Gebrauch von Drogen und Absichten zur Selbsttötung nahmen um über 10% zu (MMRW 14.8.2020). Nach einem Bericht im NDR dürften sich die Auswirkungen der Pandemie auf das Suchtverhalten erst nach Jahren zeigen. Seit Beginn der Pandemie sei der Alkoholkonsum deutlich angestiegen. In Hamburg habe man 17 Prozent mehr Kokainreste im Abwasser gefunden. Suchtexpertin Grämke meinte: „Im Suchtbereich wird uns das noch in den nächsten Jahren verfolgen und wird auch dann erst so richtig aufploppen.“ (ndr 19.4.2022).

Die Frage ist: Wie kommen wir aus dieser chronischen Paniksituation wieder heraus? Wann werden sich die Menschen wieder unbefangen begegnen können, ohne den Hauch des Todes in der Atemluft des anderen zu vermuten?

Maurizio Bach empfahl der Gesellschaft, die Corona-Krise ebenso wie anderer Risiken „weitgehend lautlos, pragmatisch und unaufgeregt“ zu verarbeiten: „Dabei ginge es zum einen darum, die praktische Pandemiebekämpfung primär der Ärzteschaft und den Kliniken zu überlassen. Das sollte mit einem massiven und beschleunigten Not- und Ausbauprogramm im Gesundheitswesen verbunden werden“. Die Bevölkerung sollte „in einem ruhigen und sachlichen Ton umfassend und differenziert, mit aussagekräftigen Statistiken sowie praktikablen Verhaltensempfehlungen über die Pandemielage, die tatsächlichen Risiken und Erfolge“  informiert werden. Ziel müsse es sein, den diffusen und irrationalen Ängsten in der Bevölkerung entgegenzuwirken und für freiwillige Vorsicht und Solidarität zu werben. Die Einschränkung der Grundrechte sei dem ebenso abträglich wie die Gefährdung der Existenz zahlreicher Berufsgruppen und Unternehmer (Bach 28.3.2021).

Das British Medical Journal hat sich zu Weihnachten 2021 der Frage gewidmet, wann die Pandemie denn vorbei sei (Robertson 14.12.2021). Es gebe dafür keine allgemeingültige Definition: „Die Allgegenwart von Dashboards hat dazu beigetragen, den Eindruck zu erwecken, dass die Pandemie vorbei ist, wenn alle Indikatoren des Dashboards entweder Null (Infektionen, Fälle, Todesfälle) oder 100 (Prozentsatz der Geimpften) erreichen. Die Atemwegspandemien des vergangenen Jahrhunderts zeigen jedoch, dass es keine eindeutigen Endpunkte gibt und dass das Ende einer Pandemie besser mit der Wiederaufnahme des sozialen Lebens und nicht mit dem Erreichen bestimmter epidemiologischer Ziele zu verstehen ist. (..) Pandemie-Dashboards liefern endlosen Zündstoff und sorgen für den ständigen Nachrichtenwert der Covid-19-Pandemie, selbst wenn die Bedrohung gering ist. Auf diese Weise können sie die Pandemie verlängern, indem sie das Gefühl eines Abschlusses oder einer Rückkehr zum Leben vor der Pandemie einschränken. (…) Das Ende einer Pandemie ist eher eine Frage der gelebten Erfahrung und damit eher ein soziologisches als ein biologisches Phänomen. Pandemien sind weit von einem dramatischen „Ende“ entfernt und klingen allmählich ab, wenn sich die Gesellschaft an das Leben mit dem neuen Krankheitserreger gewöhnt und das soziale Leben zur Normalität zurückkehrt.

Die Covid-19-Pandemie war eine außergewöhnliche Periode, in der das gesellschaftliche Leben auf den Kopf gestellt wurde, und sie wird zu Ende sein, wenn wir unsere Bildschirme ausschalten und beschließen, dass andere Themen wieder unserer Aufmerksamkeit wert sind. Im Gegensatz zu ihrem Beginn wird das Ende der Pandemie nicht im Fernsehen übertragen werden (Robertson 14.12.2021)

Jessica Hamed ist da allerdings pessimistischer: „Die Regierung hat von der Justiz zu viel Macht zugebilligt und zu wenig Grenzen gesetzt bekommen. Das hat sich in zwei Jahren nicht geändert und wird sich nicht mehr ändern. Die Pandemie ist zu Ende, wenn die Politik sagt, sie ist zu Ende. Das muss man sich klar machen“ (Cicero 7.2.2021, Bezahlschranke).

Verschiedene deutsche Fachleute forderten Anfang Februar 2022 in einem Papier „Mehr Sorgfalt bei der Kommunikation von Pandemierisiken!“ Die Instrumentalisierung von Angst erzeuge „eine Reihe psychischer Erkrankungen, die zu einer hohen Krankheitslast bei den Betroffenen, aber auch gesamtgesellschaftlich zu hohen sozioökonomischen Schäden führen können. Der wissentliche oder unwissentliche Einsatz von Angst – sei es durch undifferenzierte, übersteigerte oder einseitige Kommunikation von Risiken – nimmt daher bewusst oder unbewusst gesundheitliche Folgen in Kauf (z.B. Verstärkung psychologischer Folgen wie depressiver Störungen, Schlafstörungen oder Suchterkrankungen, eine reduzierte Annahme von Präventionsangeboten bei Kindern und Erwachsenen sowie gesundheitlicher Folgen, die sich aus gemiedenen Bildungsangeboten ergeben)“ (Briest 3.2.2022).

Das Versagen der Medien

Die Medien als „vierte Gewalt“ im Staat haben während der Corona-Krise auf ganzer Linie versagt. Zumindest die öffentlich-rechtlichen Medien haben einen Bildungsauftrag und sollen die freiheitlich demokratische Grundordnung garantieren, indem sie den Bürger mündig machen und ihm die Wirklichkeit möglichst wertfrei vermitteln. Die Mehrzahl der tonangebenden Medien – von ARD über ZDF bis hin zur Süddeutschen Zeitung – sah sich jedoch ganz der Regierungslinie und dem Kampf gegen das Virus verpflichtet. Die Mainstream-Medien halfen bereitwillig mit, die Öffentlichkeit mit angstauslösenden Informationen zu bombardieren (Sidley 23.3.2021). Alles andere wurde weitgehend ausgeblendet, Kritiker wurden ignoriert oder verunglimpft, Schlagzeilen und Berichte waren ganz offensichtlich tendenziös.

Beispielhaft war der diffamierende Bericht „Ein Kommissar verunsichert“ in der Süddeutschen Zeitung vom 13.8.2020, in dem ein Polizist, der auf einer Demonstration gesprochen hatte, nur auf Grund dieser Tatsache mit Antisemitismus in Verbindung gebracht wurde (SZ 13.8.2020). Wenig später beleidigte dieselbe Zeitung Demonstranten mit den Worten: „Der Staat muss das perfide Treiben der Corona-Leugner aushalten“ (SZ 26.8.2020). Die Süddeutsche Zeitung schreckte auch nicht davor zurück, Journalistenkollegen zu diffamieren, die bei der Bundespressekonferenz kritische Fragen stellen (Wallasch 19.2.2021). Der SPIEGEL schwang sich zum Richter über gute und schlechte Virologie auf und zählte Hendrik Streeck und Klaus Stöhr zu den „Propheten auf dem Irrweg“ (kress 8.3.2021).

Unterste Schublade war ein Interview, das die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem Leopoldina-Mitglied Armin Falk führte und kommentarlos veröffentlichte. Der Ökonom verstieg sich zu Aussagen wie „sich nicht impfen zu lassen, hat nichts mit Rationalität zu tun, sondern einfach nur mit Eigennutz“, Impfskeptiker seien „Trittbrettfahrer der übelsten Sorte“, die auch als solche „gebrandmarkt“ werden sollten, und man müsste aktiv einer Impfung widersprechen, sonst solle man geimpft werden. Er schlug vor, sie in einer Notfallsituation gegenüber Geimpften zu benachteiligen. Hubert Aiwangers Impf-Zurückhaltung kommentierte er mit der Beschimpfung Klappe halten, impfen lassen (faz 29.7.2021, Bezahlschranke, Hamed 30.7.2021, Guérot 29.7.2021, Hamed 6.7.2021).

In der Berichterstattung von ARD und ZDF konstatierten Medienforscher ein „permanentes Krisen- und Bedrohungsszenario“, „Inszenierungsstrategien wie in Hollywood-Blockbustern“ und einen wenig differenzierten „Tunnelblick“ (PNP 18.8.2020, Hennig Aug. 2020). Eine Umfrage der Uni Salzburg ergab, dass Menschen, die vor allem öffentlich-rechtliche Medien nutzen, ihr Sterbe-Risiko dreimal höher überschätzten als solche, die eher andere Informationsquellen nutzen (Focus 18.3.2021). Eine repräsentative Befragung von etwa 1000 Deutschen zeigte, dass die öffentlich-rechtlichen Sender den wissenschaftlichen Diskurs nicht fair abbildeten: Sie überbetonten den Nutzen der Impfungen und verschwiegen mögliche Schäden und Probleme. Diejenigen, die beim Impfen zögerlich waren, holten sich ihre Information eher aus der wissenschaftlichen Literatur als aus den Leitmedien (Walach 3.1.2022).

Matthias Schrappe stellte fest: „Statt Argumente auszutauschen und als Forum einer durch Pluralität herzustellenden Lösungsoptimierung zu dienen, ergreifen die Medien selbst Partei, definieren die Wahrheit und das Vernünftige und gerieren sich als quasi regierungsamtliche Verkünder der richtigen Linie. Der Fakten-Check wird zur Selbstlegitimation – dass es zu zahlreichen Fragen durchaus berechtigte, differierende Gesichtspunkte gibt (mit erheblicher Lösungskompetenz) wird ausgeblendet“ (Schrappe 29.06.2020).

Die WELT schrieb: „Aktivistische Wissenschaftler:innen wie Melanie Brinkmann, die immer wieder für mehr und schärfere Lockdowns eintrat, werden von Medien hofiert, deren Leitartikler sich in Teilen gewissermaßen ehrenamtlich. (…) Die Rolle der Medien, sich selbst auf das Sprachrohr „DER Wissenschaft“ zu reduzieren, wird bald zu untersuchen sein. Sie gehört mit zu den traurigsten Kapiteln der Geschichte des Journalismus seit 1945″ (WELT 13.1.2022, Bezahlschranke).

Einen ähnlichen Tenor hatte später ein Kommentar von Timo Rieg im Deutschlandfunk: „Unverzeihlich finde ich dieses Versäumnis in der Branche, die im demokratischen Diskurs doch auch fürs Querdenken zuständig ist: im Journalismus. Dort nennt sich die Tätigkeit allerdings recherchieren. Recherchieren heißt, Fragen zu stellen und Antworten zu suchen, ergebnisoffen, vielfältig. Wer jedoch meint, selbst schon alles zu wissen, oder wer andere Meinungen dogmatisch als Quatsch ablehnt, der recherchiert nicht mehr. (…) Zur Aufarbeitung der Corona-Zeit gehört deshalb auch eine Aufarbeitung des medialen Diskurses – und eine Rehabilitierung des Querdenkens, ohne das wir uns die Idee, demokratisch nach den besten Lösungen zu suchen, schenken können.  (dlf 7.2.2023).

Die großen deutschen Medienfamilien Mohn (RTL, VOX, N-TV, Stern, Spiegel zu 25%), Burda (Focus, Radio Arabella, Radio Gong) und Springer (BILD, WELT, N24), die den größten Teil der überregionalen Medien Deutschlands kontrollieren, pflegen enge Beziehungen zur Regierungsspitze und sind dadurch der Befangenheit verdächtig (daturax 12.3.2020). „Angela Merkel kann auf das Wohlwollen der Medien zählen“ (Handelsblatt 8.6.2005).

Erhellend war die anonyme (!) Wortmeldung eines Journalisten, der beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeitet. Er war der Ansicht, dass in der Corona-Krise (…) zunehmend journalistische Standards und Grundsätze über Bord geworfen wurden… Das wiederum sorgt dafür, dass die Medien als demokratisches Korrektiv quasi bedeutungslos geworden sind, was wiederum den Machtbestrebungen großer Teile der Politik in die Hände spielt… George Orwell soll gesagt haben, dass Journalismus ist, wenn man etwas veröffentlicht, was jemand nicht veröffentlicht haben möchte. Alles andere sei Propaganda. Gemessen an diesem Anspruch muss man leider sagen, dass die Mainstream-Medien in der Corona-Krise zu 99 Prozent nur Propaganda liefern“ (multipolar 31.1.2021).

Der SWR-Mitarbeiter Ole Skambraks schrieb im Oktober einen offenen Brief mit dem Titel „Ich kann nicht mehr“, in dem er sich kritisch zur Corona-Berichterstattung äußerte. „Ich kann nicht mehr wortlos hinnehmen, was seit nunmehr anderthalb Jahren bei meinem Arbeitgeber, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk passiert. In den Statuten und Medienstaatsverträgen sind Dinge wie ‚Ausgewogenheit‘, ‚gesellschaftlicher Zusammenhalt‘ und ‚Diversität‘ in der Berichterstattung verankert. Praktiziert wird das genaue Gegenteil. Einen wahrhaftigen Diskurs und Austausch, in dem sich alle Teile der Gesellschaft wiederfinden, gibt es nicht (multipolar 5.10.2021). Am 22.10. 2021 stellte der Sender seinen Mitarbeiter vom Dienst frei – ohne Begründung. Die Nachrichtenagentur dpa veröffentlichte einen Faktencheck zu Skambraks offenen Brief, auf den Multipolar mit einer Beschwerde beim Presserat reagierte (multipolar 26.10.2021).

Der österreichische Journalist und TV-Moderator Reinhard Jesionek schilderte in einem Videobeitrag die Angst der Pressemitarbeiter vor Repressionen, die ständige „Schere im Kopf“, um nichts Unerwünschtes zu berichten. Das ORF-Zentrum sei seit Monaten so abgesichert wie ein Atomkraftwerk; die Angst vor dem Coronavirus werde nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera empfunden und gelebt; Kritik sei intern unerwünscht. Medien würden heute Meinungen und nicht Informationen verbreiten („tell-a-vision“ statt Television) – Meinungen, die entweder von politisch Verantwortlichen oder von Geldgebern vorgegeben seien (Jesionek 3.10.2021).

Die BILD-Zeitung berichtete über „False balance“, den Vorwurf der Unausgewogenheit, der die Medien davon abbringen soll, Andersdenkende oder Kritiker zu Wort kommen zu lassen oder über Demonstrationen zu berichten (BILD 7.9.2021, Bezahlschranke; Foto des Artikels in Twitter).

Das Bundesgesundheitsministerium hatte in den Jahren 2020 bis 2022 mehr als 250 Millionen Euro für Werbekampagnen im Zusammenhang mit dem Coronavirus und der COVID-19-Impfung aus,gegeben u.a. für Printanzeigen, TV- und Radiospots, Webbanner in sozialen Medien (kress 22.3.2022).

Die dänische Zeitung Extrablatt entschuldigte sich im Januar 2022 bei ihren Lesern für ihr Versagen bei der Kontrolle der Regierung  (BILD 13.1.2022).

Anfang Juli 2023 schrieb Dirk Jacobs, ZDF-Fernsehjournalist, in der Berliner Zeitung: „Der Erklärungsversuch, damals habe man es auch im Journalismus nicht besser wissen können, ist nur schwer zu akzeptieren; zu jeder Zeit wurden Fragen gestellt, Zweifel geäußert, gab es abweichende, kritische Expertise auch aus der Wissenschaft. (…) Warum gab es nicht, alternativ, eine starke moralische Positionierung für die Erhaltung der Grundrechte? Oder für eine Politik der möglichst wenigen Extremmaßnahmen? Moralische Wucht im Journalismus gab es immer schon, aber nie habe ich sie in mehr als 20 Berufsjahren so stark erlebt wie bei Corona. Wie konnte sie so stark werden, dass diverse Zweifel kaum noch verfolgt wurden? Warum haben wir einer Gruppe von Wissenschaftlern eine derartige Gefolgschaft geleistet und andere eher ignoriert? Wieso haben wir journalistisch einen solchen Siegeszug der Angst zugelassen, der für die regulierenden Prozesse in einer demokratischen Gesellschaft ja hochproblematisch ist?“   (BZ 1.7.2023).

Die Impfung gegen Coronavirus: Nutzen und Risiken

Diesen Abschnitt finden Sie in einem extra-Beitrag, s. hier

Behandlungsoptionen von COVID-19

Bei Influenza begünstigt die Behandlung mit fiebersenkenden Mitteln die Entwicklung von Komplikationen und die Übertragung der Viren auf Kontaktpersonen (Eyers 1.10.2010, Earn 21.1.2014). Für COVID-19 dürfte das auch zutreffen: „Es hat sich gezeigt, dass erhöhte Temperaturen wie ein systemisches Alarmsystem wirken, das das Immunsystem bei einer Herausforderung durch eindringende Krankheitserreger aktiviert. Durch die Unterdrückung der Fieberreaktion wird auch die damit verbundene hyperämische Reaktion, die erhöhte Lymphozytenaktivität und die damit verbundene Sauerstoffversorgung des Organgewebes unterdrückt“ (Jamerson 25.5.2020).

Hilfreich ist eine gute Vitamin D-Versorgung. Die Autoren einer israelischen Studie zu diesem Thema empfehlen die Einnahme von Vitamin D während der Pandemie, denn, „wenn es in vernünftigen Mengen und gemäß den offiziellen Empfehlungen eingenommen wird, hat es keine Nachteile“ (ToI 3.2.2022). Eine italienische Studie sieht einen Zusammenhang zwischen schlechter Vitamin-D-Versorgung und schwereren Krankheitsverläufen (D’Ecclesiis 6.7.2022).

Symptomatische COVID19-Patienten können durch Gurgeln und Zahnreinigung mit virusaktiven Desinfektionsmitteln die Viruslast verringern. Nach einer Studie aus Brasilien wirkte sich die regelmäßige Verwendung von Phtalozyanin-haltigen Mundspülungen und Zahnputzmitteln signifikant positiv auf die klinischen Symptome aus (Poleti 8.12.2021). Nach Angabe von Ex-STIKO-Chef Klaus-Dieter Zastrow ist auch eine tägliche Mundspülung über 30 Sekunden mit verdünnter Betaisodona-Lösung (1 ml Betaisodona in >1 ml Wasser) wirksam (Reitschuster 2.12.2021 ab Min. 44).

Im November 2021 wurden erstmals Medikamente zur spezifischen Behandlung von COVID-19 zugelassen: Monoklonale Antikörper, die im Sinne einer Passivimpfung Risikopatienten in der frühen Krankheitsphase – möglichst in der ersten Krankheitswoche verabreicht – vor einem schwerem Verlauf schützen können. Es handelt sich um Ronapreve(Casirivimab/Imdevimab) von Roche Registration GmbH sowie Regkirona(Regdanvimab) von Celltrion Healthcare Hungary Kft (Bezug über die Apotheken der Universitätsmedizin). Zielgruppe sind Menschen, die auf die Impfung nicht ansprechen (Krebspatienten und chronisch Kranke) sowie Ungeimpfte mit einem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Ronapreve soll auch zur Prävention etwa von Familienmitgliedern eingesetzt werden. Regeneron soll nach subkutaner Gabe mehrere Monate vor einer Ansteckung schützen. Die Verträglichkeit soll gut sein. Eine Wirkung bei schwer erkrankten Patienten ist bisher nicht belegt (Ärztebl 11.11.2021).

Laboruntersuchungen lassen darauf schließen, dass die Omikron-Variante weitgehend resistent gegen Medikamente auf Antikörper-Basis ist (FAU 11.1.2022).

Seit 2020 ist in der EU die antivirale Behandlung einer sauerstoffpflichtigen Lungenentzündung mit Veklury (Remdesivir) von Gilead zugelassen. Die Therapie beginn muss innerhalb von sieben Tagen nach den ersten Symptomen beginnen. Der Nutzen ist unklar, und das RKI stuft Veklury als Mittel der Reserve ein. Laut arznei-telegramm sollte die Therapie nur im Einzelfall bei sehr hohem Risiko in Betracht gezogen werden (a-t 21.1.2022). Eine ambulante Gabe ist wegen der an drei aufeinander Tagen notwendigen Infusionen (Dauer 30 bis 120 Min.)  jedoch nicht praktikabel. Zudem muss eine Notfallbehandlung eventueller schwerer allergischer Reaktionen möglich sein.

Seit Januar 2022 ist ein weiteres im Schnellverfahren zugelassenes Medikament in Deutschland auf den Markt: Paxlovid (Nirmatrelvir plus Ritonavir) von Pfizer. Das oral einzunehmende Medikament wirkt intrazellulär. Es kann eine Infektion nicht verhindern, aber die Vermehrung von SARS CoV2 hemmen, und kann bei Patienten, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben, die Gefahr senken, nach einer Infektion ins Krankenhaus zu müssen oder zu sterben. Die Behandlung muss allerdings spätestens fünf Tage nach Aufkommen der ersten Krankheitssymptome beginnen und macht nur Sinn, wenn der Patient älter als 65 Jahre alt ist und zum ersten Mal an COVID-19 erkrankt (Rabe 2.6.2022). Nach Ende der Einnahme kann es zu einem Wiederaufflammen der Erkrankung kommen (CBS 31.5.2022). Bei Geimpften ist der Nutzen gering, bei Personen ohne Risikofaktoren und bei unter 65-Jährigen ist gar kein Nutzen nachweisbar (a-t 13.6.2022, Bezahlschranke, a-t 8.7.2022). Empfohlen ist Paxlovid nur für ungeimpfte über 65-Jährige mit Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf. Nur bei dieser Gruppe gibt es statistisch einen Nutzen, die Kosten zur Verhinderung eines Krankenhausaufenthaltes dürften aber eine halbe Million US-Dollar betragen (Boulware 25.8.2022). Es ist jedoch fraglich, ob Paxlovid bei Omikron einen Effekt hat – die Zulassungsstudie wurde 2021 gemacht, und sie war überdies zu 100% von Pfizer gesponstert. Zu den Nebenwirkungen ist noch nicht viel bekannt, Kanzerogenitätsstudien liegen jedenfalls nicht vor. Ein Problem dürfte sein, dass Paxlovid lebensbedrohliche Wechselwirkungen mit zahlreichen Medikamenten haben kann (Liste: BfArm 2022), und dass es Resistenzen hervorruft und vermutlich Virusmutationen begünstigt (Heilmann 4.7.2022). In einer Stellungnahmeder Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften in Berlin heißt es, ein Entscheidungskriterium, ob jemand Paxlovid bekommt, sei „das Vorliegen mehrerer Risikofaktoren oder dominierender Einzelfaktoren für einen schweren Verlauf von Covid-19“  (ZEIT 10.1.2022, cj 29.4.2022). Karl Lauterbach, der offensichtlich ein Herz für die Firma Pfizer hat, versuchte im Sommer 2022 Paxlovid zu pushen: Sein Haus stellte Hausärzten eine Vergütung von 15 Euro pro Packung Paxlovid in Aussicht, wenn sie das Medikament an Patienten abgeben, und er nahm es selber ein, als er trotz viermaliger Impfung erkrankte (Dtsch Ärztebl 2.8.2022, jouwatch 12.8.2022). Derartige Reklame ist wohl notwendig, denn die deutsche Bundesregierung hat 1 Million Packungen des Medikaments bestellt.

Das antivirale Medikament Lagevrio (Molnupiravir) soll schwere Krankheits- und Todesfälle bei Covid-19-Risikopatienten verhindern oder verringern können. Trotz fehlender Zulassung im Europa hatte das Bundesgesundheitsministerium 80.000 Dosen bestellt und das Medikament in Deutschland in den Verkehr gebracht. Neue Daten deuten jedoch darauf hin, dass der Pharmakonzern den Nutzen übertrieben und die Schäden unterschätzt hat. Die Phase-III-Studie wurde während dem Vorherrschen der Deltavariante durchgeführt, wurde vorzeitig abgebrochen und weist eine signifikante Verzerrung der Daten auf. Später durchgeführte Studien fanden einen deutlich geringeren oder gar keinen Nutzen. Auch die Sicherheit von Molnupiravir ist zweifelhaft. Das Medikament wirkt, indem es beim Virus Mutationen verursacht (mutagen), und könnte auch die Zellteilung von blutbildenden Zellen unterdrücken (Demasi 28.3.2022, PZ 6.2.2023).

Der Nutzen von Ivermectin ist noch ungeklärt. Der japanische Produzent Kowa Co Ltd teilte im Januar mit, in der Phase III-Studie habe das Medikament eine antivirale Wirksamkeit gezeigt. Eine Wirksamkeitsstudie an der Universität Oxford war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen (reuters 31.1.2022). In einer randomisierten Studie aus Malaysia konnte Ivermectin das Risiko einer schweren Erkrankung bei Patienten mit COVID-19 und Vorerkrankungen nicht senken (Loon Lim 18.2.2022). Eine Untersuchung aus den USA fand keinen Effekt einer Frühbehandlung mit Ivermectin, um Krankenhausaufnahmen zu vermeiden (Reis 5.5.2022).

Inhalative Steroide, wie sie bei Asthma verwendet werden, reduzieren wahrscheinlich das Risiko einer Krankenhauseinweisung wegen COVID-19 und erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer rascheren Rückbildung der Symptome (Cochrane 11.3.2022).

Masken – im öffentlichen Raum unwirksam

Nachdem es in den ersten Wochen der Pandemie hieß, Gesichtsmasken würden die Übertragung des Coronavirus nicht verhindern, wurde Ende April 2020 in öffentlichen Verkehrsmitteln, Geschäften, Arztpraxen, Schulen und an anderen Orten eine Maskenpflicht verordnet. Erlaubt wurden zunächst auch selbstgenähte „Alltagsmasken“ oder die Bedeckung von Nase und Mund durch Tücher oder Schals. Bei den sogenannten „Alltagsmasken“ durfte vom Hersteller oder Anbieter jedoch nicht der Eindruck erweckt werden, es handle sich um ein Medizinprodukt oder um persönliche Schutzausrüstung, da eine Schutzwirkung nicht nachgewiesen war (BfArm 26.6.2020).

Im Juni 2020 empfahl die WHO entgegen ihrer früheren Ablehnung das Tragen von Gesichtsmasken in überfüllten öffentlichen Einrichtungen, vor allem in Regionen mit hoher Virusverbreitung. Paradoxerweise war die Empfehlung jedoch von der Warnung begleitet, Masken könnten das Erkrankungsrisiko auch erhöhen: „Masken können auch ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln… Die allgemeine Verwendung von Masken durch gesunde Menschen in einer Gemeinschaft ist noch nicht durch qualitativ hochwertige oder direkte wissenschaftliche Beweise unterstützt, und es gibt potenzielle Vorteile und Nachteile zu berücksichtigen“ (WHO 5.6.2020).

Ab Januar 2021 wurden in Deutschland in allen öffentlichen Verkehrsmitteln und Läden chirurgische Masken bzw. in Bayern FFP2-Masken vorgeschrieben (BR 12.1.2021). Das bayerische Gesundheitsministerium verfügte mancherorts sogar eine Maskenpflicht beim Fahrradfahren oder Joggen; in München forderten Politiker gar, das Radfahren auf bestimmten Wegen ganz zu verbieten (BR 30.12.2020, SZ 3.2.2021).

Zweifel an der Wirksamkeit von Masken

Sowohl vor dem Beginn als auch während der Pandemie war die Datenlage vollkommen klar: Das Tragen von Masken (gleich, welcher Art) in der Öffentlichkeit hat – anders als in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen – keine Auswirkung auf die Verbreitung der Atemwegsinfektion und führt negative Effekte für das Sozialleben mit sich (Kotchoubey 19.5.2023).

Eine umfassende und deutliche Kritik an der Maskenpflicht und an den diesbezüglichen Positionen von RKI und WHO übte die Hygieneärztin Ines Kappstein. In ihrem für die ärztliche Fortbildung zertifizierten Beitrag „Mund-Nasen-Schutz in der Öffentlichkeit: Keine Hinweise für eine Wirksamkeit“ schrieb sie: „Bei Auswertung der vom RKI für dessen ‚Neubewertung‘ von Masken im öffentlichen Raum angeführten Publikationen zeigt sich, dass es keine wissenschaftliche Grundlage gibt, mit der der Gebrauch von Masken (gleich welcher Art) in der Öffentlichkeit bei nahezu der gesamten Bevölkerung von Deutschland (abzüglich der Kinder bis 6 Jahre ca. 80 Mio. Menschen) gerechtfertigt werden kann, und aktuelle Untersuchungen zeigen das Gleiche. Im Gegenteil kann eine Maskenpflicht für viele Millionen Menschen im öffentlichen Raum sogar zu einem Infektionsrisiko werden, weil die erforderliche Händehygiene nicht eingehalten werden kann“ (Kappstein Krankenhaushygiene up2date 18.8.2020, als Audio-Beitrag: Kappstein 30.9.2020). Die Wahrscheinlichkeit, sich über Oberflächen wie Türgriffe anzustecken ist minimal und liegt bei 1: 2’500 und 1:5 Millionen (Sciencefiles 15.4.2021).

Wissenschaftler aus Aachen und Bochum bestätigen Kappsteins Maskenkritik. Sie beklagen die fehlende wissenschaftlicher Begründung und fehlende Plausibilität, und zählen zahlreiche Risiken und Nebenwirkungen des Maskentragens auf. Sie schreiben: „Konsequent zu Ende gedacht, kann hinter jeder mutmaßlichen Erkältung ein tödliches Virus stehen; soll demnach in Zukunft jeder Mensch mit Schnupfen öffentlich eine Maske tragen oder in jeder Saison mit gehäuften Atemwegsinfektionen eine generelle öffentliche Maskenpflicht die Konsequenz sein?“ Das generelle Maskentragen sei sinnlos und kontraproduktiv. Es verhindere die offene Begegnung untereinander, ein unaufgebbares Gut in einer freien Gesellschaft und müsse aufgehoben werden (Ewig 24.6.2020).

Eine von der WHO unterstützte Übersichtsarbeit vom Mai 2020 kam zu demselben Ergebnis. Sie fasste vierzehn qualitativ hochwertige RCT-Studien (=kontrollierte Studien mit Zufallsverteilung der Versuchspersonen) zum Nutzen von Gesichtsmasken bei Influenza zusammen – einer Krankheit, die ebenso wie COVID-19 vorrangig eine Tröpfcheninfektion ist. Die Autoren fanden keinen „substantiellen Effekt auf die Übertragung“, weder wenn die Masken von Erkrankten noch von der Allgemeinheit getragen werden (Xiao, Mai 2020).

Eine weitere große Übersichtsarbeit stammte von der Gruppe um den Epidemiologen und Evidenzmediziner Tom Jefferson. Dort heißt es in der Zusammenfassung: „Verglichen mit dem Verzicht auf Masken gab es weder in der Allgemeinbevölkerung noch bei Beschäftigten im Gesundheitswesen eine Verringerung der Fälle von grippeähnlichen Erkrankungen oder Grippe“ (Jefferson 7.4.2020). Auch eine Folgestudie vom November 2020 fand keine Belege für die Wirksamkeit von Masken (Jefferson 20.11.2020).

Im August 2022 bei weiterhin katastrophaler Studienlage legte Tom Jefferson nach: „Obwohl Versuche mit medizinischen/chirurgischen Masken logistisch schwierig sind, ist die Botschaft eindeutig: Sie scheinen nicht viel zu bewirken. Ihre Wirkung auf die Allgemeinheit ist unbekannt. Dies sind im Großen und Ganzen die gleichen Schlussfolgerungen wie in den beiden einzigen verfügbaren randomisierten Studien zu Masken, die bezüglich Covid-19 durchgeführt wurden. In früheren Versionen des Cochrane-Reviews haben wir Beobachtungsstudien einbezogen, von denen einige nach der SARS-1-Epidemie von 2003 durchgeführt wurden. Diese Studien geringer Qualität zeigten einen scheinbaren Effekt, der in Studien höherer Qualität nicht bestätigt werden konnte… Jede Regierung, die ‚der Wissenschaft folgt‘, hätte eine Reihe von Studien fördern müssen, in denen verschiedene Arten und Kombinationen von körperlichen Eingriffen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Umgebungen getestet werden. Sie hätte verlässliche wissenschaftliche Studien in Auftrag geben müssen, um die Unsicherheit zu verringern. Aber die Politik, die sozialen Medien und die fatale Anziehungskraft einer falschen Sicherheit, die durch qualitativ minderwertige Studien untermauert wird, sind offensichtlich schwer zu überwinden.“ (Jefferson 15.8.2022).

Das bestätigte ein Praktiker, Franz Allerberger, Leiter des Amts für öffentliche Gesundheit (AGES) in Österreich: „Wir haben in Österreich bislang nicht nachweisen können, dass die Einführung der Maskenpflicht irgendeinen Effekt auf den Verlauf der Inzidenzen hat. Und wir haben auch nicht zeigen können, dass das Aufheben der Maskenpflicht irgendwie sichtbare Spuren gezeichnet hat“ (RPP 21.8.2020). In zahlreichen US-Bundesstaaten sanken im Frühjahr 2021 die Infektionszahlen auch nach der Aufhebung aller Maßnahmen incl. Maskenpflicht kontinuierlich (Focus 29.5.2021). Los Angeles beendete die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr am 23. September 2022, und die Infektionsrate ging weiter zurück (Miller 9.10.2022).

Eine groß angelegte Studie aus Dänemark mit mehr als 3000 „Maskenträgern“ und einer ähnlich großen Gruppe von Menschen, die keine Masken trugen, fand keinen signifikanten Unterschied in der Infektionsrate mit SARS-CoV2 (Bundgaard 8.11.2020). Der Evidenzmediziner Tom Jefferson kommentiert: „Nun, da wir uns auf eine wirklich strenge wissenschaftliche Forschung stützen können, zeigen die Belege, dass das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit die Infektionsraten nicht signifikant verringert“ (Spectator 19.11.2020).

Eine große Studie aus Bangladesch, bei der über 500 Dörfer mit und ohne Maskenempfehlung vor Ankunft der Deltavariante verglichen wurden, wie eine Reihe von Verzerrungen auf und ergab bei insgesamt 340’000 Teilnehmern einen nicht signifikanten Unterschied von 20 COVID19-Fällen (Abaluck 1.9.2021, Rancourt 20.9.2021, Recht 23.11.2021). Bei einer Re-Analyse wurden im Studiendesign zahlreiche Hinweise auf eine systematische Verzerrung und damit die Fragwürdigkeit der behaupteten Ergebnisse gefunden (Chikina 15.9.2022).

Nach einer Untersuchung aus Großbritannien hatte die Maskenpflicht und deren zeitlich gestaffelte  Aufhebung in verschiedenen Krankenhäusern so gut wie keinen Einfluss auf die Übertragung von COVID-19 Omikron (Medscape 7.4.2023).

Ein finnisches Autorenteam fand beim Vergleich von Städten und verschiedenen Altersgruppen ungeimpfter Kinder (10-12 Jahre gegenüber 7-9 Jahre) keinen Effekt des Tragens von Gesichtsmasken an Schulen auf die Inzidenz von COVID-19 (Juutinen 21.4.2023).

Beim Vergleich des Pandemieverlaufs im Jahr 2022 schnitt Deutschland deutlich schlechter ab als die Niederlande, obwohl in Deutschland FFP2-Maskenpflicht in Geschäften und Verkehrsmitteln angeordnet war, in den Niederlanden dagegen nicht (Connolly 13.1.2023).

Eine Studie aus Texas verglich die Situation vor und nach der offiziellen Maskenanordung und fand keinen relevanten Effekt durch das Maskentragen. „Wir konnten keine Verringerung der täglichen Sterblichkeit pro Population, der belegten Krankenhaus und Intensivbetten oder der Belegung von Beatmungsplätzen feststellen, die auf die Einführung einer Maskenanordnung zurückzuführen wäre“ (Schauer Sept 2021).

Eine Studie US-amerikanischer Wissenschaftler, die von den amerikanischen Gesundheitsbehörden CDC unterstützt und Anfang 2022 veröffentlicht wurde, fand eine geringere Wahrscheinlichkeit für einen positiven SARS-CoV-2-Tests, wenn Masken getragen wurden (Andrejko 4.2.2022). Vinay Prasad schrieb dazu einen Kommentar mit dem Titel „Maskenstudien erreichen einen neuen wissenschaftlichen Tiefpunkt.“ Er habe zusammen mit zwei Kollegen festgestellt, dass die Daten eine sehr schlechte Qualität und fehlende Signifikanz aufweisen, und daher mit dieser Studie das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit, noch dazu über Jahre hinweg, nicht begründet werden kann. Es gebe außerdem bisher nicht eine einzige kontrollierte Studie mit Kindern. „Wir waren am Verhungern, und wir brauchten diesen Laib Brot. Stattdessen veröffentlichte die CDC eine mangelhafte Studie nach der anderen. Sie hat uns nicht einmal Krümel gegeben, sondern eine Handvoll Sand“ (Vinay Prasad 6.2.2022). Eine Studie, in der weniger Hospitalisierungen nach Einführung von Maskenpflichten in verschiedenen US-Bezirken gefunden wurden, musste zurückgezogen werden „weil es in den Gebieten, die wir ursprünglich in dieser Studie analysiert haben, erhöhte Raten von SARS- CoV-2-Fällen gibt“ (Adjodaj 4.11.2020).

Am 13. Februar 2022 verkündete die Finanzzeitung Bloomberg: Die Maskenpflicht hat ohnehin nicht viel bewirkt. Die Maßnahme hat Omikron eindeutig nicht aufgehalten. Wir sollten uns auf Maßnahmen konzentrieren, die besser funktioniert haben. (…) Es gibt kaum Beweise dafür, dass die Maskenpflicht der Hauptgrund für den Rückgang der Pandemiewellen ist – obwohl ein Großteil der Empörung über die Aufhebung der Maskenpflicht auf dieser Annahme beruht. Viele Experten räumen ein, dass das Auftreten und Abklingen von Pandemiewellen ein Rätsel ist“ (Bloomberg 3.2.2022).

Im Mai 2022 unternahmen die Maskenbefürworter einen neuen Anlauf durch Verbreitung einer ländervergleichenden Studie, in der der Versuch unternommen wurde, die Wirksamkeit von Masken auf der Basis von Selbstauskünften der Studienteilnehmer zu belegen (Leesch 31.5.2022). Bissiger Kommentar von Vinay Prasad auf Twitter: Traurig wenn jemand, der sich als Wissenschaftler bezeichnet, diese Studie zitiert. Es verwendet nicht validierte Selbstberichte zum Tragen von Masken. Es ist ein Modell. Es gilt nur für Mai-September 2020. Stinkt nach analytischer Flexibilität. Es ist kein tatsächlicher Beweis wie ein Cluster-RCT (randomisierter kontrollierter Versuch). Es ist erbärmlich, dass wir es nicht besser machen können. Zeitverschwendung“ (Prasad 2.6.2022). Weitere Kommentare kamen von WagenMehr (WagenMehr 2.6.2022) und Christian Winter (Winter 1.6.2022).

Ein weiterer wissenschaftlicher Tiefpunkt zur Maskenthematik war die Junk-Studie von Alihsan et al, die u.a. von Karl Lauterbach gefeiert wurde (Alihsan 31.7.2022, Lauterbach 31.7.2022). Kaum ein ernsthafter Wissenschaftler, der nicht die Augen hochdrehte: „Ich bin mir nicht sicher, ob Sie diesen Pre-Print gelesen haben, den Sie geteilt haben und der nur 13 Studien enthält, die zwischen März und August 2020 veröffentlicht wurden, und der eine absolut schreckliche Methodik aufweist?“ (Munro 1.8.2022), oder: Das ist ein verblüffender Missbrauch von Autorität im Namen der öffentlichen Gesundheit und der Wissenschaft.“ (Bhattacharya 1.8.2022), oder: „Man kann nicht einfach ein paar verworrene Beobachtungsstudien mit nur 243 Personen auswählen und erwarten, dass man die Wirksamkeit von Masken genau bestimmen kann. Eine dieser Studien bestand aus einem Flug mit 20 Personen, die alle maskiert waren, und keine bekam Covid. Das ist keine Studie über Masken!“(Høeg 1.8.2022). Ein Peer-Reviewer schreibt: „Diese versuchte Meta-Analyse schließt fast alle wichtigen Studien zu dem untersuchten Thema aus, enthält eine bizarre Auswahl von Arbeiten, die manchmal keine Daten enthalten, die extrahiert werden könnten, stellt unsinnige statistische Behauptungen auf (p-Werte für den Anteil in einer einzigen Gruppe, t-Tests trotz nur binärer Ergebnisse usw.), die hauptsächlich auf nicht spezifizierten statistischen Tests beruhen, und erfüllt nicht die Mindeststandards für die Analyse oder Berichterstattung. Dieser Preprint trägt nicht zur Beantwortung der Fragestellung bei, die er zu untersuchen versucht.“ (Sheldrick Aug 2022).

Der Mikrobiologe Beny Spira analysierte Daten aus 35 europäischen Ländern zu Morbidität, Mortalität und Maskennutzung während eines sechsmonatigen Zeitraums. Seine Ergebnisse „deuten darauf hin, dass Länder mit einem hohen Grad an Befolgung des Maskentragens nicht besser abschnitten als Länder mit geringer Maskenverwendung“ (Spira 19.4.2022).

Eine Haushaltsstudie der TU Dresden ergab, dass das Übertragungsrisiko von SARS-CoV2 auf andere im gleichen Haushalt durch Hygienemaßnahmen wie Abstand oder Masken nicht gesenkt wurde. In Haushalten denen die Infektion gar nicht bekannt war, steckte sich nur in der Hälfte der Fälle (52%) jemand an (Schumm 22.12.2022).

Eine randomisierte kontrollierte internationale Studie unter Gesundheitsarbeitern fand beim Vergleich von FFP2-Masken und chirurgischen Masken keinen Unterschied in der Häufigkeit von COVID-Erkrankungen. Innerhalb von zehn Wochen erkrankten in beiden Gruppen  ca. 10 Prozent der Teilnehmer – nicht gerade ein Beleg für die Wirksamkeit (Loeb 29.11.2022).

Auf der Außenseite chirurgischer Masken lassen sich noch nach sieben Tagen infektiöse Coronaviren nachweisen – länger als auf den meisten anderen Oberflächen (Chin 1.5.2020). Interessant ist in diesem Zusammenhang die randomisierte Studie von MacIntyre et al. (BMJ 2015): Die Gruppe, in der „Alltagsmasken“ getragen wurden, erkrankte öfter an einer grippeartigen Erkrankung als die Kontrollgruppe ohne Masken. Die Autoren vermuten, dass die zunehmende Feuchtigkeitsansammlung bei längerer Verwendung der Masken sowie die Selbstansteckung durch Viren in der Maske dafür verantwortlich sind. Masken müssen daher „im öffentlichen Raum sogar als Infektionsrisiko betrachtet werden“ (Kappstein 30.9.2020). Tatsächlich kam es in Deutschland in den Wochen nach Einführung der Maskenpflicht (18. Kalenderwoche) zu einem steilen, bisher nie beobachteten Anstieg von Infektionen mit Rhinoviren, die ähnlich übertragen werden wie Influenzaviren oder Coronaviren. Auch sie lassen sich durch Masken offensichtlich nicht aufhalten (RKI 15.7.2020).

Christian J. Kähler, Leiter des Institutes für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr in München, bezeichnete Masken als Infektionsrisiko bei Menschen, die nebeneinander sitzen, weil sie die Atemluft direkt zum Nachbarn umleiten. Er hielt deshalb nicht viel davon, in Klassenräumen eine Mund-Nasen-Bedeckung zur Pflicht zu machen (Tagesspiegel 14.11.2020). Menschen, die Masken tragen, müssten auch lauter sprechen und verteilten dadurch mehr Atemluft in der Umgebung.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, äußerte Zweifel am Nutzen von Alltagsmasken bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Es gebe keine tatsächliche wissenschaftliche Evidenz, dass die tatsächlich hilfreich sind – „schon gar nicht im Selbstschutz und wahrscheinlich auch nur ganz wenig im Schutz, andere anzustecken“. Im Zusammenhang mit der Maskenpflicht sprach er von einem „Vermummungsgebot“ (ZDF 21.10.2020). Wenige Tage ruderte er auf starken politischen und verbandspolitischen Druck hin zurück – ein Vorkommnis, das an die Selbstkritik-Rituale im maoistischen China erinnert (ZEIT 23.10.2020). Ehrlicher wäre ein Rücktritt gewesen mit der Erklärung, er habe seine Aussagen nach bestem Wissen und Gewissen gemacht.

Im Februar 2021 veröffentlichte die europäische Gesundheitsbehörde ECDC einen „Technical Report“, nach dem medizinische Masken einen „kleinen bis moderaten Effekt“ zur Verhinderung von COVID-19 haben könnten, aber dass es signifikante Unsicherheiten bezüglich der Größe des Effekts gebe; die Beweislage sei begrenzt („the evidence … is limited“) (ECDC 15.2.2021). Nach einer Preprint-Studie einer Forschergruppe aus Genf hatte die Ausweitung der Maskenpflicht auf öffentliche Orte wie Geschäfte, Bahnhöfe oder Flughäfen in der Schweiz kaum einen Einfluss auf die Sterblichkeit. Nur bei sehr alten männlichen Personen errechnet sich eine geringe Reduktion (< 10 Prozent) (De Giorgi 12.6.2021).

Der Evidenzmediziner Peter C. Gøtzsche sagte in einem Interview: „Die randomisierten klinischen Studien zeigen sehr deutlich, dass Gesichtsmasken nicht funktionieren. Sie wurden bei der Influenza getestet, und sie wurden in Dänemark während COVID-19 getestet. Und doch wird uns befohlen, auf der ganzen Welt wie Bankräuber herumzulaufen. Dies ist schlicht Symbolpolitik der Regierungen, damit sie sagen können, dass sie etwas tun. Sie argumentieren, dass es Infektionen verhindert, wenn Sie Ihren Mund bedecken.“ (multipolar 30.6.2021).

US-amerikanische Datenanalysten schrieben: „Angesichts der Tatsache, dass wir jetzt wissen, dass die einzigen Aerosole, die nachweislich infektiöse Viren tragen, die gleiche Partikelgröße wie Zigarettenrauch haben, gibt es nicht einmal eine mechanistische Plausibilität dafür, dass die Masken einen Einfluss auf die Infektübertragung haben“  (Burns 9.3.2022)

Ein umfassendes Review amerikanischer Wissenschaftler über die bis Herbst 2021 vorliegende medizinische Literatur zu Masken resümierte: „Wir fanden die vorhandenen Beweise unzureichend, um einen eindeutigen Nutzen (oder Schaden) nachzuweisen (…) Angesichts der geringen Qualität der Belege, des Fehlens eines statistisch signifikanten Nutzens, auf den die meisten randomisierten kontrollierten Studien hindeuten, und des möglichen Schadens, auf den einige wenige Studien hindeuten, müssen Wissenschaftler und Vertreter des öffentlichen Gesundheitswesens darauf achten, dass sie bei den verfügbaren Studien nicht mit zweierlei Maß messen: Prognosen über gerettete Leben hervorheben, wenn die Ergebnisse auf einen Nutzen hindeuten, sich andererseits aber auf die Limitationen der Studien und nicht auf die Ergebnisse konzentrieren, wenn diese auf einen Schaden oder fehlenden Nutzen hindeuten“ (Liu 8.11.2021).

Eine Gruppe deutscher Gesundheitsexperten errechnete, dass selbst bei optimistischer Annahme einer Maskenwirkung 12’500 Menschen bei einem einstündigen Einkauf im Supermarkt eine Maske tragen müssen, um eine einzige SARS-CoV-2-Übertragung zu vermeiden (Schrappe 31.8.3020). In einem Eilantrag gegen die Maskenpflicht errechnet ein klagender Richter für die Situation in Thüringen bei „weitreichenden Annahmen zugunsten des Antragsgegners“: „1.785.000 Menschen mussten also Masken tragen, um maximal 2,8 Infektionen pro Woche zu verhindern, die möglicherweise zu nicht einer einzigen ernsthaften Erkrankung geführt hätten. Wenn das nicht offensichtlich unverhältnismäßig ist, was dann?“ (cbk 17.8.2020). Mit einer ähnlichen Schätzung begründet das norwegische Gesundheitsministerium die Ablehnung einer Maskenpflicht (NIPH Juni 2020). In einem Diskussionspapier der Sächsischen Staatskanzlei vom 24. Oktober 2020 heißt es, „dass das Tragen oder nicht-Tragen von Masken an Stellen, an denen es überprüft werden könnte, aus medizinischer Sicht eher ein Zeichen der Solidarität und Wahrnehmung der Problematik ist. Die Infektionen finden an anderen Stellen statt, an denen keine Masken getragen werden“ (Winkler 13.11.2020).

Bei einer Expertenumfrage unter 178 deutschen Virologen, Mikrobiologen, Hygienikern, Immunologen und Internisten war die Haltung zu Masken sehr ambivalent, und sie wurden nur von wenigen als wichtig erachtet. Harte wissenschaftliche Belege für die Schutzwirkung von Masken waren den meisten Experten nicht bekannt. Über 70 Prozent sahen hingegen Risiken durch falsche Handhabung (Uni-Klinik Tübingen 14.8.2020).

In einem WHO-Report vom Oktober 2019 wurden die Belege für die Wirksamkeit vieler Pandemie-Maßnahmen als „niedrig“, „sehr niedrig“ oder „fehlend“ beurteilt: Grenzschließungen, Schulschließungen, Verbot von Großveranstaltungen und auch Gesichtsmasken: „Zehn RCTs wurden in die Meta-Analyse einbezogen, und es fand sich kein Beweis dafür, dass Gesichtsmasken die Übertragung einer im Labor bestätigten Grippe wirksam reduzieren“ (WHO Okt 2019).

Ein umfassendes Review zur Wirkung von Masken auf die Verbreitung von Atemswegsviren veröffentlichte die Cochrane Collaboration im Januar 2023 (Cochrane 2.2.2023, Demasi 6.12.2023). Die Ergebnisse der einbezogenen Studien zeigtenkeine eindeutige Verringerung der Virusinfektionen der Atemwege durch die Verwendung von medizinischen/chirurgischen Masken. Es gab keine eindeutigen Unterschiede zwischen der Verwendung von medizinischen/chirurgischen Masken im Vergleich zu N95/P2-Atemschutzmasken bei Beschäftigten des Gesundheitswesens, wenn diese in der Routineversorgung zur Verringerung von Atemwegsinfektionen eingesetzt wurden. Obwohl dieser Effekt auch bei der getrennten Analyse von ILI und laborbestätigter Influenza auftrat, wurde für die beiden letztgenannten Ergebnisse kein signifikanter Unterschied festgestellt. Die mit den körperlichen Eingriffen verbundenen Schäden wurden nicht ausreichend erforscht.“ (Jefferson 30.1.2023).

Der Hauptautor Tom Jefferson äußerte in einem Interview scharfe Kritik an den Maßnahmen während der Coronakrise: „Die Regierungen haben es völlig versäumt, das Richtige zu tun und bessere Beweise zu fordern.(…) Die Regierungen hatten von Anfang an schlechte Berater. Sie wurden durch nicht-randomisierte Studien und schlechte Beobachtungsstudien überzeugt. Vieles hatte damit zu tun, dass sie den Anschein erwecken wollten, irgendetwas zu tun“. Jefferson kritisierte auch die Cochrane-Leitung, die seine Maskenstudie von Januar 2020 an sieben Monate zurückhielt: „Es waren die sieben Monate, die zufällig mit der Zeit zusammenfielen, als der ganze Wahnsinn begann, als Akademiker und Politiker anfingen, wegen der Masken umherzuhüpfen. (…) Laustarke Fanatiker haben es geschafft, diese ganze Diskussion zu vergiften und zu versuchen, sie in eine Schwarz-Weiß-Sache zu verwandeln… und sich auf schrecklich fehlerhafte Studien zu stützen“ (Demasi 6.2.2023).

Der britische Spectator schrieb: „Was wir bei dieser Pandemie erlebt haben, sind starke Überzeugungen darüber, was funktioniert und was nicht. Manchmal glich es eher einem Fußballspiel, mit Cheerleadern auf beiden Seiten, die die Gegner anfeuerten. Einige Maßnahmen wie Maskenpflicht, Beschränkungen und unbewiesene Interventionen erscheinen im Nachhinein absurd. Und da die Kultur der Angst nachgelassen hat, ist sich die Bevölkerung ihrer schädlichen Auswirkungen nur allzu bewusst geworden. Wir haben es versäumt, während der Pandemie einen evidenzbasierten Ansatz zu verfolgen. Jetzt stehen wir vor den menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen einer Politik, die auf Fakten verzichtet.“ (Spectator 3.2.2023).

‚Sogar die New York Times titelte: „The Mask Mandates Did Nothing. Will Any Lessons Be Learned?“ (Die Maskenpflicht hat nichts gebracht. Werden daraus Lehren gezogen?) und folgerte: „‚Einfach etwas tun‘ ist keine Wissenschaft, und es hätte keine Politik sein sollen. Die Menschen, die den Mut hatten, dies zu sagen, hätten es verdient, angehört und nicht mit Verachtung behandelt zu werden. Vielleicht bekommen sie nie die Entschuldigung, die ihnen zusteht…“ (NYT 21.2.2023).

Vinay Prasad kommentierte: „Wir hatten nie gute Daten, dass Maskenpflicht hilft oder dass Maskenempfehlungen (eine weichere Politik) die Ergebnisse verbessern. Dennoch wurden sie weithin propagiert – höchstwahrscheinlich, um von den wahren Versäumnissen der Regierung abzulenken. (…) Es ist irrational, Masken zu tragen. Im besten Fall verzögert man das Unvermeidliche nur geringfügig hinaus. Hier ist das große zusammengefasste Ergebnis: Bei 276.000 Teilnehmern an RCTs oder Cluster-RCTs bringt das Maskentragen nichts. Keine Verringerung der grippeähnlichen oder Covid-ähnlichen Erkrankungen und keine Verringerung der bestätigten Grippe- oder COVID-Erkrankungen. Das ist eiskalt negativ. (…). Die Menschen trugen im Freien routinemäßig Stoffmasken – etwas, das weniger aus dem 21. als vielmehr aus dem 3. Jahrhundert stammt, ähnlich wie Tieropfer und Tänze, um den Regen herbeizurufen.“ (Prasad  2.2.2023).

Zum selben Ergebnis kam zeitgleich eine Übersichtsarbeit von Forschern der Universitäten Hamburg, Göttingen und Greifswald: „Die Verpflichtung zur Verwendung von Atemschutzmasken für ungeschulte Personen außerhalb medizinischer Einrichtungen sowie die ständige Verwendung in Krankenhäusern ist nicht belegt und sollte zurückgenommen werden. Atemschutzmasken sollten nur bei bestimmten beruflichen Indikationen und nach einer Unterweisung in ihrer effektiven Verwendung verwendet werden. Auf der Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse ist die obligatorische Verwendung von Atemschutzmasken in ausgewählten Bereichen zur Verhinderung der Virusübertragung nicht zu rechtfertigen. Es sollten weitere Studien durchgeführt werden, um nachzuweisen, in welchen Szenarien der Einsatz von Atemschutzmasken einen effektiven Nutzen für das medizinische Personal im Rahmen des Arbeitsschutzes hat. In Situationen mit nachgewiesenem Nutzen sollten nur hochwertige Atemschutzmasken mit Kopfbändern oder Atemschutzgeräte höherer Schutzstufen für gut ausgebildetes Personal verwendet werden.“ (Knobloch 2.2.2023).

Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit von Masken im öffentlichen Raum zur Verhinderung einer Coronavirus-Übertragung. Masken sind durch die häufige falsche Handhabung unter Umständen sogar kontraproduktiv, könnten also Infektionen begünstigen.

Knapper Kommentar des US-Kinderinfektiologen Alasdair Munro:

„Alle ökologischen Studien zum Tragen von Masken haben systematische Fehler („Bias“). Einige haben mehr solche Fehler als andere. Manche sind so grundlos und offensichtlich voreingenommen, dass ich in meine offenen Handflächen weinen muss“ (Munro 11.8.2022).

Trotzdem kursierte weiter die Behauptung, Masken seien eine der wirksamsten Maßnahmen gegen die Übertragung von SARS CoV-2, und sie wurden in vielen Ländern zu einem Pflichtbeitrag zur Pandemiebekämpfung, erzwungen durch Bußgelder in teilweise existenzbedrohender Höhe. Es gab allerdings auch Länder ohne jede Maskenpflicht, etwa Norwegen, Schweden, Finnland und Estland.

Im April 2022 erklärte in den USA ein Bundesgericht die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln incl. Flugzeugen für gesetzwidrig. In vielen Flugzeugen wurde das Urteil direkt während des Flugs umgesetzt und beklatscht (WELT 19.4.2022, proffreedom 19.4.2022).

Hier einige kritische Äußerungen zu Gesichtsmasken:

Tom Jefferson von der Cochrane Collaboration: „Masken fungieren als Symbol für die Gesellschaft: ‚Sie sind geschützt‘. Die wissenschaftlichen Belege sagen, dass Sie es vielleicht nicht sind“ (Jefferson 17.4.2020).

Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer: „Die Wirkung einer generellen Maskenpflicht ist wissenschaftlich hoch fragwürdig – und, wenn Sie mich persönlich fragen, kulturell ist sie definitiv nicht wünschenswert… In der Summe richten sie womöglich mindestens so viel Schaden an, wie sie eventuell nutzen“ (BZ 10.5.2020).

Hendrik Streeck: „Am Anfang der Pandemie wurde ja dezidiert gewarnt vor Masken. Die Gründe dafür gelten immer noch, auch wenn sie merkwürdigerweise keine Rolle mehr zu spielen scheinen. Die Leute knüllen die Masken in die Hosentasche, fassen sie ständig an und schnallen sie sich zwei Wochen lang immer wieder vor den Mund, wahrscheinlich ungewaschen. Das ist ein wunderbarer Nährboden für Bakterien und Pilze“ (NOZ 10.6.2020).

Der Neurobiologe Gerald Hüther sprach im Zusammenhang mit der Maskenpflicht von einer „Instrumentalisierung der Angst“ und vom „Schüren von Angst zur Durchsetzung bestimmter Maßnahmen“ (Hüther 6.6.2020).

Anders Tegnell, schwedischer Staatsepidemiologe: „Das Resultat, das man durch die Masken erzeugen konnte, ist erstaunlich schwach, obwohl so viele Menschen sie weltweit tragen. Es überrascht mich, dass wir nicht mehr oder bessere Studien darüber haben, welche Effekte die Masken tatsächlich herbeiführen. Länder wie Spanien oder Belgien haben ihre Bevölkerung Masken tragen lassen – trotzdem gingen die Infektionszahlen hoch“ (Merkur 11.8.2020).

Das schweizerische Bundesamt für Bevölkerungsschutz kam nach vier Wochen Maskenpflicht zu dem Schluss: „Die eingeführte Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und die Quarantäne für Einreisende aus Staaten oder Gebieten mit erhöhtem Ansteckungsrisiko scheinen keinen oder nur einen kleinen Effekt auf den Anstieg zu haben“ (BAG 30.7.2020).

Markus Veit, Pharmazeut: „Vor einem Jahr wäre es ein Skandal gewesen, wenn Professionelle im Gesundheitsbereich – wie das Robert Koch-Institut (RKI) – zur Verwendung von Masken aufge­rufen hätten, die nicht ein Zertifizierungsverfahren für Medizinprodukte durchlaufen haben und kein CE-Signum tragen. Heute gilt das offenbar ­alles nicht mehr… Solange insbesondere die Risiken von Masken bei Kindern im dauernden Gebrauch und durch Auf- und Absetzen nicht eindeutig untersucht sind und dann eine Nutzen-Risiko-Bewertung positiv ausfällt, erachte ich den Einsatz von Masken bei Kindern als unethisch und möglicherweise gefährlich“ (DAZ 13.8.2020).

Der Journalist Stefan Aust in der WELT AM SONNTAG: „Die Maske muss der Maske wegen getragen werden. Als Symbol für Gehorsam den Maßnahmen der Regierenden gegenüber“ (WaS 9.9.2020).

Die Maskenpflicht wurde zur gesellschaftlichen Bruchlinie – auf der einen Seite die „Maskenverweigerer“ und Kritiker, die von Geßlerhut sprechen (Rubikon 18.4.2020), auf der anderen Seite die Behörden, die die Maskenpflicht mit Polizeikontrollen und immer horrenderen Strafen durchsetzen wollten.

Der Schriftsteller und Philosoph Gunnar Kaiser konstatiert in einem Videobeitrag: „Das Problem ist, dass die Maske ein Symbol geworden ist. Die Maske ist ein Symbol für kritiklosen Gehorsam, das Denunzieren von Andersdenkenden, des fraglosen Mitmachens, und damit des gesellschaftlichen Immundefekts… Wären wir eine Gesellschaft, die ihre Galileis und Giordano Brunos und Sokratesse achtet und ehrt, und einen offenen herrschaftsfreien Diskurs ohne Feindschaft, Verleumdung und Moralisierung als unantastbar betrachtet, dann würde ich diese Maske mit Stolz tragen, weil sie für ein Land steht, das sich tatsächlich um die Wahrheit bemüht und ein starkes Freiheits-Immunsystem hat“ (Kaiser 24.7.2020).

Harald Walach bezeichnet Masken als „gefährliches Ritual„. Das Tragen von Masken sei zu einem allgegenwärtigen Angstbewältigungsritual geworden, das aber wiederum Ängste auslöse und verstärke. Angst sei jedoch eines der stärksten psychologischen Immunsuppressiva. Die Risiko-Nutzen-Abwägung für Gesichtsmasken sei denkbar schlecht: Die Wirkung im Alltag sei nicht belegt, die potenziellen Gefahren hingegen sehr wohl. Es sei ein Gebot der Vernunft, das Maskentragen als Schutzritual abzuschaffen (Walach 24.10.2022).

Psychologen sehen in der Maske ein projektives Objekt unbewusster seelischer Vorgänge. Sie überdecke als „allgemeines Gefahrensymbol“ alle anderen Ängste, indem sie Angst nach außen projiziert („Ich fürchte mich“) und das Gegenüber aggressiv ängstige („Ich bin gefährlich!“). Dieses Nach-Außen-Tragen, diese „Externalisierung“ der Angst verhindere die Lösung persönlicher Konflikte und das Erkennen und selbstverantwortliche Bewältigen relevanter gesellschaftlicher Probleme (Maaz, „Corona-Angst“ S.62).

Eine andere Erklärung bietet der Tweet von @Flingerianer:Die Maske ist nicht deshalb so beliebt, OBWOHL sie unangenehm ist, sondern WEIL sie unangenehm ist. Die Maske hat einen religiös asketischen Charakter. Sie dämpft das sinnliche Erleben und den sinnlichen Ausdruck, sie behindert das Atmen und ist dadurch mit Leid verbunden. Gerade aber weil wir ein Stück weit unter der Maske leiden, wird sie zum Ausdruck von Moral. Moralisches Handeln zeichnet sich immer dadurch aus, dass wir unsere sinnlichen Bedürfnisse beschränken: Statt hemmungslos Sex zu haben, begrenzen wir diesen Trieb durch ein ganzes Arsenal moralischer Verbote. Die Maske ist deshalb noch weit mehr als die Impfung oder Kontaktbeschränkungen ein asketisch moralischer Kultgegenstand, ähnlich wie die Geißel religiöser Fanatiker. Das Tragen der Maske ist ein Akt der Selbstkasteiung, um sich von der Sünde der befleckten Virusempfängnis zu befreien. Genau aus diesem Grund wird die Maske von Asketen wie Lauterbach auch so fanatisch verteidigt. Nicht die Wissenschaft ist der Grund, Maske zu tragen, denn Evidenz gibt es kaum für deren Wirkung. Es ist ein Kult, und das Masketragen ein asketisches Ritual der Selbstgeißelung. (Flingerianer 12.7.2022). Jakob Heyner ergänzt in der WELT: „Das libidinös besetzte Objekt der Maske ist das deutlichste Zeichen dieser kultischen Hingabe, zugleich ein Erkennungs- und Abgrenzungsmerkmal. So bekommt das innere Erleben einen Halt im Objektiven.“ (WELT 16.7.2022, Bezahlschranke).

Der Schriftsteller Daniel Kehlmann kommentierte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Dass das Menschenantlitz aber auch etwas anderes ist, nämlich der Spiegel unserer Seelen, den wir nicht aus fadenscheinigem Grund voreinander bedecken sollten, und dass es womöglich albern, würdelos und übrigens auch nicht gesund ist, monatelang aus Erwägungen, die man aus epidemiologischer Sicht nur diffus nennen kann, durch Papiertütchen at­men zu müssen, das sollte man vielleicht auch nicht ganz vergessen. Ei­nander mit entblößtem Gesicht zu be­gegnen war stets etwas Riskantes, nicht nur für Neurotiker. Dieses Risiko zu ak­zeptieren und den Ekel vor dem Menschenantlitz zu überwinden wäre aber nun mal die Grundlage eines zivilisierten Humanismus“ (faz 29.7.2022).

Eine Maskenpflicht (ist) keine leichte, sondern vielmehr eine radikale Maßnahme. Sie signalisiert einen Ausnahmezustand und befeuert darüber hinaus durch die Erschwerung von Kommunikation und menschlicher Nähe Angst und Paranoia“. (Möller WELT 2.8.2022, Bezahlschranke)

Masken gefährden Gesundheit und Umwelt

Das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit ist nicht vergleichbar mit der Anwendung in der Medizin. Chirurgen, die Masken tragen, arbeiten in sterilen Operationssälen, die mit Hochleistungsbelüftungssystemen ausgestattet sind. Diese erhalten einen Überdruck aufrecht, reinigen die Luft mit Hochleistungsfiltern und erhöhen den Sauerstoffgehalt der Raumluft. Durch diese Bedingungen werden die negativen Auswirkungen von Masken auf den Chirurgen und das OP-Personal abgemildert. Trotz dieser extremen Klimakontrolle zeigen klinische Studien immer noch negative Auswirkungen (Reduktion des arteriellen Sauerstoffs und Wiedereinatmung von CO2) von Operationsmasken auf die Physiologie und die Leistungsfähigkeit des Operateurs (Meehan 22.7.2020, M&K 21.12.2017). In einer Studie mit 61 Krankenpflegeschülern und -schülerinnen vom Herbst 2021 konnte gezeigt werden, dass die Verwendung von chirurgischen Masken die Müdigkeit steigert und die Körpertemperatur erhöht sowie die kognitive Reaktionsgeschwindigkeit und die Pulsrate verringert (Sezer Okt 2023).

Nach Durchsicht von 81 Studien zu negativen Effekten von medizinischen Masken schrieb eine internationale Gruppe von Autoren:  Masken behinderten die O2-Aufnahme und CO2-Abgabe und beeinträchtigten die respiratorische Kompensation. Obwohl die bewertete Tragedauer kürzer ist als bei täglicher/lang andauernder Verwendung, bestätigen die Ergebnisse unabhängig voneinander das maskeninduzierte Erschöpfungssyndrom (MIES) und nachgelagerte physio-metabolische Störungen. MIES kann langfristige klinische Folgen haben, insbesondere für gefährdete Gruppen. Bislang wurden mehrere maskenbedingte Symptome möglicherweise als Long COVID-Symptome fehlinterpretiert. (…) Solange keine überzeugenden empirischen Beweise für die Wirksamkeit vorliegen, sollte das Tragen von Masken nicht vorgeschrieben, geschweige denn gesetzlich vorgeschrieben werden“ (Kisielinski 5.4.2023).

In einer prospektiven Beobachtungsstudie wurde eine signifikant verringerte Sauerstoffsättigungen im Blut von Schwangeren gemessen, die normale OP-Masken oder FFP2-Masken trugen (Toprak 23.2.2021). Dadurch wurde auch die Zusammensetzung des Blutes verändert, was unter anderem zu einer vermehrten Blutungsneigung nach der Geburt führen konnte (JPost 28.4.2021). Eine Entbindung mit Maske konnte sich negativ auf das Neugeborene auswirken, bis hin zu einer Übersäuerung (Azidose) und Schädigung des Kindes. „Gebärende benötigen Luft zum Atmen und Kinder benötigen die freie Atmung der Mutter, um gesund geboren zu werden. Daher sollten Frauen weder zum Tragen einer Atemwegsbedeckung noch insbesondere einer FFP2-Maske unter der Geburt gezwungen werden“ (DHZ 23.2.2021). Die deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft sprach sich gegen eine pauschale Maskenpflicht für Gebärende aus (DGHWi 20.1.2021).

Die in Bayern ab 18. Januar 2022 obligatorischen FFP2-Masken gefährdeten Umwelt und Anwender auch durch ihr Material – und gerade das spielte bei der Zulassung offensichtlich keine Rolle. Es waren und sind auch Masken mit ungültigen oder gefälschten CE-Kennzeichnungen zugelassen, und es kam zu zahlreichen Warnungen und Rückrufen, auch wegen zu hohem Filterwiderstand und „Erstickungsgefahr“ (Produktwarnung 12.6.2021).

Nach Untersuchungen des Umweltinstituts Hamburg enthalten FFP2-Masken Kunstfasern aus Polypropylen (flüchtige organische Kohlenwasserstoffe), Formaldehyd, polyzyklische aromatische Verbindungen (PAK) und Klebstoffe. Weitere Zusätze sind chemische Zusatzstoffe, die Maske vor UV-Licht schützen oder die Maske stabil halten, wenn sie feucht wird. Manche enthalten auch Anilin, Duftstoffe und antibakterielle Nano-Silberionen. Man atme pro Tag um die 2000 Fasern an Mikroplastik ein (HUI 3.2.2021, Audiobeitrag: DLF 4.2.2021, Nordbayern 7.7.2021): „Da ist jeder Dreck der Welt drin“ (DWN 17.2.2021). Das Umweltinstitut empfahl, neu erworbene Masken mehrere Stunden auslüften zu lassen oder im Backofen 30 Minuten lang bei 50 – 60 °C auszuheizen, sodass zumindest flüchtige organische Stoffe ausdünsten. Masken, die Silberchlorid enthalten, sollten vermieden werden, da sie die Hautflora zerstören und die Nanopartikel durch die Haut in den Körper eindringen können (DAZ 4.8.2020).

Alle Masken bestehen aus einer Vielzahl von Fasern, darunter synthetische Fasern wie Polyester, Polyamid und Meltblown- und thermobondierte Vliesstoffe sowie Naturfasern wie Baumwolle. Bei der Untersuchung von zwölf handelsüblichen Masken, teils CE- oder OEKO-TEX-zertifiziert, fand sich eine relevante Menge von Titandioxid-Nanopartikeln, die in allen Fällen die zulässige inhalative Exposition überschreiten dürften. Die Autoren schrieben: „Titandioxid (TiO2) steht im Verdacht, beim Einatmen krebserregend zu sein. (…) Weiterhin bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der Genotoxizität von TiO2-Partikeln…. Die Autoren halten weitere Toxizitätsuntersuchungen für erforderlich, um das Risiko für gefährdete Bevölkerungsgruppen, insbesondere Kinder, zu bewerten“ (Verleysen 15.2.2022).

Am 27. August 2023 schrieb MailOnline unter Berufung auf eine Untersuchung aus Südkorea: N95-Covid-Masken (entsprechen den FFP2-Masken) enthalten gefährlichen Mengen giftiger flüchtiger organischer Verbindungen (TVOC). Das Einatmen dieser Verbindungen wird mit gesundheitlichen Problemen wie Kopfschmerzen und Übelkeit in Verbindung gebracht, während längeres und wiederholtes Einatmen zu Organschäden und sogar Krebs führen kann. Die Forscher wiesen insbesondere auf die Chemikalien Dimethylacetamid (DMAc) und Dimethylformamid (DMF) hin, die mit Leber- und Fortpflanzungsschäden in Verbindung gebracht werden (MailOnline 27.8.2023)

Auf Masken sammeln sich auf der Innen- und Außenseite Bakterien und Pilze an, auch schon bei einmaligem Gebrauch, vermehrt bei Wiederverwendung. Wissenschaftler fanden auch pathogene Keime (Bacillus cereus, Staphylococcus saprophyticus, Aspergillus und Microsporium) und rieten dazu, dass vor allem immungeschwächte Menschen die wiederholte Verwendung von Masken vermeiden sollten, um Infektionen zu vermeiden (Park 18.7.2022).

Allein im Jahr 2021 wurden 3,8 Milliarden filtrierende Halbmasken (zum Beispiel FFP-2-Masken) im Wert von 841,3 Millionen Euro nach Deutschland importiert. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren das 46 Masken pro Einwohner“ (AA 2.4.2022). Die WELT schrieb im Januar 2023: „Für den Steuerzahler ist die Maskenbeschaffung insgesamt eine sehr teure Angelegenheit. Allein die Kosten auf Bundesebene belaufen sich seit Pandemiebeginn auf insgesamt 5,8 Milliarden Euro. Hierfür wurden 4,2 Milliarden OP-Masken und 1,7 Milliarden FFP2-Masken beschafft“. Der Bundesrechnungshof habe mehrfach die vermeidbare  massive Überbeschaffung kritisiert (WELT 20.1.2023, Bezahlschranke). .Die meisten Masken stammen aus China und werden unter immensem Rohstoffverbrauch hergestellt. OP-und FFP2-Masken enthalten Mikroplastikfasern und Phthalate, die sowohl für den Träger durch Beeinflussung des Hormonhaushalts ein Problem darstellen als auch bei der häufig „wilden“ Entsorgung Wasser und dort lebende Organismen kontaminieren (Zuri 22.9.2022). Die Naturschutzorganisation OceansAsia schätzte, dass allein im Jahr 2020 über 1,5 Milliarden Masken aus umweltschädlichem und nicht abbaubarem Material in den Weltmeeren gelandet sind (Grist 1.2.2022). 2021 landeten in Deutschland über 12 Milliarden Masken im Müll. Im Januar 2023 meldete die WELT die „Massenverbrennung“ von bis dato 17 Millionen zu viel bestellen Masken (WELT 20.1.2023, Bezahlschranke). Im Juni 2023 schrieb die WELT: „Das Bundesgesundheitsministerium plant, mindestens 755 Millionen Corona-Masken zu verbrennen, die ihr Haltbarkeitsdatum überschritten haben. Nach WELT-Informationen dürfte das Ausmaß noch deutlich größer sein. Und auch die Entsorgung wird nicht billig.“ (WELT 28.6.2023).

Laut RKI muss „beim bestimmungsgemäßen Einsatz von FFP2-Masken …eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung im Voraus angeboten werden, um durch den erhöhten Atemwiderstand entstehende Risiken für den individuellen Anwender medizinisch zu bewerten… In den „Empfehlungen der BAuA und des ad-Hoc AK „Covid-19“ des ABAS zum Einsatz von Schutzmasken im Zusammenhang mit SARS-CoV-2“ werden FFP2-Masken nicht zur privaten Nutzung empfohlen. Gemäß Vorgaben des Arbeitsschutzes ist die durchgehende Tragedauer von FFP2-Masken bei gesunden Menschen begrenzt (siehe Herstellerinformationen, i.d.R. 75 Minuten mit folgender 30-minütiger Pause), um die Belastung des Arbeitnehmers durch den erhöhten Atemwiderstand zu minimieren. Bedingt durch den zweckbestimmten, zielgerichteten Einsatz sind keine Untersuchungen zu den gesundheitlichen, ggf. auch langfristigen Auswirkungen der Anwendung von FFP2-Masken außerhalb des Gesundheitswesens z.B. bei vulnerablen Personengruppen oder Kindern verfügbar. Bei Gesundheitspersonal sind Nebenwirkungen wie z.B. Atembeschwerden oder Gesichtsdermatitis infolge des abschließenden Dichtsitzes beschrieben. Beim Einsatz bei Personen mit z.B. eingeschränkter Lungenfunktion oder älteren Personen sind gesundheitliche Auswirkungen nicht auszuschließen… Die Anwendung durch Laien, insbesondere durch Personen, die einer vulnerablen Personengruppe angehören (z.B. Immunsupprimierte) sollte grundsätzlich nur nach sorgfältiger Abwägung von potentiellem Nutzen und unerwünschten Wirkungen erfolgen. Sie sollte möglichst ärztlich begleitet werden, um über die Handhabung und Risiken aufzuklären, einen korrekten Dichtsitz zu gewährleisten, die für den Träger vertretbare Tragedauer unter Berücksichtigung der Herstellerangaben individuell festzulegen und gesundheitliche Risiken/Folgen zu minimieren. Weiterhin sollten FFP2-Masken grundsätzlich nicht mehrfach verwendet werden, da es sich i.d.R. um Einmalprodukte handelt.“ (RKI 14.1.2020).

Der Rostocker Arbeitsmediziner Andreas Podbielski kritisierte die Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken scharf. Sie gehörten nur in die medizinischen Berufe, seien belastend und brächten „haufenweise Risiken“ mit sich. „Das hört sich für mich nach Aktionismus an“ (AZ 15.1.2020). Auch Hendrik Streeck lehnte die Pflicht zu FFP2-Masken ab (n-tv 27.1.2021). FFP2-Masken sind selbst bei korrekter Anwendung im Gesundheitswesen nicht wirksamer als OP-Masken (Kunstler 27.5.2022).

Eine wegweisende wissenschaftliche Studie zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Masken erschien am 6. Juli, zwei Monate nach Einführung der Maskenpflicht. Sie resümiert: „Lungenbelüftung, kardiopulmonale (=Herz-Lungen-)Belastungsfähigkeit und Wohlbefinden werden durch chirurgische Masken reduziert… Sie beeinträchtigen erheblich die Lebensqualität des Trägers“. Der vergrößerte Atemwiderstand, die vergrößerte Atemarbeit und die verringerte Sauerstoffaufnahme seien besonders problematisch bei körperlicher Arbeit und für Patienten mit Bronchialerkrankungen oder Herzproblemen (Fikenzer 6.7.2020). Eine weitere große Übersichtsarbeit erschien im April 2021 und hatte als Ergebnis: „Erweitertes Maskentragen durch die Allgemeinbevölkerung könnte zu relevanten Effekten und Folgen in vielen medizinischen Bereichen führen“. Masken wirkten sich teilweise klinisch manifest auf die Blutgase des Trägers aus und könnten damit „die Grundlage allen aeroben Lebens, die äußere und innere Atmung, negativ beeinflussen, mit Einfluss auf verschiedenste Organsysteme und Stoffwechselvorgänge, mit physischen, psychischen und sozialen Folgen für den einzelnen Menschen“  (Kisielinski 20.4.2021). Italienische Forscher veröffentlichten im Mai 2022 eine Studie mit über 100 Probanden, bei denen während des Tragens einer chirurgischen Maske die Konzentration des eingeatmeten CO2 innerhalb weniger Minuten von 460 auf durchschnittlich 5000 ppm, bei Minderjährigen sogar auf über 6400 ppm stieg. Bei FFP2-Masken waren die Werte mit 9400 ppm etwa doppelt so hoch, bei 99% überstiegen sie hier den für den Arbeitsschutz maximal empfohlenen Wert von 5000 ppm (Martelucci 11.5.2022).

Die Autoren veröffentlichten ein weiteres Review mit Schwerpunkt auf den Nebenwirkungen für bestimmte Risikogruppen wie Schwangere oder Kinder. Masken könnten durch CO2-Rückatmung zu einem „maskeninduzierten Erschöpfungssyndrom“ (MIES) führen. Es gebe Indizien, dass der Langzeitgebrauch von Masken mit dem zu beobachtenden Anstieg von Totgeburten und einer Verringerung der verbalen, motorischen und allgemeinen kognitiven Leistungen von Kindern zusammenhängt. Es sei dringend eine Risiko-Nutzen-Analyse erforderlich (Kisielinski 6.1.2022).

In einem Review vom März 2023 wiederholen die Autoren ihre dringende Warnung vor der Toxizität von CO2 vor allem für bestimmte Risikogruppen (Schwangere, Kinder, Jugendliche). Tierversuche würden zeigen, dass chronisch erhöhte CO2-Konzentrationen in der eingeatmeten Luft zu Nerven- und neurologischen Entwicklungsschäden, zur Schädigung der Spermien und in der Schwangerschaft zu Schäden bei Fötus führen können:

Es gibt Indizien dafür, dass die verlängerte Maskenpflicht mit den derzeit beobachteten Totgeburten und den verminderten verbal-motorischen und allgemeinen kognitiven Leistungen von Kindern, die während der Pandemie geboren wurden, in Zusammenhang stehen könnte. Es besteht die Notwendigkeit, die Maskenverordnungen zu überdenken (Kisielinski 2.3.2023)

Eine andere Untersuchung an gesundem Krankenhauspersonal ergab, dass insbesondere weniger trainierte Personen unter allen Maskentypen schon bei mehrminütiger körperlicher Belastung Symptome wie Atemnot, Kopfschmerzen, Hitzegefühl oder Schwindel verspüren, einhergehend mit einem signifikanten Anstieg von CO2 im Blut (um ca. 10%) und einem Anstieg von Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz (Dtsch Ärztebl. 2.10.2020). In einer weiteren Untersuchung lösten chirurgische Masken bei gesunden Versuchspersonen schon bei einem sechsminütigen Spaziergang in signifikantem Ausmaß das Gefühl von Atemnot aus (Person E. 2018). In Singapur entwickelten über 80% der ArbeiterInnen im Gesundheitsbereich unter FFP2-Masken Kopfschmerzen (Ong Mai 2020).

Häufige lokale Nebenwirkungen der Masken sind Hautprobleme – bei bis zu 35% der Maskenträger – und der „Maskenmund“ mit Parodontitis und Karies (Foo 6.10.2006, Kurier 7.8.2020).

Auch zu den psychischen Folgen des Maskenzwangs gab es Einschätzungen (HNA 6.7.2020, Prousa 1.8.2020). Bei vielen Menschen erzeugen Masken massive psychische Stresssymptome und psychovegetative Reaktionen wie Atemstörungen, körperliche Missempfindungen, Ermüdung, Herz-Kreislauf-Reaktionen und Kopfschmerzen. Die Folgen sind Vermeidungsverhalten und dadurch geringere soziale Teilhabe und Einschränkung der gesundheitlichen Selbstfürsorge. Das Tragen von Masken verstärkt vorbestandene Probleme wie Isolationsgefühle und posttraumatische Belastungsstörungen. Krankschreibungen wegen Panikstörungen oder Schlafstörungen nehmen zu. Die unklare zeitliche Perspektive der Maskenpflicht wurde von vielen als zusätzlicher Belastungsfaktor erlebt.

Die Aufhebung des Maskenzwangs nach monate- oder jahrelanger Pflicht konnte zum „Leere-Gesicht-Syndrom“ (empty face syndrome) führen – ein Gefühl von Angst und Unsicherheit bis hin zu Kreislaufsymptomen und Panikattacken, wenn man sich ohne Maske in die Öffentlichkeit begibt (Bezzia 2022, Bonelli 24.5.2022). Die betraf vor allem vor allem Jugendliche, die sich mit der Maske vor den Blicken anderer schützen und individuelle Merkmale verbergen – vielleicht einfach nur das sich in der Pubertät verändernde Gesicht, vielleicht auch Merkmale wie Gesichtsbehaarung, Akne oder Zahnspange. Die Maske verhinderte, Rückmeldung zum eigenen Aussehen zu bekommen, und störte damit den Aufbau einer gesunden Identität. Psychologen empfahlen, die Maske zunächst in verlassenen Gegenden und dann allmählich in belebteren Gegenden abzulegen, bis man sich an das Gefühl gewöhnt hat (Reina 21.9.2021). Bei Fortbestehen sei das „Leere-Gesicht-Syndrom“ wie andere Angststörungen therapiebedürftig.

Nicht zu unterschätzen sind auch die sozialen Folgen der Masken: Sie erzeugen Missverständnisse, Gleichgültigkeit und Aggressivität. Verzerrte Stimmen und fehlende Mimik begünstigen Kommunikationsstörungen. Masken verhindern das „Lesen“ des Gesichtes: „Wie meint er das überhaupt?“ (Bonelli 21.7.2020). Sie erzeugen das Gefühl, der andere könnte eine Gefahr darstellen, um diese Gefahr gilt es zu vermeiden oder zu bekämpfen. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass man beim Einkaufen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln besonders oft angerüpelt wurde. Das Verdecken des Gesichts macht unsichtbar und verringert das Interesse an anderen Menschen – man sieht sich nicht mehr und sieht sich nicht mehr an. Gerald Hüther hielt es für unvermeidlich, dass man anderen Menschen gegenüber gleichgültig wird, wenn man ihnen nicht mehr „leibhaftig“ begegnen kann (Hüther 6.6.2020).

Der italienische Philosoph Giorgio Agamben ging noch weiter. Er schrieb in der NZZ: „Die Auslöschung des Gesichts, die Beseitigung der Toten und die soziale Distanzierung sind die wesentlichen Mittel dieser Regierungsmaschine, die nach übereinstimmenden Erklärungen der Machthaber auch dann beibehalten werden muss, wenn der sanitäre Terror gelockert wird. Eine Gesellschaft ohne Gesicht, ohne Vergangenheit und ohne physischen Kontakt ist eine unfreie Gesellschaft von Gespenstern. Es ist eine Gesellschaft, die als solche mehr oder weniger schnell dem Untergang geweiht ist.“ (NZZ 30.4.2021).

Die kanadische Bürgerrechtsorganisation OCLA forderte die WHO auf, die Maskenempfehlung zurückzunehmen. Sie schade der öffentlichen Gesundheit und untergrabe das Gefüge der Gesellschaft. Die Studien, auf die sich die WHO neuerdings stütze, hätten einen geringen wissenschaftlichen Standard und unterlägen einem hohen Risiko von Verzerrungen denn Wissenschaftler, die unter Pandemie-Bedingungen nicht die offizielle Lesart unterstützen, riskieren Ansehen, Forschungsgelder und Karriere. Das erzwungene Tragen von Masken führe zu Angst und Stress und vergrößere dadurch das Risiko für Depressionen, Immunschwäche und schwere körperliche Krankheiten.

Rene Schlott brachte es in einem Leserbrief in der FAZ auf den Punkt: „Eine kürzlich vorgestellte Studie des Politologen Thorsten Faas von der FU Berlin kam zu dem Ergebnis, dass in der deutschen Bevölkerung nicht etwa Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen am kontroversesten beurteilt werden, sondern die Maskenpflicht. Damit wohnt dieser Maßnahme, ob man sie nun für „verhältnismäßig“ hält oder nicht und unabhängig davon, ob einem persönlich das Masketragen nichts ausmacht oder doch, das größte gesellschaftliche Spaltungspotenzial inne. Denn mit der Maske etabliert man langfristig ein Menschenbild, das davon ausgeht, dass von ausnahmslos allen Mitmenschen (von denen der allergrößte Teil nicht infektiös ist) zuallererst eine Gefahr ausgeht, und zwar allein dadurch, dass sie das Natürlichste der Welt tun: atmen“ (Schlott 26.8.2022).

Karl  Lauterbach machte sich dieses Menschenbild für seine angstgesteuerte Pandemiepolitik zu Nutze: “Jeder Moment, in dem Sie die Maske tragen, bedeutet mehr Schutz. Außerdem geht von der Maske immer auch ein Signal aus: an diesem Ort kann man sich infizieren. Das macht Menschen vorsichtig“ (WELT 27.8.2022, Bezahlschranke). Vinay Prasad kommentiert die Rolle der Angst in der Politik: „Es ist pathologisch, wenn Ängste das eigene Leben beeinträchtigen, aber ich glaube, wir betreten den Bereich der Katastrophe, wenn persönliche psychische Probleme weitreichende politische Angelegenheiten beeinflussen“ (Prasad 16.9.2022).

OCLA beklagt außerdem die „unmittelbaren schädlichen Verletzungen der Bürgerrechte und der persönlichen Würde“ durch den Maskenzwang und stellt die Frage nach möglichen Langzeitschäden für die Demokratie, wenn die Bürger an staatlich erzwungene Maßnahmen gewöhnt werden, die weder wissenschaftlich ausreichend begründet sind noch vom Parlament diskutiert wurden (OCLA 21.6.2020). Es werden auch Umfragen von fragwürdigen Instituten veröffentlicht, dass die Mehrheit der Menschen das verpflichtende Tragen einer Maske auch etwa auf öffentlichen Plätzen und in Innenstädten als „angemessen“ oder „eher angemessen“ empfinden – auch so kann Meinung beeinflusst werden (RTL 23.9.2020, Cicero 30.4.2019).

Die britische Regierung kündigte im Juli 2021 trotz steigender Coronazahlen die weitgehende Aufhebung der Maskenpflicht und anderer Einschränkungen an. Schutzmasken sollten eine „persönlichen Entscheidung“ sein. Das Land könne dadurch nicht nur „freier, sondern auch gesünder werden“, schrieb der Gesundheitsminister in einem Gastbeitrag für die „Mail on Sunday“, und spielte damit etwa auf die Belastung der psychischen Gesundheit an (FAZ 4.7.2021).

Während in  den USA, Großbritannien, den Niederlanden oder Dänemark im August 2021 die Maskenpflicht abgeschafft wurde, verkündete der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass die Maskenpflicht bis Frühjahr 2022 bestehen bleiben sollte. Verschiedene Wissenschaftler forderten jedoch eine Exit-Strategie. Die Maskenpflicht als Coronamaßnahme werde in ihrer Wirkung überschätzt (WELT 19.8.2021). Erst im Frühjahr 2022 wurde die Pflicht weitgehend abgeschafft, aber noch im öffentlichen Nah- und Fernverkehr und im medizinisch/pflegerischen Bereich beibehalten.

Masken bei Kindern

Während der Pandemie waren alle Kinder ab sechs Jahren in verschiedensten Situationen zum Tragen von Masken verpflichtet. Das stand in keinem Verhältnis zu ihrem geringen Erkrankungs- und Ansteckungsrisiko und war für jeden, der ein Herz für Kinder hat, ein schwer zu ertragender Anblick.

In vielen Bundesländern gab es ab dem Schuljahr 2020/21 eine Maskenpflicht für Schüler aller Klassen im Schulgebäude und während des Unterrichts. Betroffene Schüler mussten teilweise stundenlang und ohne Pausen eine Maske tragen. In Bayern musste erst ein Gericht Tragepausen erzwingen, die im arbeitsmedizinischen Bereich schon längst Vorschrift sind, mit einer maximalen Tragedauer von zwei Stunden und anschließender 30minütiger „Erholungspause“ (KOBAS 7.10.2020, BR 8.11.2020, lto 10.11.2020).

Zur Maskenpflicht für Schüler und Lehrer rieten die Wissenschaftler der Leopoldina, u.a. der Charité-Virologe Christian Drosten und der Präsident des Robert Koch-Instituts Lothar Wieler (Tagesschau 5.8.2020). Die Empfehlung ging mit keinem Wort auf mögliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder ein.

Die SPD-Fraktionschefin im Münchner Rathaus bekam sogar noch für ihren Tweet „Die Kinder halten das aus“ von der Süddeutschen Zeitung Ahnungslosigkeit und fehlendes Einfühlungsvermögen attestiert (SZ 19.10.2020).

Während sich im Juni 2021 immer mehr Politiker und Experten angesichts sinkender „Inzidenz“-Zahlen und der Hitzewelle für ein Ende der Maskenpflicht in Schulen aussprachen und einige Bundesländer sie auch angingen, mussten Millionen Schüler weiter Masken tragen (BILD 16.6.2021, tagesschau 17.6.2021).  Der Deutsche Lehrerverband in Gestalt seines Präsidenten Heinz-Peter Meidinger forderte die Fortsetzung der Maskenpflicht an den Schulen aus Gründen „größtmöglicher Vorsicht“: Das Virus sei „noch nicht von der Bildfläche verschwunden“ (br 14.6.2021). Besonders tragisch und besorgniserregend war, dass sogar Schülervertreter die Fortsetzung der Maskenpflicht forderten (FP 2.7.2021).

Erst auf massiven öffentlichen Druck hin ließ die bayerische Staatsregierung im Juni 2021 zunächst in den Grundschulen, wenige Tage später in allen Schulen die Maskenpflicht fallen. Stattdessen sollte jedoch dreimal statt zweimal wöchentlich ein Coronatest gemacht werden (br 22.6.2021, SZ 30.6.2021). Zum Schulstart im Herbst 2021 kündigte Markus Söder wieder eine Maskenpflicht an (WELT 9.7.2021). Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter Meidinger war wie immer bei ihm (dlf 23.7.2021). Manche Politiker outeten sich sogar als regelrechte Masken-Fanatiker. Karin Prien, Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, sagte im Januar 2022: „Ich bin ein großer Fan der Maskenpflicht“. Sie erwarte, dass die Maskenpflicht in Schulen bis zu den Sommerferien 2022 beibehalten werde (WELT 4.1.2022).

Nach einer Meldung vom 20. Juni 2021, als die „Inzidenzen“ an einem Tiefpunkt angelangt waren, sah die Bundesregierung „angesichts des fortgesetzten Pandemiegeschehens einen Bedarf für geeignete Kindermasken zum Zweck des Infektionsschutzes“. Deshalb sollten jetzt FFP2-Masken für Kinder entwickelt werden. Dies war die Antwort auf eine Anfrage der GRÜNEN. Deren verbraucherpolitische Sprecherin  Tabea Rößner nannte es ein „Armutszeugnis, dass nach 16 Monaten Corona-Pandemie noch immer keine spezifischen FFP2-Masken für Kinder auf dem Markt verfügbar sind“ (WELT 20.6.2021). Es war eher ein Armutszeugnis, dass Politiker derart massiv gegen Kindeswohl und Kinderrechte verstießen. Das sahen auch einige Unternehmen so, die zwar FFP2-Masken herstellen, aber für Kinder keine derartigen Masken produzieren wollen (Handelsblatt 23.6.2021).

Im Spätherbst 2021 erlebte die Empfehlung zur FFP2-Maske bei Kindern eine Renaissance – ein neuer Höhepunkt der Kindeswohlgefährdung in der Pandemie. Das ZDF Kinder behauptete: „FFP2 Masken schützen euch am besten!“ , mit der Handlungsanweisung: „Setzt die Maske richtig auf, drückt sie an allen Seiten ein bisschen fest. Nun pustet mal! Haltet dabei beide Hände flach mit etwas Abstand über eure Maske. Und? Merkt ihr ein Windchen, das auf einer Seite der Maske durchkommt? Wenn ja, richtet eure Maske nochmal!“ (ZDF 4.12.2021).

Karl Lauterbach zitierte eine Modellierungsstudie zur Wirksamkeit der FFP2 Masken (Bagheri 7.12.2021) und schrieb euphorisch: Die Studie ist besonders für Kinder jetzt relevant. Wenn sie in der Klasse eine Ffp2 Maske so tragen, dass sie eng anliegt, ist ihr Infektionsrisiko fast null. Tragen sie keine Masken ist es extrem hoch(Lauterbach 4.12.2021). Bei einer Untersuchung der Stiftung Warentest fielen alle FFP2-Masken für Kinder durch, weil sie einen zu hohen Atemwiderstand aufwiesen und die Sauerstoffzufuhr verschlechterten. Um nicht zu ersticken, würden die Kinder die Masken falsch aufsetzen (WELT 10.12.2021, Focus 2.2.2022).

Der ehemalige Aichacher Amtsarzt Friedrich Pürner nannte Masken ein „Symbol mit angsterzeugender Wirkung. Eine andere Wirkung hat sie nicht“ (WB 9.10.2020). Pürner wurde auf Grund derartig „ketzerischer“ Äußerungen prompt strafversetzt (SZ 5.11.2020). Ein offener Protestbrief an die bayerische Staatsregierung gegen diese Versetzung wurde von über 300 Ärzten und Wissenschaftlern unterzeichnet.

WELT-Redakteur Klaus Geiger schrieb in seinem Beitrag „Die Grenze zur Bevormundung und Erniedrigung ist überschritten“: „Es ist nur ein weiteres Beispiel, das die Gefahr zeigt, wie sich in der Corona-Krise schleichend die Grenze verschiebt. Von sinnvollem Infektionsschutz hin zur Fantasie absoluter Kontrolle der Pandemie… Wir nehmen den Kindern gerade die Würde – und die Luft zum Atmen. (…) Wir müssen uns fragen, ob diese Maßnahme verhältnismäßig ist. Kinder sind nicht die Hauptverursacher des Coronavirus, die Prävalenz in den Gemeinden ist rückläufig – viel besser wäre es, für gute Hygiene und Belüftung zu sorgen, einschließlich des Öffnens von Fenstern“ (WELT 17.11.2020).

In einem ausführlich begründeten offenen Brief fordert Christof Kuhbandner vom bayerischen Kultusministerium, die Maskenpflicht in der Grundschule wieder abzuschaffen. Statistisch käme es nur an einer von 10 000 Grundschulen zur Ansteckung eines Lehrers durch einen Schüler (Kuhbandner 26.10.2020). In einer weiteren „ausführlichen Stellungnahme“ schrieb er, es gebe keine Belege dafür, dass die Maskenpflicht an Schulen das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung substantiell reduzieren kann. Außerdem könnten Masken das körperliche und seelische Wohlergehen der Kinder gravierend beeinträchtigen. Die Verhältnismäßigkeit sei daher nicht gewahrt (Kuhbandner 13.11.2020).

Kinderärzteverbände hatten im Frühjahr 2020 noch einen Zwang zum Maskentragen für Kinder abgelehnt (BVKJ 28.4.2020), und vier große medizinische Fachverbände hatten die Öffnung von Kindergärten und Schulen ohne Maskenpflicht und Abstandsregeln gefordert (SPIEGEL 19.5.2020). Am 12.11. erschien dann eine Stellungnahme kinderärztlicher Fachverbände mit der Empfehlung zu einer Maskenpflicht ab 10 Jahren und einer „optionalen“ Maskenverwendung ab 6 Jahren (DGPI 12.11.2020).

Der Sachverständige für Medizinprodukte Markus Veit entgegnete in einem offenen Brief den Autoren dieser Stellungnahme, die Empfehlung sei unethisch, denn es lägen keine Nutzen-Risiko-Bewertungen für Gesichtsmasken bei Viruserkrankungen vor, weder für Kinder noch für Erwachsene; die Argumentation der Fachverbände mit Hilfe von „gänzlich unwissenschaftlichen Publikationen“ habe eine „haarsträubende Qualität und grenze an Täuschung“. Die Behauptung der Autoren, unerwünschte Wirkungen seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, sei abenteuerlich, denn es läge eine ganze Reihe von Risiken durch Gesichtsmasken vor, die in der Stellungnahme nicht erwähnt werden. Es dränge sich die Frage auf, ob Masken nicht mehr ein politisches Instrument als eine sinnvolle medizinische Intervention darstellen (Veit 16.11.2020).

Ein Vergleich verschiedener Distrikte in den USA mit etwa 20 Millionen Schülern öffentlicher Schulen ließ keinerlei Korrelation zwischen Erkrankungszahlen und Maskenpflicht an Schulen erkennen (Burns 9.3.2022). Nachdem die Centers for Disease Control in den USA mehrere Beobachtungsstudien vorgewiesen hatten, die darauf hindeuten, dass die Maskenpflicht in Schulen die Fallzahlen deutlich reduzierte, haben unabhängige Autoren noch einmal nachgerechnet und konnten keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Maskenpflicht und Fallzahlen finden (Chandra 25.5.2022, Chandra 29.9.2022). Der Zeitschrift MMWR, die vom US-Gesundheitsministerium herausgegeben wird, wurden sogar schwere Fehler bezüglich ihrer Positionierung für die Maskenpflicht nachgewiesen: „Unsere Ergebnisse geben Anlass zur Sorge über die Zuverlässigkeit der Zeitschrift als Informationsquelle für die Gesundheitspolitik“ (Høeg 11.7.2023). Während der Maskenpflicht an Schulen im Bezirk Los Angeles machten pädiatrische Covid-Fälle einen größeren Anteil an den Gesamtfällen (33,9%) aus als nach Ende der Maskenpflicht (22,6%) (Høeg 27.7.2022).

In Katalanien wurde der Effekt der Maskenpflicht für Schüler ab sechs Jahren untersucht, im Vergleich mit der Vorschulgruppe der Fünfjährigen ohne Masken. Sechsjährige Kinder wiesen eine höhere Inzidenz auf als Fünfjährige (3-54 % gegenüber 3-1 %) mit einer statistisch nicht unterschiedlichen Übertragungsrate auf andere: „Dies deutet darauf hin, dass die Maßnahme nicht wirksam war“ (Coma 23.8.2022). Auch eine Studie aus Finnland zeigte, dass Masken bei Schülern keinen Effekt hatten, und zwar weder im Vergleich zwischen verschiedenen Städten als auch zwischen verschiedenen Altersgruppen ungeimpfter Kinder: „Die Verwendung von Gesichtsmasken hatte keinen Einfluss auf die COVID-19-Inzidenz bei 10-12-Jährigen in Finnland“ (Juutinen 7.4.2022).

Bei Säuglingen und Kleinkindern ist die Wahrnehmung des gesamten Gesichts der Bezugspersonen wichtig zur Erkennung des Gegenübers und zur Wahrnehmung emotionaler Ausdrücke. Der direkte Blick und der emotionale Gesichtsausdruck sind entscheidend für die Bindung von Aufmerksamkeit. Die Wahrnehmung des Mundes ist besonders wichtig für das Erlernen von Sprache. Die Bedeckung des Gesichts von Bezugspersonen hat daher erhebliche negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern (Carnevali 18.2.2022).

Es gibt keine Studien zu den gesundheitlichen und emotionalen Auswirkungen des Tragens von Gesichtsmasken bei Schulkindern. Bei der Recherche in medizinischen Suchmaschinen findet man nur eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2011 (Roberge Sept. 2011). Es heißt darin: „Wie bei Erwachsenen kann die Toleranz von Kindern gegenüber schützenden Gesichtsmasken negativ beeinflusst werden durch eine Reihe psychophysischer Faktoren wie Atemwiderstand, Wärme- und Feuchtigkeitsansammlung, CO2-Rückhaltung, Druck auf das Gesicht, Klaustrophobie und Angstzustände (…) Es gibt keine Daten über die Höhe der CO2-Retention bei Kindern, die Masken tragen (…) …das Missverhältnis zwischen Leitlinien und verfügbaren Daten unterstreicht die dringende Notwendigkeit für Forschung zum Thema Maskentragen bei Kindern (…). Physiologische und psychologische Forschung sind erforderlich, um die physischen und emotionalen Auswirkungen des Tragens von schützenden Gesichtsmasken bei Kindern zu klären“.

Die führende britische Gesundheitsexpertin Allyson Pollock lehnte die Maskenpflicht an Schulen ab:  „Hier geht es nicht um die öffentliche Gesundheit. Es gibt keine Untersuchungen zu dieser Maßnahme an Schulen. Sie richtet möglicherweise mehr Schaden durch die Verbreitung von Keimen an, weil Masken, die in dieser Umgebung getragen werden, nichts anderes sind als ein schmutziges Taschentuch, besonders wenn die Temperatur sich ändert und die Nasen laufen. Das ist ekelhaft. Was machen die Kinder, wenn sie auf die Toilette gehen? Nehmen sie dort ihre Maske ab und setzen sie wieder auf? Wechseln sie die Masken jedes Mal, wenn sie ihr Gesicht oder ihre Nase oder ihren Mund berühren? Es braucht keine Phantasie, was passiert. Masken sind wie Petrischalen für Infektionen sind, und es besteht das Risiko besteht, dass noch mehr Keime verbreitet werden. Es macht mich wütend, dass wissenschaftliche Experten der Regierung dies durchsetzen können. Wie viele dieser Experten sitzen bis zu 7 Stunden am Tag in Masken an ihren Schreibtischen – wie oft wechseln sie ihre Maske im Laufe eines Arbeitstages?“ (Express 28.2.2021). Auch der wissenschaftliche Berater der englischen Regierung Calum Semple nannte eine Maskenpflicht an Grundschulen „überflüssig“ (GbL 26.2.2021).

Im Januar 2022 veröffentlichte das britische Bildungsministerium eine „Zusammenfassung der Beweislage zu COVID-19 und Gesichtsmasken im Erziehungsbereich“. Es fand keinen statistisch signifikanten Unterschied in den Fehlzeiten durch COVID-19 an Schulen mit oder ohne Maskenpflicht. Die Beweise für Gesichtsmasken in Schulen seien nicht schlüssig(bbc 7.1.2021). In früheren Unfragen hatten 94 Prozent der Lehrer und 80 Prozent der Schüler angegeben, dass Masken die Kommunikation erschweren, mehr als die Hälfte der Schüler hatte das Gefühl, dass das Tragen einer Maske das Lernen erschwert (DfE Jan 2022).

Der US-amerikanische Epidemiologe Vinay Prasad sprach von einem „Kult“: „Hier geht es nicht um den Schutz von Kindern, Lehrern oder Großeltern, sondern um ein wahnhaftes und gefährliches sektenartiges Verhalten. (…) In der gesamten Menschheitsgeschichte haben wir noch nie so viele Kinder für so viele Stunden am Tag über so viele Jahre hinweg maskiert. Wir haben also nur sehr wenige Daten, aus denen wir Lehren ziehen können. Wir wissen einfach nicht, welche langfristigen Auswirkungen diese evidenzfreie Maßnahme hat.

Wenn die Geschichtsbücher geschrieben werden, werden wir nicht als weise oder freundlich dastehen, weil wir darauf bestanden haben, dass Kinder und Kleinkinder stundenlang Masken tragen, Jahr für Jahr, ohne diese Politik jemals in kontrollierten Versuchen zu testen. Wir werden als ignorant, grausam, ängstlich und feige dastehen. Wir könnten sogar schlechter dastehen als unsere primitiven Vorfahren, die angesichts großer Plagen alle möglichen bizarren, abergläubischen Verhaltensweisen an den Tag legten – die aber selten beinhalteten, dass Kinder am meisten leiden mussten“ (Vinay Prasad 20.1.2022).

Shamez Ladhani schrieb im September 2022 in einem Editorial für das Journal of Infection (Ladhani 25.9.2022):

Wir müssen aufhören, Kinder in Bildungseinrichtungen zu maskieren, denn nach fast 3 Jahren der Pandemie gibt es keine stichhaltigen Beweise für einen Nutzen

Ein Team von Wissenschaftlern der Universität Stanford zog im Dezember 2023 in einer umfangreichen Übersichtsarbeit das Fazit: „Die Wirksamkeit von Masken bei Kindern zum Schutz vor einer SARS-CoV-2-Übertragung oder -Infektion ist in der Praxis nicht durch hochwertige Belege nachgewiesen worden. Der derzeitige Stand an wissenschaftlichen Daten spricht nicht für Masken bei Kindern zum Schutz vor COVID-19(Sandlund 2.12.2023).

Der britische Kinderinfektiologe Alasdair Munro schrieb: Gesichtsmasken für Kinder (<12) sollten angesichts fehlender Belege für den Nutzen und möglicher Schäden vermieden werden. Die meisten vorhandenen Belege, die für die Wirksamkeit von Masken bei Kleinkindern herangezogen werden, sind durch systematische Unterschiede zwischen maskierten und unmaskierten Populationen irreparabel verzerrt. In einigen Studien ist dies sogar explizit, was es bemerkenswert macht, dass die Leute sie als nützliche Beweise ansehen. Die einzige Studie, bei der regionale Unterschiede berücksichtigt wurden, war die Vorschul- und Grundschulstudie aus Katalonien. Hier war der einzige Unterschied das Alter, und es wurde kein signifikanter Unterschied zwischen maskierten und unmaskierten Kohorten gefunden, was auf eine fehlende klinisch relevante Wirksamkeit schließen lässt. (…) Die Bildung wurde durch die Pandemie massiv gestört, und Kinder und Erzieher berichten, dass Masken die Kommunikation beeinträchtigen. Ganz zu schweigen von einer möglichen Beeinträchtigung der Sprachentwicklung, die bereits durch die die bereits durch die Pandemie-Präventionsmaßnahmen beeinträchtigt wurde“ (Munro 7.11.2022)

Eine weitere wissenschaftliche Aufarbeitung des Tragens von Masken bei Kindern ist meines Erachtens unnötig. Umfragen unter Schülern und Eltern zeigten, dass Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit häufige Nebenwirkungen waren (siehe auch die Remonstration des Lehrers Jörn Eysell (Eysell 27.9.2020). Nach dem Ergebnissen einer Online-Befragung von über 20’000 Eltern durch die Universität Witten-Herdecke wurden Kinder durch Masken auf vielfältige Weise psychisch und physisch beeinträchtigt.

Bei einer Tragedauer von durchschnittlich 270 Minuten wurden bei 68% der Kinder Belastungen angegeben wie Reizbarkeit (60 %), Kopfschmerzen (53 %), Konzentrationsschwierigkeiten (50 %), geringere Fröhlichkeit (49 %), Abneigung gegen Schule/Kindergarten (44 %), Unwohlsein (42 %), Lernschwierigkeiten (38 %) und Schläfrigkeit oder Müdigkeit (37 %) (Schwarz 18.12.2020).

Italienische Forscher veröffentlichten im Mai 2022 eine Studie mit 10 minderjährigen Probanden, bei denen während des Tragens einer chirurgischen Maske die Konzentration des eingeatmeten CO2 innerhalb weniger Minuten von 460 auf durchschnittlich über 6400 ppm stieg (Martelucci 11.5.2022).

Der Kinderarzt Eugen Janzen erläuterte in einem Video, wie es zu diesen Nebenwirkungen kommt (Janzen 2.10.2020 – das Video wurde von Youtube mehrfach gelöscht, und der Kollege wurde mit Hassmails überschüttet, wie Raphael Bonelli in einem hörenswerten Beitrag schilderte: Bonelli 7.10.2020): Wegen des geringen Atemvolumens eines Kindes wird – abhängig vom Material und der Form der Maske – verhältnismäßig viel Kohlendioxid aus dem „Totraum“ innerhalb der Maske zurückgeatmet. Dadurch steigt die CO2-Konzentration im Blut an (Hyperkapnie). Das kann zu Blutgefäßerweiterung und Blutdruckabfall führen, was der Körper mit Adrenalinausschüttung beantwortet. Die Symptome sind Schwitzen, Gesichtsrötung, Blutdruckschwankungen, beschleunigter Herzschlag, Schwindel, Unwohlsein und Kopfschmerzen – Beschwerden, die viele Schulkinder dem Kinderarzt auf Nachfrage schildern (Dtsch Ärztebl. 27.4.2020).

Am 13.12. veröffentlichte Eugen Janzen ein zweites Video, in dem er Untersuchungen an ca. 20 Kindern in seiner Praxis schilderte. Er fand bei ihnen nach mehrstündigem Maskentragen Veränderungen der Atemfrequenz und im Urin deutlich erhöhte Konzentrationen an den Stresshormonen Adrenalin und Noradrenalin. Janzen sah mögliche Gefahren in diesen chronisch erhöhten Hormonspiegeln, forderte ein Verbot der Masken bei Kindern und kündigte eine Klage beim Gerichtshof in Den Haag an (Janzen 12.12.2020). Seine Untersuchungsergebnisse sind auch auf seiner Website nachzulesen (Janzen).

Säuglinge und Kleinkinder können unter Gesichtsmasken ersticken. Aus China wurden Todesfälle bei Schulkindern gemeldet, die mit Maske Sport treiben mussten (World.kbs.co 5.6.2020). Die Weltgesundheitsorganisation warnte vor körperlicher Anstrengung mit Masken (WHO 16.6.2020). An vielen Schulen vor allem in Bayern wurde ab Oktober 2020 Sportunterricht mit Masken durchgeführt – falls es überhaupt Sportunterricht gab. Erneut wurde die Masken im Schulsport ab 24.11.2021 vorgeschrieben. Das war gesundheitsgefährdend und eine klarer Grund für juristische Schritte gegen die Verordnung.

Augenärzte berichteten von Unfällen, weil die Masken das Sehfeld der Kinder einschränkten oder bei Brillenträgern die Brillen beschlugen. Ungeklärt ist die Frage, welche Auswirkungen das ständige Einatmen möglicher Schadstoffe aus dem Maskenmaterial hat, etwa Mikrofasern, Waschmittelrückstände, Textilgifte etc. Mehrfach getragene Einwegmasken können zu allergischen Reaktionen auf den Schleimhäuten führen (SZ 10.1.2021, Klimek 6.10.2020). Es gab auch Rückrufe wegen giftiger Inhaltsstoffe (HNA 13.12.2020). Kinder fassten Kinder ihre Masken häufig an und mussten sich, wenn es nach den offiziellen Empfehlungen ging, alle paar Minuten die kontaminierten Hände waschen (Boston Herald 22.6.2020).

Masken sind bei Kindern potentiell schädlich und waren aus meiner kinderärztlichen Sicht kontraindiziert. Eine Maskenpflicht egal unter welchen Bedingungen war ein Verstoß gegen die Kinderrechte und den dort formulierten Vorrang des Kindswohls. Es ist grotesk, dass Atteste zur Maskenbefreiung von Schülern als Gefälligkeitsatteste verunglimpft wurden.

In einem offenen Brief hatten sich über 100 Mediziner, Sozialarbeiter und Lehrer aus ganz Deutschland an die Bildungsministerin von NRW gewandt. Die Unterzeichner drückten darin ihre Sorge aus, dass sich die Maskenpflicht an den Schulen negativ auf die Entwicklung und Psyche der Kinder auswirken könnte. Für junge Schüler sei es sehr wichtig, Gesicht und Mimik ihres Gegenübers sehen zu können. Die Maskenpflicht könne Angststörungen, Waschzwang oder Schlafstörungen verstärken. Die Unterzeichner forderten eindeutige Nachweise für den Nutzen einer Maskenpflicht (Offener Brief 4.8.2020).

Ein weiterer offener Brief wurde von Lehrern und Erziehern an Waldorfschulen verfasst. Darin wurde beklagt, dass durch das Tragen von Masken die Beziehung zum anderen Menschen auf der emotionalen Ebene massiv gestört werde und damit ein wesentliches Element der Erziehung und der Sozialentwicklung beschnitten werde. Zudem werde signalisiert und sehr bald verinnerlicht, dass Schule eine Gefahrenzone darstelle. Unterricht sei kaum durchführbar, da die Verständigung erschwert werde und die Maske dem jungen Menschen signalisiere, dass er schweigen solle. Schulen sollten Orte gesunder Entwicklung im weitesten Sinne sein. Geborgenheit, Toleranz, offenes Gespräch, Positivität und freier Gestaltungswille seien unverzichtbare Bausteine einer tragfähigen Gesellschaft. Die Ministerin für Schule und Bildung NRW wird aufgefordert, die Maskenpflicht und die Abstandsregeln sofort zurückzunehmen und stattdessen Aufklärungsarbeit zur Stärkung der Gesundheit der zukünftigen Generation zu leisten (Bek 26.8.2020).

Die Amtsgerichte in Weimar und Weilheim stellten im April 2021 die Maskenpflicht für Schüler in Frage (Focus 13.4.2021). Kurze Zeit später folgte das Oberverwaltungsgericht Bremen (ZEIT 21.4.2021). Das Amtsgericht Weilheim kam zu dem Ergebnis: „Die Anordnung der Maskenpflicht an Schulen gem. § 18 Abs. 2 der Bayerischen Infektionsschutzverordnung ist daher verfassungswidrig und damit nichtig.“  Weiter hießt es in dem Urteil: „Es muss jedoch allen, die den Beschluss und insbesondere die Ausführungen des Sachverständigen Kuhbandner kennen, klar sein, dass jeder, der ein Kind entgegen dessen Willen über einen längeren Zeitraum zwingt, eine Maske zu tragen, eine Gefährdung dessen Wohls verursacht und damit ohne rechtfertigenden Grund in dessen Rechte eingreift”. Lehrer und Schulleitungen seien gehalten, die Rechte der Kinder zu respektieren. Ein Schulleiter oder Lehrer, der Schüler in Kenntnis der damit verbundenen Gefahren zum Tragen einer Maske zwinge, „wird sich in dem Fall, dass die Gefährdung eine tatsächliche Schädigung des betreffenden Kindes zur Folge hat, nicht darauf berufen können, er habe die Gefahr nicht gekannt oder sei durch irgendeine Infektionsschutzverordnung oder ein Hygienekonzept hierzu gezwungen worden.” (2020news 13.4.2021, Nordkurier 13.4.2021).

Das Hamburger Oberverwaltungsgericht bestätigte im Juli 2021 ein Urteil des Verwaltungsgerichts, nach dem die Testpflicht an Schulen eine Verletzung des Datenschutzes darstellt. Jeder betroffene Schüler könne der Testpflicht in der Schule widersprechen. Es genüge ein negatives Ergebnis, das nicht älter als 24 Stunden ist. Die Bedingung: Der Test muss in einem Corona-Testzentrum gemacht werden (WELT 7.7.2021).

Die deutschen Gerichte arbeiteten auf der anderen Seite daran, die Ausstellung ärztlicher Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht zu erschweren. Das Verwaltungsgericht Würzburg verlangte in einem Beschluss vom 16.9.2020, dass diese Atteste eine Diagnose enthalten müssten (BR 17.9.2020). Das war nicht unproblematisch, weil die Atteste in der Schülerakte abgeheftet werden. Am 24.9. setzte das Oberverwaltungsgericht in Münster nach. Es verlangte, dass in Attesten relevante Vorerkrankungen erwähnt werden, also quasi die Krankengeschichte des betroffenen Schülers aufgeblättert wird. Es müsste deutlich werden, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Maskenpflicht in der Schule zu erwarten seien. Es müsste eine physische oder psychische Erkrankung vorliegen, die über die allgemeinen Beeinträchtigungen, die bei allen Schülern auftreten können, hinausgeht (lto 24.9.2020). Die Gerichte hebelten damit die ärztliche Schweigepflicht aus, einen „wichtigen, historisch über lange Zeit gewachsenen Pfeiler unserer Gesellschaft“ (Schrappe 7.9.2020).

Nach Auffassung des Datenschutzbeauftragten von Rheinland-Pfalz Dieter Kugelmann war „keine Rechtsgrundlage gegeben, auf deren Basis Schulen und Schulaufsichtsbehörden umfangreiche medizinische Informationen im Zusammenhang mit der Befreiung von der Maskenpflicht anfordern könnten.“ Auch in Pandemie-Zeiten dürften Datenschutzrechte nicht ausgehöhlt werden (Datenschutz rlp 6.11.2020).

In Bayern waren die Schulleitungen angehalten, in „freier Beweiswürdigung“ über mögliche Befreiungsgründe von der Maskenpflicht zu entscheiden und ggfls. unanfechtbar das Tragen einer Maske zu verordnen; wurde dieser Pflicht nicht nachgekommen, war eine Teilnahme am Unterricht „grundsätzlich nicht möglich“. Wie weit das in das psychische Wohlbefinden von Kindern eingriff, zeigte der Bericht über ein elfjähriges Mädchen, dessen Attest nicht anerkannt wurde, das dann von Mitschülern und Lehrern gemobbt wurde und schließlich in eine psychiatrische Klinik aufgenommen werden musste (Wahlig 3.12.2020). Weitere derartige Fälle schilderte und vertrat die Rechtsanwältin Jessica Hamed (BZ 19.2.2021). Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg setzte Anfang Januar 2021 die Bestimmung, wonach auf den Attesten die Diagnose und die daraus folgenden Gründe für die Befreiung von der Maskenpflicht vermerkt sein muss, im Eilverfahren außer Vollzug (BZ 7.1.2021).

Im bayerischen Rahmenhygieneplan für Schulen wurde eine Drohkulisse für Ärzte aufgebaut, die Maskenbefreiungen attestieren. Es hieß dort, wenn der Verdacht bestehe, dass es sich um eine „aus sachfremden Gründen ausgestellte Bescheinigung“ handelt, könne „die Schulleiterin bzw. der Schulleiter Kontakt mit dem Ärztlichen Kreisverband vor Ort aufnehmen (… ). Bei konkretem Anfangsverdacht auf das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse wider besseres Wissen kommt auch die Erstattung einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft oder Polizei in Betracht“ (KM 11.12.2020). In Berlin ging die Ärztekammer juristisch gegen Ärzte vor, die „Gefälligkeitsatteste“ ausstellen oder ihre Patienten dazu auffordern, im Wartezimmer keine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen (Berlin.de 11.11.2020).

Es gab polizeiliche Durchsuchungen von Arztpraxen und Privatwohnungen von Ärzten, Anzeigen und Strafprozesse (br 2.5.2022). In der Wochenzeitung „der Freitag“ wurde über die Zusammenarbeit von Presse und Justiz bei der Jagd auf Ärzte berichtet, die Befreiungsatteste ausstellen (Freitag 6.4.2021).

Die Juristen Pieter Schleiter (Richter) und Thomas Barisic (Staatsanwalt) nannten Durchsuchungen bei Ärzten wegen des Verdachts des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse durch sogenannte Maskenatteste rechtswidrig. Es fehle regelmäßig am erforderlichen Anfangsverdacht einer Straftat, und Durchsuchungen seien in der Regel wegen des geringen Gewichts der Straftat oder des geringen Grades ihres Verdachts unverhältnismäßig (Schleiter/Barisic 18.6.2021).

Im April 2022 gab es hierzu ein erstes Urteil, gesprochen vom Oberlandesgericht Karlsruhe. Ein ärztliches Attest mit der Feststellung, dass eine Person „aus medizinischen Gründen bis auf weiteres keine Gesichtsmaske tragen kann“, genüge den Anforderungen der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg an eine Befreiung von der Maskenpflicht (lto 28.4.2022).

In den ersten Wochen des Schuljahrs 2021/22 hob Sachsen die Maskenpflicht am Sitzplatz an den Schulen auf. Die Entwicklung gab dieser Maßnahme Recht: Die Infektionszahlen der 6- bis 16-Jährigen entwickelten sich in Sachsen nicht anders als in Bundesländern mit Maskenpflicht (Flo 15.2.2022). Die Mehrzahl der Bundesländer plante im März 2022 noch keine Abschaffung (Flo 2.3.2022).

Die bayerische Staatsregierung blieb sogar stur bei der Linie, Kindern im Sportunterricht Masken vorzuschreiben. Während für die Schüler in den meisten europäischen Ländern längst keine Maskenpflicht mehr bestand, wurde den bayerischen Schülern die Gnade zuteil, ab 7. März 2022 ohne Maske Sport zu treiben (NB 24.2.2022, br 3.3.2022).

Zwölf Wissenschaftler aus Franken forderten am 7. März 2022 ein Ende aller Corona-Maßnahmen an den Schulen. „All diese Maßnahmen beeinträchtigen einen normalen Unterrichtsalltag, verunsichern und schädigen in erheblichem Ausmaß unsere Kinder und eine kindgerechte Entwicklung… Gerade in den Grundschulen schränkt stundenlanges Maskentragen während des Unterrichts massiv die Kommunikation ein“, hieß es in dem Appell (Nordbayern 7.3.2022). Es blieb jedoch erstmal dabei: Auf Beschluss des Kabinetts müssen Bayerns Schülerinnen und Schüler auch weiterhin am Sitzplatz eine Maske tragen (br 8.3.2022).

Erst am 3. Mai 2022 wurde in Bayern so wie in anderen Bundesländern die Maskenpflicht aufgehoben – nach 20 Monaten.  Das Infektionsschutzgesetz vom September 2022 ermöglicht jedoch jederzeit wieder die Anordnung.

Schon 2021 hatte Ärztepräsident Klaus Reinhardt die Regierungen aller Bundesländer aufgefordert, die Maskenpflicht im Unterricht aufzuheben. Es dürfe nicht sein, dass Erwachsene ohne Maske ins Lokal gehen könnten, Kinder aber im Unterricht Maske tragen müssen. „Das steht in keinem Verhältnis“ (WDR 2.10.2021). Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte erklärte die Maskenpflicht für überholt. Sie leiste „keinen erkennbaren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie“. Der Virologe Klaus Stöhr ergänzte: „Masken und Tests in Schulen und Kindergärten ändern nichts an der finalen Krankheitslast, die die Kinder bis zum Ende der Pandemie tragen müssen. Das Endergebnis der Infektionen, der schweren Verläufe und auch der Menschen auf den Intensivstationen bleibt gleich.“ Das Ziel, Ansteckungen zu verhindern, sei vielleicht nobel – aber eben auch illusorisch: „Der ZeroCovid-Gedanke für die Kinder in der Schule ist genauso wie in der restlichen Bevölkerung zero-realistisch und ein Zeichen der grottenschlechten Krisenkommunikation der Bundesregierung“ (NB 17.2.2022).

Die Hardlinerin und Regierungsberaterin Melanie Brinkmann bezeichnete derartige Forderungen als „ziemlich dumm“. Auch Lehrerverbände gingen gegen die Abschaffung in Stellung (dlf 1.10.2021). Der Kinderarzt Jakob Maske, Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinderärzte, entgegnete: „Wir quälen Kinder mit Maske, wir quälen sie mit Testen etc. Das ist die einzige Gruppe, die sich das gefallen lassen muss, weil sie sich nicht selber wehren kann“ (BZ 4.10.2021, BILD 4.10.2021). In Ländern wie Schweden, Schweiz oder Niederlande, wo es kaum Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Tests an Schulen und kaum oder gar keine Schulschließungen gab, lag die Kindersterblichkeit im Jahr 2021 niedriger als in Deutschland (ProfFree 17.2.2022).

In allen Bundesländern waren Menschen von der Maskenpflicht befreit, denen aufgrund einer gesundheitlichen oder psychischen Einschränkung das Tragen einer Maske nicht zugemutet werden kann oder nicht möglich war. Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier rief in einem Interview Ärzte dazu auf, nicht die Untersuchung von Patienten zu verweigern, die angeben, aus medizinischen oder psychologischen Gründen keine Maske tragen zu können. Wenn die Befragung und Untersuchung des Patienten ergäben, dass ein Befreiungsattest gut begründet ist, habe der Arzt nichts zu befürchten. Ein Attest sei nur dann ein möglicher Straftatbestand, wenn es „wider besseres Wissens“ ausgestellt wurde. Die Angst vor Strafverfolgung sollte kein Grund sein, den ärztlichen Eid zu brechen und die Menschen mit ihren Beschwerden alleine zu lassen (Klagepaten 2.2.2021).

Wie absurd und kinderfeindlich die Gesichtsmasken für Kinder wren, zeigte exemplarisch auch eine Empfehlung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (kindergesundheit-info.de). Unter „Mund-Nasenschutz für Kinder 0 – 6 Jahre“ hieß es dort:

Üben Sie mit Ihrem Kind und auch mit der ganzen Familie vor einem Spiegel das Anziehen, Tragen und Ausziehen des Mund-Nasen-Schutzes,

gehen Sie mit ihm spazieren und probieren Sie das etwas längere Tragen aus, ohne sich ins Gesicht zu fassen.

Ihr Kind kann seinem Lieblingsstofftier oder Puppe eine selbst gestaltete Maske anziehen,

Nähen oder basteln Sie zusammen mit Ihrem Kind Schutzmasken und dekorieren Sie sie nach seinem Geschmack – ohne die Funktion zu beeinträchtigen,

Schauen Sie sich zusammen Bilder mit Kindern an, die einen Mundschutz tragen,

Lassen Sie es Kinder, Puppen oder Tiere mit Mundschutz malen,

Tragen Sie selbst auch mal zu Hause einen Mundschutz, damit sich Ihr Kind schneller daran gewöhnen kann.

Auf ähnlichem Niveau stand auch die Darstellung der „neuen Normalität“ von Kleinkindern in einem Playmobil-Video. Derartige Blüten trieben vielen Eltern die Tränen in die Augen.

Kinder wurden auch durch Masken tragende Erwachsenen beeinträchtigt, denn sie empfinden Menschen mit verdecktem Gesicht als irritierend oder bedrohlich. Das ist auch der Grund dafür, dass es bis 2020 den Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen verboten war, während der Besuchszeiten sowie bei Veranstaltungen der Einrichtung ihr Gesicht zu verhüllen (TPB 1.8.2017). Säuglinge und Kleinkinder können regelrecht traumatisiert werden, wenn sie die Mimik der Bezugspersonen nicht sehen und deuten können. Die Maskenpflicht für das Personal in KiTas und Kindergärten war ein Verstoß gegen die Kinderrechte.

Einige Studien berichteten über psychische Symptome wie Ängste oder Stresserleben sowie Konzentrations- und Lernschwierigkeiten durch das Masketragen (Freiberg 21.10.2021). Nach Untersuchungen in Großbritannien haben Coronamaßnahmen wie das Maskentragen von Betreuungspersonen die betreuten Kleinkinder in ihrer sozialen und sprachlichen Entwicklung beeinträchtigt. Die Kinder hätten oft Mühe, Freundschaften zu schließen, zu sprechen und „auf einfachste Gesichtsregungen zu reagieren (FAZ 4.4.2022).

*Für Jugendliche gibt es die InitiativeSchülerinnen und Schüler gegen Maskenpflicht

*Die Universität Witten/Herdecke führt ein Forschungsprojekt durch zu Auswirkungen der Mund-Nasen-Bedeckung (Maske) bei Kindern, CoKi Register. Eltern, Pädagogen und Ärzte sind aufgerufen zur Beteiligung.

 

Kinder: Opfer der Pandemie-Maßnahmen

*Die Initiative durchdeineaugen hat einen Film über die Coronakrise aus der Perspektive von Kindern ins Netz gestellt.

*Meine kinderärztliche Kollegin Margarete Daiber-Helmbold hat ein Buch veröffentlicht:Kind sein in Zeiten der Pandemie: vergeben – nicht vergessen„. Ein kritischer Blick zurück auf das, was Kindern während der Pandemie zugemutet wurde, die Folgen und die notwendige Aufarbeitung.

Kinder gehörten und gehören zu den Hauptleidtragenden der Pandemie-Maßnahmen. Sie standen von Beginn an im Fokus bei der Strategie, eine Schockwirkung zu erzielen. In den ominösen „Panikpapier“ des Bundesinnenministeriums hieß es: „Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann“ (Abgeordnetenwatch 7.4.2020).

Der Magdeburger Kindheitswissenschaftler Michael Klundt beklagte am 9. September in einer öffentlichen Sitzung der Kinderkommission des Deutschen Bundestages, der Schutz des Kindeswohls sei zu einem „Schutz vor Kindern“ gemacht worden, denn sie seien als „Super-Spreader“ des Virus hingestellt worden. Die Regierungen von Bund und Ländern seien ihrer Verpflichtung zu Schutz und Fürsorge für 13 Millionen Kinder nicht nachgekommen, sondern hätten Kinder „wie Objekte behandelt“. Das sei an sich bereits eine „schwere Form der Kindeswohlgefährdung“. Handlungsleitend für die Politik müsse die Kinderrechtskonvention sein, wonach „bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist“ (Bundestag 9.9.2020).

Im Februar 2023 forderte Michael Klundt dringend einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss: „Wer Jugendliche lebensgefährlich durch den Park jagt oder Schlittenfahrer kriminalisiert, weil ihnen in freier Natur und mit großem Abstand zu anderen Menschen die Maske verrutscht ist, wer Kleinkindern die Schaukel verbietet und nicht-geimpften 12-Jährigen den Zugang zum Sportplatz verwehrt oder sie anderweitig diskriminiert, muss wissen, dass ein Rechtsstaat so etwas nicht dulden darf, wenn er nicht zu einem Unrechtsstaat verkommen will. Ganz zu schweigen von der organisierten Facebook-, Twitter- und Youtube-Zensur gegen jegliche Infragestellung der Coronapolitik – inklusive Ausgrenzung unliebsamer Wissenschaftler, Gesundheitsamtsleiter, Richter, Journalisten und Politiker. (…) Viele Studien untermauern, dass buchstäblich eine (politisch mit zu verantwortende, strukturelle) Kindeswohlgefährdung im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention und des SGB VIII festzustellen ist. Das hatte psychosoziale Folgen, wie verschiedene Untersuchungen nachweisen können“ (Nachdenkseiten 11.2.2023).

Der amerikanische Schriftsteller und politische Satiriker C.J. Hopkins erahnte schlimmste Auswirkungen der „neuen Normalität“ auf unsere Kinder: „Die Angst vor Krankheit, Infektion und Tod und die zwanghafte Beachtung von Gesundheitsangelegenheiten werden jeden Aspekt des Lebens beherrschen… Kinder werden, wie immer, am schlimmsten darunter leiden. Sie werden vom Augenblick ihrer Geburt an von ihren Eltern, ihren Lehrern und der ganzen Gesellschaft terrorisiert und verwirrt werden. Sie werden in jeder Phase ihrer Sozialisation ideologischen Konditionierungen und paranoiden Verhaltensänderungen unterworfen sein … mit phantasievollen, wiederverwendbaren, korporativen Pestmasken, die mit liebenswerten Zeichentrickfiguren gebrandet sind, Paranoia induzierenden Bilderbüchern für Kleinkinder und paranoiden Ritualen der ’sozialen Distanzierung‘ , neben anderen Formen der psychologischen Folter“ (Hopkins 9.8.2020).

Diese Befürchtungen wurden Realität. Manche Gesundheitsämter ordneten im Rahmen einer Quarantäne die häusliche Isolation der betroffenen Kinder an – sie mussten zu Hause in einem gesonderten Raum untergebracht werden, Mahlzeiten alleine einnehmen und bei Kontakt Masken tragen. Zugleich wurde angekündigt, dass die Wohnung zum Zwecke der Kontrolle auch ohne Zustimmung betreten werden kann. Bei Nichtbefolgung der Isolation wurden die zwangsweise Absonderung des Kindes in einer geschlossenen Einrichtung und ein hohes Bußgeld angedroht (OP 30.7.2020, BILD 6.8.2020). Sogar im Sommer 2021, als kaum noch Erkrankungen gemeldet wurden, kam es noch zu solchen kinderfeindlichen Isolationsmaßnahmen (infranken 29.7.2021).

Dies war ein schwerer Eingriff in das Grundrecht auf körperliche und seelische Unversehrtheit und ein massiver Verstoß gegen die Kinderrechte der UN (BR 24 7.4.2020). Im Art. 16 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes heißt es: „Kein Kind darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung oder seinen Schriftverkehr oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden. Das Kind hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen“ (UNICEF 1989). Der Kinderschutzbund forderte Gesundheitsminister Jens Spahn auf, er solle dafür Sorge tragen, „dass in allen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie dem Kindeswohl und den Kinderrechten Vorrang eingeräumt wird“. Kinder von ihren Eltern und Geschwistern zu isolieren, sei unverhältnismäßig (AA 7.11.2020).

Die herzzerreißenden Bilder aus Thailand zeugten davon, wie weit Hygienemaßnahmen in Kindergärten und Schulen getrieben wurden (Daily Mail 11.8.2020). „Stets mit Eimer – Seife, Handtuch, Toilettenpapier; wegen Hygiene, halten Abstand, tragen Maske“ –  deprimierende Fotos aus der Grundschule in Altendorf/Essen (Stadtspiegel 12.5.2021). Auch das „Lernvideo“ eines Herstellers von Desinfektionsmitteln ließ einem die Haare zu Berge stehen (Sagrotan 15.4.2021). Es ist nach wie vor nicht zu fassen, zu welchen Grausamkeiten das Diktat des Gesundheitsschutzes führte. Kinder wurden durch derartige Vorgänge seelisch tief verletzt, mit unter Umständen lebenslangen Folgen.

Die kanadische Bürgerrechtsorganisation OCLA stellte fest: „Unsere Grundschulen sind zu Albträumen geworden. Die Propagierung von Distanz ist das soziale Experiment einer Dystopie auf globaler Ebene, kultur- und völkerübergreifend, das nun zur Routine werden soll“ (OCLA 21.6.2020).

Der Augsburger Erziehungswissenschaftler Klaus Zierer schrieb in der Neuen Züricher Zeitung: „In kulturanthropologischen Studien wurde beispielsweise nachgewiesen, dass es so etwas wie einen kulturellen Abstand zwischen Menschen gibt, der signalisiert: Mindestens so nah und höchstens so weit entfernt, um miteinander arbeiten, spielen und lernen zu können. Für keine Kultur auf dieser Welt liegt dieser bei 1 Meter 50, wenn es um Freundschaft geht. Virologisch betrachtet mag der Abstand daher sinnvoll sein, aus pädagogischer Sicht ist er es nicht“ (NZZ 24.8.2020).

Der Neurobiologe Gerald Hüther warnte davor, dass durch Kontaktverbote natürliche Bedürfnisse der Kinder dauerhaft „weggehemmt“ werden: „Dann ist das Bedürfnis, mit anderen zu spielen, weggehemmt, auch jenes, die Grossmutter zu besuchen und mit ihr zu kuscheln, Freunde zu treffen, zu toben, ein Kämpfchen zu wagen – alles weg. Sogar ihre angeborene Freude am eigenen Entdecken und am gemeinsamen Gestalten ist dann verschwunden. Auch jene am gemeinsamen Tanzen, Singen, Musizieren, am Fussballspielen und Herumtoben. Eine Theatervorführung oder ein Konzert wollen solche Kinder dann auch nicht mehr besuchen“ (Hüther 19.12.2020).

Für die weitaus meisten Kinder sind die sekundären Krankheitsfolgen, nämlich die psychische Belastung durch Lockdown-Maßnahmen, ungleich belastender als die Erkrankung selbst (Jörg Dötsch,Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin 9.9.2021)

Das  Ergebnis einer aktuellen Studie zur Befindlichkeit von Kindern war niederschmetternd und wurde von einem der Autoren so zusammengefasst: „In Deutschland gab es noch nie so viele unglückliche Kinder. Wir sind es unseren Kindern schuldig hier gegenzusteuern“ (IfGf 8.9.2021).

Eine Gruppe US-amerikanischer Wissenschaftler untersuchte auf der Grundlage einer großen laufenden Längsschnittstudie die kognitiven Leistungen von Kindern in den Jahren 2020 und 2021 im Vergleich zum vorangegangenen Jahrzehnt (2011-2019). Sie stellten fest, dass Kinder, die während der Pandemie geboren wurden, im Vergleich zu älteren Kindern deutlich geringere verbale, motorische und allgemeine kognitive Leistungen aufweisen. Am stärksten betroffen waren Kinder aus Familien mit niedrigerem sozioökonomischem Status. Die mit der COVID-19-Pandemie verbundenen Umweltveränderungen wie Ausgangssperren und Einschränkung der sozialen Interaktion beeinflussen auch ohne direkte SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung die Entwicklung von Säuglingen und Kindern erheblich und negativ (Deoni 11.8.2021).

Schulkinder wurden zur Durchsetzung der Hygienepläne ständig gemaßregelt („Abstand halten!“, „Maske richtig aufsetzen!“) und mit Verweisen und Schulausschluss bedroht. Es gab Schulen, in denen in jeder Klasse ein kleiner Hygiene-Wächter ernannt wurde, der seine Klassenkameraden bei Verstößen gegen die Hygieneregeln denunzieren musste. In manchen Schulen standen bei jedem Wetter Fenster und Türen der Klassenräume offen, denn das Lüften wurde als 4. Grundregel gegen den Coronavirus entdeckt (WDR 5.10.2020, ZDF 30.9.2020). Eine spätere holländische Studie deckte die Sinnlosigkeit und Unwirksamkeit des ständigen Lüftens auf (Jonker 31.8.2022). Ein Grundschüler äußerte mir gegenüber, dass es seiner Klasse verboten wurde, trotz der kalten Zugluft Mäntel anzuziehen. Die obligatorische Pause im Freien galt vielerorts auch bei Dauerregen, und die Kinder kamen dann völlig durchnässt wieder in die Klassenzimmer.

Der Salzburger Psychologe Manuel Schabus warnte vor seelischen und körperlichen Kollateralschäden bei Kindern und Jugendlichen: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Jugend in ihrer psychischen Entwicklung ein großes Problem mit dem Thema Angst bekommen wird“. Die Maßnahmen seien für Kinder sehr verstörend: „Sie können dadurch später Probleme bekommen, zum Beispiel Empathie für andere zu entwickeln. Das Erkennen und Verarbeiten von Emotionen hängt stark von der Mimik der Menschen ab, Zuneigung zeigt man durch Körperkontakt. Die Kontaktbeschränkungen und Hygiene-Regeln werden weitreichende Auswirkungen auf unser Gesellschaftsleben haben, weil man davon ausgehen muss, dass diese abnormalen Verhaltensweisen bleiben werden. Schon jetzt kommt es einem ja plötzlich komisch vor, wenn jemand auf uns zugeht und uns die Hand schütteln will“ (Focus 18.3.2021).

Die rigiden Hygienevorschriften an den Schulen hatten ständige Kontrollen und Ermahnungen, teilweise auch Ausgrenzungen zur Folge. Die Kinder lernten, gehorsam zu sein, Distanz zu wahren, den Mund zu halten und zu denunzieren.

Dies gefährdete die Zukunft unserer Demokratie und stand im Widerspruch zum Kinder- und Jugendhilfegesetz: „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ (§1 SGB VIII). 

In einem Schreiben an das Justiz- und Familienministerium forderte die Menschenrechtskommissarin des Europarates Dunja Mijatović die deutschen Behörden auf, das Wohl der Kinder bei allen sie betreffenden staatlichen Maßnahmen vorrangig zu berücksichtigen. Deutschland habe im Vergleich zu anderen Ländern einen besonders strikten Corona-Kurs gegenüber Kindern gefahren.„In einer Zeit, in der sich die schwerwiegenden negativen Auswirkungen der Pandemie und der damit verbundenen Eindämmungsmaßnahmen auf Kinder und Jugendliche so deutlich abzeichnen, sollte der Schutz ihrer Rechte und Bedürfnisse absolute Priorität für die deutsche Regierung haben“ (COE 31.8.2021. jmwiarda 10.9.2021).

Die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie hielt „Basis-Hygienemaßnamen“ wie z.B. Husten- und Niesetikette, Händewaschen, Lüften, gute Sanitärhygiene in Kindergärten und Schulen für ausreichend. Gemeinschaftseinrichtungen und alle anderen Bereiche des sozialen Lebens (Jugendarbeit, Sportvereine, Musikschule, Schwimmkurse usw.) müssten uneingeschränkt und unabhängig von Inzidenzen geöffnet bleiben. Asymptomatische Kinder sollten nicht getestet werden. Der Zugang von Kindern und Jugendlichen zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens dürfe nicht vom Vorliegen einer Impfung abhängig gemacht werden. Kinder und Jugendliche seien in ihren Rechten den geimpften und genesenen Erwachsenen gleichgestellt (DGPI 13.9.2021).

Zahlreiche medizinische Experten, unter Ihnen auch Detlev Krüger, ehemaliger Chef-Virologe an der Charité, forderten im Januar 2021 in einem offenen Brief an den Bundeskanzler, die Ministerpräsident:innen, die Kultus- und Gesundheitsminister:innen des Bundes und der Länder, die Kommunikation zu versachlichen und Eindämmungs- und Schutzmaßnahmen auf die Risikogruppen zu fokussieren, nicht auf Kinder und Jugendliche. Die Quarantäneregeln an Schulen sollten stark eingeschränkt und die Massentestungen gestoppt werden, alle Kinder und Jugendliche müssten mit geimpften und genesenen Erwachsenen gleichgestellt werden. Kinder und Jugendliche sollten zur Normalität zurückkehren dürfen (InitiativeFamilien 9.1.2022). 

Psychischer Stress und soziale Distanzierung mit weniger Kontakt zu den üblichen Krankheitserregern könnten auch dazu geführt haben, dass 2021 deutlich mehr Kinder und Jugendliche als eigentlich zu erwarten war jeweils rund drei Monate nach den jeweils höchsten Covid-19-Fallzahlen an Diabetes Typ 1 erkrankten. Die Forscher glaubten nicht, dass der Anstieg von 15 Prozent mit COVID-19-Infektionen zusammenhing (WAZ 11.2.2022).

Der französische Epidemiologe Francois Balloux schrieb: „Der seltenere Kontakt mit endemischen Krankheitserregern könnte zu einer schwereren Erkrankung pro Infektion führen. In Verbindung mit der Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands der Bevölkerung in den letzten zwei Jahren (z. B. zunehmende Fettleibigkeit bei Kindern) könnte dies Anlass zur Sorge geben“ (Balloux 5.10.2021).

Nach einer Umfrage des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf im Sommer 2020 waren mehr als 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen durch die Corona-Krise seelisch belastet. Das Risiko für psychische Auffälligkeiten wie Stress, Angst, Reizbarkeit und Depressionen hatte sich fast verdoppelt. Viele Kinder litten unter Einschlafproblemen oder klagten über Kopf- und Bauchschmerzen (NDR 10.7.2021). „Wenn man dauerhaft erhöhtem Stress ausgesetzt ist, leidet natürlich das Immunsystem darunter und jede Infektion und Erkrankung hat leichteres Spiel. Es ist nicht auszuschließen, dass sich deshalb in den kommenden Jahren sogar Krebserkrankungen häufen werden, da dieser Zusammenhang wissenschaftlich gut bekannt ist“ (Focus 18.3.2021).

Nach Einschätzung von Wissenschaftlern könnten während der Coronapandemie bei Kindern und Jugendlichen entstandene oder verstärkte Angststörungen, Essstörungen und Depressionen hohe wirtschaft­liche und soziale Folgekosten nach sich ziehen. Forschungsteams der Universitäten Ulm und Hamburg schätzen die Folgekosten durch Unterqualifizierung oder Arbeitslosigkeit auf 550 Millionen bis 1,2 Milliarden Euro jährlich, im Gesundheitsbereich auf bis zu 328 Millionen Euro pro Jahr (Ärztebl 6.7.2023).

Bis zum Frühjahr 2021 hatte sich die Situation der Kinder und Jugendlichen nochmal deutlich verschlechtert: Vier von fünf der befragten Kinder und Jugendlichen fühlten sich durch die Coronapandemie belastet. Sieben von zehn Kindern gaben eine geminderte Lebensqualität an. Ängste und Sorgen, Depressionen und psychosomatische Beschwerden hatten bei im Vergleich zur ersten Befragung noch einmal deutlich zugenommen. Zehnmal mehr Kinder als vor der Pandemie und doppelt so viele wie bei der ersten Befragung machten überhaupt keinen Sport mehr (Dtsch Ärztebl Apr 2021).

Der Bundesverband der Psychotherapeuten stellte Ende Januar 2021 in einer Online-Befragung alarmierende Belastungen von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie fest und forderte mehr Rücksicht und Unterstützung für die Betroffenen (BVVP 27.1.2021). Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiater aus ganz Deutschland wandten sich in einem offenen Brief an die Bundesregierung. Sie warnten vor täglich steigenden psychischen Belastungen für Kinder und Jugendliche, und einer dramatischen Zunahme von Angststörungen, Depressionen, Schlaf- und Essstörungen sowie Substanzmissbrauch. Die Therapieplätze würden kaum noch ausreichen (MOPO 8.2.2021).

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) kritisiert die politische Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen während der Coronapandemie scharf. Der Sprecher des Verbands Jakob Maske sagte: „Kinder und Jugendliche wurden in der Pandemie von Anfang an massiv vernachlässigt… Es gibt psychiatrische Erkrankungen in einem Ausmaß, wie wir es noch nie erlebt haben. Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind voll, dort findet eine Triage statt. Wer nicht suizidgefährdet ist und ’nur‘ eine Depression hat, wird gar nicht mehr aufgenommen“ (ZDF 18.5.2021). Im November 2021 berichtete der bayerische Rundfunk, die Zahl der Notfälle an bayerischen Kinder- und Jugendpsychiatrien habe dramatisch zugenommen, mittlerweile müssten psychisch kranke Kinder teils auf Matratzen auf dem Boden schlafen (br 29.11.2021).

Der 126. Deutsche Ärztetag im Juni 2022 forderte, bei allen künftigen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung das Wohl von Kindern und Jugendlichen ganzheitlich zu berücksichtigen. Dies sei nicht geschehen. Sorgen und Ängste der Kinder hätten zugenommen, ebenso depressive Symptome, Essstörungen und psychosomatische Beschwerden. Darüber hinaus seien viele Heranwachsende auch übergewichtig geworden. Auch Angst- und Zwangserkrankungen hätten zugenommen. Im Auge behalten müsse man auch die dysfunktionale Mediennutzung, die in der Pandemie angestiegen sei. Verdoppelt habe sich insbesondere bei den Jungen die Medienabhängigkeit. Die Schulschließungen waren für die meisten Kinder toxisch (Ärztebl. 7.6.2022). Bevölkerungsforscher sahen einen direkten Zusammenhang zwischen depressiven Symptomen bei Kindern und Jugendlichen und der Einschränkung des Schulbetriebs. Bei teilweisen oder kompletten Schulschließungen stieg die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Krankheitsanzeichen einer Depression um 75 Prozent. (FAZ 2.2.2023).

Der stellvertretende Ethikrat-Vorsitzende Julian Nida-Rümelin forderte, die Belastungen durch Pandemiemaßnahmen, die für Kinder und Jugendliche besonders gravierend sind, so rasch wie möglich zu beenden. Die Coronarisiken für Junge seien minimal, und wegen der Impfungen gebe es keine Begründung mehr für die „Solidarität mit ihren Großeltern“  (SPIEGEL 18.5.2021).

Dr. med. Thomas Fischbach, Vorsitzender des Kinder- und Jugendärzteverbandes, äußerte sich kritisch zu den automatischen Schulschließungen durch die Corona-„Notbremse“. Die Politik lasse sich zu einseitig beraten. Er warnte vor irreparablen Konsequenzen, denn den Kindern fehle die Persönlichkeits- und Sozialentwicklung. „Und das bekommt man durch kein Milliardenpaket wieder hin.“ (BILD 21.4.2021).

Der US-amerikanische Wissenschaftsphilosoph Shamik Dasgupta schrieb in seinem 2022 veröffentlichten Artikel „School in the time of Covid“ (Schule in der Zeit von Covid), „dass die erweiterten Schulschließungen während der Covid-19-Pandemie eine moralische Katastrophe waren. Damit meine ich nicht nur, dass sie falsch waren (obwohl sie das sicherlich waren), denn das allein wäre nicht erwähnenswert. Kleingeld zu stehlen ist falsch, aber ich will meine Zeit nicht damit verschwenden, darüber zu streiten. Ich meine vielmehr, dass die Schulschließungen falsch waren und der Schaden, den sie angerichtet haben, so groß ist, dass wir verpflichtet sind, über unseren Fehler nachzudenken und dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Eine „moralische Katastrophe“ in diesem Sinne ist also eine Folgeerscheinung: Wenn wir sie nicht als solche erkennen, lädt sie zu weiteren Katastrophen ein“ (Dasgupta 20.7.2022, Deutsche Übersetzung mit DeepL).

Durch Ausgangsbeschränkungen, Schulschließungen und Homeschooling verbrachten Kinder und Jugendliche deutlich mehr Zeit mit sozialen Medien und Online-Spielen. Gerald Hüther vermutet, dass die negativen Auswirkungen dieser Ausbreitung digitaler Technologien sehr lange unbemerkt bleiben: „Dazu zählt nicht nur all das, was uns von dem abtrennt, was unser lebendiges Menschsein ausmacht und uns von der Wahrnehmung und der Stillung unserer lebendigen Bedürfnisse abhält, sondern auch all das, was uns dazu verführt oder gar zwingt, unsere Lebensgestaltung an die Funktionsweise, die Programme und die Algorithmen digitaler Geräte anzupassen“ (NZZ 19.12.2021).

Die Zeit, die Schulkinder mit schulischen Aktivitäten verbrachten, hat sich nach einer Studie des ifo-Instituts „von 7,4 auf 3,6 Stunden täglich halbiert. 38% der SchülerInnen haben höchstens zwei Stunden pro Tag gelernt, 74% höchstens vier Stunden. Dafür ist die mit Tätigkeiten wie Fernsehen, Computerspielen und Handy verbrachte Zeit von 4,0 auf 5,2 Stunden täglich gestiegen“ (ifo 2020, 73). Experten prognostizierten eine Zunahme der Medien- und Computerspielsucht auf Grund der Schul- und Universitätsschließungen . Eine weitere Folge war eine Pandemie von Kurzsichtigkeit durch fehlendes Tageslicht und ständige Naharbeit (NZZ 29.7.2020, scinex 20.1.2021, Guardian 2.8.2022).

Sportunterricht fiel weitgehend flach, und auch die Sportvereine mussten ihre Aktivitäten einstellen, viele sogar endgültig dichtmachen (BILD 17.6.2021). Die durchschnittliche Gewichtszunahme im ersten Jahr der Pandemie betrug pro Person drei bis vier Kilogramm. „Fast jedes zehnte Kind unter 14 Jahren, das bisher normalgewichtig war, hat im vergangenen Jahr Übergewicht entwickelt“ (WELT 18.4.2021, WELT 9.9.2021). Daten aus Großbritanien zeigen eine Verdopplung des Anteils stark übergewichtiger Kinder im Jahr 2021 (BMoore 13.2.2022). Nach einer repräsentativen Umfrage hat in Deutschland  seit Beginn der Pandemie jedes sechste Kind zugenommen, bei 10 – 12-Jährigen jedes dritte (forsa 22.5.2022). Das begünstigt die Entstehung chronischer Krankheiten wie Diabetes Typ 2 (Magge 17.8.2022), Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Gelenkbeschwerden, beeinträchtigt die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten und hat auch psychosoziale Folgen: „Sport ist eines der wichtigsten Stressventile. Wenn Sport nicht stattfinden kann, wird der Stress nicht abgebaut. Das führt zum Beispiel zu mehr Aggressionen in Familien“ (ISPO 21.1.2021). Andere Kinder und Jugendliche tendierten zu Untergewicht durch Essstörungen wie Magersucht und Bulimie (WELT 9.9.2021). Kinderärzte warnten auch vor einer Zunahme von Ertrinkungsunfällen, weil während der Pandemie kein Schwimmunterricht mehr stattfand (DGPI 18.1.2021).

Uns droht eine Pandemie von kurzsichtigen, übergewichtigen, computersüchtigen und psychisch kranken Kinder und Jugendlichen.

Britische Public Health-Experten schrieben im März 2022: „Es gibt immer mehr Belege für das Ausmaß des Schadens, den die Covid-Pandemie und unsere Versuche, sie in den Griff zu bekommen, bei Kindern angerichtet haben. (…) Viele dieser Schäden werden lebenslange Auswirkungen haben und die Gesundheit und das Glück von Familien, Gemeinden und der Nation über viele Jahrzehnte hinweg beeinträchtigen“ (Hughes 24.3.2022).

Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik in Augsburg, beklagte das Verkümmern der Schulen als Ort der Bildung und tritt für ihre „Rehumanisierung“ ein. Es sei pädagogisch naiv, zu meinen, dass digitale Medien eine Bildungsrevolution auslösen oder in Krisenzeiten ein Heilsbringer seien. Es werde nur noch unterrichtet, was ökonomisch interessant ist. Wer Musik, Kunst und Sport in der Krise aufgibt, der werde dem Bildungsauftrag nicht gerecht und reiße der Schule die Seele aus dem Leib. Schule sei außerdem nicht nur Lernort, sondern auch Lebensraum mit sozialem Austausch und sozialem Lernen (SZ 7.1.2021, Bezahlschranke).

Wenn man die Hygienepläne und die bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Regeln etwa vom bayerischen Kultusministerium (KM Bayern 2021) las, die den Kindern in Herz und Seele gestanzt wurden, konnte einem Angst und Bange werden: „Mit der Umsetzung des Regelbetriebs in den Schulen ist weiterhin der Infektionsschutz für die gesamte Schulfamilie das oberste und dringlichste Ziel– dieser Satz aus der Version vom August 2020 wurde, möglicherweise als Reaktion auf unseren offenen Brief (s.u.) – aus den späteren Versionen gestrichen. Die Hygieneregeln standen in krassem Widerspruch zu den obersten Bildungszielen, die in §131 der bayerischen Verfassung formuliert sind. Allein schon das Verbot, andere Kinder zu berühren oder sich selber in Mund, Nase oder Augen zu fassen – eine unbewusste Handlung, die der Selbstregulation dient (Grunwald 24.3.2020) -, brachte Kinder in schwerste Seelennot, tat ihnen psychische Gewalt an (BMSG 2000) und erfüllte den juristischen Tatbestand der Nötigung.

Zusammen mit meinem Kollegen Steffen Rabe richtete ich am 4. September 2020 einen offenen Brief an die bayerische Staatsregierung, in dem wir forderten, die Maskenpflicht und die Abstandsregeln an Schulen abzuschaffen, von Quarantänemaßnahmen und Schließungen von Schulklassen oder Schulen abzusehen sowie den Rahmenhygieneplan komplett zu überarbeiten im Sinne der obersten Bildungsziele der Bayerischen Verfassung, der UN-Kinderrechte und der WHO-Forderung nach oberster Priorität schulischer Bildung. Am 5. Oktober erhielten wir eine inhaltlich völlig unbefriedigende Antwort der Servicestelle im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, und erwiderten darauf vier Tage später mit einem zweiten offenen Brief (Briefwechsel Bayr. Staatsregierung vs. Hirte/Rabe 9.9.2020). Der blieb unbeantwortet.

Die Fragwürdigkeit bzw. den totalitären Anspruch der Hygienekonzepte an Schulen illustrierte folgende Aussage eines Schuldirektors: „Bereits nach Schulende kann ich von meinem Büro aus beobachten, dass einige Schüler schon auf dem Campusgelände das Abstandsgebot nicht mehr einhalten und Körperkontakt zwischen den Jugendlichen stattfindet… Das hebelt unser Konzept komplett aus“ (SZ 15.9.2020).

Der (selbstverständlich anonyme) Abschiedsbrief eines Gymnasiallehrers zeigte den ganzen Irrsinn, dem Schüler und Lehrer in der Coronakrise ausgesetzt waren: „So kann ein dienstvorgesetzter Mathe- und Erdkundelehrer eben auf Anraten der Schulbehörde einem Diplombiologen, Bio- und Erdkundelehrer ein Verbot aussprechen, das Thema Corona im Unterricht zu behandeln und ihm auferlegen, Coronafragen der Schüler nur im Beisein eines Kollegen zu beantworten. Anlass? – Bedrohter Schulfrieden!“ Come on! Sowas kannte ich bisher nur aus Geschichtsbüchern. Da bekommt man mitunter Anpassungsstörungen“ (kaisertv 18.8.2021).

Der Gymnasiallehrer Alexander Wittenstein nahm im Januar 2023 zum Stillschweigen der bundesdeutschen Lehrer Stellung: „Ich frage mich deshalb, wie uns das alles als Pädagog:innen nur passieren konnte. Warum waren offenbar die meisten von uns über eine sehr lange Zeit absolut überzeugt davon, dass die Maßnahmen absolut erforderlich, bezüglich ihrer Wirkung uneingeschränkt geeignet und damit in Abwägung ihrer möglichen negativen Folgen vollkommen angemessen wären? Die Verhältnismäßigkeit der Anti-Corona-Maßnahmen im Schul- und Bildungsbereich wurde viel zu lange öffentlich gar nicht kritisch hinterfragt. Auch jetzt – fast drei Jahre nach ihrer erstmaligen Verhängung – wird m. E. immer noch viel zu wenig in einer breiten Öffentlichkeit darüber diskutiert. Und gerade deshalb mache ich mir Sorgen, dass es wieder geschehen kann.“ (BZ 26.1.2023).

Die britischen Forscher Alasdair Munro und Saul Faust schrieben in Ergänzung zu ihrem Review „Children are not COVID-19 super spreaders: Time to go back to school“: „Institutionen und nationale Richtlinien sollten sich zurückhalten mit übermäßig aggressiven oder invasiven Maßnahmen der sozialen Distanzierung in Schulen, denn sie können Kinder psychisch isolieren oder schädigen und dürften angesichts des viel geringeren Übertragungsrisikos, das Kinder im Vergleich zu Erwachsenen haben, nicht erforderlich sein“ (Munro 2020).

Die Krankenkasse DAK fasste in ihrem „Kinder- und Jugendreport“ vom August 2022 die ganze Dramatik der verheerenden Pandemiepolitik in folgende Zahlen:

+54 % mehr neu diagnostizierte Essstörungen bei Mädchen (15-17 Jahre)

+23 % mehr neu diagnostizierte Depressionen bei Mädchen (10-14 Jahre)

+24 % mehr neu diagnostizierte Angststörungen bei Mädchen (15-17 Jahre)

+15 % mehr neu diagnostizierte Adipositas-Fälle bei Jungen (15-17 Jahre)

+19 % erhöhtes Risiko einer Depressions-Neuerkrankung bei Mädchen mit einem niedrigen sozio-ökonomischen Status gegenüber Mädchen aus Familien mit hohem Status (15-17 Jahre)

+62 % erhöhtes Risiko auf Adipositas bei Jungen mit einem niedrigen sozio-ökonomischen Status gegenüber Jungen aus Familien mit hohem Status (15-17 Jahre)

und nach einer Veröffentlichung der DAK vom März 2023

+ 100% Zunahme der Mediensucht (Computer, Handy) – von 3% auf 6% der Kinder und Jugendlichen (dlf 14.3.2023)

Kindergarten- und Schulschließungen sowie Hygieneregeln und Quarantäne für Kinder gefährdeten die körperliche und seelische Gesundheit einer ganzen Generation, mit ungeahnten Langzeitfolgen für das soziale Miteinander.

Wir sind mitten in eine Pandemie von Angstkrankheiten, Essstörungen, Kontaktstörungen, Zwangsstörungen, Depressionen, Mediensucht und Immunschwäche geraten.

Dies war umso bitterer, als Kinder für die Übertragung von SARS CoV2 kaum eine Rolle spielten (Heavey 28.5.2020, SWR 16.6.2020, Munro 2020, NB 22.3.2021). Die Preprint-Studie der Gruppe um Christian Drosten, in der das Gegenteil behauptet wurde und mit der die fortgesetzten Schulschließungen begründet wurden, enthielt gravierende Fehler. Die Autoren überarbeiteten ihre Veröffentlichung, nachdem ihnen von der Wissenschaftsgemeinde die Rücknahme nahegelegt wurde (Spiegelhalter 25.05.2020). Auch eine alarmistische südkoreanische Studie musste nachträglich korrigiert werden (Merkur 16.8.2020). Ein Jahr später legte das Drosten-Team mit einer Laborstudie nach, um Kinder weiter als Virenschleudern zu stigmatisieren: Aus Ergebnissen von PCR berechneten sie die angebliche Viruslast und aus dieser die angebliche Infektiosität. Die Charité, Drostens Arbeitgeber, teilte mit: „Die Erbgutkopien repräsentieren näherungsweise die Virusmenge im Rachen der Patienten und lassen daher Voraussagen über deren potenzielle Infektiosität zu“ (ZEIT 25.5.2021, Jones 25.5.2021). Dies wurde von vielen anderen Forschern angezweifelt (Michalakis 4.9.2021).

Kinder waren nicht Treiber der Pandemie, sondern eher Bremser (FAZ 14.10.2020, WAZ 6.1.2021, Eurosurveillance 7.1.2021, DGPI 18.1.2021, RKI 1.4.2021, BMBF 6.1.2022, SZ 20.1.2022, Bezahlschranke). In Würzburg wurden 600 KiTa-Kinder und ErzieherInnen über drei Monate beobachtet, incl. 5000 Testungen. Nur bei einem Kind wurde eine Corona-Infektion nachgewiesen, beim Personal hatten sich dagegen mehrere Infektionen ereignet (br 3.5.2021). Im Rahmen einer Studie in hessischen KiTas hatte keines der mehr als 800 untersuchten Kleinkinder innerhalb von zwölf Wochen Beobachtung einen positiven Coronatest (ZEIT 4.11.2020). In einer weiteren deutschen Studie fand man auch bei Schulkindern keine Hinweise auf eine unentdeckte, hohe Dunkelziffer. „Wir schließen daraus auch, dass die Ansteckungsgefahr an Schulen eher überschätzt wird“, sagte einer der Autoren. Darauf deuteten auch Studienergebnisse aus anderen Ländern hin, die nahelegten, dass Lehrerinnen und Lehrer keinem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind (PNP 22.11.2020). In einer Haushaltskontaktstudie der TU Dresden waren Kinder nur halb so ansteckend wie Erwachsene (Schumm 22.12.2022).

Umgekehrt gab es nach einer Analyse des Instituts für Statistik der LMU München keine Belege dafür, dass Schulferien oder das Schließen von Schulen zur Reduzierung des Infektionsgeschehens beitrugen. „Infektionen unter Schulkindern zeigen keinen Zusammenhang mit den Infektionszahlen in anderen Altersgruppen“ (CODAG 5.2.2021, CODAG 5.3.2021). In einer weiteren Analyse von Ende Mai 2021 schrieben die LMU-Statistiker: „Die Zahlen spiegeln erneut die untergeordnete Rolle der Schule am Infektionsgeschehen wider. Diese Ergebnisse können in der aktuellen Diskussion um Impfungen für Schulkinder zur Vermeidung von Infektionen an Schulen helfen und zur Versachlichung beitragen“ (CODAG 28.5.2021).

Studienleiter Goran Kauermann (zdf 28.5.2021) stellte fest:

Warum alle glauben, Schulen seien die Pandemietreiber, ist uns ein Rätsel

Ein Vergleich zwischen den strengen Schulschließungen in Finnland und der liberalen Politik Schwedens ließ keinen Unterschied in den COVID-19-Erkrankungsraten bei Schülern oder Lehrern erkennen (PHA Sweden 2020). Auch in mehreren asiatischen Ländern war kein Beitrag von Schulschließungen zur Kontrolle der Pandemie nachzuweisen (Viner 1.5.2020). In Belgien, Frankreich und Österreich und Italien führte die Wiederöffnung der Schulen zu keinen COVID-19-Ausbrüchen (Science 7.7.2020, tagesschau 10.2.2021, SN 23.3.2021). In Island war bei unter 10-Jährigen die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren oder ernsthaft zu erkranken, deutlich geringer als bei Erwachsenen. Infizierte Kinder übertrugen die Krankheit weniger wahrscheinlich auf andere, vor allem gab es keinen einzigen Fall, in dem ein Kind seine Eltern infizierte (ScienceMuseum 27.4.2020). Je jünger Kinder sind, umso weniger spielen sie bei der Übertragung von Coronaviren eine Rolle (Plesner 5.3.2021). Nach einer großen britischen Studie war das Risiko der SARS-CoV2-Übertragung zwischen Kindern an Schulen substantiell geringer als das anderer Erkältungsviren (Cordery 24.8.2022). Nach Berechnungen der UNESCO ist die Korrelation zwischen Schulschließungen und Todesfällen durch COVID-19 gleich null (freedom 23.2.2022).

Ein Review im Deutschen Ärzteblatt zog die Bilanz: „In Settings, in denen die Schulen geöffnet blieben, oder bei der Verwendung von Daten, die vor den Schulschließungen erhoben wurden, finden sich kaum Hinweise auf Ausbrüche oder eine größere Übertragung in die Bevölkerung“ (Dtsch Ärztebl. Aug. 2020).

Schulschließungen wirken sich negativ auf die geistige, schulische, körperliche und soziale Entwicklung aus und unterbrechen Beziehungen zwischen Kindern und Familien.

Der Lernertrag wurde durch „Home-Schooling“ praktisch auf null reduziert (Science.orf 9.4.2021, BILD 21.6.2021, Bezahlschranke). Die entstandenen Lernlücken sind nicht wieder ganz zu schließen und führen zu niedrigeren Bildungsabschlüssen für eine ganze Generation, vor allem für Kinder, die es zuvor schon schwer hatten (ZEIT 11.5.2021). Das Institut für Schulentwicklungsforschung stellte fest, dass sich die mittlere Le­se­kom­pe­tenz von Schü­ler­in­nen und Schülern in der vierten Klassenstufe von der Le­se­kom­pe­tenz Gleichaltriger vor der Pan­de­mie deutlich unterschied. Den Schü­ler­in­nen und Schülern fehlte rund ein halbes Lernjahr im Vergleich zu 2016 (ISF 15.3.2022).

Englische Wissenschaftler schrieben: „Die negativen Auswirkungen von Schulschließungen sind beträchtlich und treffen die am stärksten benachteiligten Kinder unverhältnismäßig stark, wie man in jüngster Zeit an den zunehmenden Ungleichheiten bei den Bildungsergebnissen zwischen Kindern unabhängiger und staatlicher Schulen sehen kann. Die Pandemie und die Reaktion auf die Pandemie wirft einen langen Schatten auf ihren Lebensweg. Die nicht evidenzbasierten Schulschließungen sind eine der Ursachen dafür“ (Lewis 13.8.3021).

Die Jugendämter warnten, dass im Jahr 2021 in Deutschland mehr als 200.000 Jugendliche die Schulen ohne Abschluss verlassen und dadurch ihre Berufsaussichten auf lange Sicht schädigen würden (FAZ 17.4.2021). Am stärksten betroffen seien Kinder mit Behinderungen und aus sozial schwächeren Familien, wodurch sich Ungleichheiten weiter verschärfen. Franziska Augstein schrieb im SPIEGEL, sie würden „fortgeworfen vom Staat“ (SPIEGEL 9.1.2021). Nach einer OECD-Analyse waren in Deutschland die Schulen am längsten geschlossen, mehr als doppelt so lange wie der Durchschnitt der übrigen OECD-Mitgliedstaaten (faz 16.9.2021). Die WELT titelte: „186 Tage Lockdown, letzter Platz – das schlimme Zeugnis der deutschen Schüler“ (WELT 30.11.2021, Bezahlschranke). In Schweden, wo es nie Schulschließungen gab, ließ sich  kein negativer „Corona-Effekt“ feststellen. Die Grundschüler zeigten während der Pandemie die gleichen Leistungen wie zuvor (LaMesa 27.9.2021).

Nach einer Übersicht des RKI über Corona-Ausbrüche machten Schulen nur 48 (=0,58%) von über 61’000 Ausbruchsherden aus. Bei nur 27 (0,31%) Ausbrüchen waren Schüler u n d  Lehrer betroffen, wobei unklar blieb, wer wen infiziert hatte (RKI 24.9.2020). Von Beginn der Epidemie bis Ende August gab es rechnerisch höchstens an einer von 10’000 Schulen (0,01%) eine Ansteckung von Lehrern durch Schulkinder (Kuhbandner 24.10.2020).

Ähnliches wird aus Schweden berichtet, wo zwischen März und Ende Juni 2020 unter 1,9 Millionen Schulkindern nur 15 Kinder schwer an COVID-19 erkrankten und keines davon starb. Lehrer hatten ein Erkrankungsrisiko, das weniger als halb so hoch war wie das anderer Berufsgruppen (NEJM 5.1.2021). Jonas Ludvigson, Hauptautor dieser Untersuchung, wurde wegen seiner Schlussfolgerungen in sozialen Netzwerken massiv von Coronahysterikern bedroht (BMJ 18.2.2021, Läkartidningen 11.1.2023).

Eine Studie aus Großbritannien stellte fest: „Im Vergleich zu Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter, die ansonsten ähnlich sind, wurde bei Lehrern und ihren Haushaltsmitgliedern kein erhöhtes Risiko für eine Krankenhauseinweisung mit Covid-19 und ein geringeres Risiko für schwere Covid-19 festgestellt (Fenton 18.8.2021).

Sven Armbrust, Chefarzt der Kinder & Jugendmedizin Neubrandenburg sprach in einem hörenswerten Vortrag über die schlimme Situation der Kinder in der Pandemie (Armbrust 20.3.2021). Auf Kritik aus Reihen seiner Kollegen reagierte er entschieden: „Wir sehen keinen Anstieg von schwer erkrankten Kindern in den Kinderkliniken.” Die Zahl der gemeldeten Infektionen sei unter anderem wegen der Massen-Test-Strategie an Schulen im Land gestiegen (Nordkurier 26.3.2021).

Eine Studie aus Sachsen stellte fest, dass trotz der Fokussierung einer Vielzahl von Pandemiemaßnahmen auf Schüler – wie anlasslose Testun­gen, Maskenpflicht im Unterricht, Einschränkung von Sport- und Freizeitangeboten – die überwiegend natürliche Immunisierung dieser Population nicht beeinflusst werden konnte. „Insgesamt hatten im Mai 2022 92,9 % der Teilnehmenden eine positive SARS-CoV-2 Serologie ohne relevante Unterschiede zwischen Lehrern (95,1 %) und Schülern (92 %).“ Die einschränkenden Maßnahmen hätten jedoch eine Vielzahl von unerwünschten negativen Effekten auf Kinder und Jugendliche (Ärztebl. 19.8.2022).

Lehrer hatten ein deutlich niedrigeres Risiko für eine schwere Coronaerkrankung als andere Erwachsene. Ihr Risiko lag etwa bei einem Drittel, wie eine bevölkerungsweite Studie aus Schottland zeigte (McKeigue 2.3.2021). Die Autoren einer weiteren Auswertung der Zahlen aus Schottland zog das Fazit: „Im Vergleich zu vergleichbaren Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter stellten wir bei Lehrern und ihren Haushaltsmitgliedern kein erhöhtes Risiko für eine Krankenhauseinweisung mit Covid-19 und ein geringeres Risiko für schwere Covid-19 fest. Diese Ergebnisse sollten all jene beruhigen, die im Präsenz-Unterricht tätig sind“ (Fenton 2.9.2021). Nach US-amerikanischen Daten infizierten sich Lehrer während Schulschließungen sogar deutlich häufiger (Boriquagato 2.5.2021). Trotzdem stuften sich bis zu 20 Prozent der LehrerInnen, und in manchen Regionen sogar noch mehr, als Angehörige einer Risikogruppe ein, deutlich mehr als andere Berufsgruppen wie KrankenpflegerInnen oder PolizistInnen (BZ 20.6.2020).

Nach einer Umfrage Berliner ForscherInnen unter mehr als 6000 LehrerInnen fürchteten sich 73 % vor einer Corona-Ansteckung in der Schule. 98 % der LehrerInnen betrachteten die Schüler als größte Gefahr, 71 % fürchteten, dass auch symptomlose Kinder das Virus verbreiten. Jüngere LehrerInnen hatten ein höheres Angstniveau als Ältere. Die „tiefsitzende Angst“ der Lehrer sei „wahrscheinlich ein Ergebnis der einseitigen Informationspolitik“, sagte einer der Autoren zu BILD. Die Regierung und das Robert-Koch-Institut hätten „niemals klargestellt, dass Schulen keine gefährlichen Orte sind“ – obwohl dies „vielfach wissenschaftlich belegt“ sei  (Weinert 21.6.2021. BILD 24.6.2021).

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft tat sich regelmäßig hervor durch Forderungen nach strengeren Hygienemaßnahmen an den Schulen sowie Wechsel- und Distanzunterricht. Lehrerverbände erreichten durch massive Lobby- und Pressearbeit, dass Lehrer in der Priorisierung für Coronaimpfungen hochgestuft wurden, in die Gruppe mit „ganz besonderem Schutzbedarf“ (t-online 23.2.2021). #Bernd Schoepe vom Netzwerk für die pädagogische Aufarbeitung der Corona-Krise schrieb: „Pauschal diffamierte die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Kritiker als ‚antisemitische Corona-Leugner‘,  ‚Volksverhetzer‘ und ‚Verschwörungsideolog*Innen‘. Bis heute hat keiner der GEW-Oberen sich für diese haltlosen Unterstellungen, Beschimpfungen und Beleidigungen entschuldigt. (…)  So steht das Versagen der Lehrer in der Corona-Krise stellvertretend für den Komplettausfall des wissenschaftlichen Denkens insgesamt – und stellt zugleich einen besonders gravierenden und folgenreichen Fall dafür dar, da Lehrer ihre Schüler doch gerade zum wissenschaftlichen Denken – das heißt vor allem zur methodischen und produktiven Skepsis befähigen sollen. Damit hat die Corona-Krise zugleich eine tiefe Krise der Pädagogik offenbart.“ (Schoepe 28.1.2024).

Harald Matthes, Leiter des Krankenhauses Havelhöhe in Berlin, sagte in einem Interview: „Wenn ich zum Beispiel weiß, dass Kinder unter neun Jahren so gut wie nie einen schweren Verlauf haben und dass es auch keinen Beleg dafür gibt, dass sie ihre Lehrer anstecken – dann muss ich für diese Altersgruppe nicht die gleichen Maßnahmen ergreifen, als wenn ich im Altenheim einen Covid-19-Ausbruch verhindern will. Im Sozialen gibt es kein kategorisches Richtig oder Falsch, sondern hier gilt das Kriterium der Angemessenheit. Und das ist mittlerweile verletzt“ (info3 Okt 2020).

Nach Einschätzung von Heribert Prantl waren die meisten Eltern zu erschöpft, um sich gegen Schließungsmaßnahmen zu wehren (SZ 21.6.2020). In einer späteren Stellungnahme schrieb er: „Wenn es künftig bei jeder einzelnen Infektion einen Schul-Shutdown gibt – dann besteht das viel größere Risiko darin, dass eine ganze Generation massive und nicht heilbare Verletzungen erleidet. Es geht nichts über Lernen in Gemeinschaft unter Anleitung. Der Shutdown ist kein Heilmittel, er ist ein Elend“ (SZ 9.8.2020).

Für Hendrik Streeck war schon im Sommer 2020 zur Frage der Schulöffnung alles gesagt: „Lehrer jedenfalls haben kein höheres Infektionsrisiko als andere Berufsgruppen, die in vergleichbarer Weise mit Menschen arbeiten“ (NOZ 10.6.2020). Konsequenterweise war die STIKO gegen die von Jens Spahn angeordnete Priorisierung der Lehrer bei der Vergabe von Corona-Impfterminen. Bei der Reihenfolge sei nicht die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit dem Coronavirus entscheidend, sondern das Risiko, schwer zu erkranken (ZEIT 21.2.2021).

Trotz allem bestand der erste Reflex bei lokalen Infektionsausbrüchen immer darin, Kindergärten und Schulen zu schließen (Dlf 19.6.2020, Merkur 21.10.2020). Mit Abstand die meisten Schulen wurden in Bayern geschlossen (WaS 1.11.2020).

Es gibt keine rationale Begründung für Aussetzungen oder Kürzungen des Schulunterrichts etwa auf Grund fragwürdiger „Inzidenzen“. In den meisten nordeuropäischen Ländern, aber auch in Irland und der Schweiz fand ab April 2020 wieder ein geregelter Schulunterricht statt, ohne irgendwelche negative Folgen.

Medizinische Fachverbände, etwa die der Kinder- und Jugendärzte, forderten die uneingeschränkte Öffnung von Schulen und KiTas – ohne Kleingruppen, ohne Maskenpflicht, ohne Abstandsregeln -, denn die sozialen und gesundheitlichen Folgen der Schließungen seien gravierend (SPIEGEL 19.5.2020). Nachdem die Quälerei der Kinder und Jugendlichen im Schuljahr 2021/22 munter weiterging, wurde diese Forderung von den Frankfurter Amtsärzten Ursel Heudorf und René Gottschalk wiederholt:

Wir erneuern unsere Forderungen für einen normalen Schulbetrieb, zur Abkehr von dem Test-, Überwachungs- und Regelungswahn, zum Verzicht auf Isolierungs- und Quarantänisierungsmaßnahmen aufgrund teilweise fragwürdiger Tests (Heudorf 20.9.2021)

Zehn bis zwanzig Prozent der Kinder wurden durch das „Lernen zu Hause“ nicht erreicht und fielen aus dem Bildungssystem (NDR 19.5.2020). Auch die Verlängerung von Schulferien ignorierte nach Ansicht der Kinderärzte das Recht auf Bildung und Teilhabe der Kinder und war kein Beitrag zum Pandemieschutz (DGKJ 9.12.20). Bei einer Umfrage unter Kinderärzten war die große Mehrheit gegen Schulschließungen. Der Tenor: Mit dem Infektionsrisiko durch Kinder müsse eine Gesellschaft leben (Dtsch Ärztebl. 5.8.2020).

Mitte November 2020 waren über 3200 Schulen, etwa acht Prozent, nicht im Regelbetrieb, und die Hardliner Christian Drosten und Karl Lauterbach wiederholten ihr längst widerlegtes Credo von den Schulen als Pandemietreiber (tagesschau 11.11.2020, SZ 13.11.2020). Wie aus der Dokumentation der Süddeutschen Zeituung zu „Corona und Schulen“ hervorging, waren Drosten, Lauterbach und der SPIEGEL die Haupttreiber der Schulschließungen (SZ 11.2.2022, Bezahlschranke). Die Charité-Molekularbiologin Franziska Briest twitterte dazu: „Ich warte auf den Tag, an dem wir alle miteinander wieder in der Lage sein werden, Fehler und tragische Verläufe anzuerkennen und daraus zu lernen. Was hier passiert ist, ist nicht ‚Follow the Science‘- es war ‚follow selektiv einem Narrativ‘, einem, das einmal gesetzt, hartnäckig bis heute immer wieder verbreitet und gehuldigt wird“ (Briest 11.2.2022).

Kindergärten und Schulen hätten bedingungslos geöffnet bleiben müssen, ohne die psychologisch und pädagogisch verheerenden Auflagen zum Tragen von Masken, zum ständigen Händewaschen, ständigen Lüften, Testen und zu sozialer Distanz.

Schulschließungen und Quarantäne waren nicht nur ein Verstoß gegen die Kinderrechte und das Menschenrecht auf Bildung, sondern auch ein herber Rückschlag für die Emanzipation: Im Regelfall waren es die Mütter, die zu Hause blieben und ihren Kindern das Online-Pflichtprogramm der Schulen vermittelten (SZ 16.2.2022). Und wenn Kinder wegen irgendwelcher Beschwerden – und sei es, das Kind „wirkt etwas blass“ – von der KiTa oder der Schule wieder nach Hause geschickt wurden, waren es ebenfalls meist wieder die Mütter, die den Arbeitgeber um unbezahlten Urlaub bitten mussten (Tagesspiegel 9.7.2020, SZ 10.7.2020). In einem Brandbrief forderte die bayerische Landeselternvereinigung vom Kultusministerium, den zunehmenden coronabedingten Stress in den Schulen abzubauen und die Familien zu entlasten (BEV 2.11.2020).

Nicht abzuschätzen sind die ökonomischen Folgen von Schulschließungen, und sei es im „Stop and Go“ der jederzeit drohenden Quarantänemaßnahmen. Henrik Müller, Professor für Wirtschaftsjournalismus, bezeichnet Heimbeschulung als „Heimsuchung“ und schreibt im SPIEGEL: „So kann und darf es nicht weitergehen. Die Schulen – und Hochschulen – müssen auch unter Corona-Bedingungen funktionsfähig bleiben. Das ist nicht nur ein Gebot der Fairness gegenüber Schülern und Eltern, die während der Shutdown-Phase weitgehend auf sich selbst zurückgeworfen waren. Das ist auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft: Die Kosten des School’s-out-Ansatzes sind auf Dauer gigantisch, nicht nur für die „Generation Lockdown“, sondern für die Gesellschaft insgesamt“ (SPIEGEL 9.8.2020). Nach Berechnungen des ifo-Instituts dürfte der Schul-Lockdown in Deutschland langfristig 3,3 Billionen Euro gekostet haben (Handelsblatt 21.1.21).

Die (zu) späte Reaktion der Bundesregierung bestand wie so oft aus einer Geldspritze – wer auch immer das letztlich bezahlen mag: Mit einem zwei Milliarden Euro starken „Aktionsprogramm Aufholen nach Corona“ sollten Kinder und Jugendliche nach der Corona-Pandemie die bestmöglichen Chancen auf gute Bildung und persönliche Entwicklung erhalten (bmbf 11.5.2021). Dies half allerdings den vielen psychisch kranken Kindern und den zahlreichen Schulabgängern wenig. Der Kommentar der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes lautete: Statt eines 2-Milliarden-Projekts für einen Teil der Kinder in Deutschland zu fordern, das vielleicht irgendwann kommt, kann die Forderung nur lauten: Öffnung der Schulen für alle Kinder – sofort!“ (laekh 6.5.2021).

An zahlreichen Orten mit Schulschließungen protestierten die Eltern, indem sie vor den Rathäusern hunderte Paar Kinderschuhe abstellten und Plakate ablegten (RZw 20.3.2021).

*Eine hervorragende filmische Dokumentation über die Situation unserer Kinder in der Pandemie istLockdown Kinderrechte“ von Patricia Marchart und Judith Raunig. Im Januar 2022 veröffentlichte Patricia Marchart zusammen mit Georg Sabransky einen weiteren Film „Eine andere Weltüber die Pandemiepolitik aus der Perspektive von Menschen aus Vorarlberg.

*Ein weiterer sehenswerter Film zur Situation der Kinder in der Pandemie stammt von Jens-Tibor Homm:Corona Kinder.

*Seit September 2022 ist der Film Eine andere Freiheit von Patricia Josefine Marchart und Georg Sabransky online verfügbar, der sich kritisch mit der Kinderimpfung auseinandersetzt.

Unterwegs in eine Hygiene-Diktatur?

Grundrechte heißen Grundrechte, weil sie gelten, weil sie auch in katastrophalen Fällen gelten“ (Heribert Prantl, ZDF 20.4.2020).

Mit deutscher Gründlichkeit und im Hauruck-Verfahren wurde 2020 und 2021 mehrfach das Infektionsschutzgesetz verschärft – wobei sich wohl viele gewundert haben, welche Einschränkungen schon nach der vorherigen Gesetzeslage möglich waren. Gemäß der Novelle vom 25.3.2020 wurde mit der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ eine neue Form des Ausnahmezustands konstruiert, die dem Bundesgesundheitsminister zahlreiche Machtbefugnisse zusichert (SZ 25.3.2020).

Er bekam beispielsweise die Möglichkeit, unzureichend getestete Arzneimittel und Impfstoffe auf den Markt zu bringen oder ÄrztInnen, KrankenpflegerInnen und MedizinstudentInnen zwangsweise zu rekrutieren. Er kann Vorschriften für den nationalen und internationalen Reiseverkehr erlassen und die Erfassung von Daten von Reisenden sowie Quarantänemaßnahmen anordnen. Auch die im März 2020 verhängten Ausgangssperren wurden Ende März 2020 nachträglich legalisiert (LTO 25.3.2020).

Neben der Selbstentmächtigung des Parlaments hatte die Ermächtigung des Gesundheitsministers zur Folge, dass auch die übrigen Regierungsmitglieder, die Opposition und der Bundesrat von den politischen Entscheidungen ausgeschlossen wurden (Thielbörger 30.3.2020). An ihre Stelle traten ausgesuchte, „ideologisierte“ (WELT 7.3.2021). Berater wie der Virologe Christian Drosten, der sich im ständigen Panikmodus befand (in Google über 500’000 Suchergebnisse unter „Drosten warnt“) und die Letalität von COVID-19 unverhältnismäßig aufbauschte (swp 30.9.2020), oder der Physiker Michael Meyer-Hermann, der im April 2020 die Lockerungen und Schulöffnungen als voreilig kritisierte und beim Corona-Gipfel im Oktober dazu riet, durch strenge Maßnahmen wie Ausreiseverbote aus Risikogebieten und generelles Maskentragen „dieses Virus aus unserer Gesellschaft soweit entfernen, dass wir wieder normal leben können“ (Tagesschau 15.10.2020, Merkur 16.10.2020). Sein Arbeitgeber, das öffentlich finanzierte Helmholtz-Zentrum in Braunschweig, hatte mit der Verbreitung solch extremer Ansichten kein Problem, untersagte aber kritisch eingestellten Wissenschaftlern die freie Meinungsäußerung (BILD 21.4.2021).

Der Gesundheitsexperte Matthias Schrappe meinte dazu: „Die Ratgeber der Politik aus der Wissenschaft sind für mein Verständnis sehr einseitig besetzt. Es sind vorrangig naturwissenschaftlich orientierte Virologen, die die Pandemie am liebsten unter dem Mikroskop bekämpfen wollen und Epidemiologen, die das Infektionsgeschehen anhand von mathematischen Modellen ausrechnen. Niemand von ihnen ist wirklich vor Ort und versteht ganz konkret, wie es zum Beispiel um die Infektiosität von Kindern oder Türklinken steht“ (Focus 17.12.2020).

Das Selbstentmachtung des Parlaments veranlasste den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble am 19.10.2020 zu der Mahnung: „Das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip verpflichten den parlamentarischen Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen“ (Bundestag 19.10.2020).

Hans-Jürgen Papier äußerte „Bedenken, ob die gesetzliche Ermächtigung – die meiner Meinung nach schon dem Wesentlichkeitsgrundsatz nicht genügt – nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend limitiert und bestimmt ist“ (WELT 7.3.2021, Bezahlschranke).

Alle schon bisher verfügten Einschränkungen von Freiheiten und Bürgerrechten wurden als „besondere Schutzmaßnahmen“ im §28a des Infektionsschutzgesetzes untergebracht, allerdings ohne nähere Bestimmung (LTO 18.11.2020) – die FDP sprach von „Freifahrtschein“.

Als Maßstab für Pandemiemaßnahmen galten über viele Monate medizinisch und juristisch fragwürdige „Schwellenwerte“, die von der Zahl der SARS-CoV2-Testungen abhingen und damit beliebig und manipulierbar waren, und die durch die fehleranfälligen PCR-Tests definiert wurden und nicht durch die Zahl der tatsächlich Erkrankten oder Intensivpatienten. Hans-Jürgen Papier nannte diese Regelung „rechtlich defizitär“ (WELT 7.3.2021, Bezahlschranke). Die spätere Ablösung der „Inzidenz“ durch die „Krankenhausbelegung“ war wegen deren fehleranfälligen Ermittlung ebenso fragwürdig. Nach einer amerikanischen Untersuchung erfolgen 67.5% der SARS-CoV-2 PCR-positiven Krankenhausaufnahmen gar nicht „wegen“ COVID-19, sondern „mit“ COVID-19 (Vu 5.6.2022).

Besonders ausführlich behandelte die Gesetzesnovelle vom November 2020 Einschränkungen der Reisefreiheit. So konnten nun digitale Einreiseanmeldungen angeordnet und Reiseunternehmen verpflichtet werden, Daten von Reisenden an die Gesundheitsämter zu übermitteln oder sich ärztliche Zeugnisse, Testergebnisse oder Impfdokumentationen vorlegen zu lassen. Auch die Bundespolizei bekam das Recht auf Einsicht dieser Dokumente. Wer aus einem definierten „Risikogebiet“ kam, wurde verpflichtet, eine Untersuchung auf eine Infektion mit Sars-CoV-2 „zu dulden“. Reiseunternehmen mussten „die Beförderung von Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen … melden“. Man fragte sich, ob Busfahrer künftig medizinische Diagnosen stellen sollten.

Alle Länderbehörden mussten ab 1. Januar 2021 das neuartige elektronische Melde- und Informationssystem DEMIS nutzen, mit dem medizinische Labore, Gesundheitsämter und das Robert-Koch-Institut (RKI) verknüpft werden. Kontaktdaten von Reisenden, Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern werden digital verarbeitet, um mögliche Infektionsketten nachzuverfolgen. Beim RKI werden neben den üblichen Patienten- und Kontaktdaten auch Daten zur Corona-Impfung und zu Reisebewegungen sowie die lebenslange Arztnummer (LANR) des behandelnden Arztes und die Betriebsstättennummer (BSNR) gespeichert. Der Aufbau des Meldesystems wird unterstützt von der gematik GmbH (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH), Jens Spahns Partner bei der Einführung der zentral verwalteten elektronischen Patientenakte, mit der er in Ärztekreisen auf große datenschutzrechtliche Bedenken stößt (BZ 5.8.2020). Betreiber der gematik ist Arvato, ein Tochterunternehmen des Bertelsmann-Konzerns. Genauer kann man sich hierüber bei Norbert Häring informieren, der davor warnt, dass Regierung und IT-Konzerne uns zu gläsernen Patienten machen, die amdigitalen Gängelband durchs Leben geführt werden“ (Häring 10.11.2021).

Der Datenschutzbeauftragte des Bundes Ulrich Kelber kritisierte die extrem kurzen Fristen bei der Gesetzesbearbeitung und den laxen Umgang mit personenbezogenen Gesundheitsdaten, etwa die Ermächtigung der Bundespolizei zur Überprüfung von Impf- und Gesundheitsdaten sowie die Kontrolle von Gesundheitsdaten durch private Beförderer (BfDI 9.11.2020). Der Gesundheitsökonom Matthias Schrappe befürchtete eine zunehmende Kontrollmacht des Staates und die Gefährdung der ärztlichen Schweigepflicht: „Wir gefährden einen wichtigen, historisch bewährten Grundwert unserer Gesellschaft“ (WELT 19.11.2020).

Edward Snowden sah die Entwicklung pessimistisch. Staaten würden dazu tendieren, Gefahrensituationen in die Länge zu ziehen. Sie würden sich mit ihrer neuen Macht wohl fühlen und sie mögen, warnt Snowden. Plötzlich könnten Notfallmaßnahmen permanent werden – und genutzt werden, um beispielsweise oppositionelle Gruppierungen zu bekämpfen. Überwachungsmaßnahmen könnten schnell kommen, um zu bleiben (Standard 26.3.2021). Einfallstore in derartige totalitäre Technologien seien Apps, die zum Kontakttracing geeignet sind.

Beim Trucker-Aufstand in Kanada ließ die Regierung die Konten protestierender Trucker und ihrer Unterstützer einfrieren. Die Banken sollten auch weitere Vermögenswerte der Betroffenen melden, und ihnen wurde dafür Immunität zugesichert (Haering 17.2.2022).

John Ioannidis und Michaela Schippers schrieben in ihrem Aufsatz „Saving Democracy From the Pandemic“: „Selbst wenn die Pandemie in eine weniger bedrohliche endemische Phase eintritt (was in mehreren Ländern bereits der Fall sein könnte), könnte das Erbe der autoritären Maßnahmen und Vollmachten eine dauerhaftere Bedrohung für die Demokratie mit sich bringen. Etliche Regierungen reagierten auf die tödliche Pandemie, indem sie genau die Systeme aushöhlten, die für die Gewährleistung der Rechenschaftspflicht und den Schutz der öffentlichen Gesundheit und des Wohlergehens der Bevölkerung eingerichtet wurden. (…) Wenn die individuelle Freiheit als Priorität einmal zurückgestuft wurde, ist es schwierig, sie wiederherzustellen. Bei der Bewältigung solch schwieriger Umstände müssen wir uns die Frage stellen: Welche Art von Gesellschaft wollen wir haben, und welches Erbe wollen wir unseren Nachkommen hinterlassen?“ (Ioannidis 24.1.2022).

Ähnliches befüchtete der Philosoph Ortwin Rosner in seinem Essay Die illiberale Demokratie“: „Harmlos ist freilich dennoch nicht, was sich alles um uns abspielt, und naiv sind jedenfalls diejenigen, die glauben, es handle sich bei den Maßnahmen, die zurzeit in der ganzen westlichen Welt von den Regierungen über ihre Bürger verhängt werden, lediglich um etwas „Vorübergehendes“, das mit dem Ende der Corona-Ausnahmesituation zurückgenommen und sang- und klanglos wieder verschwinden werde. Weder lassen sich die an den Schalthebeln der Macht befindlichen Akteure so leicht die Instrumentarien wieder wegnehmen, die sie sich einmal erkämpft haben, noch lassen sich soziodynamische beziehungsweise historische Prozesse der hier beschriebenen Art so einfach rückgängig machen“ (Rosner 11.12.2021).

Peter Wiedemann schrieb später in der Berliner Zeitung: „Es schien ganz klar: Die moralisch höhere Sache gebot es, Grundrechte außer Kraft zu setzen, wenn sie mit moralisch höheren Zielen kollidieren. Denn für die Moral gibt es nur das Gute und das Böse, und keine Kompromisse. An die Stelle der Auseinandersetzung mit den Argumenten der Skeptiker, die die Einsicht in die Notwendigkeit nicht teilen, tritt deren moralische Aburteilung. Corona-Politik wurde so zur Frage der richtigen Gesinnung. Genauso hatte der Philosoph Lübbe die Gefahren des politischen Moralismus beschrieben und davor gewarnt.“ (BZ 5.1.2023)

Der Journalist Thomas Kruchem schrieb im Oktober 2020: „Der Nachweis einer Coronaimpfung müsse Voraussetzung werden für grenzüberschreitendes Reisen, fordert ID2020-Partner Bill Gates am 24. März 2020 in einem Interview mit dem Onlinemedium TED Conferences. Und der Impfnachweis müsse zuverlässig sein, damit nicht unnötig Menschenleben gefährdet werden. Kein Papier, das man verlieren oder fälschen könne; nein, ein digitaler Impfnachweis auf biometrischer Basis… Böse neue Welt. Trotz der vernichtenden Bilanz aus menschen- und datenschutzrechtlicher Sicht schreitet das Großprojekt transnationaler digitaler Identität voran. Zu verlockend sind die Aussichten für Regierungen, Unternehmen und internationale Organisationen, ihre Arbeit effizienter zu gestalten – auf Kosten von Datenschutz und Freiheit.“ (dlf 19.10.2020).

Australien war nach China schon am weitesten auf diesem Weg fortgeschritten. Eine umfassende Kritik am Pandemie-Management aus medizinethischer Sicht schrieb der australische Bioethiker Euzebiusz Jamrozik. Seiner Meinung nach wären viele Maßnahmen nach den vor der Pandemie geltenden Normen der Gesundheitsethik als inakzeptabel angesehen worden: „Während der Pandemie wurde der moralische Wert der Gesundheit oft eng an der Vermeidung eines bestimmten Virus ausgerichtet, während die psychische Gesundheit und andere Schäden zunahmen, sozioökonomische Ungleichheiten verschärft wurden und die bürgerlichen Freiheiten mitunter drakonischen Einschränkungen unterlagen. Die Interessen von Kindern wurden auf vielfältige Weise geopfert, oft ohne stichhaltige Begründung, um die Schäden durch ein Virus zu verringern, das für gesunde Kinder nur ein äußerst geringes Risiko darstellt. Die Ungleichheit stieg ins Unermessliche; der Nutzen der Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen kamen überwiegend den Reichen zugute, während die Armen nur wenig davon profitierten, oft geschädigt wurden und manchmal einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt waren. Es fehlte an Beweisen dafür, dass der Nutzen vieler nicht-pharmakologischer Maßnahen ihre Schäden überwiegt, und es wurde weithin versäumt, solche Beweise auf unvoreingenommene Weise zu sammeln. Die Transparenz und die rechtliche Kontrolle der Befugnisse waren oft begrenzt“ (Jamrozik 27.9.2022).

In Australien war auch ein Quarantäne-App in Erprobung, das Gesichtserkennung und Geolokalisierung kombiniert (Atlantic 2.9.2021). Matthias Schrappe schrieb dazu: Versuche, über die Argumentation „Gesundheitsschutz“ und „Epidemie-Bekämpfung“ Instrumente der fortgesetzten Orts- und Kontaktkontrolle in digitaler Form zu etablieren, (sind) abzulehnen und müssen sofort beendet werden“ (Schrappe 27.8.2021). Es gilt immer zu bedenken: es werden möglicherweise Werkzeuge geschaffen, die im Falle eines Umschwungs in eine DIktgatur willkommen sind zur Unterdrückung Andersdenkender (Howerton 15.6.2022).

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans Jürgen Papier nannte Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen „schwerwiegende Grundrechtseingriffe. Seiner Ansicht nach rechtfertigen Notlagenmaßnahmen nicht die „Außerkraftsetzung von Freiheitsrechten zugunsten eines Obrigkeits- und Überwachungsstaate“ (Focus 30.3.2020). Im SPIEGEL betonte er, in der Krise seien nicht die Maßnahmen der Lockerung rechtfertigungsbedürftig, sondern die Aufrechterhaltung von Beschränkungen der Grundrechte (SPIEGEL 1.5.2020). Papier attestierte dem Bundesverfassungsgericht „Rechtsschutzverweigerung“ , insbesondere durch Hunderte Nichtannahmebeschlüsse, sehr oft ohne jegliche Begründung (Schröder 22.9.2023).

#In das selbe Horn stieß der Direktor des Sozialgerichts Fulda Prof. Dr. Carsten Schütz. Im Januar 2024 schrieb er in der Fuldaer Zeitung: „Handverlesene ‚Virologen‘ trafen Entscheidungen aus ihrer naturgemäß beschränkten Perspektive, die von den Regierungen unter dem Applaus nahezu sämtlicher Medien mit drakonischen Maßnahmen machtberauscht durchgesetzt wurden. Kritiker in Sorge um den Rechtsstaat waren bestenfalls Spinner, regelmäßig aber ‚Nazis‘. Zentrale Rechtsgüter wie die Würde der zum einsamen Sterben Verdammten oder die Rechte der aus der Schule verbannten und ihrer sozialen Kontakte beraubten Kinder spielten keine Rolle. Virologen haben davon nämlich keine Ahnung, und es interessiert sie auch nicht. Die Verfassungswidrigkeit stand diesem ans Totalitäre grenzenden Vorgehen geradezu auf die Stirn geschrieben“ (Fuldaer Zeitung 20.2.2024 bei Jürgen Müller 10.2.2024).

Das mangelnde Demokratieverständnis der Regierung spiegelte sich in Angela Merkels Aussage vom Februar 2021: „Solange wir so eine Situation haben wie die jetzt, dass eine ganz kleine Minderheit geimpft ist und eine große Mehrheit nicht, wird es keine neuen Freiheiten geben“ (Merkur 4.2.2021).

Hans Jürgen Papier widersprach entschieden: „Darin kommt die irrige Vorstellung zum Ausdruck, dass Freiheiten den Menschen gewissermaßen vom Staat gewährt werden, wenn und solange es mit den Zielen der Politik vereinbar ist. Nein, es ist umgekehrt!  Die Grundrechte sind als unverletzliche und unveräußerliche Menschenrechte des Einzelnen verbürgt. Sie können zwar eingeschränkt werden, aus Gründen des Gemeinwohls durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes. Aber es handelt sich nicht um eine einseitige Gewährung des Staates, die man mehr oder weniger beliebig entziehen und neu vergeben kann.“ (WELT 7.3.2021, Bezahlschranke). Weiter schrieb der  Verfassungsrechtler:

„In der Bewusstseinslage der politischen Akteure und Teilen der Bevölkerung scheint gelegentlich in Vergessenheit zu geraten, dass die Menschen dieses Landes freie Bürger sind. Sie verfügen über unveräußerliche und unentziehbare Freiheitsrechte, sie sind keine Untertanen! Es wäre zu begrüßen, wenn jeder Bürger sich des Wertes der Freiheit, immer verbunden mit Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen, dem Anderen und auch gegenüber sich selbst, bewusst wäre. Seit der Zeit der Aufklärung wurde die Verfassungsstaatlichkeit in Europa mühsam erkämpft. Wir sollten sie nicht zugunsten eines paternalistischen Fürsorgestaates aufgeben.“

Der Ethiker Christoph Lütge betonte noch einen anderen Aspekt: Demokratie reduziert sich nicht einfach auf die Herrschaft der Mehrheit – ein häufiges Missverständnis -, sondern erfordert auch den Schutz der Rechte von Minderheiten (PinG 17.9.2021).

Gänzlich verfassungswidrige Vorstellungen hat der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, wenn er unverhältnismäßige Maßnahmen wie etwa „harte Eingriffe in die Bürgerfreiheiten“  und dazu eine Änderung des Grundgesetzes fordert: „Wenn wir frühzeitige Maßnahmen gegen die Pandemie ergreifen können, die sehr hart und womöglich zu diesem Zeitpunkt nicht verhältnismäßig gegenüber den Bürgern sind, dann könnten wir eine Pandemie schnell in die Knie zwingen… Wir sollten also einmal grundsätzlich erwägen, ob wir nicht das Regime ändern müssen, so dass harte Eingriffe in die Bürgerfreiheiten möglich werden, um die Pandemie schnell in den Griff zu bekommen.“ (SZ 24.6.2021). Der WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt kommentiert entsetzt: „Er sagt das aus einer Privilegiertheit, aus den Dienstwagen und der Villa Reitzenstein heraus in die Gesichter und Seelen jener Bürger, die unter den grotesken Freiheitseinschränkungen, den geduldeten Misshandlungen der Kinder und Jugendlichen, dem Pleite-Tornado vieler Gastronomen gelitten haben.“ (WELT 25.6.2021, Bezahlschranke).

Beängstigend äußerte sich auch Olaf Scholz kurz vor seiner Amtsübernahme als Bundeskanzler (spd 2.12.2021). Er wagte zu sagen – und das wäre in einer freiheitlichen Demokratie, die der Menschenwürde als oberstem Gebot verpflichtet ist, ein Rücktrittsgrund:

Für meine Regierung gibt es keine roten Linien mehr bei all dem, was zu tun ist. Es gibt nichts, was wir ausschließen. Das kann man während einer Pandemie nicht machen. Der Schutz der Gesundheit der Bürger:innen steht über allem“.

Der treffende Kommentar von Heribert Prantl war: „Olaf Scholz hat mit seinem Satz eine rote Linie überschritten. Sein Koalitionsvertrag ist mit dem Satz „Mehr Fortschritt wagen“ überschrieben. Es ist nun ein seltsamer Fortschritt, Grundrechte kleinzumachen. Die roten Linien, die es angeblich nicht mehr gibt, zieht das Grundgesetz. Das ist so und das bleibt so, auch wenn sogar das Bundesverfassungsgericht so tut, als sähe es sie nicht“ (BZ 4.12.2021). Scholz machte in seiner Regierungserklärung auch keinen Hehl daraus, dass er die Spaltung der Gesellschaft weitertreiben wird, indem er sagte, seine Regierung sei „die Regierung derer, die sich an die Regeln halten“ (WELT 16.12.2021).

René Schlott schrieb in seinem Essay „Vom Geist der Verfassung und vom Ungeist der Zeit„, es werde derzeit besonders intensiv und mit Erfolg versucht, „die Geschichte quasi umzuschreiben, Begriffe wie Freiheit und Solidarität umzucodieren, sie den Tageserfordernissen anzupassen und politischen Zielen unterzuordnen; konkreter: die Intention des Grundgesetzes in ihr Gegenteil zu verkehren und die ursprüngliche Verfassung der Freiheit in eine Verfassung der Sicherheit oder aktuell der Gesundheit umzuinterpretieren. Das Wort „Gesundheit“ etwa jedoch sucht man vergeblich im Text der Verfassung“. Die in den Artikeln 1 bis 19 festgehaltenen Grundrechte seien vor allem als Abwehrrechte gegen einen übermächtigen, übergriffigen Staat formuliert worden. So kenne das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit keinen Erlaubnisvorbehalt und auch keine Gewissensprüfung. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hätten sich wohl kaum vorstellen können, dass  einmal gesunden Bürgern die voraussetzungslose Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben verweigert wird, oder dass demokratisch gewählte Politiker sowie einige Medien die in Artikel 5 des Grundgesetzes festgehaltene, für eine Demokratie essentielle Pressefreiheit nutzen würden, um Bürger, die sich für das Gemeinwesen engagieren und an die Kraft der Veränderung durch den Protest auf der Straße glauben, zu diffamieren und zu beschimpfen, ja sie verächtlich zu machen und der Spaltung der Gesellschaft das Wort zu reden (Cicero 23.2.2022).

Der Göttinger Verfassungsrechtler Hans Michael Heinig warnte davor, „dass sich unser Gemeinwesen von einem demokratischen Rechtsstaat in kürzester Frist in einen faschistoid-hysterischen Hygienestaat verwandeln könnte (Focus 30.3.2020). Eine Gesellschaft, in der, wie Clemens Arvay befürchtete, viele Bürger aus Angst vor Strafe Verordnungen befolgen, hinter denen sie nicht stehen oder die sie nicht verstehen; eine kranke, gespaltene Gesellschaft, in jeder dem anderen misstraut, in der jeder den anderen anpöbelt oder sogar körperlich attackiert, etwa weil er zu nahe kommt oder die Maske nicht richtig aufgesetzt hat (Arvay 30.8.2020).

Auch der Soziologe und ehemalige Rektor der Uni Mainz, Volker Ronge, ist eher pessimistisch. In dem Sammelband „Die Irritation der Gesellschaft durch den Lockdown“ schreibt er:Der Staat fährt hier, auf der Basis seiner eigenen Informationen und Wertungen, eine Gesellschaft an die Wand. Die Bevölkerung schluckt das in der trügerischen Hoffnung, dass der Spuk bald vorbei ist und weil seitens der Politik Kompensationen versprochen und auch geleistet werden. Diese lassen sich aber nur über Staatsverschuldung bestreiten, die zu Inflation führt. Alle rechnen mit einer großen Wirtschaftskrise. (…) Der Staat setzt diese interventionistische, zerstörerische Politik mitInstrumenten alter Art durch: Notstandsverordnungen, Verboten, Bewegungsbeschränkungen, Strafen bei Nichtbefolgung. Wir leben heute fast kaserniert.Es geht. Es lässt sich machen. (…) Es wird kein Zurück zum Status quo ante geben. Die Politik wird den Zustand „Krise“ in Zukunft immer länger und öfter ausrufen und sich selbst als Krisenmanager deklarieren. Das Volk spielt bei diesen Realitätsbehauptungen fromm mit. Und Medien sind keine kritische Instanz mehr. Der Krisenzustand wird zur Normalitätsannahme“ (Bruns/Ronge, Jan 2022).

Der pensionierte Richter Manfred Kölsch wandte sich in einem ausführlichen Schreiben an den Bundespräsidenten und gab ihm aus Protest das Bundesverdienstkreuz zurück: „Diese Maßnahmen sind einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Weil sie unverhältnismäßig und in diesem Ausmaß nicht erforderlich sind, verstoßen sie gegen das Rechtsstaatsprinzip. …Der immer wieder verlängerte Lockdown für alle ist von diesem Gesichtspunkt aus weder notwendig noch verhältnismäßig. Er ist schlicht verfassungswidrig“ (Kölsch 25.5.2021).

Die Juristin Jessica Hamed zählte in der Frankfurter Rundschau die zahlreichen Freiheitsgrundrechte auf, die verletzt wurden und werden (FR 26.3.2020). Das betrifft in erster Linie die Grundrechte der Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs 2 S.2 Grundgesetz), der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 S.1 GG), der Religionsfreiheit (Art. 4 Absatz 1, 2 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 GG). Eingeschränkt ist auch das Briefgeheimnis und das Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 GG), denn schriftliche Mitteilungen von infizierten Personen können durch Behörden oder medizinischen Stellen gelesen und ausgewertet werden. Eingeschränkt ist weiter die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 GG), denn ein Arzt darf einen Infizierten, der sich in Quarantäne befindet, zwangsweise in dessen Wohnung aufsuchen und behandeln, und die Polizei darf eine Wohnung stürmen, wenn sie darin unerlaubte Besucher vermutet (Focus 26.10.2020, Reitschuster 16.4.2021). Heribert Prantl ergänzt die Liste noch um das Recht auf Schutz der Familie, die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, die Gewerbefreiheit und den Schutz des Eigentums (Buchkomplizen 17.4.2021)

Wie Jessica Hamed bei ihrer Klage gegen der Freistaat Bayern feststellen musste, hat die Regierung von Bayern nahezu alle Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen aufgehoben, „ohne diese Vorgänge, die Entscheidungsgrundlage, die Prognosen, die Abwägungsprozesse (Stichwort: Kollateralschäden) etc. in einer Behördenakte zu dokumentieren“ (ckb 17.8.2020, SZ 10.9.2020). Das Demokratieverständnis von Ministerpräsident Markus Söder drückte sich auch aus in Äußerungen wie: „…deswegen habe ich für Bayern entschieden, voranzugehen“ oder „Wir dürfen nicht nur debattieren, wir müssen entscheiden, wir müssen handeln“ (ARD 19.8.2020).

In Bayern wurden während des Lockdowns 171 Personen in „Präventivhaft“ genommen, teilweise Jugendliche, und teilweise zwei Wochen und länger (Merkur 28.8.2020). Chefredakteur Ulf Poschart diagnostizierte in der WELT: „Die stoische Hinnahme der Einschränkung fundamentaler Freiheitsrechte hat ein Ausmaß angenommen, das schockierend ist“ (WELT 9.10.2020).

Für polizeiliche Ermittlungen wurden auch schon Corona-Gästelisten von Restaurants beschlagnahmt, mancherorts wurden sie auch zur Verfolgung von Kleindelikten verwendet (OVB 21.7.2020, SZ 2.9.2020). Durch ein Daten-Leck waren zehntausende Corona-Kontaktlisten eines Restaurant-Dienstleisters zeitweise im Internet einsehbar (rtl.de 28.8.2020). Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes nannte Gästelisten zur Kontaktnachverfolgung einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz. Freiwilligkeit sei eine elementare Voraussetzung der Einwilligung, und sie sei nicht gegeben, wenn die Verweigerung der Zustimmung nur für den Preis des weitgehenden Verzichts an der Teilnahme am sozialen Leben möglich sei. Durch die Erfassung, Speicherung und ggf. auch Weitergabe von Adress- und Kontaktdaten könnten Bürger davon abgehalten werden, bestimmte Veranstaltungen bzw. Orte zu besuchen (dr datenschutz 2.9.2020).

Dessen ungeachtet beschloss die Bundesregierung am 29.9.2020 ohne Parlamentsbeteiligung sogar noch eine Verschärfung der Mitteilungspflicht durch Bußgelder bei Falschangaben und eine Verpflichtung der Wirte, die Angaben der Gäste zu kontrollieren (Merkur 30.9.2020). Gastronomen sind allerdings nicht befugt, sich Ausweisdokumente oder ähnliches vorlegen zu lassen (FR 30.9.2020).

Das Recht auf Freizügigkeit wurde eingeschränkt, indem auf Grund willkürlich festgesetzter Kriterien Risikogebiete definiert werden, mit dramatischen Konsequenzen für den Tourismussektor und erheblicher Einschränkung für Menschen, die dort ihre Familie besuchen wollen. Es ergab sich unter anderem die absurde Situation, dass Deutschland, komplett ein Risikogebiet, die Einreise aus Ländern sanktionierte, die ein ähnlich hohes Risiko aufwiesen (ECDC 7.11.2020). In Nordrhein-Westfalen wurde die Quarantänepflicht für Reiserückkehrer gerichtlich gekippt mit der Begründung, dass sie unter Umständen in Deutschland einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind, die Quarantäne somit kein geeignetes Mittel zur Eindämmung der Corona-Pandemie sei (Merkur 21.11.2020). Im August 2023 erklärte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Quarantäne-Regelung für Reiserückkehrer nachträglich für unwirksam. Für einen Ansteckungsverdacht, wie ihn die Verordnung zugrunde legte, hätte es regelmäßig eindeutige Symptome und eine entsprechende Anamnese oder einen Kontakt mit einer infizierten Person gebraucht. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung habe es zudem an einer gesetzlichen Grundlage für die rechtswirksame Festsetzung von Risikogebieten gefehlt (br 2.8.2023).

Im Januar 2020 empfahl die EU-Kommission, den Reiseverkehr aus EU-Ländern mit hohem Risiko („Inzidenz“ von >500 Infektionen auf 100.000 Einwohner in 14 Tagen) insofern einzuschränken, dass bei der Einreise ein negativer Test verlangt wird und danach verpflichtend eine Quarantäne angeordnet wird (26.1.2021).

Ein gravierender Eingriff in das Grundrecht auf Freizügigkeit war die Anordnung einer Quarantäne. Sie betraf in der Regel gesunde Menschen allein auf Verdacht oder auf Grund eines positiven PCR-Tests – der kein Beweis für Infektiosität waar – und bedeutete 10 bis 14 Tage Verbot, die Wohnung zu verlassen (SZ 3.12.2020). Im SWR wurde sogar vom Schusswaffengebrauch auf Quarantänebrecher phantasiert (swr 10.3.2020). Im Krankheitsfall wurde Isolation innerhalb der Familie verlangt, sogar bei Kindern (NDR 7.8.2020). Die psychologischen Auswirkungen der Quarantäne – Angst, Aggressivität, Stress – waren gravierend und gingen bis zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (Amanzio 30.10.2021);  Bewegungsmangel und verändertes Essverhalten vergrößerten das Risiko für Übergewicht, Infektanfälligkeit, Diabetes und Herzkreislauf-Erkrankungen (Brooks 14.3.2020, Mattioli 5.5.2020, BR 13.4.2021).

Während des Coronaausbruchs im Großschlachthof Tönnies wurden Tausende Arbeiter aus Südosteuropa über vier Wochen in Quarantäne gehalten. Bei mehreren Hundert von ihnen wurde anschließend noch ein drittes Mal eine 14tägige Quarantäne verordnet, obwohl es weder positive Tests noch Krankheitssymptome gab. Hier zeigt der Hygienestaat sein unmaskiertes Gesicht. Der offensichtliche Akt von Freiheitsberaubung wurde ausgerechnet an Menschen begangen, die für die Produktion billiger Lebensmittel ausgebeutet werden, und die in ihren Herkunftsländern Opfer rassistischer Diskriminierung sind (Merkur 24.6.2020, Tagesschau 30.7.2020).

Bereits Mitte Juni war es in Berlin zu einem ähnlichen Fall schikanöser, gegen eine europäische Minderheit gerichteter Quarantäne gekommen (taz 18.6.2020). Kinder waren ebenfalls regelmäßig Opfer von Quarantänemaßnahmen, die den Charakter von Willkür und Kindswohlgefährdung hatten (SK 27.7.2020, OP 30.7.2020, WELT 29.8.2021).

Selbst das Demonstrationsrecht wurde außer Kraft gesetzt – der letzte Hebel, den die Bürger noch haben, um ihre Meinung öffentlich auszudrücken. Schon während des ersten Lockdowns hatte der Aufruf zu Demonstrationen Verhaftungen und Hausdurchsuchungen zur Folge (Focus 4.4.2020). Am 16. April 2020 wurde ein generelles Demonstrationsverbot vom Bundesverfassungsgericht für illegal erklärt (dw 16.4.2020). Im Juni 2023 erklärte das Bundesverwaltungsgericht das generelle Versammlungsverbot in Sachsen zu Corona-Beginn für unverhältnismäßig (dlf 22.6.2023).

Trotzdem wurden Demonstrationen gegen die Pandemie-Politik und die Aussetzung der Grundrechte immer wieder von der Polizei aufgelöst oder von vorneherein verboten, etwa wegen einer „hohen zu erwartenden Teilnehmerzahl“, absehbares Nichteinhalten von Hygieneauflagen oder „Gefährdung für die Öffentlichkeit“ (t-online 2.8.2020, RND 5.12.2020, BZ 17.12.2021). Hamburgs  Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) forderte eine „deutliche Einschränkung der Versammlungsfreiheit“ im Infektionsschutzgesetz (tagesschau 18.4.2021). In Nordrhein-Westfalen dürfen seit Januar 2022 an Versammlungen im Freien bei mehr als 750 Teilnehmenden nur immunisierte oder getestete Personen teilnehmen (3G-Regel). Dadurch wird die spontane Teilnahme unterbunden, und es werden ständige Kontrollen der Teilnehmer durch die Polizei ermöglicht. Die Richter in Münster fanden diese Einschränkung des Demonstrationsrechts verhältnismäßig (OVG 14.1.2022). Begründungen wie „das Verbot von Versammlungen [diene] legitimen Zwecken wie dem Schutz von Leben und Gesundheit sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems“ (WELT 30.12.2020) sind in ihrer Pauschalierung eines Rechtsstaats unwürdig.

Die Großdemonstration gegen die Coronamaßnahmen am 29. August in Berlin wurde zunächst von den Behörden verboten, weil es „bei dem zu erwartenden Kreis der Teilnehmenden zu Verstößen gegen die geltende Infektionsschutzverordnung kommen wird“. Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) wartete gleich noch mit der Diffamierung auf: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Berlin zu einem großen Campingplatz für vermeintliche Querdenker und Verschwörungsideologen gemacht wird“ (Tagesschau 26.8.2020). Weiter sagte er: „Wir müssen deshalb zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und dem der Unversehrtheit des Lebens abwägen. Wir haben uns für das Leben entschieden“ (SPIEGEL 26.8.2020). Mit einem solchen Argument lässt sich jederzeit und überall die Außerkraftsetzung von Grundrechten begründet. Die Berliner Zeitung schrieb: „Der Verdacht drängt sich auf, dass die Berliner Polizei politisch agiert“ (BZ 27.8.2021).

Besonders folgenschwer war das  Verbot der „Querdenker“-Demo am 1. August 2021, nachdem eine Woche zuvor beim politisch gewollten Christofer Street Day 35’000 Menschen großteils ohne Maske gefeiert hatte. WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt sprach von „Willkür und einer Rechtsstaatlichkeit, die sich in den Dienst weltanschaulicher Anliegen stellt“ (WELT 4.8.2021, Bezahlschranke). Die Polizeigewalt gegen Demonstranten, die am 1. August vielfach dokumentiert wurde, hat sogar den UN-Sonderberichterstatter zu Folter Nils Melzer auf den Plan gerufen mit der Bitte um eine Stellungnahme der Bundesregierung (BZ 5.8.2021, ZEIT 5.8.2021, BZ 11.8.2021). In einem Interview mit der WELT sprach Melzer von „exzessiver Gewalt“ und einer „Kultur der Toleranz für Polizeigewalt“. In ihrer Stellungnahme habe es die Bundesregierung für verhältnismäßig gehalten, dass ein friedlicher Demonstranten vom Fahrrad gestoßen und auf den Boden geworfen wurde. „Die Wahrnehmung der Behörden, was verhältnismäßig ist, ist verzerrt“, sagte Melzer. In zwei Jahren sei nur ein einziger Polizist wegen übermäßiger Gewalt belangt worden. Er habe den Eindruck einer „de-facto-Straflosigkeit durch Verfahrensverschleppung“. „Das ist kein Zeichen von Wohlverhalten, sondern von Systemversagen. Die Behörden sehen gar nicht, wie blind sie sind.“ (WELT 21.3.2022, SPIEGEL 21.4.2022).

Der Historiker Jörg Baberowski war entsetzter Augenzeuge der Polizeigewalt in Berlin und plädiert für einen liberalen Rechtsstaat, in dem Menschen mit abweichenden Meinungen nicht als Feinde stigmatisiert werden. „Eine offene Gesellschaft und eine militarisierte Polizei passen nicht zusammen. Polizisten, die anonym in Erscheinung treten, deren Gesichter man nicht sieht und die nur noch an den Nummern auf ihrem Rücken identifiziert werden können, werden von den Bürgern nicht mehr als Individuen, schon gar nicht mehr als Freunde und Helfer erkannt. Die Polizisten selbst nehmen sich untereinander als verschworene Gemeinschaft wahr, fühlen sich wie Soldaten im Gefecht. Der Korpsgeist aber erhöht den inneren Druck auf die Polizisten, sich auch so zu verhalten, wie man es von einer Kampfeinheit erwartet“ (NZZ 14.8.2021).

Im Dezember 2021, als der Druck auf die Bevölkerung durch 2G-Regeln und Pläne zu einer Impfpflicht anstieg, und entsprechend mehr Menschen auf die Straßen gingen, um für Demokratie und Freiheit zu demonstrieren – die allermeisten friedlich -, nahmen in Politik und Medien die Diffamierungen von Demonstranten wieder zu. Beispielhaft der Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 13.12.: „Die sind brandgefährlich“ (SZ 13.12.2021). Darin wird unter anderem berichtet, SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese habe von der „fortschreitenden Radikalisierung einer kleinen Minderheit“ gesprochen, der mit „absoluter Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden“ begegnet werden müsse. „Wir erleben den organisierten Versuch, zu spalten und zu hetzen“ . Der Bayerische Rundfunk meldete: „Corona-Proteste: ‚Die Gewaltbereitschaft nimmt zu’“ (br 12.12.2021). Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb: „Die von Rechtsextremisten gesteuerte Bewegung der Corona-Leugner setzt nun auf Proteste in den Kleinstädten. So soll der Eindruck entstehen, ganz Deutschland stehe auf gegen die angebliche „’Corona-Diktatur’“ (FAZ 25.12.2021). Der Radio-Sprecher Martin Ruthenberg (SWR) drückte in einem Podcast seinen Zorn über die tendenziöse Berichterstattung über die „Corona-Spaziergänge“ aus (Ruthenberg 10.1.2022).

Die für 18.12.2021 geplante Demonstration in Berlin „Friedlich Zusammen – Freie Impfentscheidung“ wurde verboten wegen „zu erwartenden Verstößen gegen Corona-Regeln“ – eine Begründung, die das Demonstrationsrecht komplett zur Farce macht  (BZ 17.12.2021). Christoph Lütge kommentierte auf twitter: „Das Demonstrationsrecht ist ein extrem hohes Gut in der Demokratie. Es darf nicht einmal der Verdacht entstehen, dass in einem freiheitlich-demokratischen Staat Demonstrationen aus politischen Interessen behindert oder mit prohibitiv hohen Auflagen versehen werden.(Lütge 18.12.2021).

Der Verdacht ist ohne Zweifel dringend, denn wenig später sagten die Veranstalter von „München steht auf“ eine Demonstration wegen inakzeptablen Bedingungen ab: Teilnehmerbeschränkung, Einzäunung der Teilnehmer in größeren Gruppen, Ordnerzahl 1:10, FFP2-Masken. Nachdem sich die Menschen trotzdem zu einer nicht genehmigten Versammlung trafen, sprach der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter im Corona-Neusprech vom „Missbrauch des Grundrechts auf Meinungsfreiheit“ (tagesschau 23.12.2021). Dasselbe wiederholte sich eine Woche später (Ibing 28.12.2021). Dort wurden ersatzweise angedachte Spaziergänge durch die Stadt per Allgemeinverfügung verboten (ZEIT 28.12.2021). Das Verbot von innerstädtischen „Coronaspaziergängen“ hat schon etwas von Orwells Gedankenpolizei. Das Verwaltungsgericht Stuttgart sah im pauschalen Verbot nicht genehmigter Corona-Spaziergänge einen „ziemlich klaren Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit“ (lto 14.1.2022). Weitere Gerichte wie das Verwaltungsgericht Cottbus folgten dieser Auffassung (rbb 8.2.2022). Das Bundesverfassungsgericht verortete in einer vorläufigen Eilentscheidung das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unter das Primat des Regierungshandelns und urteilte, die Spaziergänge dürften von den Kommunen verboten werden (gn 17.1.2022, Merkur 17.1.2022, lto 1.2.2022). Es sei „bei unangemeldeten Spaziergängen keine «Vorfeldkooperation» mit der Versammlungsbehörde möglich“. Ein protestierende Bürger sollte also zu allererst kooperativ sein – eine Aushöhlung des Versammlungsrechts, wie Nico Härting diagnostiziert (NZZ 2.2.2022).

Von der Gewerkschaft der Polizei war zu vernehmen, es dürfe nicht Aufgabe der Polizei sein, einen breit auf der Straße ausgeführten Meinungsstreit, sofern er friedlich ist, mit polizeilichen Mitteln zu stoppen, nur weil die Politik diesen Disput an die Polizei outgesourct hat (ZEIT 28.12.2021). Rainer Wendt, Chef der Polizeigewerkschaft betonte: „Ein standardisiertes Einschreiten wäre nicht nur taktisch falsch, sondern sicher auch rechtswidrig.“ Die deutsche Rechtsprechung habe „hohe Hürden für ein Einschreiten der Polizei gesetzt“ (BZ 5.1.2021). Die bayerische Staatsregierung brachte bei Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten im Zusammenhang mit Demonstrationen „beschleunigte Verfahren“ ins Spiel, die ohne große Beweisaufnahme innerhalb von Stunden zu Urteilen führen. Dies ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, da wesentliche Rechte der Angeklagten außer Kraft gesetzt werden (WELT 27.12.2021, tagesschau 7.1.2022).

Am 13. Januar 2021 kam es in Hamburg zu dem absurden Vorfall, dass eine Demonstration von Kritikern der Coronamaßnahmen und der Impfpflicht verboten, eine Gegendemonstration dagegen erlaubt wurde (WELT 13.1.2022).

Der Verfassungsrechtler Oliver Lepsius wandte sich vehement gegen das Verbot von Demonstrationen mit der Begründung, sie könnten gegen Hygieneauflagen verstoßen: „Muss, wer die Versammlungsfreiheit betätigt, immer auch zugleich eine staatliche Schutzpflicht erfüllen? Verfassungsrechtlich eindeutig nein. Im Rechtsstaat ist es als Teil des Kundgabezwecks einer Versammlung grundsätzlich erlaubt, gegen Hygieneauflagen zu demonstrieren, indem man gegen sie verstößt… Beim Demonstrieren geht es nicht um Individualismus oder Irrationalismus auf Kosten der Gemeinschaft, sondern um politischen Meinungspluralismus in einer offenen Gesellschaft“ (Lepsius 7.12.2020).

Viele Politiker verweigern sich einem konstruktiven Dialog mit Menschen, die sich Sorgen um ihre Bürgerrechte machen und auf die Straße gehen. Sie verunglimpfen sie als „Impfgegner“, „Corona-Leugner“, „Verschwörungstheoretiker“ oder „Extremisten“ und ordnen sie pauschal dem rechten Spektrum zu. Die Skala der Diffamierungen ist offensichtlich nach unten offen: Die Bundesvorsitzende der SPD Saskia Esken beleidigte Demonstranten als „Covidioten“, die Berliner SPD-Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci sprach von „Irren“ (BZ 2.8.2020). Die Medien liefern entsprechende Bilder und eine Berichterstattung, die an die russischen Staatsmedien bei Anti-Putin-Demonstrationen erinnert (Nachdenkseiten 20.5.2020, Tagesschau 1.8.2020). Frank Walter Steinmeier verstieg sich zur Aussage, „Radikale Corona-Leugner“ wollten bei den Coronaspaziergängen einen „vergifteten Stachel in unsere Demokratie“ treiben (rnd 19.1.2022).

Man fragt sich, wo Studien waren, die solche Etikettierungen belegten. Vielleicht gehörten ja viele dieser Menschen dem Prekariat an, das wir gerade vergrößerten: zu den 4 Millionen Langzeitarbeitslosen, Mini-Jobbern und Hartz-IV-Empfängern, zu den Selbstständigen, die Konkurs anmelden mussten oder zu den Alleinerziehenden, die alleingelassen wurden – Menschen, die verständlicher Maßen verzweifelt waren, wütend auf den obszönen Reichtum, mit dem manche meinen, die Wissenschaft, die Medien und die Weltpolitik beeinflussen zu dürfen.

Agnes Imhof schrieb in der Neuen Züricher Zeitung über die Verunglimpfungen von Demonstranten: „Wer demonstriert noch, wenn er Angst haben muss, als Rechter diffamiert zu werden, nur weil die Falschen mitgelaufen sind? Übrig bleiben dann die tatsächlichen Rechten… Es ist befremdend, dass Demonstrationen nicht als positives Signal einer funktionierenden Demokratie wahrgenommen werden“ (NZZ 4.6.2020).

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder betrachtete Gegner der Corona-Maßnahmen als potenzielle Terroristen. Im Umfeld der Querdenker-Szene würde sich „ein Corona-Mob oder eine Art Corona-RAF bilden …, die zunehmend aggressiver und sogar gewalttätig werden könnte“ (FR 11.1.2021). Die WELT kommentierte Söders Ausfälle als blindwütig und abstrus. Es gehe ihm wohl darum, durch rhetorische Tricks eine Situation herbeizureden, die es dem Staat tatsächlich erlauben könnte, gegen Kritiker der gesundheitspolitischen Maßnahmen so unerbittlich vorzugehen wie einst die Bundesrepublik gegen die RAF. „Würde man ihn an seinen eigenen Worten messen, wäre zuerst für ihn selbst eine Sicherheitsverwahrung zu erwägen. Denn Bürger, die von ihren Rechten Gebrauch machen, um sich gegen deren Suspendierung zu wehren, in die Nähe von Terroristen zu rücken, ist ein rabiater Bruch mit demokratischen Prinzipien und wäre entsprechend zu ahnden“ (WELT 12.1.2021, Bezahlschranke).

Zu den Demonstrationen gingen auch viele, die aus dem „grünen“ Spektrum kamen, von den Grünen enttäuscht waren und sich als politisch heimatlos betrachteten. Laut der Basler Studie zur „Politischen Soziologie der Corona-Proteste“ waren 41% der „Querdenker“ ehemalige Wähler der Grünen und Linkspartei – 6% von ihnen würden diese Parteien wieder wählen – und nur 15% AfD-Wähler (osf 16.12.2020 S.10). Ähnliches hat auch die Publizistin Gaby Weber beobachtet und in zahlreichen Interviews am 1.8.2020 in Berlin dokumentiert (Weber 8.8.2020).

Eine schlimme Folgen der „Coronakrise“ ist der Vertrauensverlust, den Staat und Staatsorgane durch die immer weiter zunehmenden Verbote und Zwangsmaßnahmen verursachen, die teils mit absurd hohen Bußgeldern, teils mit Polizeigewalt durchgesetzt werden. Bei vielen Betroffenen, zum Großteil junge und engagierte Erwachsene, ist dieser Schaden so schnell nicht wieder gut zu machen. Der Richter Thorsten Schleif rief offen dazu auf, gegen solche Bußgelder juristisch vorzugehen. Die Bürger sollten vor Gericht ziehen, wenn der Staat ihre Freiheiten auf „rechtswidrige Weise“ einschränke (Focus 7.3.2021).

René Schlott schrieb in der Einleitung seines „Zehn Punkteplans für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ im SPIEGEL: „Das Institut für Demoskopie in Allensbach hat kürzlich ermittelt, dass 86 Prozent der Deutschen sagen, die Gesellschaft habe sich in den letzten beiden Jahren verschlechtert. In einer von der »Welt am Sonntag« veröffentlichten Befragung (die im Auftrag der CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion durch INSA durchgeführt wurde) sahen 23 Prozent die Gefahr einer Diktatur in unserem Land, 15 Prozent erwägen der gleichen Umfrage zufolge auszuwandern, das wären in absoluten Zahlen annähernd 13 Millionen Menschen“. Er empfahl u.a. Versöhnung, sprachliche Abrüstung und Ablehnung von Diskriminierung und Anerkennung des Rechts auf körperliche Selbstbestimmung, außerdem einen runden Tisch zur Situation der Kinder sowie eine unabhängige „Freiheitskommission“ (SPIEGEL 12.2.2022).

Gregor Gysi sagte im Januar 2022 bei Markus Lanz: Dreißig Prozent unserer Bevölkerung haben jedes Vertrauen zur etablierten Politik von der CSU bis zur Linken – einschließlich der Linken! – verloren. Verloren, dreißig Prozent! Die AfD-Wählerinnen und Wähler zähle ich mit dazu und die anderen auch. Das macht mich so nachdenklich. Wir müssen einen Weg finden, Vertrauen wieder herzustellen. Es ist zum Teil die falsche Sprache. Es ist zum Teil die Angabe falscher Beweggründe. Es ist zum Teil eine gewisse Unehrlichkeit. Dann reichen auch diese Maskenaffären und so etwas aus, um das Ganze noch zu verschlimmern. Die Leute sind so misstrauisch geworden. Und ein Mangel besteht darin, dass uns Politikern und Politikerinnen die Nichtwählerinnen und Nichtwähler nicht interessieren. Weil ja nur die Wählerinnen und Wähler darüber entscheiden, wie die Sitze verteilt werden. (…) Es wird eine Entscheidung getroffen. Und der nächste Tagesordnungspunkt lautet: Wie verkaufen wir es an die Bevölkerung? Das heißt, du nennst nicht mehr deine wirklichen Beweggründe, sondern solche, von denen du meinst, (dass) die Mehrheit der Bevölkerung sie am ehesten trägt. Dafür hat die aber einen Instinkt, die Bevölkerung. Nicht in jedem Einzelfall, aber sie hat einen Instinkt“ (ZDF 7.1.2022).

Wolfgang Kubicki schrieb am 16.12.2021: Die obersten Vertreter unseres Staates haben einiges dafür getan, dass ihnen im Verlaufe der zwei Jahre weniger Glauben geschenkt und weniger Vertrauen entgegengebracht wurde. Umbestimmte politische Maßnahmen zu flankieren, setzten Ministeriale in der Vergangenheitnicht nur auf die dosierte Verbreitung von Angst, sondern auch auf Unwahrheiten. Viele Menschen in unserem Land mich eingeschlossen hätten sich nie vorstellen können, dass sich staatliche Repräsentanten an der offenen und vermeintlich legalen Ausgrenzung von einer relevanten Gruppe beteiligen. Mittlerweile scheinen sich viele daran gewöhnt zu haben, dass mit 2G eine bislang ausdrücklich freie Entscheidung gegen die Impfung mit einer gesellschaftlichen Stigmatisierung einhergeht. (…) Führende Vertreter des Staates haben es auf einen Konflikt mit dem Vernunftgefühl vieler Menschen ankommen lassen. Die Spreizung zwischen dem Sinn vieler Corona-Maßnahmen und dem Empfinden der Menschen wird nach fast zwei Jahren zu einer veritablen Gefahr für unser Gemeinwesen“ (WELT 16.12.2021, Bezahlschranke).

Wolfram Klinger, Publizist und Finanzunternehmer, malte in der Neuen Zürcher Zeitung folgendes Worstcase-Szenario an die Wand: „ …dass wir über die nächsten drei bis fünf Jahre gezwungen sein werden, in einem Korsett von Bestimmungen zu leben, die unsere wirtschaftliche Lebensgrundlage nachhaltig zerstören und das Vertrauen in Staat und Politik untergraben. Das soziale Zusammenleben wird beeinträchtigt, eine ganze Generation von Kindern wird in ihrer Entwicklung gestört, und weil die Massnahmen menschlichen Grundbedürfnissen diametral zuwiderlaufen bei gleichzeitig gesunkener Gesundheitsgefahr, wird für die Durchsetzung immer mehr auf repressive und polizeistaatliche Methoden gesetzt werden müssen….Wenn wir solche oder ähnliche Szenarien verhindern wollen, müssen wir jetzt die Strategie in Bezug auf Corona zur Diskussion stellen.“ (NZZ 5.9.2020).

In einer dänischen Studie der politologischen Fakultät der Universität von Aarhus über offene Kommunikation bezüglich COVID19-Impfstoffen und Vertrauen in die Behörden heißt es: „Während die Mitteilung von negativen Informationen das Zögern verstärken kann, stärkt Transparenz das Vertrauen in die Gesundheitsbehörden und verhindert die Verbreitung von Verschwörungstheorien. Dementsprechend stellen unsere Ergebnisse eine klare Warnung dar, nicht dem kurzfristigen Anreiz zu erliegen, Informationen zurückzuhalten. Das Aufrechterhalten von Vertrauen während einer Pandemie ist für die Gesundheitsbehörden entscheidend….“ (Petersen 20.7.2021).
In einer weiteren Studie über Folgen der Coronakrise wie Systemkritik und politische Gewalt schreiben Autoren derselben Fakultät: Unsere Ergebnisse erinnern daran, dass es sich bei der COVID-19-Pandemie um eine umfassende Krise handelt, deren Auswirkungen weit über den Bereich der Gesundheit hinausgehen. Ein erfolgreiches Pandemiemanagement erfordert daher, dass Behörden und Politiker dieses Störungspotenzial sowohl während als auch nach einer Pandemie berücksichtigen. Während einer Pandemie sollten die Maßnahmen nicht belastender sein als nötig, und es sollten Hilfsprogramme entwickelt werden, um die Belastung abzufedern. Nach einer Pandemie dürfen sich die Wiederaufbauprogramme nicht auf die Bereiche öffentliche Gesundheit und Wirtschaft beschränken. Es ist wichtig, auch die Beziehungen zwischen den Bürgern und dem politischen System wiederherzustellen… Unsere Analysen deuten darauf hin, dass die Wahrnehmung und die selbstberichtete Erfahrung von Polizeigewalt (aber nicht die experimentell manipulierte Wahrnehmung von Polizeigewalt) einen unabhängigen Prädiktor für politische Gewalt darstellen“ (Bartusevičius 9.8.2021).

Wissenschaftler der Akademie für Wissenschaft und Freiheit des Hillsdale College, Washington D.C., veröffentlichten am 23. August 2022 ethische Grundsätze des Gesundheitswesens. Sie schrieben: „Während der SARS2-Coronavirus-Pandemie wurden grundlegende Prinzipien des öffentlichen Gesundheitswesens ignoriert, und das Vertrauen in das öffentliche Gesundheitswesen hat Schaden genommen. Als Experten für öffentliche Gesundheit, medizinische Wissenschaft, Ethik und Gesundheitspolitik schlagen wir die folgenden zehn Grundsätze vor, an denen sich Beamte und Wissenschaftler des öffentlichen Gesundheitswesens orientieren können, um die Glaubwürdigkeit von Empfehlungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten und das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherzustellen“ (dcHilsdale 23.8.2022, deutsche Übersetzung: Ethische Grundsätze des Gesundheitswesens).

In Deutschland wurde und wird immer noch fast alles falsch gemacht, und das Land schnitt in Europa noch hinter Frankreich am schlechtesten ab, was das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung anbelangt (Petersen 10.9.2021). Hans-Jürgen Papier meinte einem Interview: „… das allgemeine legitime Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, rechtfertigt nicht jeden Grundrechtseingriff. Nutzen und Schaden müssen stets in einem angemessenen Verhältnis stehen, und die Beweislast für das Vorliegen der Verhältnismäßigkeit trägt der Staat. Schwerwiegende Freiheitsbeschränkungen aus bloßer Vorsorge sollte es künftig nicht mehrgeben… Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates und die Rationalität seiner Entscheidungen ist im Laufe der Zeit erschüttert worden. Es wurde nicht generell, aber doch teilweise ziemlich irrational, widersprüchlich, kopflos und im Übermaß reagiert(WELT 5.10.2021, Bezahlschranke).
Matthias Schrappe schrieb: Die Folgen einer einseitigen Lockdown-Politik (nämlich deren Perpetuierung) und eines einseitigen Setzens auf die Impfkampagne (z.B. der nicht lösbare Konflikt mit Ungeimpften bei mangelnden flankierenden Maßnahmen) waren klar vorherzusehen. Es fehlt jegliche Perspektive für die Bevölkerung, es fehlt jegliche Perspektive für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen, und die Schäden für das demokratische System sind unabsehbar. Eine Bilanz, die guten Raterschwert“ (Schrappe 29.8.2021).

Eine Studie des Europäischen Rats für auswärtige Angelegenheiten, publiziert am 1.9.2021, untersuchte die Befindlichkeit von Bürgern aus 12 EU-Ländern während der Pandemie (Krastev 1.9.2021). Die Bürger Deutschlands lagen beim Gefühl, frei zu sein, unter den Bürgern der anderen Länder mit Abstand an letzter Stelle: 11 % fühlten sich noch frei gegenüber 68 % im Jahr 2019 (Ungarn lag beim Freiheitsgefühl mit 41% an der Spitze, gefolgt von Spanien mit 38%). 48% der Deutschen fühlten sich unfrei – in Österreich waren es 42%, die anderen Länder folgen mit 11 % – 27 %.

Gerade bei jungen Europäern ist nach dieser Studie viel Vertrauen in staatliche Institutionen verloren gegangen; viele fühlen sich als Opfer der Pandemie. „Von den Befragten unter 30 Jahren sind 43 % skeptisch gegenüber den Motiven ihrer Regierungen: 23 % glauben, dass ihre Regierung vor allem den Anschein von erwecken will, alles unter Kontrolle zu haben, während weitere 20 % meinen, dass die Regierungen die Pandemie als Vorwand nutzen, um die Öffentlichkeit stärker zu kontrollieren… Die Tatsache, dass Covid-19 das Vertrauen der jungen Europäer in das politische System zusätzlich untergraben hat, könnte langfristige Folgen für die Zukunft der Demokratie haben“.

Ein ähnliches Ergebnis hatte auch die Jugendwertestudie 2021: In Deutschland fühlen sich rund 70 Prozent der jungen Menschen aus dem politischen Diskurs ausgeschlossen, nur 40 Prozent vertrauen noch der Regierung (jzg 18.4.2021). 70 Prozent der 16 – bis 29-jährigen jungen Deutschen haben wenig Angst vor dem Covid-19-Virus; sie haben eher (50 Prozent) die Sorge, dass ein naher Angehöriger an einer Corona-Infektion sterben könnte. Sorge bereiten ihnen auch mögliche neuerliche Lockdowns, eine Weltwirtschaftskrise, steigende Arbeitslosigkeit und zusätzliche Einschränkungen der persönlichen Freiheitsrechte. Obwohl sie wenig Angst vor dem Covid-19-Virus haben, wollen sich 55 Prozent der Befragten impfen lassen, 20 Prozent sind unentschlossen, die übrigen 25 Prozent sind skeptisch (pressemitteilung 30.3.2021).

Junge Frauen und die 16- bis 19-Jährigen zeigen sich in der Studie als besonders von der Pandemie und den Anti-Corona-Maßnahmen betroffen. Die Ergebnisse legen nahe, dass es sich in beiden Fällen um sehr vulnerable Gruppen handelt, die größerer Aufmerksamkeit und Unterstützung in der Corona-Pandemie bedürfen.

Ein Studie der Universität Bremen bestätigte den Befund des Vertrauensverlusts, der vor allem bei Eltern mit Kindern festgestellt wurde, und hier vor allem bei den Müttern (Bastin 1.2.2022). Nach einer respräsentativen Umfrage der Bertelsmann-Stiftung gaben im Sommer 2020 45 Prozent der Befragten an, der Bundesregierung zu vertrauen, im Februar 2022 waren es nur noch 18 Prozent (fr 21.3.2022).

Die Staatsanwältin Ursula Gernbeck und die Göttinger Rechtsprofessoren Katrin Höffler und Kai Ambos riefen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit auf. Die Beschimpfung von Personen, die in Ausübung ihrer verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte ihre Meinung öffentlich kundtun, trage ebenso wenig zur Versachlichung der Debatte bei wie die Forderung nach einer flächendeckenden drakonischen Sanktionierung schon bei kleinsten Verstößen. Der Staat solle in seinem humanen Umgang mit Abweichung der Gesellschaft ein Vorbild sein, sodass diese Form des Umgangs auf die Gesellschaft und den gesellschaftlichen Diskurs ausstrahlt. Diskurs statt Konfrontationskurs, Inklusion statt Exklusion sei erforderlich, um sinnvoll durch diese „besonderen Zeiten“ zu kommen (FAZ 14.8.2020).

Es gab und gibt zahlreiche Versuche, Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit zur Disposition zu stellen, etwa mit der Forderung, es müsse verboten werden, öffentlich unwahre Behauptungen über Ursache, Ansteckungswege, Diagnose und Therapie der Erkrankung COVID-19 zu verbreiten (siehe z.B. SPIEGEL Online 17.3.2020). Da wurde auch schon mal ein Kritiker der Corona-Politik wie Christoph Lütge aus einem Ethikrat geworfen (BILD 11.2.2021, stefanie 25.2.2024) oder, wie Stephan Luckhaus, aus einer wissenschaftlichen Gesellschaft hinauskomplimentiert (Luckhaus 7.6.2021), und öffentlich finanzierte Institute untersagten angestellten Wissenschaftlern, kritische Briefe an Politiker zu unterzeichnen (BILD 21.4.2021). Es gab Hausdurchsuchungen und Kündigungen allein auf Grund der Teilnahme an regierungskritischen Demonstrationen (StZ 5.8.2020, NDR 11.8.2020, WELT 11.8.2020). Ärzte, die sich öffentlich kritisch zu bestimmten Maßnahmen äußern, wurden strafversetzt oder gekündigt (PNP 30.10.2020, Impf-Info Nov 2020, PNP 9.11.2020). Wissenschaftler oder Krankenkassenangestellte, die Kritik an der Impfung äußerten, wurden von ihrem Arbeitgeber zum Abbruch von Studien aufgefordert bzw. entlassen (stefanie 2.6.2023). Ärztekammern riefen zur Denunziation von Ärzten auf, die das Coronavirus „leugnen“ oder verharmlosen (ZEIT 21.11.2020, Apotheke Adhoc 24.11.2020).

In Kalifornien wurde die Einschränkung der Meinungsfreiheit von Ärzten sogar in ein Gesetz („Anti-misinformation bill“) gepackt. Es sollte Ärzten unter Strafe verbieten, ihren Patienten gegenüber die offiziellen COVID-19-Impfempfehlungen in Frage zu stellen (WP 12.9.2022). Nach etlichen Klagen wurde der verfassungswidrige und unethische Gesetzentwurf Ende September 2023 zurückgezogen (Bhattacharya 2.10.2023).

Ganz anders Florida. Dort wurde im Mai 2023 vier Gesetze für medizinische Freiheit verabschiedet, die die Bürger vor medizinischen Vorschriften schützen, Ärzten mehr Befugnisse geben und gefährliche Virusforschung („Gain of function“) verbieten. Unter anderem dürfen nirgends mehr Nachweise über eine Impfung oder die Genesung von einer Krankheit verlangt werden und Menschen ohne Impfung entlassen oder diskriminiert werden (DeSantis 11.5.2023).

Eine Studie, die die Unterdrückung   abweichender Meinungen in der Wissenschaft bezüglich COVID-19 untersuchte, kam zu dem Ergebnis: „Die Befragten berichteten, dass sie einer Vielzahl von Zensur- und Unterdrückungstaktiken ausgesetzt waren, darunter der Rücknahme von Veröffentlichungen, die auf Probleme der Sicherheit von Impfstoffen hinwiesen, negative Publicity, Schwierigkeiten beim Erhalt von Forschungsgeldern, Aufforderungen zur Kündigung, Vorladungen zu offiziellen Anhörungen, Entzug der ärztlichen Approbation und Selbstzensur.(…) Die Unterdrückung abweichender Meinungen beeinträchtigt den wissenschaftlichen Diskurs und die Forschungspraxis und erweckt den falschen Eindruck von wissenschaftlichem Konsens.“ (Elisha 19.5.2022).

In den sozialen Medien wurden Wissenschaftler, die sich kritisch zu den Corona-Maßnahmen oder zur COVID-19-Impfung äußerten, durch persönliche Angriffe („ad hominem„) diffamiert, und viele wurden dadurch zum Schwiegen gebracht. Vinay Prasad schrieb: „Wir hatten keine Möglichkeit, vernünftige Reaktionen von Hysterie zu unterscheiden, weil wir in einer Zeit leben, in der die Menschen glauben, alles sei gerechtfertigt, was ihre Weltanschauung unterstützt. (…) Ich bezweifle, dass die Zukunft besser sein wird, sondern befürchte dass sie in etwas viel Schlimmeres abgleiten wird: Zu Fragen des Geschlechts, der Ethnizität, der Ungleichheit und zu jedem medizinischen Thema, das sich mit Politik überschneidet, werden immer mehr Ärzte schweigen. Es bleiben zwei Randgruppen irrationaler Menschen, die sich gegenseitig anschreien. Die Universitäten werden weiter in ihre neue Rolle als Patientenanwerber für die Pharmaindustrie schlüpfen, und Podcasts werden die Rolle der Universitäten als Orte der Debatte und der Wissenschaft übernehmen“ (Prasad 22.12.2022).

Die mit dem Bundesverdienstkreuz dekorierte Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim forderte, die Meinungsvielfalt in der Wissenschaftskommunikation einzuschränken (Mai 8.10.2020, Kaiser 14.10.2020). Bei einer Umfrage unter 178 deutschen Virologen, Mikrobiologen, Hygienikern, Immunologen und Internisten äußerte ein Drittel, die freie Meinungsäußerung in der Wissenschaft sei bedroht (Uni-Klinik Tübingen 14.8.2020). Auch ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern an deutschen Universitäten sah die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre zunehmend unter moralischem und politischem Vorbehalt und forderte die Aufrechterhaltung von intellektueller Freiheit und wissenschaftlichem Pluralismus in Forschungsfragen (NW Feb 2021).

Ulf Poschardt schrieb in der WELT vom 13.1.20212: „So wie es außer den radikalen Rändern links und rechts immer weniger echte Opposition zur freiheitsskeptischen bis -feindlichen Corona-Politik gibt – Rainer Hank nannte es in der „FAZ“ ein „Allparteienkartell“ –, ist nun auch die wissenschaftliche Debatte ein Denunziations- und Ausgrenzungswettbewerb geworden. Forscher wie Christian Drosten können Kollegen wie Hendrik Streeck öffentlich vorführen und werden von Journalisten dazu in Interviews geradezu aufgefordert. (…) Heute singen Politik und Wissenschaft in Talkshows und auf Podien ein Duett oder tanzen ein Pas de Deux zur Durchsetzung immer wieder neuer Einschränkungen der bürgerlichen Freiheitsrechte. Der Ethikrat modifiziert seine Empfehlungen zur Impfpflicht so, wie es der Politik entgegenkommt “ (WELT 13.1.2022, Bezahlschranke).

Eine Gruppe von Akademikern regt eine Debatte über die Freiheit der Wissenschaft an, die sie in der Corona-Pandemie bedroht sieht. Unter dem Motto „Kritischer Geist in der Krise – Zur Aufgabe von Wissenschaft“ will sie „zu einer notwendigen Debatte animieren und beitragen“ (Corona-Netzwerk 12.8.2021). Die Unterzeichner sind der Meinung, die Politik müsse in der Krise die ganze interdisziplinäre Breite der wissenschaftlichen Expertise einbeziehen. Unterlässt sie dies, entstehe ein Klima von Misstrauen und Irrationalität. Verzichte Wissenschaft auf den verantwortlichen Gebrauch ihrer Freiheit, oder folge sie vorrangig den Erwartungen der Politik und passe dabei ihre Themensetzungen den finanziellen Förderungsangeboten an, dann werde sie ihrer Aufgabe für die Demokratie nicht gerecht.

Das British Medical Journal schrieb, „dass die Unterdrückung der Wissenschaft, sei es durch die Verzögerung von Veröffentlichungen, durch das Herauspicken günstiger Forschungsergebnisse oder durch das Knebeln von Wissenschaftlern, eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt, die zu Todesfällen führt, indem sie Menschen unsicheren oder unwirksamen Interventionen aussetzt und sie daran hindert, von besseren Interventionen zu profitieren“ (BMJ 13.11.2020).

Anfang Oktober 2022 unterzeichnete der Gouverneur von Kalifornien Gavin Newsom ein Gesetz, das es der Ärztekammer des Staates ermöglicht, Ärzte für die Verbreitung von „Fehlinformationen“ oder „Desinformationen“ über Covid-19 zu bestrafen. Das neue Gesetz besagt, dass Ärzte dem „wissenschaftlichen Konsens“ über Covid-19 nicht widersprechen dürfen, da sie sonst wegen „unprofessionellen Verhaltens“ angeklagt werden können und ihnen möglicherweise die ärztliche Zulassung entzogen  wird (Demasi 6.10.2022). Der Stanford-Professor Jay Bhattacharya meinte dazu: „Kein Sterblicher kann glaubhaft behaupten, wahre wissenschaftliche und medizinische Informationen unfehlbar von Fehlinformationen unterscheiden zu können. Es ist Hybris, etwas anderes zu behaupten. Der Versuch, medizinische Äußerungen zu regulieren, verletzt die bürgerlichen Freiheiten, schadet der Wissenschaft und wird letztlich den Patienten schaden“ (Bhattacharya 1.10.2022).

Ein britisches Expertenteam prüfte die Qualität von 280 wissenschaftlichen Übersichtsarbeiten aus den ersten fünf Monaten der Pandemie. Obwohl 99 Prozent der Reviews von geringer Qualität waren und im Eiltempo veröffentlicht wurden, erhielten sie auf akademischen und öffentlichen Plattformen erhebliche Aufmerksamkeit (Abbott 3.6.2021).

Auf Initiative der US-Regierung (WSJ 8.1.2023), der WHO und der EU gingen soziale Netzwerke wie Facebook, Youtube, Twitter oder Tiktok gegen „Falschinformationen“ zur Corona-Pandemie vor und ließen „Faktenprüfer“ nicht genehme Inhalte löschen, etwa Interviews mit dem renommierten, aber kritischen Virologen Sucharit Bhakdi (Presse Online 30.45.2020) oder mit John Ioannidis (Medium.com Juni 2020). Im März 2022 diffamierte Karl Lauterbach den Epidemiologen John Ioannidis als „abgedriftet“ und „abgehalftert“, was den Stanford-Professor Jay Bhattacharya zu der Bemerkung veranlasste, er bedauere, dass die Deutschen während der Pandemie einen so unqualifizierten Gesundheitsminister gehabt hätten (Bhattacharya 4.12.2023, BZ 5.12.2023).

Die US-Regierung forderte die sozialen Medien unter anderem auf, Menschen zu zensieren, die sich etwa gegen Masken bei Kleinkindern aussprachen, gegen Schulschließungen, gegen Boosterimpfungen für junge Männer. Der ehemalige Gesundheitsberater der US-Regierung Scott Atlas sagte: „Die Regierung hat wirklich alle Standards gebrochen, indem sie mit Technologieunternehmen zusammengearbeitet hat, um Meinungsäußerung zu unterdrücken, anstatt der Öffentlichkeit mehr Informationen zu geben, wie es eine freie Gesellschaft verlangt, und die Öffentlichkeit von den Daten überzeugen zu lassen“ (Atlas 30.7.2023).

Nach Informationen von BILD gab es am 2. Juni 2020 einen geheimen Corona-Gipfel zwischen der Bundesregierung und den US-Konzernen Facebook (u.a. Instagram, mittlerweile umbenannt in Meta) und Google (u.a. YouTube). „Die Regierung besprach mit Betreibern Sozialer Netzwerke, die täglich von dutzenden Millionen Deutsche benutzt werden, wie gegen die Verbreitung von Informationen vorgegangen werden kann, die sie als falsch und gefährlich erachtete.“ (BILD 25.1.2023). Ein gravierender Verstoß gegen das Grundgesetz, in dem es heißt: „Eine Zensur findet nicht statt“.

In Großbritannien gerieten Kritiker der Covid-Beschränkungen ins Visier eines geheim arbeitendenAnti-Desinformations-Teams(counter desinformation unit, CDU) der Regierung und der BBC. Der Telegraph berichtete, dass unter Zuhilfenahme von KI (künstliche intelligenz) Posts in sozialen Medien gelöscht wurden oder ihre Verbreitung verhindert wurde. Betroffen von Zensurmaßnahmen waren u.a. Carl Heneghan,  Epidemiologe aus Oxford und Berater von Boris Johnson, Molly Kingsley, Aktivistin für Schulöffnungen, und Alexandre de Figueiredo,  Forschungsstipendiat an der London School of Hygiene and Tropical Medicine (telegraph 2.6.2023).

Der Impfstoffhersteller Pfizer soll während der Corona-Pandemie eine Debatte über Impfstoffe auf Twitter unterdrückt haben (exxpress 10.1.2023). Auch BioNTech soll sich an Twitter gewendet haben, um Twitter Kampagnen für eine gerechte globale Impfstoff-Verteilung abzuwehren – mit Unterstützung des Bundesamtes für Informationstechnik (De Masi 17.1.2023). Twitter markierte sogar einen Tweet zur Veröffentlichung des Bundesgesundheitsministeriums bezüglich des Risikos schwerer Inpfnebenwirkungen als „Desinformation“ (De Bie 20.7.2022). Die Journalistin Bari Weiss informierte nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk, wie Twitter die Beiträge unliebsamer Nutzer unterdrückt oder gesperrt hatte (Tichy 9.12.2022).

Auch das British Medical Journal wurde Opfer einer Facebook-Zensur, weil es Anfang November 2021 einen Artikel über eine Whistleblowerin veröffentlicht hatte, die über Datenfälschungen und Unregelmäßigkeiten bei der Pfizer-Studie berichtet hatte (BMJ 2.11.2021, BMJ 17.12.2021). Im September 2021 wurde von Facebook sogar das komplette Netzwerk der „Querdenken‘-Bewegung“ gelöscht, weil es „in koordinierter Weise“ gegen die Gemeinschaftsstandards des Unternehmens verstoßen habe – ein beispielloser Zensurakt im Internet der „freien Welt“ (SPIEGEL 17.9.2021).

YouTube löschte Beiträge zum Thema Corona, wenn sie inhaltlich nicht den amtlichen Vorgaben der Regierung entsprachen (BZ 29.12.2021). Ende September 2021 kündigte das Netzwerk an, generell Anti-Impf-Inhalte zu blockieren (reuters 29.9.2021). Vorübergehend gelöscht wurden auch Videos der Künstleraktion allesaufdentisch. „Vertrauenswürdige“ Informationen werden dagegen bevorzugt behandelt (NZZ 26.3.2020). Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung löschte Facebook zwischen April und Juni rund sieben Millionen Beiträge, die angebliche „gefährliche Fehlinformationen“ über das Virus verbreiteten. Mehr als zwei Milliarden Menschen seien auf Informationen seriöser Gesundheitsorganisationen wie der WHO umgeleitet worden (SZ 19.8.2020). Nach Dietrich Murswiek rührte das an die Grundlagen der demokratischen Willensbildung (BILD 16.9.2021).

Spannende Hintergrundinformationen zu den Sponsoren, zum Netzwerk und zum Etikettenschwindel der „Faktenchecker“ hat das Gewerkschaftsforum recherchiert und veröffentlicht (Gewerkschaftsforum 25.12.2020). Ein Update findet man bei Michael Meyen: „Auf dem Weg zum Wahrheitsministerium“ (Meyen 9.10.2021).

Bei Wikipedia wurden Artikel über Wissenschaftler, die sich kritisch zur überstürzten Entwicklung der SARS-CoV-2-Impfung äußern, wie etwa der Neurowissenschaftler Clemens Arvay, von anonymen „Faktencheckern“ auf rufschädigende Weise umgeschrieben (Bonelli/Arvay 25.9.2020).

Bei Google wurden kritische Fachbücher zum Thema Corona als „sensibles Ereignis“ eingestuft und mit Werbeverbot belegt (Rubikon 13.8.2020). Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellte fest: „Konzerne wie Google, Youtube oder Facebook uploadfiltern, dass es nur so kracht“ (FAZ 12.11.2020). Nach einem Deal zwischen Jens Spahn und Google brachte die Suchmaschine bevorzugt „verlässliche Informationen“ seines Ministeriums zu Gesundheitsthemen und erst nachrangig Informationen unabhängiger Medien (Dtsch Ärztebl. 10.11.2020). Dies wurde als Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit kritisiert (Focus 13.11.2020). „Jens Spahn untergräbt die Staatsfreiheit der Medien, legt Feuer an die freiheitliche Grundordnung insbesondere mit Blick auf die Presse- und Meinungsfreiheit und strebt nach der politisch motivierten Deutungshoheit bei Gesundheitsthemen. Jens Spahn setzt auf das Format Volksempfänger… Lassen wir dem Gesundheitsministerium und seinem Minister Jens Spahn diesen massiven Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit durchgehen, dann wird es ein Meinungsmonopol geben bei Gesundheitsthemen, dann ist Schluss mit Diskurs und Debatte, dann bestimmt das Ministerium dank Google & Co. in nicht ferner Zukunft, wo es lang geht“ (Bellartz 13.11.2020). Der nächste Schritt könnte die Einrichtung eines Orwell’schen Wahrheitsministeriums sein.

Im Dezember 2021 gab es einen breiten Angriff auf Medien und Journalisten, die sich kritisch zur Pandemie und zur Coronaimpfung geäußert hatten. Man mochte zu ihnen stehen, wie man wollte, aber in einer freien Gesellschaft sind Vielfalt der Medien und Meinungsfreiheit ein hohes Gut. So wurde der Journalist Boris Reitschuster aus der Bundespressekonferenz ausgeschlossen (Reitschuster 21.12.2021). In Österreich wurde vom Wiener Presseclub Concordia die öffentliche Förderung des Senders Servus TV in Frage gestellt (tagesschau 21.12.2021). Für die Tagesschau war klar, dass der Staat gegen den Messengerdienst telegram vorgehen musste – ein Medium, über das unter anderem Demonstrationen gegen Coronamaßnahmen abgesprochen werden. Die Politik habe der Radikalisierung der Corona-Leugner-Szene schon zu lange zugeschaut (tagesschau 13.12.2021). Markus Söder forderte, telegram „abzuschalten“, und Nancy Faeser drohte mit einem gesetzlichen Vorgehen gegen die Plattform. Deutschland goes China (WELT 28.12.2021, BILD 11.1.2022).

In Gefahr war die informationelle Selbstbestimmung. Gesundheitsminister Spahn wollte die Mobilfunkanbieter zur Herausgabe von Daten zu verpflichten, mit denen „mögliche Kontaktpersonen von erkrankten Personen“ ermittelt werden können (ZEIT 30.3.2020). In einem offenen Brief warnten daraufhin 300 Wissenschaftler vor einer „beispiellosen Überwachung der Gesellschaft“ (SZ 20.4.2020). Das Ministerium beerdigte seinen Plan letztlich auf öffentlichen Druck und Widerstand von Google und Apple (SZ 26.4.2020).

Die nächste Idee war der Immunitätsausweis mit Sonderrechten für die, die geimpft sind oder eine Coronainfektion überstanden haben – eine Impfpflicht durch die Hintertür und der Eintritt in eine gesundheitliche Zweiklassengesellschaft, wie sie sich auf abschreckende Weise in Israel und Großbritannien entwickelt (Cook 25.3.2021). Ein Immunitätsausweis könnte laut Spahn die Dinge „an vielerlei Stellen“ erleichtern (SZ 30.4.2020). Wer genug Phantasie hat, sich diese vielerlei Stellen auszumalen, wird sich gesagt haben: Auf zur Corona-Party! Auf starken politischen Gegenwind hin bat Jens Spahn den Ethikrat um eine Stellungnahme (Handelsblatt 4.5.2020). Dieser lehnte – ebenso wie die SPD – einen Immunitätsausweis kurzerhand ab (Tagesschau 25.6.2020, SPIEGEL 22.9.2020).

Im Mai 2021 wurde ein digitaler Impfnachweis beschlossen für alle, die gegen Covid-19 geimpft sind (Dlf 8.5.2021). Der oberste Verfassungsrichter Stephan Harbarth erklärte Vorteile für Geimpfte für unproblematisch (tagesschau 3.4.2021).

Juristisch fundierte Kritik an diesen Regeln äußerte die Rechtsanwältin Jessica Hamed: „Wir kommen für absolut banale Handlungen des Alltags wie Einkaufen oder einen Friseurbesuch in eine Art Beweispflicht: Um am täglichen Leben teilzunehmen, müssen wir unsere Ungefährlichkeit darlegen (Impfung, Test, Genesung). Das ist eine völlige Umkehr dessen, was wir bisher in unserem Rechtssystem gekannt haben… Die Menschen müssen beweisen, dass sie nicht krank sind. Alle werden als potentielle Gefährder angesehen. Alle müssen nun beweisen, dass sie für die Gesellschaft ungefährlich sind, was natürlich nicht geht“ (BZ 7.5.2021).

Der deutsche Impfnachweis war mit dem von der EU geplanten digitalen Grünen Pass kompatibel, der Angaben zu Corona-Impfungen, Covid-19-Erkrankungen und negativen Tests beinhalten und die Aufhebung von Reisebeschränkungen erleichtern soll (SPIEGEL 9.3.2021). Zur Erleichterung von Grenzkontrollen hatte das Bundesinnenministerium schon im November die digitale Erfassung von Reisenden bei der Einreise aus Corona-Risikogebieten verfügt. Sie wurde in der dritten Fassung des „Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ festgeschrieben.

Auf EU-Ebene kam ein elektronischer EU-Immunitätsausweis, zusammen mit einem umfassenden elektronischen Impf-Informationssystem. Darin wurde gespeichert, wer wann welche Impfung bekommen hat. In der Datenbank konnte jederzeit der individuelle Impfbedarf festgestellt werden. Die Gesundheitsbehörden bekamen dadurch umfassende und verlässliche Daten über den Impfstand jedes EU-Bürgers, die sie auch mit anderen elektronischen Gesundheitsdaten verknüpfen konnten (Häring 9.5.2020; Handbuch der EU-Kommission: ECDC Nov 2018).

Die Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz und die Bürgerrechtsorganisation Freedom House warnten eindringlich vor den Gefahren für Bürgerrechte und Datenschutz durch die Coronakrise (EAID 26.3.2020, SZ 14.10.2020). Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte in der ZEIT: „Es ist beklemmend, was im Augenblick passiert. Wir werden eine massive elektronische Überwachung bekommen“ (ZEIT 30.3.2020). Im Windschatten der Coronakrise wurden neue Überwachungsgesetze beschlossen (ZEIT 6.11.2020) und wird der Zugriff der Strafverfolger und Geheimdienste auf Messenger wie WhatsApp vorbereitet (Handelsblatt 23.10.2020, ZEIT 10.10.2020).

In China wurde die Corona-Pandemie genutzt, um durch Tracing-Apps die Digitaldiktatur noch weiter voranzutreiben. „Ziel ist der vorauseilende Gehorsam der Bürger, die Internalisierung der Kontrolle, die Selbstzensur“ (SZ 15.5.2020). Asiatische Länder wie Südkorea oder China mit ihren umfassenden Überwachungsmaßnahmen wurden von manchen zum Vorbild hochstilisiert (ZEIT 7.12.2020).

Das bringt die Gefahr mit sich, wie Heribert Prantl schrieb, dass sich die Menschen daran gewöhnen, dass „Big Brother“ und Einschränkungen der Grund- und Bürgerrechte zu den Bewältigungsstrategien einer Krise gehören. Laut Bundesjustizministerin Christine Lamprecht war der „Schutz von Leben und Gesundheit“ eine ausreichende Rechtfertigung für die Einschränkung der Grundrechte (Tagesspiegel 30.4.2021). Das Corona-Denken ist dabei, die Individual-Grundrechte zu vergemeinschaften und der Volksgesundheit unterzuordnen“ (SZ 2.1.2020).

Dazu der Staatsrechtler Dietrich Murswieck: „Auf eine umfassende Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu verzichten, weil das alles zu aufwendig und zu kompliziert erscheint, oder weil Gerichte der großen Politik und ihrer Propagierung in den Medien nicht zu widerstehen wagen, würde bedeuteten, dass die Grundrechte gerade dort nicht mehr wirken, wo ihre Wirkung am wichtigsten wäre – dort nämlich, wo die Freiheit nicht nur punktuell, sondern für die gesamte Bevölkerung und zudem noch in vielfacher Hinsicht massiv eingeschränkt wird. Es würde bedeuten, dass der Staat umso weniger rechtsstaatlich gebunden und gerichtlicher Kontrolle unterworfen wäre, je umfassender er die Freiheit einschränkt. Das wäre das Gegenteil von dem, was die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes gewährleisten soll“ (Murswiek 1.3.2020). Nach Ansicht der Rechtsphilosophin Kathrin Gierhake ist es vorrangige Aufgabe des Staates, die Selbstbestimmung des einzelnen zu schützen (Kaiser tv 22.12.2021, Min. 38:00).

Der Historiker Yuval Noah Harari äußerte in einem Interview: „Das ist die eigentliche Gefahr, die die aktuelle Krise mit sich bringt: Dass die digitale Überwachungstechnologie durch die Gesundheitskrise weltweit legitimiert wird – auch in demokratischen Gesellschaften, die sich zuvor der Überwachung widersetzt haben“ (T-Online 23.10.2020).

Die Aktivitäten des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn – Organspendepflicht, Masernimpfpflicht, Abbau von Patientendatenschutz (Wurzbacher 20.8.2020), Corona-App, Immunitätsausweis – ließen tief in die Seele eines autoritären Politikers blicken, der auf Paternalismus, Überwachung und Strafen setzt anstatt auf Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Bürger. Gunnar Kaiser analysierte in seinem Video „Warum rebelliert ihr nicht“ sehr klug die Psychostruktur von Politikern und Untertanen in der Coronakrise. Er sprach über den sadistisch-masochistischen Charakter der autoritären Persönlichkeit, über das Herrschen durch Unterdrückung spontaner Lebensfreude und über den affektiven Sinn des Strafens: „Wenn ihr euch unterwerft, dann dürft ihr vielleicht Weihnachten feiern….“ (Kaiser 14.11.2020).

Von einem der bekanntesten Philosophen der Gegenwart, der Italiener Giorgio Agamben, stammte der lesenswerte Aufsatz mit dem Titel „Biosicherheit und Politik“. Darin hieß es: „Es ist offensichtlich — und die Regierungsvertreter selbst erinnern uns unaufhörlich daran —, dass das so genannte ‚Social Distancing‘ das Modell der künftigen Politik wird, und dass man (…) diese Distanzierung nutzen wird, um überall menschliche Beziehungen in ihrer Körperlichkeit, die unter Infektionsverdacht geraten ist (politischer Infektion, versteht sich), durch digitale Technologie zu ersetzen. Die universitären Vorlesungen werden (…) permanent online stattfinden, man wird sich nicht mehr am Gesicht wiedererkennen, welches durch einen Mundschutz verdeckt wird, sondern mittels digitaler Geräte, die obligatorisch gespeicherte biologische Daten abrufen, und jede ‚Versammlung‘, ob sie nun politisch motiviert ist oder einfach aus Freundschaft geschieht, wird verboten bleiben. (…) Die Frage ist berechtigt, ob eine solche Gesellschaft noch als menschlich definiert werden kann oder ob der Verlust von echten Beziehungen, von Gesichtern, von Freundschaft, von Liebe wirklich durch eine abstrakte und vermutlich völlig fiktive Sicherung der Gesundheit kompensiert werden kann“ (Agamben 25.5.2020).

Wir wurden tagtäglich aufgefordert, uns vom menschlichen Menschen zum „Homo hygienicus“ (Matthias Burchardt) zu verwandeln: „Am besten wäre es, wir täten alle so, als wären wir infiziert und wollten andere vor Ansteckung schützen“, schlug Christian Drosten vor (Stern 1.11.2020). Gleichzeitig solltee man so tun, als sei „der andere infiziert und wir wollten uns selbst schützen. Daraus ergibt sich unser Verhalten“. Oder, wie der Monitor-Moderator Georg Restle twitterte: Pandemischer Imperativ: Handle stets so, als seist Du Corona-positiv und als gehöre Dein Gegenüber einer Risikogruppe an.“

In seiner klugen Replik „Die große Umkehr“ sagte Gunnar Kaiser: „Wir leben in einem neuen Naturzustand als Kriegszustand: Die Ansteckung eines jeden durch jeden. Nicht mehr der einzelne ist jetzt für seine Gesundheit verantwortlich und für die seiner Nächsten, sondern der Staat. Nicht mehr der Einzelne muss sich schonen und schützen, wenn er krank ist oder zur Risikogruppe gehört, sondern alle anderen müssen ihn schützen. Die ganze Gesellschaft muss erst stillgelegt und dann umgekrempelt werden, damit der Einzelne geschützt ist. Auf einmal soll der Einzelne einen moralischen Anspruch darauf haben, nicht von anderen angesteckt zu werden… Wir sind vorläufig Test-negativ, und dieser Status bestimmt unsere ganze Identität“ (Kaiser 12.11.2020).

Schockierend war die Gleichgültigkeit, mit der ein Großteil der Bevölkerung alle Maßnahmen und Grundrechtseingriffe erduldete, und der Fanatismus, mit der sie ein Teil sogar feierte. „Die Schäden an Demokratie und Gesellschaft sind kaum noch zu beziffern. Forciert wird diese Entwicklung nicht nur von jenen, die von einer ‚Tyrannei der Ungeimpften‘ reden oder ‚mehr Diktatur‘ fordern, sondern auch durch eine große Gleichgültigkeit… Bürger müssen, je schneller desto besser, begreifen, dass ihre Gleichgültigkeit, ihre Apathie, aber auch ihre Bereitschaft, selbst die schwerwiegenden Grundrechtseingriffe mitzutragen, die Demokratie in ihren Grundfesten erschüttert“, so der Journalist und Autor Markus Klöckner in einem Beitrag mit dem Titel Die große Gleichgültigkeit“ (Klöckner 12.11.2021).

Was uns bei Versagen des demokratischen Immunsystem drohen konnte, wurde im einglischsprachigen Video „The Pivotal Moment“ beschrieben, hier übersetzt von Uwe Aischner: Der Impfpass ist das perfekt konstruierte Tor zur Schaffung einer völlig neuen Art von kontrollierter und überwachter Gesellschaft, wie wir sie noch nie gesehen haben. Deshalb dürfen wir unter keinen Umständen, egal wie viel Druck auf uns ausgeübt wird, die Einführung von Impfpässen zulassen“.

Überzeugte Demokraten mussten widersprechen, wenn zur Abwehr einer Krankheit die Einschränkung unserer Grundrechte endlos fortgeschrieben wurde und mit Verordnungen eine „neue Normalität“ geschaffen wurde (FAZ 18.4.2020). „Das Grundgesetz mutet uns allen zu, die Verwirklichung solcher Risiken (er meint hier: gesundheitliche Risiken) als Kollateralschäden des Freiheitsgebrauchs grundsätzlich hinzunehmen“, schrieb Robert Seegmüller, Vorsitzender des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und -richterinnen (SZ 1.8.2020).

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wies im April darauf hin, dass das Grundgesetz nicht die Gesundheit oder das Leben an die erste Stelle stellt, sondern die Würde des Menschen (Tagesspiegel 26.4.2020). Der Philosoph Otfried Höffe kritisierte die Priorität der Sicherheit, die zum Obrigkeitsstaat führt: „Es ist doch merkwürdig, genaugenommen sogar ärgerlich, dass in der Bildungs- und der Demokratiepolitik seit mehr als einem halben Jahrhundert auf den mündigen Bürger hingearbeitet wird und man jetzt unausgesprochen oder sogar ausdrücklich die Bürger zu unmündigen Untertanen erklärt. Der autoritäre Obrigkeitsstaat, den wir endgültig überwinden wollten, tritt in einer neuen, bisher unbekannten Gestalt auf: mit einem Versprechen, das er gar nicht halten kann, dem der Rundumsicherheit“ (NZZ 16.12.2020).

Der Philosoph Michael Andrick sah in den verfügten Grundrechtseinschränkungen „genau besehen Willkür“. Wenn nur noch 45 Prozent der Deutschen frei und ohne besondere Vorsicht ihre politische Meinung zu äußern, dann „entsteht der falsche Eindruck weitestgehender Einigkeit darüber, was in der Sache gerade passiert (eine schlimme Pandemie) und wie das zu bewerten ist (Notlage gebietet Gehorsam). Diese diskursoptische Täuschung verleitet Politiker und manche Intellektuelle, sich als Sprecher der angeblichen „Mehrheit der Vernünftigen“ zu gerieren und gegen die angebliche Minderheit der ‚fragwürdigen‘ oder ‚umstrittenen Abweichler‘ Stimmung zu machen. Diese Diskriminierung offenbart undemokratischen Geist. Sie trifft naturgemäß meist diejenigen, die sich ungeachtet der Mehrheitsmeinung ‚ihres Verstandes ohne die Leitung eines anderen bedienen‘ (I. Kant). Die ‚Einschüchterung der Intelligenz‚( S. Freud), des selbstständigen Denkens, wird so offizielle Politik. Jeder weiß jetzt: Zweifle ich an, was meistens zu lesen und zu hören ist, dann droht mir Ausgrenzung… Können wir uns den Verlust dieser wahren demokratischen Elite leisten?“ (BZ 24.8.2021).

Andreas Rosenfelder stellte in der WELT die Fragen: „Wollen wir uns daran gewöhnen, dass fundamentale Freiheitsrechte immer nur dann gelten, wenn bestimmte Verdopplungszeiten, Reproduktionsfaktoren oder Sieben-Tage-Inzidenzen nicht unter- oder überschritten werden? … Wie lange kann eine Demokratie demokratische Rechte aussetzen, ohne ihren Charakter als Demokratie zu verlieren? Wollen wir uns mit einer rudimentären Notausgabe der Gesellschaft anfreunden, solange das Coronavirus im Umlauf ist – und folglich, das wäre nur konsequent, auch dann, wenn uns künftig vergleichbare Viren begegnen?“ (WELT 19.10.2020, mit Bezahlschranke).

„Totalitäre Herrschaft wird nicht offiziell ausgerufen. Sie schleicht sich ein. Ihre Mittel sind Verwirrung der Sprache, Unklarheit über Zuständigkeiten, Isolierung und Entzweiung von Menschen, die Erzeugung von Angst… Macht wird heute nicht einfach ergriffen, sie wird Stück für Stück übergeben, quasi freiwillig. Und zwar von uns, von jedem Einzelnen“, schrieb der ehemalige NZZ-Kolumnist Milosz Matuschek (Matuschek 25.10.2020).

Der Psychologe Mattias Desmet sprach in einem Interview über naiven Wissenschaftsglauben, Angst und die Entstehung totalitärer Systeme: „Der Totalitarismus ist so sehr auf totale Kontrolle ausgerichtet, dass er automatisch Misstrauen in der Bevölkerung erzeugt und die Menschen dazu bringt, sich gegenseitig zu bespitzeln und zu denunzieren. Die Menschen trauen sich nicht mehr, ihre Stimme gegen die Mehrheit zu erheben, und können sich aufgrund der Beschränkungen nicht mehr so gut organisieren. Es ist nicht schwer, solche Phänomene in der heutigen Situation zu erkennen, zusätzlich zu vielen anderen Merkmalen des entstehenden Totalitarismus… Die Blindheit, die die gesellschaftliche Konditionierung und Totalitarisierung mit sich bringt, wird denen die Schuld geben, die nicht mitmachen und/oder sich weigern, sich impfen zu lassen. Sie werden als Sündenböcke herhalten müssen. Es wird versucht werden, sie zum Schweigen zu bringen. Und wenn das gelingt, kommt der gefürchtete Wendepunkt im Prozess der Totalitarisierung: Erst wenn er die Opposition vollständig ausgeschaltet hat, zeigt der totalitäre Staat seine aggressivste Form. Er wird dann – um es mit Hannah Arendt zu sagen – zu einem Monster, das seine eigenen Kinder frisst. Mit anderen Worten: Das Schlimmste steht uns vielleicht noch bevor“ (Barucker 3.8.2021).

Der Philosoph Michael Esfeld berief sich in seiner Kritik am Pandemie-Management auf Karl Popper: „Popper gemäss sind die intellektuellen Feinde der offenen Gesellschaft diejenigen, die für sich reklamieren, das Wissen um ein gemeinschaftliches Gut zu haben; aufgrund dieses Wissens nehmen sie in Anspruch, die Gesellschaft im Hinblick auf das Gute steuern zu können… Um jeden wirkungsvoll vor Gewalt zu schützen, müsste von jedem zu jeder Zeit der Aufenthaltsort nachweisbar sein; um die Gesundheit von jedem wirkungsvoll vor Ansteckung durch Viren zu schützen, müssten von jedem zu jeder Zeit die physischen Kontakte kontrollierbar sein. Die Kontrolle kann durch staatliche oder private Stellen erfolgen; das ist letztlich irrelevant. Der Punkt ist der Totalitarismus der allumfassenden Kontrolle, in den auch liberal angelegte Staats- und Gesellschaftsordnungen abgleiten können, wenn man es zulässt, Externalitäten so willkürlich zu definieren, dass am Ende jeder mit all seinem Handeln unter dem Generalverdacht steht, andere zu schädigen. Dagegen kann man nur mit einem substanziellen Menschenbild angehen, das auf Freiheit, Menschenwürde und Grundrechten basiert, die bedingungslos gelten. Das ist das Fundament der offenen Gesellschaft im Sinne Poppers.“ (NZZ 1.4.2021).

In einem weiteren Aufsatz schrieb Michael Esfeld: „Wissenschaft als politisches Programm wird in der Fachsprache als „Szientismus“ bezeichnet und führt, politisch umgesetzt, zum Kollektivismus (…), weil eine wissenschaftliche Vorgabe für das allgemein Gute und seine Umsetzung über die Würde und die Rechte der einzelnen Menschen und ihrer sozialen Gemeinschaften wie der Familien gestellt wird. Seine Umsetzung läuft auf einen Totalitarismus hinaus, der in eine Gewaltherrschaft mündet. (…) Während Aufklärung gemäß Kant ‚der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit‘ ist, erleben wir zurzeit eine durch Wissenschaft, Politik und Medien geleitete Entmündigung der Menschen. Man suggeriert, dass die Menschen Vernunft gar nicht selbst einsetzen können, weil sie die Verantwortung nicht tragen können, die mit Selbstbestimmung verbunden ist. (…) Der zertifizierte Mensch tritt an die Stelle des mündigen Bürgers. (…) Die technokratische Steuerung der Gesellschaft in der Corona-Krise weist erschreckende Parallelen mit früheren Totalitarismen auf: Man beruft sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse, aus denen sich angeblich politische Handlungsanweisungen ergeben, die über den Grundrechten stehen. (…) Die Rückkehr zum Einsatz von Vernunft – und damit das Fortschreiten auf dem Weg der Moderne – ist intellektuell einfach: Es erfordert nicht mehr als den Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Das dazu benötigte Wissen ist kein Expertenwissen, sondern Allgemeingut. Dabei geht es nicht um die Freiheit als solche selbst. Es geht darum, dass der republikanische Rechtsstaat auf der Basis der Anerkennung der Grundrechte aller am besten geeignet ist, die Lebensgrundlagen der Menschen zu sichern“ (Esfeld 9.2.2022).

Es drohte die Gefahr einer Technokratie, in der handverlesene Experten Verordnungen („virologischer Imperativ“) diktierten und den Menschen die Würde nshmen. Gunnar Kaiser mahnte: So groß kann eine Gefahr gar nicht sein, dass wir alle unsere Freiheiten dafür aufgeben sollen“ (Kaiser 13.7.2020).

In Österreich startete im Oktober 2020 ein Volksbegehren gegen die Coronapolitik der Regierung (MeinBezirk 8.10.2020).

 

Die Corona-Warn-App

Mitte Juni 2020 startete in Deutschland die „Corona-Warn-App“. Download und Nutzung warfen freiwillig. Es war jedoch zu befürchten, dass bei ungenügender Akzeptanz eine Pflichtbeteiligung kommen würde – so wie von der Bremer CDU Ende Oktober gefordert (BuB 31.10.2020) – oder eine Bevorzugung im öffentlichen Raum von denjenigen Personen, die eine solche App auf ihrem Smartphone installiert haben (Prantl 11.6.2020).

Auch Firmen kamen auf die Idee , ihre Mitarbeiter oder Kunden zur Nutzung der Corona-App zu verpflichten (Schwenke 17.6.2020). Was fehlte, war eine gesetzliche Grundlage, durch die die Freiwilligkeit der Corona-App garantiert wird (NZZ 16.6.2020).

Ein grundsätzliches und unlösbares Problem stellte die Wirksamkeit der Warn-App in Frage: Sie warnte auch vor Personen, deren Test falschen Alarm gab oder positiv ausfiel, weil sie inaktive Virusreste im Rachen hatten. Und sie warnt eselbstverständlich nicht vor Infizierten, die nicht oder falsch negativ getestet waren.

IT-Experten mehrerer deutscher Universitäten entdeckten bei der Warn-App Sicherheitslücken, durch die sich sensible persönliche Daten einsehen und verändern lassen (FAZ 13.6.2020). Auch für eine Gruppe prominenter Gesundheitsexperten warf die Corona-Warn-App „beunruhigende Fragen“ auf: „Anonymität, Standortbestimmung, Freiwilligkeit, Verhaltensmodifikation, Wirksamkeit und Effizienz – zu allen diesen Aspekten (und weiteren) sind erhebliche Zweifel angebracht“ (Schrappe 29.06.2020). Beim Stichwort Verhaltensmodifikation zählten die Autoren auf: den Zwang zur Registrierung bei Apple bzw. Google, zum Nicht-Ausschalten des Smartphones sowie zur anhaltenden Aktivierung von Kamera, Bluetooth und (Android) Standortfunktionen.

Die NGO digitalcourage und die Ärzteorganisation MEZIS (MEZIS 24.6.2020) rieten von der Nutzung der App ab wegen Sicherheitslücken, unzureichendem Patientendatenschutz und fehlendem Begleitgesetz. Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow konstatierte ein „Organisationsversagen, was zu einem Datenschutzverstoß führt und damit zu einem weiteren Vertrauensverlust“. Viele positiv Getestete hätten die Hotline des RKI anrufen und ihren Namen und die Telefonnummer durchgeben müssen, damit das Ergebnis in der App hätte berücksichtigt werden können (ZEIT online 5.8.2020).

Wegen Sicherheitsbedenken und technischen Probleme der App blieb die Beteiligung weit unter den Erwartungen. Die Effektivität war noch Monate nach der Einführung unklar. Amtsärzte sahen nur einen sehr geringen Nutzen des gitialen Kontaktttracings, was durch Untersuchungen in Australien bestätigt wurde (Tagesschau 24.9.2020, Vogt 4.2.2022). Im Grunde war die Warn-App ein sündteurer Fehlschlag. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber erteilte der verpflichtenden Nutzung eine deutliche Absage (Handelsblatt 29.10.2020, BuB 29.10.2020, RP 20.11.2020).

Ein aufsteigender, aber auch schnell wieder sinkender Stern am App-Himmel war die Luca-App. Sicherheit, Anonymität und Datenschutz waren bei dieser App laut einer Überprüfung durch wissenschaftlichen Experten der Universitäten Lausanne und Radboud (Niederlande) zufolge nicht garantiert. Der CCC Freiburg fand sogar Lücken, die den Massenversand von SMS via Luca möglich machen (heise 7.4.2021, rbb24 14.4.2021). Auch die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk hält einen Missbrauch der App für möglich (Tagesspiegel 17.8.2021). Die Polizei nutzte in über 100 bekannten Fällen Daten aus der Luca-App und aus Gastro-Kontatlisten für Ermittlungen (SPIEGEL 20.1.2022).

Die Luca-App fiel weiter auf durch falsche Check-Ins, und die Gesundheitsämter befürchteten eine Überlastung durch stark steigende Nachverfolgungszahlen (tagesschau 7.4.2021). Die Erfolgsbilanz von Luca: Bis August 2021 forderten die bundesdeutschen Gesundheitsämter in 130 Fällen Luca-Daten von Restaurants, Friseuren oder ähnlichen Stellen an, rund 60-mal hätten die Daten geholfen, Infektionsketten zu verfolgen – Kostenpunkt: über 20 Millionen Euro (WELT 15.8.2021). Anfang 2022 war die Luca-App „technologisch tot“ (heise 28.12.2021, WELT 22.1.2022). Die Betreiber konnten allerdings einen riesigen Bestand personenbezogener Daten anhäufen, die nun für neues Geschäftsmodell, ein „Gastro-Tool“ genutzt werden sollen (WUV 12.4.2022)

Die Warn-App in Großbritannien brachte im Sommer 2021 1,7 Millionen Menschen in Quarantäne, mit schweren wirtschaftlichen Folgen bis hin zu leeren Supermarktregalen (Kurier 23.7.2021).

Die digitale Registrierung der Bevölkerung in einer App eröffnet Machthabern noch ganz andere Möglichkeiten: In China wird die Corona-App zweckentfremdet zur politischen Kontrolle der Bevölkerung. Bei „rotem Code“ wird man vom öffentlichen Leben ausgesperrt (tagesschau 17.7.2022).

In Deutschland wollte Karl Lauterbach eine Corona-Warn-App für Zugangsberechtigungen je nach Impfstatus einsetzen: „Dass ‚frisch geimpft‘ nicht kontrolliert werden kann, ist auch falsch, auf der CWA (Corona-Warn-App, Anm. d. Red.) ist eine andere Farbe des Zertifikats vorgesehen. Einfacher als früher 2G+“ (BZ 10.8.2022, MIGO 9.8.2022). Lauterbach erklärte das nochmal auf der Bundespressekonferenz am 12.8.2022 (Tomdabassman 12.8.2022). Das Gesundheitsministerium hatte vor, die App als „Baustein der digitalen Kontaktnachverfolgung weiter auszubauen und zusätzliche Funktionalitäten“ zu integrieren. Die zu erwartenden Kosten würden sich bis Ende 2022 auf bis zu 70 Millionen Euro belaufen  (WELT 20.8.2022). Im Januar 2023 kündigte Lauterbach an, die Anwendung auszubauen „zu einer allgemeinen App, die also auch mehr als die Corona-Funktionalitäten vorsieht“, was zu zusätzlichen Kosten von Zusatzkosten von 23 Millionen Euro bis Mai 2023 und zu Gesamtkosten von mehr als 220 Millionen Euro führt (BILD 11.1.2023).

In China hatte sich eine derartige App-Überwachung schon zu voller Blüte entwickelt (behindthematrix 9.8.2022). Im November 202 einigten sich die G20-Staaten darauf, Impfzertifikate zur „Erleichterung des nahtlosen internationalen Reisens“ nach dem Modell der COVID-19-Impfzertifikate zu entwickeln – nach Jessica Hamed ein Beispiel für die Verstetigung von Kontrollmaßnahmen (Hamed 18.11.2022).

Auch nach Auslaufen von Test- und Maskenpflichten im April 2023 blieben weitere Verordnungen im Infektionsschutzgesetz bestehen, etwa die namentliche Meldepflicht (§6 und §7 IfSG), die „epidemische Lage nationaler Tragweite“ (§28a) und die Verordnungsermächtigung für besondere Regelungen für Geimpfte/Getestete, also 2G/3G (§28c) (p3likan 14.2.2023). Auch die Impfpflicht bei der Bundeswehr blieb bestehen.

Sebastian Lucenti wies in der Fachzeitschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) auf die Gefahr dieser Verstetigungen hin. Eine Vielzahl von gesetzlichen Bestimmungen hielten bei einer umfassenden Sachverhaltsauswertung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand. Das Infektionsschutzgesetz sei daher evidenzbasiert zu reformieren. Es bedürfe objektivierbarer messbarer Kennzahlen und klar definierter evidenzbasierter Kriterien für die Bestimmung einer medizinischen Notlage von nationaler Tragweite und gestufter Schutzmaßnahmen. Den weisungsgebundenen Behörden RKI und PEI müsse die ihnen zugewiesene alleinige Datenerhebungs- und Datendeutungshoheit entzogen werden (Lucenti 10.3.2023).

Wie kann es weitergehen?

Die Ereignisse der Jahre 2020 bis 2022 waren ein tiefer Schock für alle Menschen, die ein „Freiheits-Gen“ in sich tragen. Sie zeigten uns die Fragilität unserer Gesellschaft und die dünne Decke der Zivilisation, die jederzeit durch gezielte und systematische Propaganda weggefegt werden kann.

Wir brauchen unbedingt Politiker, die sich auch in künftigen Krisen kompromisslos für Bürgerrechte einsetzen, und Menschen, die dafür auf die Straßen gehen.

Wir brauchen Juristen, Ärzte, Wissenschaftler und Journalisten, die ihre kritischen Stimmen erheben trotz der Gefahr, diffamiert zu werden. „Die Rolle von Wissenschaft darf nicht die der Staatsreligion in vor-aufklärerischer Zeit sein:

Es gibt kein Wissen, mit dem sich eine Planung der Gesellschaft rechtfertigen ließe, die sich über die Freiheit der Individuen hinwegsetzt.“ (Esfeld Dez. 2020).

Wer mehr wissen will:

Mein Kollege, der Kinder- und Jugendarzt Steffen Rabe führt einen X-Account (https://twitter.com/Impf_Info) zur COVID-19-Impfung sowie anderen Impfthemen.

Immer wieder aktuelle Beiträge findet man in den X-Accounts von Ulrike Guérot, Jessica Hamed, Tim Röhn, Vinay Prasad, Maryanne Demasi etc. etc.

*Die Politologin Ulrike Guérot hat ein äußerst lesenswertes Buch geschrieben über den Zustand unserer Gesellschaft nach Corona, über die Gefahren des Paradigmenwechsels weg von der Freiheit hin zur Sicherheit, und über Visionen und Hoffnung auf Erneuerung: Wer schweigt, stimmt zu.

*Filme:

*Im Interview-Film von Jens-Tibor HommCorona Kinder – „Jetzt reden wir!kommen Kinder, Jugendliche und Eltern zu Wort. Sie erzählen über ihre Probleme in der Corona Zeit. Unterstützen Sie die Produktion mit einer Streaming-Spende.

*allesaufdentisch: Bei der Nachfolge-Aktion von allesdichtmachen interviewten Schauspieler Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zu Aspekten der Coronakrise. Vielleicht finden Sie auch mich darunter.

*Der FilmEine andere Freiheitvon Patricia Josefine Marchart und Georg Sabransky setzt sich kritisch mit der Kinderimpfung auseinander (Sie finden mich darin mit meinen Enkelkindern….).

*Die Dokumentation Coronafilm stammt vom österreichischen Medizinjournalisten Bert Ehgartner. Ihr wurde sogar die Ehre zuteil, von vimeo gelöscht zu werden.

*Out to seeist ein ausgezeichneter Interview-Film mit dem Epidemiologen John Ioannidis, gedreht von Patrizia Marchart, Georg Sabransky & Despina Contopoulos-Ioannidis), auf youtube mit deutschen Untertiteln. Er handelt von den Unsicherheiten in der Wissenschaft, den Fehlern der Politik und von dem, worum es eigentlich geht: Um eine menschlichere Welt und eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder.

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